Deutscher Bundestag. Ausarbeitung. Untersagung von Videoaufnahmen bei einer Stadtführung. Wissenschaftliche Dienste WD /10

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Transkript:

Deutscher Bundestag Untersagung von Videoaufnahmen bei einer Stadtführung

Seite 2 Untersagung von Videoaufnahmen bei einer Stadtführung Verfasser/in: Aktenzeichen: Abschluss der Arbeit: 19. August 2011 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: en und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin.

Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Widerstreitende verfassungsrechtliche Positionen 4 3. Gesetzliche Regelungen zum Schutz der Rechte der Gästeführerin 6 3.1. Spezielle gesetzliche Regelungen - 22 S. 1 KUG und 97 UrhG 6 3.2. Zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch gemäß 823 und 1004 BGB 6 4. Ergebnis 7

Seite 4 1. Fragestellung Wie ist die Rechtslage, wenn Privatpersonen im Rahmen einer geführten Stadtrundfahrt eine Gästeführerin filmen und/oder den Originalton mitschneiden, obgleich sie sich Film- bzw. Tonaufnahmen ausdrücklich verbeten hat? 2. Widerstreitende verfassungsrechtliche Positionen Bei der Auseinandersetzung über die Zulässigkeit von Videoaufnahmen während einer Stadtführung bilden sich verschiedene verfassungsrechtliche Positionen ab. Zu Gunsten der Gästeführerin streitet zunächst das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner besonderen Ausprägung als Recht an der Darstellung der eigenen Person bzw. dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. 1 Davon wiederum umfasst ist das Recht am eigenen Bild und Wort aus Art. 2 Abs. 1 GG i.v.m. Art. 1 Abs. 1 GG, das durch Film- und Tonaufnahmen beeinträchtigt werden kann. Dieses Grundrecht wurde in richterlicher Rechtsfortbildung entwickelt und findet sich nicht im Wortlaut der Verfassung. 2 Es handelt sich wegen der Nähe zur Menschenwürdegarantie um ein besonders bedeutsames Grundrecht. 3 Überdies kommt Art. 12 Abs. 1 GG in Betracht. Dieser schützt die Berufsfreiheit. Jedoch lässt sich aus den Angaben des Sachverhalts nicht entnehmen, auf welche Weise die Ausübung des Berufs als Gästeführerin beeinträchtigt wird. In Betracht käme, dass die Gästeführerin durch das Aufzeichnen derart irritiert ist, dass sie die Führung nicht mehr durchführen kann oder aber, dass das Bild- und Tonmaterial durch ein Konkurrenzunternehmen verwendet wird. 4 Zudem könnte die Gästeführerin über die Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG geschützt sein. 5 Der verfassungsrechtliche Kunstbegriff ist umstritten. 6 Im Rahmen der Mephisto-Entscheidung konstatierte das Bundesverfassungsgericht, dass das Wesentliche der künstlerischen Betätigung [ ] die freie schöpferische Gestaltung 7 sei. Insbesondere dieses schöpferische Element liegt bei 1 Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), 61. EL, Art. 2, Rn. 193 nennt beide Oberkategorien für das Recht am eigenen Bild. 2 Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), 61. EL, Art. 2, Rn. 127 m.w.n. in der Fn. 16. 3 Id., Rn. 127. 4 Die Herleitung eines Konkurrenzschutzes aus den Grundrechten für das Verhältnis zweier Privater erscheint problematisch, da das Grundgesetz selbst in Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG die Wettbewerbsfreiheit garantiert, vgl. di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), 61. EL, Art. 2, Rn. 116; BVerfGE 32, 311 (317) bzw. BVerwGE 17, 306, (309). 5 Vgl. dazu SG Bremen, Urteil vom 25.3.2010 - S 4 KR 117/08 (=BeckRS 2010, 68754); LSG NRW, Urt. v. 22.6.1995 L 16 Kr 98/94. Beide Urteile behandeln die Aufnahme einer Gästeführerin in die Künstlersozialversicherung und lehnen dies ab. 6 Scholz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), 61. EL, Art. 5 Abs. 3, Rn. 22 ff. 7 BVerfGE 30, 173 (188 f.).

