und Bauvorschriften neue Probleme auf, die früher nicht beachtet wurden bzw. schlichtweg nicht vorhanden

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Transkript:

6 Dipl.-Ing. Peter Tappler Drei Fragen an Peter Tappler, Leiter des Arbeitskreises Innenraumluft im Lebensministerium und allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, bezieht Position zur aktuellen Qualität der Raumluft in Innenräumen, zu den Voraussetzungen für Raumluftmessungen und zu den Vorschriften bezüglich der Begrenzung schädlicher Emissionen aus Bauprodukten. Moderatorin Julia Karimi-Auer Fotos Hanna Pribitzer Wie beurteilen Sie aus Ihrer allgemeinen Erfahrung die aktuelle Qualität der Raumluft in Innenräumen? Welche Möglichkeiten bestehen aus Ihrer Sicht für den Raumnutzer, positiven Einfluss auf die Qualität der Raumluft zu nehmen? Die Qualität der Raumluft in Innenräumen hat, entgegen der allgemeinen Meinung, in den letzen Jahren zugenommen. Wir haben heute praktisch keine Fälle von erhöhten Formaldehydkonzentrationen, der Einsatz von Lösungsmitteln geht zurück und Asbest ist ebenfalls nahezu kein Thema mehr. Der heutige Wohnungs- und Büronutzer stellt allerdings wesentlich höhere Anforderungen an das Innenraumklima als früher. Dies sieht man in der Praxis an Streitfällen: Im Gegensatz zu früher werden Schimmelbefall in Innenräumen oder auch atypische Gerüche zu Recht keinesfalls mehr toleriert. Gerüche werden auch immer mehr zum Thema gerichtlicher Auseinandersetzungen. Zusätzlich werfen neue Bauweisen, Anforderungen und Bauvorschriften neue Probleme auf, die früher nicht beachtet wurden bzw. schlichtweg nicht vorhanden waren. Der Raumnutzer kann bei der Errichtung und Renovierung auf Lösungsmittelfreiheit und geprüfte Materialien für die Innenausstattung achten. Rauchen in Anwesenheit von Nichtrauchern ist mittlerweile bei zivilisierten Menschen ohnehin ein absolutes No-Go, auch Desinfektionsmittel werden eher als Gesundheitsrisiko denn als Verbesserung angesehen. Ausreichendes Lüften ist gerade bei modernen, dichten Fenstern und Gebäudehüllen ein zentrales Thema. In vielen Fällen kann die notwendige Frischluftmenge in der kalten Jahreszeit nur über Komfortlüftungsanlagen bereit gestellt werden, dies betrifft in jedem Fall Schulräume, sehr oft auch Büros aber auch die meisten Schlafzimmer. Komfortlüftungsanlagen der neuesten Generation können auch klein sein und sind in jedem Fall bedarfsgesteuert, eine Feuchterückgewinnung und hochwertige Zuluftfilter sind empfehlenswert. Damit wird verhindert, dass die Raumluft im Winter zu stark austrocknet und Allergene (Pollen) und Feinstaub von außen eindringen können. Unter welchen Voraussetzungen sehen Sie es als notwendig an, Raumluftmessungen vornehmen zu lassen? Wie hoch ist der Aufwand hierfür? Die Sinnhaftigkeit einer Messung ergibt sich meist aus einem einleitenden Vorgespräch, in vielen Fällen ist eine

01 13 Interview Innenraumluft 7 Ortsbegehung durch eine sachverständige Person notwendig. Dies trifft beispielsweise auf nahezu alle schimmelassoziierten Fälle und Geruchsbelastungen zu. Im Zuge dieser Befundung kann dann die jeweilige Messung oder aber auch nur ein beratendes Gespräch durchgeführt werden. Die Motivation, Raumluftmessungen durchzuführen, kommt häufig aus der persönlichen Leidenssituation: Es treten beispielsweise nur in bestimmten Räumen Beschwerden bzw. störende Gerüche auf oder die Anzahl der Krankheitsfälle in bestimmten Häusern erscheint unüblich hoch. In all solchen oder ähnlichen Fällen können Innenraumuntersuchungen Klarheit bringen oder zumindest Risikofaktoren ausschließen. Untersuchungen sind in all jenen Fällen sinnvoll, in denen die Anwesenheit eines potenziell krankmachenden Faktors (wie etwa Radon, Schimmel, PCB, Asbest) begründet vermutet wird. Da sich zu wenig Frischluft stark auf die Leistungsfähigkeit auswirkt, wie zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigen, ist auch die Untersuchung der CO 2 -Konzentration und der zugeführten Außenluftvolumina z. B. in Schulen und Büros von