Die freiwillige Vereinbarung über Naturschutz an der Untereider - Beispiel für das ganze Land?

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Transkript:

Die freiwillige Vereinbarung über Naturschutz an der Untereider - Beispiel für das ganze Land? Julia Jacobsen Sigrid Puck- Nebendahl Reinhard Schmidt-Moser Anlass Das Ministerium für Umwelt, Natur und Forsten (MUNF) sowie das Landesamt für Natur und Umwelt (LANU) beabsichtigten, den eingedeichten Verlauf der Untereider zwischen der Schleuse Nordfeld und Tönning mit seinen Vorland-, Watt- und Wasserflächen als Naturschutzgebiet auszuweisen. Eigentümer der Vorlandflächen auf Dithmarscher Seite der Eider ist der Deich- und Hauptsielverband Dithmarschen. Er ist Dachverband aller 55 Wasserund Bodenverbände im Kreis Dithmarschen an der Westküste Schleswig- Holsteins mit einem Verbandsgebiet von rund 140.000 Hektar. Der Deich- und Hauptsielverband Dithmarschen schlug dem MUNF vor, auf eine Ausweisung als Naturschutzgebiet zu verzichten und stattdessen eine freiwillige Vereinbarung zum Schutz der Dithmarscher Vorlandflächen abzuschließen. Das MUNF nahm das Angebot an und beauftragte das LANU damit, die Verhandlungen zu führen. Im Juni 1999 wurde dann der Vertrag von Umweltminister Rainder Steenblock und dem Vorsitzenden des Deich- und Hauptsielverbandes Dithmarschen Hans-Adolf Boie im Eidervorland unterzeichnet. Mit dieser Vorgehensweise zum Schutz und zur Entwicklung eines wertvollen Lebensraumes wurde sowohl von Seiten des Landes als auch des Deich- und Hauptsielverbandes Neuland beschritten. Gebietscharakteristik Die Untereider mit ihren Vorländereien zwischen Nordfeld und Tönning ist ein ökologisch wichtiges und sehr seltenes Übergangsgebiet zwischen tideabhängigen, salz- und süßwasserbeeinflussten Flussmarschen und Flusswatten mit unterschiedlichen Watt- und Uferbereichen, natürlichen Prielen, Tideröhrichten, Überschwemmungsflächen und Feuchtgrünländereien. In Abhängigkeit vom Salzgehalt des Flusswassers finden sich hier natürliche Übergänge zwischen Salz- und Süßwasservegetation. Vor allem die Brack- und Salzwasserröhrichte sind nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern in der gesamten Bundesrepublik selten und kommen in dieser Form nur noch in den Überstautes Grünland im Eidervorland 23

Die freiwillige Vereinbarung über Naturschutz an der Untereider wird vorgestellt. Flussmündungen von Eider, Elbe, Weser und Ems vor. Der Tideeinfluss ist in der Untereider zwar noch deutlich vorhanden, wird aber durch die Wirkung des Sperrwerks stark nivelliert. Zoologisch bedeutsam sind die Wasser-, Watt- und Vorlandflächen als Brut-, Nahrungs-, Mauser- und Rastplatz für eine Vielzahl seltener Wiesen-, Wat- und Wasservogelarten sowie für Röhrichtbrüter. Die dominanten Brutvogelarten sind Austernfischer, Rotschenkel, Kiebitz und Wiesenpieper in den Grünlandflächen sowie Teichrohrsänger und Rohrammer in den Röhrichten. Als besondere Arten des Grünlandes sind noch die Uferschnepfe und die Feldlerche zu nennen, die relativ hohe Dichten aufweisen. Im Röhricht brüten gefährdete Arten, wie Weißsterniges Blaukehlchen, Schilfrohrsänger, Bartmeise, Wasserralle, Tüpfelralle und Große Rohrdommel, wobei die vier letztgenannten nur im Bereich der Schleuse Nordfeld vorkommen. Die Gräben werden von Stock-, Krick-, Löffel-, Knäk-, Schnatterund Reiherente besiedelt. Von den nachgewiesenen Brutvogelarten sind rund ein Drittel in Schleswig-Holstein in ihrem Bestand gefährdet. Herausragende Bedeutung hat das gesamte Eidervorland zwischen Tönning und Nordfeld und somit auch das Dithmarscher Eidervorland auch als Nahrungs- und Rastgebiet für durchziehende Vogelarten. Es stellt eine Verbindung zwischen dem Wattenmeer, der Eidermündung und dem