Seite 1 Leitbild des Caritasverbandes für die Diözese Speyer e.v. Präambel Rund 2.800 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen im Dienst des Caritasverbandes für die Diözese Speyer e.v. Tag für Tag bringen sie sich in den verschiedenen Aufgabenfeldern des Caritasverbandes an vielen Orten unserer Diözese mit ihrer Person und ihrer fachlichen Kompetenz im Dienst an den Menschen ein, mitgetragen vom Engagement vieler ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Leitbild des Caritasverbandes für die Diözese Speyer e.v. soll in erster Linie eine Orientierungshilfe nach innen sein. Es soll den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Orientierung für ihren Dienst geben. Es will deutlich machen, wer wir sind, was uns motiviert, was wir tun und was wir wollen und wie wir unsere Aufgabe in Kirche und Gesellschaft sehen. Den Leitungsverantwortlichen will es Kriterien für Entscheidungen an die Hand geben. Darüber hinaus will das Leitbild aber auch Orientierungshilfe nach außen sein, das die Arbeit des Caritasverbandes für die Diözese Speyer e.v. transparent macht. Zugleich ist es ein Maßstab, anhand dessen wir selbst unsere Arbeit messen können und an dem sie von außen her beurteilt werden kann. Ausgehend vom Istzustand enthält das Leitbild Optionen für die Zukunft, die es anzupacken gilt. Als Leitbild des Caritasverbandes für die Diözese Speyer e. V. bedarf es der Konkretisierung und Ausformung in seinen Diensten und Einrichtungen. Für deren Leitbilder ist es verbindlicher Rahmen. Das nun vorliegende Leitbild des Caritasverbandes für die Diözese Speyer e.v. wurde in einem breiten Diskussionsprozess unter Mitwirkung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erarbeitet und vom Vorstand in Kraft gesetzt. Seite 2
1. Auftrag und Aufgabe Auftrag Die Caritasarbeit der Kirche geschieht im Auftrag Jesu, der seinen Jüngern gesagt hat: Dies trage ich euch auf: Liebt einander wie ich euch geliebt habe (Jo 15, 17). Caritas ist eine der Wesensaufgaben der Kirche und steht gleichgewichtig neben der Verkündigung der Frohen Botschaft sowie der Feier der Liturgie und der Spendung der Sakramente. Die Erfüllung dieser Wesensaufgaben machen das Wirken Jesu hier und heute spürbar und lebendig. Kirchlich-caritative Arbeit geschieht auf verschiedenen Ebenen und in vielfältiger Weise innerhalb der Diözese. Eine wesentliche Aufgabe dabei hat der Caritasverband für die Diözese Speyer e. V. Er ist dazu vom Bischof in besonderer Weise beauftragt. Zur Erfüllung dieses Auftrags bedarf es der Kraft und des Engagements von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. An diesem Auftrag wirken alle mit, die sich für die Arbeit beim Caritasverband für die Diözese Speyer e. V. entscheiden. Durch ihren Dienst machen sie Gottes Liebe in der Welt erfahrbar. Zugleich sind sie eingeladen, aus der Liebe Gottes Kraft zu schöpfen. In der Mitte unserer caritativen Arbeit steht immer der je eine und ganze Mensch mit Leib und Seele, mit Herz und Gewissen, Vernunft und Willen, mit Stärken und Schwächen, Freuden und Leiden. Unsere Sicht des Menschen wird vom Glauben bestimmt. Für den Christen ist der Mensch Ebenbild Gottes, einzigartig und in seiner Würde unantastbar. Der Mensch ist auf ein Leben in Gemeinschaft angelegt und ausgestattet mit der Freiheit, sein Leben eigenverantwortlich nach seinem Gewissen zu gestalten, mit der Möglichkeit schuldig zu werden. Trotz Schuld ist er von Gott angenommen und darf auf Vergebung hoffen. Erlöst durch Jesu Leben, Tod und Auferstehung lebt er mit der Zusage auf ein Leben über den Tod hinaus. Seite 3