entscheidender Bedeutung. Einleitende (Screening)-Untersuchungen der Raumluft oder des Hausstaubes geben mit überschaubarem Aufwand relativ gute Informationen, die Kosten liegen im Bereich von einigen Hundert Euro. Bei genaueren Messungen, die bei begründetem Verdacht stattfinden, wird der finanzielle Aufwand deutlich größer. Basierend auf dem Bauproduktenrecht existieren in Österreich Vorschriften, die die Begrenzung schädlicher Emissionen aus Bauprodukten zum Ziel haben. Der Einbau bzw. die Verwendung von Bauprodukten ist nur bei Einhaltung dieser Vorschriften zulässig. Sehen Sie bei Neubauten vor dem Hintergrund der Kostenersparnis trotz dieser Vorschriften ein Erfordernis für Raumluftmessungen? Raumluftmessungen nach Fertigstellung von Gebäuden dienen weniger der nochmaligen Prüfung der eingesetzten Bauchemikalien und -produkte in Hinblick auf ihre Übereinstimmung mit Zulassungsbestimmungen, sie sollen vielmehr dem Planer und vor allem dem Verarbeiter Folgendes vermitteln: Achtung, wenn Du Dich nicht an Vorschriften oder Vereinbarungen hältst, wird das letztendlich ans Licht kommen! Erfahrungsgemäß wird dann größere Sorgfalt auf die Auswahl (beispielsweise Lösungsmittelfreiheit), die Verarbeitung (zum Beispiel Abtrocknungszeiten) und die Inbetriebsetzung (Kontrolle der Zuluftvolumina) gelegt. Die Erfahrung in Österreich zeigt, dass im Einzelfall trotz Einsatz zugelassener Bauprodukte, mitunter sogar bei ökologisch orientierter Planung zum Teil deutlich erhöhte Raumluftkonzentrationen von Schadstoffen, vor allem aus der Gruppe der flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) auftreten. Folglich werden Raumluftmessungen in Neubauten vor allem im Kontext sogenannter schadstoffarmer Gebäude (deren Definition in der EN 15251 allerdings nicht brauchbar definiert ist) und Gebäudelabels durchgeführt. Grundsätzlich ist in Bauten mit vielen ähnlichen Räumen eine stichprobenartige Beprobung der Raumluftqualität nicht nur wirtschaftlich vertretbar, sondern auch aus raumlufthygienischen Gründen wünschenswert. Bei privaten Innenräumen hat dagegen eine verpflichtende Messung ohne begründeten Verdacht aufgrund der finanziellen Belastung keine Priorität. Die Untersuchung der Luftdichtigkeit ist jedoch in Dachbodenausbauten und Gebäuden mit Lüftungsanlage immer erforderlich. Moderatorin Dipl.-Ing. in Julia Karimi-Auer, Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Fachabteilung Energie und Wohnbau, Referat Technik und Strategie Zur Person Dipl.-Ing. Peter Tappler, Leiter des Arbeitskreises Innenraumluft im Lebensministerium und allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger Studium der Umweltanalytik an der TU-BOKU Wien, Abschluss 1992. Seit 1988 Beschäftigung mit Fragen des ökologischen Bauens und Wohnens; seit 1991 Vortragstätigkeiten zum Thema Schadstoffe in Innenräumen. Seit 1993 Leiter des Mess- und Beratungsservice Innenraum am Österreichischen Institut für Baubiologie und Bauökologie, Wien; von 1992 2001 und ab 2010 Vorstandsmitglied. Seit 1998 geschäftsführender Gesellschafter der IBO Innenraumanalytik OG. Seit 1996 Lehrbeauftragter an der Donauuniversität Krems, Department für Bauen und Umwelt. Seit 1997 Stv. Vorsitzender des ON-Komitee 236 Indoor Air am Österreichischen Normungsinstitut. Seit 1999 Leiter des Arbeitskreises Innenraumluft am BMLFUW. Seit 1999 Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, Fachgebiet Schadstoffe in Innenräumen, Schadstoffe in Baumaterialien, Schimmelpilze in Innenräumen. Seit 2012 Ordentliches Mitglied der deutschen Innenraumlufthygiene-Kommission (IRK). Interview Moderatorin Julia Karimi-Auer und Peter Tappler im Interview

