Berechnung von Kurzschlussströmen - Teil 1

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Transkript:

Berechnung von Kurzschlussströmen - Teil 1 Die Dimensionierung einer elektrischen Anlage und der zu verwendenden Betriebsmittel sowie die Festlegung der Schutzeinrichtungen für Personen und Sachwerte erfordern eine Berechnung der Kurzschlussströme an jeder Stelle des Netzes. Das vorliegende Technische Heft beschreibt die in der Norm IEC 909 bzw. 781 vorgesehenen Berechnungsmethoden für Kurzschlussströme. Es behandelt den Fall der strahlenförmigen Niederspannungs-(NS-) und Hochspannungs-(HS-)Netze. Das Ziel besteht darin, die Berechnungsmethoden zur sachgemäßen Bestimmung der Kurzschlussströme selbst bei Anwendung der elektronischen Datenverarbeitung bekanntzumachen. Einleitung Jede elektrische Anlage muss von einigen Ausnahmen abgesehen an allen elektrischen Übergangsstellen, d.h. im Allgemeinen bei einer Änderung des Leiterquerschnitts, gegen Kurzschlüsse geschützt werden. Die Größe des Kurzschlussstroms muss auf verschiedenen Ebenen der Anlage berechnet werden, damit die technischen Daten der Betriebsmittel festgelegt werden können, die in der Lage sein müssen, den Fehlerstrom auszuhalten oder zu unterbrechen. Das Ablaufschema der Abbildung 1 zeigt das Vorgehen, das zu den verschiedenen Kurzschlussströmen und den sich daraus ergebenden Parametern für die einzelnen Schutzeinrichtungen führt. Klicken Sie auf das Bild für eine größere Ansicht

Der maximale Kurzschlussstrom, der o das Ausschaltvermögen (ASV) der Leistungsschalter, o das Einschaltvermögen der Schaltgeräte, o das elektrodynamische Verhalten der Leitungen und Geräte bestimmt. Dieser entspricht einem Kurzschluss in unmittelbarer Nähe der verbraucherseitigen Klemmen der Schutzeinrichtung. Er muss genau berechnet werden (Sicherheitsmarge). Der minimale Kurzschlussstrom, der für die Wahl der Auslösekurve der Leistungsschalter und Sicherungen unerlässlich ist, speziell wenn o die Kabel lang sind und/oder die Quelle eine relativ hohe Impedanz hat (Wechselrichter), o der Personenschutz auf dem Ansprechen von Leistungsschaltern oder Sicherungen beruht, was vor allem bei den Erdungsschemas TN oder IT der Fall ist. Es sei daran erinnert, dass der minimale Kurzschlussstrom einem Kurzschlussfehler am Ende der geschützten Leitung bei einem zweipoligen Fehler und unter den am wenigsten strengen Betriebsbedingungen entspricht (Fehler am Ende eines Feeders und nicht unmittelbar hinter der Schutzeinrichtung, mit einem einzigen Transformator in Betrieb, wenn zwei betroffen sind usw.). Ferner muss daran erinnert werden, dass in allen Fällen unabhängig vom Kurzschlussstrom (vom minimalen bis zum maximalen) die Schutzeinrichtung den Kurzschluss innerhalb einer Zeit (t c ) beseitigen muss, die kompatibel ist mit der thermischen Belastung, die das geschützte Kabel aushalten kann: worin S der Leiterquerschnitt und k eine aus verschiedenen Korrekturfaktoren in Funktion der Verlegungsart, der Anzahl benachbarter Stromkreise, der Bodenbeschaffenheit usw. berechnete Konstante ist. Für weitergehende praktische Einzelheiten wird empfohlen, in den von Merlin Gerin ausgearbeiteten Richtlinien für elektrische Installationen nachzuschlagen.