Aufgabe Caritasarbeit ist Hilfe zum Leben, insbesondere für Menschen in Notsituationen. Unterschiedliche Lebenslagen verlangen unterschiedliche Antworten je nach individueller Situation und mit unterschiedlichen Formen der Hilfe. Die Hilfe erfolgt für alle Menschen unabhängig von religiöser und politischer Zugehörigkeit oder Herkunft. Ausschlaggebend ist die jeweilige Lebenssituation. Der Caritasverband ist Helfer und Anwalt. Verbandliche Caritasarbeit hat insbesondere folgende Funktionen: Beratungs- und Betreuungsfunktion, d. h. Menschen zu beraten, zu begleiten, sie aufzusuchen und nötige Hilfen zu leisten im offenen und ambulanten sowie im teilstationären und stationären Bereich. Informationsfunktion, d. h. Hilfesuchende über ihre sozialen Rechte und Pflichten zu informieren und Möglichkeiten aufzuzeigen, eigene Kräfte aufzubauen und fremde Hilfen zu nutzen. Pilotfunktion, d. h. neue Problemlagen zu erkennen, aufzudecken und angemessene Hilfsangebote zu entwickeln. Individuelle Anwaltsfunktion, d. h. Hilfesuchende bei der Geltendmachung Ihrer Ansprüche gegenüber staatlichen und privaten Stellen zu unterstützen und dafür einzutreten, daß die Würde des einzelnen respektiert wird. Politische Anwaltsfunktion, d. h. in der Öffentlichkeit und gegenüber den politisch Verantwortlichen Vorschläge und Forderungen zur Verbesserung des Systems der sozialen Sicherung und zur Vorbeugung gegen soziale und gesundheitliche Nöte vorzutragen und auf entsprechende Strukturverbesserungen zu drängen. Wertevermittlungsfunktion, d. h. aus christlicher Wertorientierung die Solidarität in der Gesellschaft mit Menschen in Not zu erhalten, zu fördern und weiter zu entwickeln sowie für die Würde des Einzelnen einzutreten. Der gesellschaftliche Wandel im sozialen Bereich erfordert vom Caritasverband für die Diözese Speyer e. V. eine ständige Überprüfung seiner Arbeit. Personelle und finanzielle Ressourcen sind zu beachten. Die Dienste und Einrichtungen des Caritasverbandes müssen fähig bleiben, auch unter geänderten Bedingungen ihre Aufgabe im Dienst am Menschen erfüllen zu können. Die verbandlichen Organisationsstrukturen müssen entsprechend weiterentwickelt werden. Bei der Fortentwicklung von Konzepten sind Kreativität und Phantasie auf allen Ebenen des Verbandes gefordert. Seite 4
2. Caritas als Verband Der Caritasverband als Spitzenverband Der Caritasverband für die Diözese Speyer ist die vom Bischof anerkannte institutionelle Zusammenfassung und Vertretung der katholischen Caritas in der Diözese Speyer. Er ist dem Deutschen Caritasverband e. V. mit Sitz in Freiburg angegliedert und ist ein Verband der Freien Wohlfahrtspflege. Als Spitzenverband hat er insbesondere die Aufgabe, die gemeinsamen Interessen der Träger der Caritasarbeit in der Diözese Speyer zu vertreten, die Arbeit der Caritas in der Diözese zu koordinieren und die Träger von kirchlich-caritativen Diensten und Einrichtungen sowie die ehrenamtliche Arbeit fachlich zu beraten und zu unterstützen. Er initiiert und organisiert gemeinsame Aktionen der Auslandshilfe. Der Caritasverband als Träger von Diensten und Einrichtungen Der Caritasverband ist auch Träger von Diensten und Einrichtungen in eigener Verantwortung mit einem differenzierten Angebot an offenen, ambulanten, teilstationären und stationären Hilfen. In den einzelnen Dekanaten sind die Caritas-Sekretariate Anlaufstellen für Menschen mit den verschiedensten Nöten. Der Caritasverband übernimmt insbesondere dann selbst Aufgaben der Caritas in eigener Verantwortung, wenn andere kirchliche Träger nicht zu Verfügung stehen. Der Caritasverband als Dienstleistungsunternehmen Der Caritasverband leitet seine Dienste und Einrichtungen unternehmerisch nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit. Das bedeutet insbesondere eine konsequente Ausrichtung der Leistungen an den Bedürfnissen und Problemen der Menschen, die Caritas-Dienste