8 1 Probenahme, IBO Innenraumanalytik OG Innenraumklimatologie Text Peter Tappler Vor etwa 30 Jahren begann man, dem Innenraumklima als dritte Haut des Menschen verstärkt Aufmerksamkeit zu schenken. Neben dem klassischen Diskurs um Schadstoffe in Innenräumen treten immer stärker Lüftungsfragen in den Vordergrund. Momentan werden sogenannte positive Innenraumfaktoren teils kontroversiell diskutiert. In jedem Fall sind jedoch fortschrittliche Lösungen im Baubereich ohne Berücksichtigung des Fachbereiches Innenraumklimatologie undenkbar geworden. Einleitung Schon in der Antike begann man sich mit innenraumbezogenen Fragestellungen zu beschäftigen. In der Bibel wird im Alten Testament, 3. Buch Mose, Kapitel 14 auf den Umgang mit Schimmelpilzbefall ( Aussatz bzw. Ausschlag des Hauses ) und dessen Bekämpfung durchaus fachkompetent eingegangen Das Haus soll man innen ringsherum abschaben und den abgeschabten Lehm hinaus vor die Stadt an einen unreinen Ort schütten. Im Mittelalter, jedoch auch schon davor, stellte sich die lebensnotwendige Frage nach der Lüftung von Bergwerksanlagen und Produktionsstätten, in denen mit gesundheitsschädlichen Substanzen gearbeitet wurde (z. B. Gerbereien). In Haushalten des europäischen Mittelalters brachte die nahezu flächendeckende Einführung des Kamins eine spürbare Verbesserung der Innenraumluftqualität, endlich war die Küche nicht mehr verraucht. Mitte des 19. Jahrhunderts erforschte der deutsche Hygieniker Max von Pettenkofer den Zusammenhang von anthropogenen (menschlichen) Emissionen und Gesundheit und stellte erstmals einen Richtwert für die Substanz CO 2 als Marker für vom Menschen abgegebene Luftinhaltsstoffe in den Raum. In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts begann man sich aufgrund der Einbringung von stark Schadstoffe emittierenden Materialien in Innenräumen (Stichwort

01 13 Thema Innenraumklimatologie 9 Formaldehyd) verstärkt mit innenraumhygienischen Fragestellungen zu beschäftigen. Ab den achtziger Jahren spielte auch die zunehmende Dichtheit von Häusern eine große Rolle. Es kam zu einer verstärkten Anreicherung von Schadstoffen und zu Schimmelbefall infolge hoher Luftfeuchtigkeit. Etwa ab dieser Zeit kann man von einer zunehmend eigenständigen Entwicklung des Bereiches Innenraumklimatologie sprechen. Das Gebiet geht über die Beschäftigung mit der Raumluft hinaus. Es umfasst übergreifend neben stofflichen und biologischen Faktoren der Raumluft auch physikalische Einflüsse wie Temperatur, Luftfeuchte, Luftionen oder ionisierende Strahlung in Innenräumen. Ziel ist es letztendlich, Menschen ein optimales Wohn- und Arbeitsumfeld zu schaffen, das frei von schädlichen Einflüssen ist, die Behaglichkeit steigert und im günstigsten Fall auch die Leistungsfähigkeit erhöht. Exkurs: Entwicklung in Österreich In den frühen achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde im deutschsprachigen Raum der Begriff der ganzheitlichen Baukultur und Architektur geprägt. Gemeint war damit ein auf den Menschen bezogenes Bauen, das weitgehend als Antwort auf die mechanistisch-funktionale Baukultur der sechziger und siebziger Jahre mit all ihren negativen Begleiterscheinungen wie geringe Energieeffizienz, Vereinzelung und Anonymisierung der Nutzer verstanden wurde. Mit dabei, wenn auch nicht im Zentrum der Diskussion, war die Beschäftigung mit negativen gesundheitlichen Einflussfaktoren der Bautätigkeit. Die Kritik an synthetischen Substanzen bei Bau und Innenausstattung von Räumen führte in Kürze zu diversen gesetzlichen Regelungen (PCP- und Formaldehydverordnung, Asbestverbot usw.). So berechtigt die aufkommende Kritik der Baubiologie und -ökologie damals auch war, die von ihr gelieferten Antworten waren nicht immer praktikabel und zukunftsbezogen. Zum einen Teil lag das darin, dass man eher kritiklos überholte Konzepte aus der Vergangenheit wiederverwertete, die sich schon aus ökonomischen Gründen oder aufgrund mangelnder Praktikabilität nicht großflächig durchsetzten, zum anderen Teil am Fehlen von handwerklichen Erfahrungen mit derartigen Konzepten und Materialien. Der Großteil der baubiologischen Bewegung war jedenfalls zu dieser Zeit stark von technik- und wirtschaftsfeindlichen, ökofundamentalistischen Tendenzen geprägt. Man befürwortete die Rückkehr zur Natur und zu einer neuen Einfachheit. Es war die Zeit der geölten Holzfußböden, der Biotoiletten, der Erdkeller und der Kastenfenster