Seite 5 einer einfachen Stadtführung, bei der allein die Geschichte einer Stadt und die Bedeutung einzelner Objekte dargestellt werden, nicht vor. 8 Die Rechte, die der Gästeführerin zu Gebote stehen, gelten jedoch nicht absolut, sondern müssen im Wege der praktischen Konkordanz mit den gegenläufigen Rechtspositionen in einen schonenden Ausgleich gebracht werden. So ist die Rechtsposition desjenigen, der die Filmaufnahmen herstellt, durch die allgemeine Handlungsfreiheit geschützt, Art. 2 Abs. 1 GG. In Betracht kommt zudem die Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG. Danach hat jedermann das Recht sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Bei der Stadtführung erhält der Besucher Informationen durch den jeweiligen Gästeführer. Allein deren Speicherung wird ihm verwehrt. Insoweit erscheint die Informationsfreiheit nicht betroffen, da dem Besucher der Zugang zu den Informationen nicht erschwert wird. Dazu tritt, dass es weitere Möglichkeiten für den Besucher gibt, sich über die Geschichte der Stadt zu informieren, etwa eine erneute Führung oder Literatur. Für die Position der Gästeführerin streiten somit das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.v.m. Art. 1 Abs. 1 GG und unter Umständen die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG, für die Zulässigkeit der Videoaufnahme lediglich die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Da es sich bei der allgemeinen Handlungsfreiheit um ein sog. Auffanggrundrecht handelt, dessen Schutzbereich sehr weit gezogen wird und das in der Folge auch leichter einschränkbar ist, spricht viel dafür, die Rechte der Gästeführerin überwiegen zu lassen. 9 Gegen ein Überwiegen könnte jedoch die sog. Sphärentheorie sprechen. Diese kann für die Frage der Abwägung der widerstreitenden Interessen als besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hinzugezogen werden. 10 Danach werden drei Sphären unterschieden: die Intimsphäre, die Privatsphäre und die Sozialsphäre. 11 Je nach der Zuordnung zu einer Sphäre sind die Anforderungen an die Rechtfertigung weniger streng. Bei Ausübung der beruflichen Tätigkeit auf öffentlichen Plätzen ist die Schutzanforderung im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht am geringsten, da diese Bereiche der Sozialsphäre zuzuordnen sind. 12 Das geringe Schutzniveau im Bereich der Sozialsphäre spricht zunächst für die Zulässigkeit der Bildaufnahmen. Jedoch bedeutet die Zuordnung zu der Sozialsphäre nicht gleichzeitig, dass zu Gunsten der Gästeführerin gar kein Schutz zu gewähren ist. Im Ergebnis dürften die besseren Argumente dafür sprechen, die im Ausgangssachverhalt zutage tretende Kollision grundrechtlich geschützter Positionen zu Gunsten der Gästeführerin zu entscheiden. Auf welche gesetzlichen Grundlagen sich die Untersagung von Videoaufnahmen stützen lässt, soll im Folgenden dargestellt werden. 8 Vgl. dazu LSG NRW, Urt. v. 22.6.1995 L 16 Kr 98/94 unter I. 9 BVerfGE 6, 32, Rn. 13 ff. 10 BVerfGE 27, 344 (350 ff.). 11 Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), 61. EL, Art. 2, Rn. 157 ff.; Sprau, in: Palandt (Begr.), 823, Rn. 86. 12 Sprau, in: Palandt (Begr.), 823, Rn. 86.

Seite 6 3. Gesetzliche Regelungen zum Schutz der Rechte der Gästeführerin In Betracht kommt, dass der Gesetzgeber bereits durch die Schaffung einer speziellen Regelung den Konflikt der widerstreitenden Positionen in Ausgleich gebracht hat (Punkt 3.1) oder der Ausgleich im Rahmen der allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften (Punkt 3.2) stattfindet. 3.1. Spezielle gesetzliche Regelungen - 22 S. 1 KUG und 97 UrhG Als spezielle gesetzliche Regelung zum Schutz des eigenen Bildes kommt zunächst das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KUG) in Betracht. 13 22 S.1 KUG bestimmt: Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Von dem Begriff der Bildnisse sind grundsätzlich auch Filmaufnahmen erfasst. 14 Jedoch ist das einfache Anfertigen eines solchen Bildnisses keine Handlungsform i.s.d. Vorschrift. 15 Daher lässt sich die Herstellung von Videoaufnahmen nicht unter die Norm subsumieren. Daneben ließe sich 97 Urheberrechtsgesetz (UrhG) 16 heranziehen, der in Absatz 1 bestimmt: Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Zur Begründung des Anspruchs könnte angeführt werden, dass der Mitschnitt des Vortrags der Gästeführerin gegen deren Willen eine unerlaubte Vervielfältigung im Sinne des 16 UrhG darstelle. Der Schutz des Urheberrechts kann jedoch nur greifen, wenn es sich beim Vortrag der Gästeführerin im Rahmen der Stadtrundfahrt um ein schutzfähiges Werk im Sinne des 2 UrhG handelt. Allerdings ist im Regelfall nicht davon auszugehen, dass der Vortrag von Gästeführern den dafür erforderlichen schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad aufweist bzw. dessen Inhalt überhaupt eine Neuheit darstellt. 17 Vor diesem Hintergrund dürfte auch 97 UrhG keine Anwendung findet. Weitere spezielle gesetzliche Regelungen sind nicht ersichtlich. 3.2. Zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch gemäß 823 und 1004 BGB Aus Art. 1 Abs. 3 GG folgt, dass allein die staatliche Gewalt unmittelbar an die Grundrechte gebunden ist. Da es sich im Ausgangssachverhalt jedoch um einen Konflikt zwischen zwei Privat- 13 Gesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte vom 9.1.1907, RGBl. S. 7; mit Wirkung vom 1.1.1966 aufgehoben durch 141 Nr. 5 UrhG vom 9.9.1965, BGBl. I S. 1273, soweit es nicht den Schutz von Bildnissen betraf; zuletzt geändert durch Art. 3 31 Gesetz vom 16.2.2001, BGBl. I S. 266. 14 Dreier, in: Dreier/Schulze (Hrsg.), UrhG, 3. Auflage 2008, 22, Rn. 1. 15 Id., Rn. 12. 16 Gesetz vom 09.09.1965 (BGBl. I S. 1273) zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 7.7.2008 (BGBl. I S. 1191). 17 Ahlberg, in: Möhring/Nicolini (Hrsg.), Urheberrechtsgesetz, 2. Auflage 2000, Rn. 69 ff. (Neuheit), 74 ff. (Eigentümlichkeit).