Die wichtigsten Kurzschlussfehler In elektrischen Anlagen können verschiedene Kurzschlüsse auftreten. Die wichtigsten Merkmale sind: Dauer: selbstlöschender, flüchtiger oder Dauerkurzschluss, Entstehung: Mechanisch (Leiterbruch, ungewollte elektrische Verbindung zwischen zwei Leitern durch einen leitenden Fremdkörper wie z.b. ein Werkzeug oder ein Tier). o o Elektrische Überspannungen mit interner oder atmosphärischer Ursache, oder infolge Verschlechterung der Isolation durch Wärme, Feuchtigkeit oder korrosive Umgebung. Ort des Auftretens: intern oder extern an einer Maschine oder einer Schalttafel. Abgesehen von diesen Merkmalen unterscheidet man Einpolige Kurzschlüsse: 80% der Fälle. Zweipolige Kurzschlüsse: 15% der Fälle. Diese Fehler entwickeln sich oft zu dreipoligen Kurzschlüssen. Dreipolige Kurzschlüsse: Nur 5% der Fälle sind von Anfang an dreipolige Kurzschlüsse. Die damit verbundenen Kurzschlussströme sind in der Abbildung 5 dargestellt.

Folgen der Kurzschlüsse Die Folgen sind je nach der Art und der Dauer des Fehlers, dem Ort des Auftretens in der Anlage und der Stromstärke verschieden: Am Ort des Fehlers treten Lichtbögen auf, mit o Beschädigung der Isolationen, o Brandgefahr und Gefährdung von Personen. Im fehlerhaften Stromkreis: o Elektrodynamische Kräfte, mit Deformation der SS oder Zerstörung von Kabeln, o Überhitzung wegen der Zunahme der ohmschen Verluste und damit Gefahr einer Beschädigung der Isolationen. Für andere Stromkreise des betroffenen Netzes oder benachbarter Netze: o Spannungseinbrüche während der Dauer der Beseitigung des Fehlers zwischen wenigen Millisekunden und einigen hundert Millisekunden. o Außerbetriebsetzung eines mehr oder weniger großen Teils des Netzes je nach dessen Schema und der Selektivität seiner Schutzeinrichtungen. o Dynamische Instabilität und/oder Verlust des Synchronismus der Maschinen.

o Störungen in Steuerungs- und Überwachungskreisen, usw. Entstehung des Kurzschlussstroms Ein vereinfachtes Netz besteht lediglich aus einer konstanten Wechselspannungsquelle, einem Schalter, einer Impedanz Zcc, die alle vor dem Schalter vorhandenen Impedanzen repräsentiert, und einer Lastimpedanz Zs (siehe Abb. 6). In Wirklichkeit besteht die Impedanz der Quelle aus allem, was vor dem Kurzschluss liegt, mit Netzen verschiedener Spannungen (HS, NS) und in Serie geschalteten Leitungen mit verschiedenen Querschnitten und Längen. Im Schema der Abbildung 6 fließt, wenn der Schalter geschlossen ist, im Netz der Betriebsstrom Is. Ein zwischen den Punkten A und B auftretender Fehler mit vernachlässigbarer Impedanz bewirkt einen sehr hohen Kurzschlussstrom Icc, der nur durch die Impedanz Zcc begrenzt wird. Der Strom Icc entsteht aus einem Ausgleichsvorgang in Funktion der Reaktanzen X und der Widerstände R, welche die Impedanz Zcc bilden: Bei der Starkstromverteilung ist die Reaktanz X = Lω in der Regel wesentlich großer als der Widerstand R, wobei das Verhältnis R/X zwischen 0,1 und 0,3 liegt. Angesichts dieser niedrigen Werte ist es praktisch gleich dem cos φ cc, somit

Der Ausgleichsvorgang, aus dem der Kurzschlussstrom entsteht, ist je nach der Entfernung des Fehlerortes zu den Generatoren verschieden. Diese Entfernung bedeutet nicht unbedingt eine geographische Distanz, sondern darunter ist zu verstehen, dass die Impedanzen der Generatoren kleiner sind als die Impedanzen der Verbindungen zwischen diesen und dem Ort des Fehlers.