mit dem Motto Natur ist gesund. Im Bereich Innenraum blies man zum Generalangriff auf Lösungsmittel, Formaldehyd und Co. Die Baukultur der achtziger Jahre war also von einem breiten konventionell geprägten Bereich dominiert, mit kleinen grünen Inseln, die sich zwar üppig entwickelten, deren oft exotische Pflanzen sich jedoch (noch) nicht am Festland durchsetzen konnten. Das Österreichische Institut für Baubiologie und -ökologie (kurz IBO, gegründet 1980) war so eine kreative Insel, auf der sich sowohl Träumer als auch in zunehmendem Maße praxisorientierte Visionäre verwirklichen konnten. Für die breite Bevölkerung war ökologisches Bauen zu dieser Zeit jedoch (noch) kein Thema. Ab den neunziger Jahren kam es zu einer spürbaren Professionalisierung der bauökologischen Bewegung, die Ideen begannen in Institutionen und Universitäten vorzudringen und fanden dort zum Teil fruchtbare Erde vor. Anfang der 90er-Jahre wurde das Innenraum Messund Beratungsservice des IBO (www.innenraumanalytik.at) gegründet, eine Organisation, die sich auf das Messen und Bewerten von Innenraumfaktoren spezialisiert hat. Ein Meilenstein in der Entwicklung des ökologischen Bauens war die Gründung des Departments für Bauen & Umwelt auf der damals neu gegründeten Thema Da oben die Nr. 1 für komplette Dachsysteme: Bauder. Nur aufeinander abgestimmte Systeme machen Flach-, Grün- und Steildächer dauerhaft sicher. Bauder bietet seit mehr als 150 Jahren komplette Systeme aus einer Hand. Von der Dampfsperre, der Abdichtung und der Wärmedämmung bis zur Begrünung. Exakt abgestimmt auf die jeweiligen Anforderungen. www.bauder.at

10 Thema Innenraumklimatologie 01 13 Grafik 1 Moderne Komfortlüftungsanlage mit Sole-Erdwärmetauscher, Broschüre Komfortlüftung", Bau.Energie.Umwelt Cluster Niederösterreich 2013 (S. 13) Donauuniversität Krems durch Proponenten des IBO im Jahre 1996. Es begann sich, auch als Antwort auf rückwärtsgewandte, romantische Konzepte, eine neue integrale Baukultur durchzusetzen, die in Ökonomie und Ökologie keinen Widerspruch sah. Auch die Baustoffindustrie schwenkte in diesem Zeitraum auf wohlwollende Unterstützung dieser neu entstandenen Bewegung um, da sich hier offensichtlich neue, interessante und vor allem politisch korrekte Absatzmöglichkeiten auftaten. Im Bereich der Innenraumklimatologie zeigte sich eine ähnliche Entwicklung. In Studien wurde festgestellt, dass natürliche Lösungsmittel mindestens so reaktiv und damit bedenklich sind wie synthetische, und dass Erdkeller in Radonrisikogebieten massiv den Eintritt des Naturstoffs Radon (ein radioaktives Edelgas) in bewohnte Räume begünstigen kurz, dass Dinge nicht so simpel sind, wie bisher angenommen wurde. Es setzte sich insgesamt die Erkenntnis durch, dass Natur auch bedenklich sein kann, und dass sich die Wohngesundheit betreffenden Konzepte nur dann nachhaltig etablieren, wenn sie sowohl praktikabel als auch nicht zu aufwändig sind. Waren es zuerst umweltbewegte Kleingruppen und Betroffene, die in den Diskurs eintraten, weitete sich das Thema Schadstoffe in Innenräumen rasch auf breitere, meist moderne und gebildete Bevölkerungsschichten aus. Rückenwind bekam die Entwicklung durch die wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnis, dass durch eine gute, hygienisch einwandfreie Raumluft sowohl gesundheitliche, aber auch ungeahnte ökonomische Vorteile entstehen, die man bisher nicht genutzt hatte. Ohne Berücksichtigung der Themen Schadstofffreiheit und saubere, geruchsfreie Innenraumluft ist ökologisches Bauen mittlerweile undenkbar geworden. Ab den späten neunziger Jahren begannen Institutionen und Fördergeber, auf den Bereich Baubiologie und -ökologie aufmerksam zu werden. Bauökologisch sinnvolle Konzepte flossen immer mehr in Bautechnikverordnungen, Fördervoraussetzungen und Normen ein. Meilenstein war hier die Gründung des Arbeitskreises Innenraumluft am Lebensministerium (BMLFUW) im Jahre 1999, der die Aufgabe wahrnimmt, Richtwerte und Positionspapiere für die Innenraumluft zu entwickeln. Die Anfang des neuen