Seite 7 personen handelt, greifen die Grundrechte nicht unmittelbar, sondern ausschließlich mittelbar. Diese sog. mittelbare Drittwirkung bedeutet, dass die Grundrechte als Ausdruck einer Wertordnung in ihren objektiven Gehalten nur eine abgeschwächte, mittelbare Einwirkung auf Rechtsbeziehungen zwischen Privaten 18 entfalten. Diese wird insbesondere über die Generalklauseln des bürgerlichen Rechts vermittelt, die als Einfallstore für die grundrechtliche Wertung fungieren. Es gelten jedoch andere Maßstäbe der Verwirklichung des grundrechtlichen Schutzstandards im Verhältnis zweier Privater zueinander als im Verhältnis zwischen Staat und Bürger. Das ist damit zu erklären, dass im Bürger/Bürger-Verhältnis auf beiden Seiten schützenswerte Grundrechtspositionen stehen, wohingegen im Staat/Bürger-Verhältnis nur ein Grundrechtsträger vorhanden ist. In richterlicher Rechtsfortbildung wurden die 823 und 1004 BGB als Rezeptoren für die mittelbare Wirkung der Grundrechte bestimmt. 19 Beide Normen unterscheiden sich grundsätzlich in ihren Rechtsfolgen. 823 Abs. 1 BGB gewährt einen Schadensersatzanspruch, 1004 BGB zielt demgegenüber auf die Beseitigung eines rechtswidrigen Zustands bzw. auf dessen Unterlassung im Hinblick auf zukünftige Beeinträchtigungen. Im Rahmen der Haftung wegen unerlaubter Handlung wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht als sonstiges Recht im Sinne des 823 Abs. 1 BGB erfasst. 20 Zudem ist anerkannt, dass 1004 BGB nicht nur, wie vom Wortlaut vorgesehen, das Eigentum allein schützt, sondern auch andere absolute Rechte wie etwa das allgemeine Persönlichkeitsrecht. 21 4. Ergebnis Demgemäß kann eine Gästeführerin für die Untersagung des Mitschnitts ihres Vortrages bei einer Stadtrundfahrt in Bild und Ton grundsätzlich den in 823 Abs. 1, 1004 BGB zum Schutz ihres Rechts am eigenen Bild und Wort verankerten Abwehranspruch gegenüber Dritten geltend machen, wenn die nach Maßgabe der vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Grundrechte im Einzelfall zu Ihren Gunsten ausfällt. 18 Herdegen, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), 61. EL, Art. 1 Abs. 3, Rn. 59. 19 Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), 61. EL, Art. 2, Rn. 195 m.w.n. in den Fn. 4-6; aus der jüngeren Zeit vgl. etwa zu Schadensersatz LAG Hessen, Urteil vom 25.10.2010 7 Sa 1586/09 (= BeckRS 2011, 68499) oder KG, Hinweisbeschluss vom 10.7.2008 8 U 83/08 (= BeckRS 2009, 01780). 20 Vgl. nur Sprau, in: Palandt (Begr.), 823, Rn. 84. 21 Bassenge, in: Palandt (Begr.), 1004, Rn. 4.