Binnenland dar. Es ist anzunehmen, dass bestimmte Rastvogelarten entlang der Tideeider weiter ins Binnenland gelangen. Vor allem Gänse- und Entenarten sowie Watvögel nutzen die Wasserfläche der Eider zur Rast, die Grünlandflächen, Uferbereiche und Schlickwatten zur Nahrungssuche und als Ruhezone. Für Nonnengänse ist es ein Rastgebiet von internationaler Bedeutung. Nationale Bedeutung hat es für rastende Graugänse, Pfeif-, Krick- und Spießenten. Beachtlich sind auch die Rastbestände von Stockente und Gänsesäger. Insgesamt wurden mehr als dreißig verschiedene Rastvogelarten ermittelt. Inhalt der freiwilligen Vereinbarung Gegenstand der freiwilligen Vereinbarung ist das Dithmarscher Eidervorland zwischen Nordfeld und Tönning, ein rund 18 Kilometer langer und bis zu 700 Meter breiter beweideter Grünlandstreifen zwischen dem Deich und dem Flußlauf der Eider. Ziel der Vereinbarung ist es, den naturnahen Zustand der Vorlandflächen langfristig zu bewahren und zu verbessern. In vielen Gesprächsrunden mit konstruktiver Atmosphäre einigte man sich auf einen speziell auf die Flächen und die besonderen Verhältnisse im Dithmarscher Eidervorland zugeschnittenen Vertrag, dessen wesentliche Punkte hier kurz aufgeführt sind: 24

Umweltminister Rainder Steenblock und der Vorsitzende des Deich- und Hauptsielverbandes Dithmarschen Hans-Adolf Boie nach der Unterzeichnung der Vereinbarung. Auf Teilflächen werden die Wasserstände angehoben, um flach überstaute Blänken zu schaffen, die für Wat- und Wasservögel als Brut-, Nahrungs- und Rastgebiet bedeutend sind. Bestimmte Uferabschnitte werden aus der Beweidung entlassen, damit sich hier Tideröhrichte entwickeln können. Für einen Großteil des Grünlands wurden je nach dem Schutzziel der Fläche bestimmte Obergrenzen der Beweidungsdichte und ein Verzicht auf Bodenbearbeitung während der Brutzeit vereinbart. Ein Großteil des Grünlands wird nicht gedüngt und es werden dort keine Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Die Flächen werden nicht umgebrochen, auch nicht zur Verbesserung der Grasnarbe. In neu abzuschließenden Jagdpachtverträgen soll vereinbart werden, daß die Jagd auf Wasservögel nicht vor dem 1. November beginnt. Der Hochwasserschutz sowie die Unterhaltung der wasserwirtschaftlichen Anlagen sind weiterhin im vollen Umfang gewährleistet. Etwas länger dauerte die Einigung über die Aufteilung der finanziellen Lasten aus dieser Vereinbarung. Aber auch hier konnte letztlich eine sinnvolle Teilung der Kosten erreicht werden. Der Vertrag hat eine Laufzeit von 20 Jahren. Da die wesentlichen Schutzziele mit dieser Vereinbarung erreicht wurden, hat sich das Land dazu verpflichtet, für die Laufzeit des Vertrages das Gebiet nicht als Naturschutzgebiet auszuweisen. Im einvernehmlichen Schutz- und Entwicklungskonzept sind die Maßnahmen zur Verbesserung der ökologischen Situation für die einzelnen Flächen parzellenscharf festgelegt. Ausblick - oder: Ersetzt die freiwillige Vereinbarung das herkömmliche Naturschutzgebiet? Das öffentliche Echo auf die pressewirksame Vertragsunterzeichnung war positiv. Der Deich- und Hauptsielverband wie auch das Land sind mit dem Vertrag zufrieden. Ist es also an der Zeit, das ungeliebte Instrument Ausweisung von Naturschutzgebieten über Bord zu werfen? Löst die moderne freiwillige Vereinbarung das Ordnungsrecht ab? Nicht nur die Vertreter des Grundbesitzes sagen uneingeschränkt Ja auf diese Frage, auch im behördlichen Naturschutz mehren sich die Stimmen, die eher einem Ja zuneigen. Zur Beantwortung dieser Frage ist es hilfreich, freiwillige Vereinbarungen wie auch Naturschutzgebiete als Instrumente oder Werkzeuge zur Erreichung eines zu definierenden Zweckes zu betrachten. Die beiden Werkzeuge können, wie alle Werkzeuge, nur ganz bestimmte Aufgaben erledigen. Für andere Aufgaben sind sie ungeeignet. Es muss also über den Einsatzbereich der beiden Instrumente Klarheit herrschen. Bevor über das geeignete Werkzeug zu entscheiden ist, muss das eigentliche Ziel definiert werden, je präziser desto besser. Was will der Naturschutz auf einer bestimmten Fläche? 25