Jahrtausends entstandene Diskussion über Erderwärmung gab dem Bereich ökologisches Bauen, in dem das Thema effiziente Energienutzung immer schon breiten Raum eingenommen hat, weiteren massiven Rückenwind. Um Lüftungswärmeverluste in Gebäuden zu verringern, wurde das Thema Luftdichtigkeit immer wichtiger, bis hin zu den heute nahezu vollständig abgedichteten Gebäuden im Passivhausbereich. Schon bald merkte man jedoch, dass man durch Abdichten von Fenstern, Türen und der Konstruktion zwar massiv Energie einsparte, den NutzerInnen dadurch aber neue Probleme wie Schimmel oder mangelnde Luftqualität in den Wohnräumen bescherte. Die hygienisch notwendige Frischluftzufuhr kann bei dichten Gebäuden durch Fensterlüftung alleine in der Regel nicht hinreichend gewährleistet werden eine Erkenntnis, gegen die auch heute noch manche Retroromantiker verbissene Abwehrgefechte führen. Es war daher nach dem ersten Schritt der Vermeidung von Lüftungswärmeverlusten notwendigerweise der nächste Schritt zu machen: eine mechanische Lüftung von Büros und Wohnräumen. Die Vorgaben der österreichischen Bauordnungen (präzisiert in den Kommentaren zur OIB-Richtlinie 3) sind in der Regel ohne mechanische Lüftung nicht erreichbar. Auch hier merkte man rasch, dass rein technische Lösungen mit oft unprofessioneller und billiger Ausführung den gewünschten Zweck behagliche und gesunde Innenräume dramatisch verfehlen. Die verstärkte Frischluftzufuhr wurde bei den ersten Anlagen mit winterlicher Trockenheit der Zuluft, sommerlicher Überwärmung und bei höherem Luftwechsel, wie er beispielsweise in Unterrichtsgebäuden notwendig wird, mit unangenehmen Zugerscheinungen erkauft. Moderne Lösungen verwenden daher bedarfsgerechte Systeme, Solewärmetauscher (aus hygienischen Gründen werden Luft-Erdwärmetauscher nicht mehr empfohlen) und Feuchterückgewinnung. Umfassende Hygienevorgaben, die auch in einschlägigen Normen vorgegeben werden, sollen für optimale Innenraumluft sorgen. Lüftungsanlagen, die hohen technischen und hygienischen Ansprüchen genügen, werden Komfortlüftungen genannt. Im Rahmen eines geförderten und zum Teil von öffentlichen Stellen getragenen Projektes wurden diese Erkenntnisse in Form einer unabhängigen Webplattform veröffentlicht (www.komfortlueftung.at). Einen weiteren Meilenstein stellten die ab 2007 österreichweit akkordierten Bauordnungen dar. Diesen Novellen liegen unter anderem die OIB-Richtlinie 3 Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz und die OIB-Richtlinie 6 Energieeinsparung und Wärmeschutz zugrunde es wird dadurch eine starke Ökologisierung der Bauordnungen erreicht.

01 13 Thema Innenraumklimatologie 11 Was ist im Innenraum wichtig? Die Qualität eines Innenraumes wird von vielen unterschiedlichen Faktoren beeinflusst. Dazu gehören unter anderem der CO 2 -Gehalt der Raumluft, der wiederum abhängig von Belegung und Größe der Räume ist, sowie klimatische Einflüsse wie die Luftfeuchtigkeit oder die Lufttemperatur, deren Zusammenspiel zum Beispiel die Schimmelbildung beeinflussen kann. Auch der VOC- und der Formaldehydgehalt, die von Art und Zusammensetzung der Oberflächenbeschichtungen und Möblierung beeinflusst werden, tragen wesentlich zur Raumlufthygiene bei. Vor allem die Art der Lüftung als auch das Schadstoffmanagement bei Errichtung und Betrieb eines Gebäudes üben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Leistungsfähigkeit, die Gesundheit und das Wohlbefinden der NutzerInnen aus. Dies ist der Grund dafür, dass sich beide Punkte in nahezu allen Gebäudelabels als Vorgaben prominent wiederfinden. Die meisten innovativen Gebäudekonzepte das bekannteste Beispiel ist das Passivhaus sind fix mit Mindestanforderungen an die Lüftung der Räume verbunden. Der Grund dafür ist unter anderem, dass diese Art von Gebäuden nur mit sehr effizienter Wärmerückgewinnung, die es lediglich in Verbindung mit einer raumlufttechnischen Anlage gibt, die entsprechenden Kennzahlen erreichen kann. Für die Behaglichkeit und Gesundheit der NutzerInnen sind prioritär die notwendige Luftmenge