Krystyna Kuhn M ä r c h e n m o r d
Ginas Mutter schaute verständnislos.»weißt du, wer das ist?weiß doch jeder. Chuck Taylor. Amerikanischer Basketballspieler. Er hat die Schuhe erfunden.oui, oui... Chucks.«Der Junge schnippte in der Luft mit den Fingern und bedeutete ihnen mit einer Geste, ihm zu folgen.»lass uns hochgehen«, drängelte Gina.»Nein, lass ihn doch deine Schuhe sauber machen. Sicher unterstützt er so seine Familie.Sicher ist er ein Betrüger.Komm, setz dich!«sie zog Gina nach vorne.»sei kein Spielverderber!«Mitten auf dem Bürgersteig neben ihrem Hauseingang hatte der Junge seinen Stand, einen ausgedienten alten Rollstuhl, an dessen Rückenlehne ein Holzkasten mit staubigen Bürsten, schmutzigen Lappen und Schuhputzmitteln hing. Daneben stand ein alter CD-Player, aus dem Reggaemusik schepperte. Gina wurde auf den Rollstuhl geschoben, und bevor sie sich wehren konnte, kniete der Junge vor ihr, band die Schnürsenkel auf und Oh, lieber Gott, steht das auch in deinem Plan? zog die Chucks von ihren Füßen. Darunter kamen die
Chucks von ihren Füßen. Darunter kamen die Löcher in der schwarzen Strumpfhose zum Vorschein.»Un petit moment«, rief er, wobei er die Schuhe hochhob, und im nächsten Moment war er mit ihren Chucks im Gemüseladen gegenüber verschwunden. Sie hatte es ja gewusst, ein Betrüger!»Was macht er denn jetzt?«, kicherte ihre Mutter und summte die Reggaemusik mit.»ist er nicht süß? Wäre ich so alt wie du...der sieht ja aus wie Antonio Banderas.Mama, Antonio Banderas ist etwas für Senioren und Reggae für Drogenabhängige. Außerdem ist dir vielleicht aufgefallen, dass er mit meinen Chucks auf und davon ist, was dich natürlich freut, weil Papa sie bezahlt hat«, zischte Gina.»Der lässt doch nicht seine Sachen einfach so hier stehen.vielleicht gehören sie ihm gar nicht!bilde dir doch nicht immer ein, alle Menschen wollten dir nur Böses. Du hast ja schon einen Verfolgungswahn wie dein Vater!Lass Papa aus dem Spiel!Wirklich«, ignorierte ihre Mutter sie,»du siehst in letzter Zeit nur das Böse in der Welt. Aber die
Zeit nur das Böse in der Welt. Aber die Menschen begegnen einem immer so, wie man sich selbst benimmt. Sie halten dir nur den Spiegel vor, mein Schatz. Denk mal darüber nach.bla, bla, bla. Du klingst echt wie der Sauer!«Statt einer Antwort sagte ihre Mutter mit Blick auf die Armbanduhr:»Ich geh schnell rüber zu Monsieur Saïd. Ob er sich wohl noch an mich erinnert?«und schon war auch sie verschwunden. Gina aber saß mitten in Paris in einem Rollstuhl und kam sich vor wie die Klara aus dem Film Heidi. Ihr fehlte nur die weiße Schleife im Haar und Klara hatte mit Sicherheit keine Löcher in den Strumpfhosen. Wenige Minuten später tauchte der Junge wieder vor ihr auf, immer noch dieses Grinsen im Gesicht, als sei es festgewachsen. Die Sohlen der Chucks glitzerten feucht. Jetzt begann er, sie sorgfältig und schnell mit einer Bürste zu bearbeiten.»o. k.!«, strahlte er und sagte dann auf Deutsch:»Fertig, Mademoiselle.«Er kniete sich vor Gina, um ihr die Schuhe überzuziehen.»kann ich selbst«, murmelte sie.»sei doch nicht immer so zickig«, sagte ihre Mutter und überquerte mit einer riesigen
ihre Mutter und überquerte mit einer riesigen grünen Wassermelone unter dem Arm und einer Einkaufstüte, Monsieur Saïd im Schlepptau, die Straße.»Ich bin nicht zickig«, erklärte Gina.»Zickig sind nur Tussis, die in ihrer Rosaphase stecken geblieben sind.darf ich vorstellen«, erklärte ihre Mutter an Monsieur Saïd gewandt,»das ist meine Tochter Gina.Oh! la la! Quelle jolie Demoiselle.«Monsieur Saïd verbeugte sich kurz, lächelte ihr zu und strich sich anschließend über den dicken Schnurrbart, der aussah wie ein Rasierpinsel.»Komm mich besuchen, wenn du dich langweilst.«gina musste zugeben, der Lebensmittelhändler war wirklich putzig im Gegensatz zu diesem Schuhputzer, der nun ihre Chucks mit einem Zeug einsprühte, das stank wie Insektenvernichtungsmittel.»Non«, protestierte sie, doch niemand achtete auf sie. Stattdessen verwickelte ihre Mutter den Jungen auch noch in ein Gespräch.»Wie ist dein Name?Noah.Oh, Noah! Wie viele Tiere hast du denn schon gerettet?«oh Gott, ihre Mutter kicherte! Gina stöhnte laut.»keine.
ihre Mutter kicherte! Gina stöhnte laut.»keine. Ich bin für Schuhe zuständig.woher kommst du?marokko.ich glaube, Gina, meine Tochter, ist ungefähr so alt wie du. Vielleicht könnt ihr Freunde werden.«gina warf ihrer Mutter einen wütenden Blick zu. Was denn? Waren sie im Kindergarten? Machte ihre Mutter auf Völkerverständigung? Sollte sie außer Latein auch noch Arabisch lernen?»salut, Gina.«Noah lächelte. Smile, Smile, Smile. Er wollte sich sowieso nur bei ihrer Mutter einschmeicheln, machte auf Sunnyboy, damit er mehr Trinkgeld kassierte.»salut.«und, hatte sie es nicht gewusst, schon zückte ihre Mutter den Geldbeutel und machte das, genau das, wovor Ginas Vater, der bei einer großen Bank arbeitete, stets warnte. Nie, niemals einem Fremden den eigenen Geldbeutel zeigen! Und schon gar keinem Ausländer. Unter keinen Umständen! Sonst ist er weg! Paris, die Stadt der Taschendiebe. Sie stehlen