Was leisten die beiden Werkzeuge? Die Akzeptanz ist bei der freiwilligen Vereinbarung wie beschrieben groß. Die Ausweisung als Naturschutzgebiet wird dagegen in einigen Fällen insbesondere von den Betroffenen abgelehnt, da notwendige Einschränkungen auch gegen deren Willen durchgesetzt werden können. Gesamtgesellschaftlich ist eine Akzeptanz für die Ausweisung von Naturschutzgebieten gegeben, zumal wirtschaftlich relevante Interessen der Betroffenen über Entschädigungsleistungen auszugleichen sind. Ist es in einem konkreten Gebiet erforderlich, die landwirtschaftliche Nutzung zu regeln, so kann dies in Verträgen sehr präzise und kleinräumig geschehen. Detaillierte, kleinräumige Regelungen sind nur schwer in einer Naturschutzgebiets- Verordnung herzustellen. Die Jagd kann in Verträgen nur geregelt werden, wenn es sich um einen Eigenjagdbezirk handelt. Nur dann kann der Eigentümer verbindliche Zusagen über die Ausübung der Jagd machen, beispielsweise zur Wasservogeljagd auf Gewässern mit internationaler Bedeutung. Ist der Vertragspartner, was der Normalfall ist, Jagdgenosse in einem großen gemeinschaftlichen Jagdbezirk, kann er zwar versuchen, auf die Jagdgenossenschaft einzuwirken. Er wird jedoch kaum die gesamte Jagdgenossenschaft überzeugen können, zu seinen Gunsten auf bisher ausgeübte Nutzungen freiwillig zu verzichten. In einer Verordnung über ein Naturschutzgebiet regelt dagegen die oberste Jagdbehörde auf Vorschlag der Naturschutzbehörde die Jagd im Naturschutzgebiet und zwar unabhängig von Jagdbezirksgrenzen oder Pachtlaufzeiten. Die Ausübung der Fischerei kann in Verträgen begrenzt geregelt werden. Die Grenzen setzt das Fischereirecht. Die Laufzeit von Pachtverträgen ist zu beachten. In einer Verordnung über ein Naturschutzgebiet kann die Fischerei nach Maßgabe des Schutzzwecks geregelt werden, unabhängig von Eigentums- oder Pachtverhältnissen unter Beachtung des Fischereirechts. Die Art der Forstbewirtschaftung kann in Verträgen unter Beachtung des Forstrechtes vereinbart werden. Realistisch ist dies nur bei einem oder wenigen Eigentümern, die einigungsbereit sind. In einer Verordnung kann die Forstwirtschaft in vollem Umfang geregelt werden. Wassersportliche Aktivitäten lassen sich in Verträgen dann regeln, wenn es sich um einen oder wenige einigungsbereite Eigentümer handelt und sofern nicht Gemeingebrauch vorliegt. Das heißt, das Recht, auch privateigene Seen auf direktem Wege zu durchfahren. In einer Verordnung über ein Naturschutzgebiet kann auch der Gemeingebrauch eingeschränkt werden. Eine Befahrensregelung für Bundeswasserstraßen ist der Naturschutzgebiets-Verordnung jedoch nicht zugänglich. Sie liegt ausschließlich in der Regelungsbefugnis des Bundesverkehrsministers. Maßnahmen zur Verbesserung der ökologischen Situation, wie zum Beispiel die Anhebung der Wasserstände, lassen sich im Rahmen freiwilliger Vereinbarungen gemeinsam mit den Eigentümern unproblematischer durchführen als bei der ordnungsrechtlichen Umsetzung. Für Naturschutzzwecke ausreichende Vereinbarungen werden mit steigender Zahl von Eigentümern und damit Vertragspartnern eher unwahrscheinlich. Sobald es sich um mehr als einen Eigentümer handelt, steigt der Verhandlungsaufwand stark an, während im gleichen Maße die Wahrscheinlichkeit einer hinreichenden Lösung stark sinkt. Eine Lösung könnte der Zusammenschluss mehrerer Eigentümer zu einer juristischen Person