und -qualität, deren Einbringung in die Räume sowie die Auswahl und Emission vor allem der Innenausstattung von zentralem Interesse. Gesundheitsfördernde, weiche Faktoren wie eine ausgewogene Farb- und Lichtgestaltung, die akustische Situation und Softfaktoren wie die Luftionenkonzentration scheinen ebenfalls eine wichtige Rolle zu spielen, wenn es um Gesundheit und Behaglichkeit in Innenräumen geht. Die Ionenkonzentration in der Luft war bis vor kurzem ein wenig beachteter Aspekt bei der Bewertung der Luftqualität. Schon seit langer Zeit wird jedoch, wie Studien an Wasserfällen zeigen, vermutet, dass Luftionen Wirkungen auf den menschlichen Organismus besitzen. Da die Ionenkonzentrationen stark von klimatischen/meteorologischen Faktoren abhängig sind, nahmen zahlreiche AutorInnen einen kausalen Zusammenhang mit wetterbedingten Beschwerden und mit Befindensstörungen in geschlossenen Räumen an. Als der Gesundheit zuträglich werden mitunter die natürlichen Außenluftkonzentrationen genannt, ein Abweichen in der Raumluft wurde als Störung des Raumklimas betrachtet. Wenn man jedoch genauer nachforscht, merkt man, dass die Innenraumluftkonzentrationen, auch in mechanisch belüfteten Häusern, die Konzentrationen der Außenluft signifikant überschreiten. Neuere Doppelblind-Studien aus Österreich belegten, dass etwa eine moderate Erhöhung der Ionenkonzentration durch eine spezielle, Ionen produzierende Wandfarbe zu günstigen Bedingungen für kognitive Leistungsfähigkeit führte. Zudem konnte eine positive Wirkung Positive Innenraumklimatologie Mit positiver Innenraumklimatologie wird der Versuch bezeichnet, durch Anwendung neuer, innovativer Techniken und Materialien die gegebene Situation im Innenraum gegenüber dem derzeitigen, gewohnten Zustand zu verbessern. Positive Innenraumfaktoren sollen vor allem die Leistungsfähigkeit verbessern und im Idealfall pathogene (krankmachende) Faktoren am Eintritt in den Innenraum hindern. Der wichtigste positive Faktor ist vermutlich die Installation eines gut geplanten, ausgeführten und regelmäßig gewarteten Komfortlüftungssystems mit bedarfsgerechter (idealerweise CO 2 - und/oder VOC- bzw. feuchteabhängiger) Steuerung und hochwertigen Zuluftfiltern. Schon bei der Filterqualität F8 wird der Eintrag von Allergenen wie Pollen signifikant verringert. Weniger bekannt ist auch, dass der Feinstaub- und Ultrafeinstaubgehalt der Außenluft drastisch reduziert wird. Bei den Filterqualitäten gleicher Klasse gibt es große Unterschiede in der längerfristigen Wirksamkeit. Es empfiehlt sich hier, nicht die billigste Variante zu wählen.

12 Thema Innenraumklimatologie 01 13 Jahr Aktivität/Publikation 1990 91 Innenraum Mess- und Beratungsservice des IBO www.innenraumanalytik.at 1997 Wegweiser für eine gesunde Raumluft, Umweltministerium (BMLFUW), mittlerweile 5. Auflage, 2010 1999 Gründung Arbeitskreis Innenraumluft am BMLFUW 2003 Erste österreichische Richtwerte für die Innenraumluft der Österreichischen Akademie der Wissenschaften / BMLFUW 2005 ÖNORM EN 13779: Grundlagen für Lüftung von Objekten (2008 aktualisiert) 2006 ÖNORM H 6038: Grundlagen für Lüftung von Wohnungen (derzeit in Aktualisierung) 2007 OIB-Richtlinie 3: Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz (2011 aktualisiert) 2008 ÖNORM H 6039: Grundlagen für Lüftung von Schulräumen 2010 Richtlinie der AGÖF und des BMLFUW zur Bewertung von Gerüchen in Innenräumen (derzeit Entwurf) 2010 www.komfortlueftung.at: Website zu Fragen der Komfortlüftung 2011 www.raumluft.org: Website zu Fragen der Innenraumklimatologie 2013 Bundesverband für Schimmelsanierung und Technische Bauteiltrocknung als unabhängige Interessensgemeinschaft: wwww.bv-schimmel.at Tabelle 1 Milestones für die Innenraumklimatologie in Österreich (Auswahl) Tabelle 2 Klassifizierung der Innenraumluftqualität in Hinblick auf Schadstoffe laut Akademie der Wissenschaften / BMLFUW auf das vegetative Nervensystem statistisch signifikant nachgewiesen werden. In Deutschland wurden Labor- Untersuchungen an Zellkulturen durchgeführt. Weitere positive, gesundheitliche Wirkungen wurden in anderen, noch nicht veröffentlichten Studien nachgewiesen, was zu dem Schluss führt, dass man dem Thema in Zukunft größere Aufmerksamkeit widmen sollte. Milestones für die Raumluft Vor allem in den letzten zehn Jahren stiegen die Anforderungen an die Raumluft signifikant an, es wurde eine erhebliche Zahl von Normen, Empfehlungen und Richtlinien veröffentlicht siehetabelle 1. Vorgaben für den Neubau und die Sanierung von Gebäuden wurden in den OIB-Richtlinien niedergelegt. Sie dienen als Basis für die Harmonisierung der gesetzlich bindenden bautechnischen Vorschriften und werden derzeit von fast allen Bundesländern zu diesem Zweck herangezogen und damit rechtlich verbindlich gemacht. Für die Innenraumklimatologie ist vor allem die OIB-Richtlinie 3 Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz relevant, daneben die OIB-Richtlinie 6 in Bezug auf Schimmelvermeidung. In den Bundesländern, in denen die OIB-Richtlinie in die jeweiligen Bauordnungen übernommen wurde, sind die entsprechenden Vorgaben sowohl bei Neubau als auch bei größeren Sanierungsprojekten zu beachten und umzusetzen. Um die eher allgemein gehaltenen Vorgaben der Bauordnungen in Bezug auf Schadstoffe und Lüftung mit konkreten Inhalten zu füllen und zu präzisieren, wurden seit 2003 vom Lebensministerium (BMLFUW) und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften für Innenräume (z. B. Büros, Schulen und Wohnräume) Richtwerte zur Bewertung der Innenraumluft erstellt. Die Richtwerte, die in den Kommentaren zur OIB-Richtlinie 3 erwähnt werden, liegen aus Vorsorgegründen weit unter Arbeitsschutzgrenzwerten. Innenraum-Richtwerte gelten für Wohnungen, aber auch für Büros und Schulen und andere Innenräume. Diese Richtwerte sind in der Richtlinie zur Bewertung der Innenraumluft enthalten und wurden auf der Website des Lebensministeriums (BMLFUW) gemeinsam mit Empfehlungen zu aktuellen Innenraumthemen, genannt Positionspapiere, veröffentlicht siehetabelle 2. Für manche Schadstoffe, z. B. CO 2 oder VOC (flüchtige organische Verbindungen), werden aufgrund der Tatsache, dass keine definierten Grenzen für Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit beeinträchtigende Konzentrationen vorliegen, sondern steigende Konzentrationen kontinuierliche Verschlechterungen der Raumluftqualität anzeigen, Kategorien gebildet, die die Luftqualität bezeichnen. In der Beurteilung in Bezug auf Mindestund Zielvorgaben für den Parameter CO 2 wird aus praktischen Gründen zwischen natürlich und mechanisch belüfteten Innenräumen unterschieden. Die Vorgaben sind auch deshalb als Bereiche mit fließenden Übergängen formuliert, da auch die je nach Standort des Gebäudes unterschiedliche CO 2 -Konzentration der Außenluft Einfluss auf die CO 2 -Konzentration innerhalb der Räume hat. Es existiert nach Ansicht der Kommission auch keine scharfe Grenze, ab der ein Raum als zu hoch Substanz Bezeichnung Raumluftkonzentration [mg/m³] Bemerkungen Formaldehyd Tetrachlorethen (TCE, PER) Styrol Toluol WIR wirkungsbezogener Innenraumrichtwert WIR wirkungsbezogener Innenraumrichtwert WIR wirkungsbezogener Innenraumrichtwert WIR wirkungsbezogener Innenraumrichtwert 0,10 0,06 Halbstunden-Mittelwert 24h-Mittelwert 0,250 7-Tages-Mittelwert 0,040 0,010 0,075 Stunden-Mittelwert 7-Tages-Mittelwert Stunden-Mittelwert, bei Unterschreitung keine 7-Tages-Messung nötig

01 13 Thema Innenraumklimatologie 13 belastet einzustufen ist, sondern es zeigt sich vielmehr ein fließender Übergang zwischen guter, akzeptabler und unzureichender Raumluft. Schimmelbefall in Innenräumen ist ein eigenes spezielles Thema, Grenz- und Richtwerte sind hier nicht sinnvoll anzuwenden. Es existieren jedoch eine Reihe von Vorgaben für den richtigen Umgang mit dem Thema Schimmel in Innenräumen (wie etwa die Positionspapiere des Arbeitskreises Innenraumluft am BMLFUW zu Schimmel und zu Technischer Bauteiltrocknung). Aufgrund der großen Unsicherheit auf diesem Gebiet und damit verbundenen unseriösen Angeboten mancher