sein. Naturschutzgebiete können im Gegensatz dazu unabhängig von der Zahl der Eigentümer ausgewiesen werden. Eine Wirkung auf Dritte entfaltet ein bilateraler Vertrag nicht. Träger von Eingriffsvorhaben, beispielsweise der Bau von Verkehrswegen, müssen den Vertrag nicht beachten. Eine Verordnung über ein Naturschutzgebiet richtet sich dagegen an alle natürlichen und juristischen Personen. Sie verlangt die Einhaltung der in der Verordnung enthaltenen Spielregeln von jedermann. Sie ist auch von Behörden bei Eingriffsvorhaben zu beachten. Im Rahmen etwa einer Planfeststellung unterliegen die Verbote einer Naturschutzgebiets-Verordnung allerdings der Abwägung. Die Existenz eines Naturschutzgebietes bedeutet für Planer immerhin einen hohen Raumwiderstand. Bei Verletzung des Vertrages sind die gegebenenfalls vereinbarten Konventional- 26

strafen fällig. Jeder Vertragspartner muss selbst auf die Einhaltung des Vertrages durch die Gegenseite achten. Bei einer Kündigung des Vertrages aufgrund wiederholter Vertragsverletzungen wird nicht nur die anteilige Rückzahlung des finanziellen Ausgleichs fällig, sondern darüber hinaus kann das Land die Fläche wieder als Naturschutzgebiet ausweisen. Die Verletzung der Vorschriften einer Verordnung ist eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld geahndet werden kann. Die Einhaltung der Vorschriften haben insbesondere die Ordnungsbehörden zu überwachen. Gegenstand einer freiwilligen Vereinbarung ist in der Regel auch ein finanzieller Ausgleich für wirtschaftliche Erschwernisse, die an den Grundeigentümer gezahlt werden. Für Naturschutzgebietsverordnungen ist die Situation seit 1998 sehr ähnlich geworden: Aufgrund des neuen Paragraphen 3 b des Bundesnaturschutzgesetzes ist beispielweise auch in Naturschutzgebieten für alle über die gute fachliche Praxis hinausgehenden Einschränkungen der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ein finanzieller Ausgleich durch die Länder zu gewähren. Für andere Einschränkungen gilt nach wie vor der Artikel 14 Absatz 2 des Grundgesetzes: Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Verträge haben eine begrenzte Laufzeit. Im ungünstigen Fall können Maßnahmen oder Entwicklungen, die sich während der Laufzeit des Vertrages eingestellt haben, nach dessen Ablauf rückgängig gemacht werden. Verordnungen über Naturschutzgebiete sind im Gegensatz dazu unbefristet. Ist die Säge besser als die Zange? Die Frage danach, welches Instrument des Flächenschutzes nun besser oder moderner ist oder ob eines das andere ersetzen solle, geht genauso in die Leere wie die Frage, welches Handwerkszeug moderner oder besser ist. Das Ziel des Naturschutzes am konkreten Objekt muß klar definiert sein. Erst danach kann entschieden werden, ob ein Vertrag oder eine Verordnung das geeignete Mittel zur Erreichung des Ziels ist. Einige Entscheidungshilfen lassen sich bestimmen Die Voraussetzungen für einen Vertrag sind günstig, wenn es sich möglichst nur um einen Vertragspartner handelt. Dies kann eine natürliche aber auch eine juristische Person sein. Mehrere natürliche Personen sollten sich zu einer juristischen Person zusammenschliessen. Es sollten aus Sicht des Naturschutzes nur wenige Bereiche wie Land-, Forst-, Fischereiwirtschaft, Jagd, Wassersport regelungsbedürftig sein. Unverzichtbar ist natürlich die Bereitschaft des Eigentümers für einen Vertrag. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, deutet alles darauf hin, dass die Ausweisung eines Naturschutzgebietes das angemessenere Mittel ist. An der Untereider lagen die Voraussetzungen vor: Ein verhandlungsbereiter Eigentümer, mit dem eine Einigung über die Bewirtschaftung der Grünlandflächen und die Durchführung biotopgestaltender Maßnahmen erzielt werden konnte. 27