Professionisten wurde vor kurzem der unabhängige Bundesverband für Schimmelsanierung und Technische Bauteiltrocknung gegründet (http://www.bv-schimmel.at). Für eine fachgerechte Umsetzung von raumlufttechnischen Anlagen dienen vor allem Normen und normähnliche Regelwerke (z. B. die vom Verein Deutscher Ingenieure herausgegebenen VDI-Richtlinien). Umfangreiche Links zu österreichischen und deutschen Grenzund Richtwerten sowie Empfehlungen für die Innenraumluft findet man im Expertenteil von http://www. raumluft.org. Ausblick Nur hoffnungslose Retroromantiker träumen noch immer von einer Rückkehr zu einem fantasierten Idealzustand, als der manch ein Gebäudekonzept aus der Vergangenheit angesehen wird dies meist ohne sich mit den Beschränkungen dieser aus gutem Grund überwundenen Bauformen auseinanderzusetzen. Da unsere Raumbedürfnisse wachsen und Energie immer knapper und sicher nicht billiger wird, wird es (mit begründeten Ausnahmen) keinen Weg zurück zu einfachen Gebäudekonzepten geben. Nachhaltiges Bauen bedeutet unter anderem Behaglichkeit, ausreichende Außenluftzufuhr und Freiheit von Innenraum-Schadstoffen. Grundsätzlich 2 Messung von Innenraumschadstoffen in einem Wohnraum, IBO Innenraumanalytik OG Mindest- und Zielvorgaben für dauernd von Menschen genutzte Innenräume (in CO 2 absolut) Natürlich belüftete Innenräume Zielbereich für die Innenraumluft < etwa 1000 ppm Mindestvorgabe 1-MWg* < etwa 1400 ppm Mindestvorgabe Alle Einzelwerte im Beurteilungszeitraum: < etwa 1900 ppm * 1-MWg = maximaler gleitender Stundenmittelwert sollten gesunde Innenräume und Wirtschaftlichkeit keinen Widerspruch darstellen. Der Weg geht eindeutig in die Richtung von smarten Detaillösungen, technischen Innovationen sowie zu einer effizienten Schulung von PlanerInnen und ProfessionistInnen. Schadstoffarme Bauweise und Lüftungsanlagen werden zum Standard für alle Gebäudekonzepte und erhöhen den Wert des Gebäudes. Gebäude ohne moderne raumlufttechnische (RLT)-Anlagen werden (bis auf wenige Ausnahmen) nicht den Bauordnungen entsprechen und dadurch einen Wertverlust erleiden. Bei RLT-Anlagen werden Hygiene- und Behaglichkeitsstandards ein zentrales Argument ihrer Annahme oder auch deren Ablehnung sein. Schlecht geplante und betriebene RLT-Anlagen fügen dagegen der Branche einen schwer wieder gutzumachenden Imageschaden zu. Die oft schwierig zu erfüllenden Bedürfnisse der NutzerInnen müssen viel besser berücksichtigt werden sie sind wesentlich für die Akzeptanz von RLT-Anlagen. Umgesetzt kann dies werden durch bedarfsgerechte Regelungsstrategien, Feuchterückgewinnung und aktive Befeuchtung, beispielsweise bei Büros ohne relevante Feuchteproduktion. Es zeigt sich auch in der Praxis, dass es unüberschaubar viele Möglichkeiten für Hygiene-, Bau- und Ausführungs mängel vor allem in der Haus- und Lüftungstechnik gibt. Einer der Schwachpunkte ist die Luftvolumenregelung. Zentrale Problembereiche bei Lüftungsanlagen sind auch die schlechte Ausbildung und das katastrophale Informationsniveau bei ProfessionistInnen. Die zunehmend speziellen Anforderungen neuerer Gebäudekonzepte verlangen daher eine massive Spezialisierung der PlanerInnen und der Ausführenden vor allem im Detailbereich. Ein weiterer wichtiger Bereich wird in der Zukunft die Auswahl gering emittierender Materialien für den Baubereich sein, für die man sinnvollerweise auf spezialisierte Firmen zurückgreifen wird. Gebäudelabels werden die Ausführung überprüfen und so zur Steigerung des Wertes der Gebäude beitragen. Mechanisch belüftete Innenräume Zielbereich für die Innenraumluft < etwa 800 ppm Mindestvorgabe 1-MWg* < etwa 1000 ppm Mindestvorgabe Alle Einzelwerte im Beurteilungszeitraum: < etwa 1400 ppm Tabelle 3 Klassifizierung der Innenraumluftqualität in Hinblick auf CO 2 laut Akademie der Wissenschaften / BMLFUW Dipl.-Ing. Peter Tappler, Leiter Arbeitskreis Innenraumluft am Lebensministerium (BMLFUW), Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, Mitglied der deutschen Innenraumlufthygiene-Kommission. p.tappler@innenraumanalytik.at