in Anspruch nehmen, einen wirtschaftlichen Einsatz an verfügbaren Mitteln, eine zukunftsorientierte und innovative Planung und Weiterentwicklung, Orientierung am sozialen Markt, Verbandliche Caritasarbeit bedarf einer schriftlich fixierten Organisationsstruktur, die den Anforderungen entsprechend angepasst und fortgeschrieben wird. Grundlagen sind insbesondere klare Zielsetzung, Aufbau- und Ablauforganisation, geregelte Kommunikations- und Informationsstruktur, Aufgaben- und Kompetenzbeschreibung, Transparenz nach innen und nach außen durch entsprechende Öffentlichkeitsarbeit. Seite 5
Durch einen kooperativen Führungsstil nehmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend ihrer Aufgabenstellung an den Entscheidungsprozessen bei der Ziel- und Entscheidungsfindung teil. 3. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die Basis für die sach- und fachgerechte Erfüllung der Aufgaben. Sie bringen sich mit ihrer Person und ihren fachlichen Kenntnissen und Fähigkeiten in die Arbeit ein. Dienstgeber und leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bringen ihnen Wertschätzung entgegen. Sie stärken sie in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit, fördern sie bei der Weiterentwicklung ihrer beruflichen Kompetenz und sind bedacht auf eine gute Zusammenarbeit mit- und untereinander. Durch Delegation von Verantwortung und die Stärkung der Entscheidungsfreiheit des Einzelnen wird die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefördert. Angebote der Fort- und Weiterbildung zur Erhaltung und Weiterentwicklung der Handlungskompetenz sowie Supervision unterstützen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei ihrer Arbeit. Die religiöse Dimension des Dienstes sowie Fragen des Glaubens und der Wertorientierung sind ebenso Themen der Fortbildung. Dienstgeber und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bilden eine Dienstgemeinschaft. Sie schaffen einen Raum, in dem Kritik zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Leitungsverantwortlichen aus einer vertrauensvollen Zusammenarbeit heraus erwachsen kann und Konflikte konstruktiv, aufrichtig und angstfrei gelöst werden können. Bezüglich des Dienstverhältnisses gelten die Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes (AVR), die Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO) und die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse. Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Das ehrenamtliche Engagement ist ein wesentliches Element der Caritasarbeit Der Dienst der haupthauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Dienst der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ergänzen sich gegenseitig. Der Caritasverband stützt und fördert diesen ehrenamtlichen Dienst durch Wertschätzung und kontinuierliche Begleitung der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Seite 6
4. Qualität der Arbeit Verbandliche Caritasarbeit ist qualitative Arbeit, die begründet, gesichert und überprüfbar sein muss. Sie orientiert sich am Menschen und beachtet die Ergebnisse der einschlägigen wissenschaftlichen Forschung. Die Qualität der Arbeit wird sichergestellt durch die Schaffung entsprechender Strukturen und Rahmenbedingungen, durch hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit qualifizierter Ausbildung für das entsprechende Aufgabenfeld und durch hauptamtliche nicht examinierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich unter qualifizierter Anleitung in ein Fachgebiet eingearbeitet haben, durch ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die für ihre Aufgabe geschult, fortgebildet, beraten und kontinuierlich begleitet werden. 5. Konzept des Helfens Das Konzept der Hilfe orientiert sich am christlichen Menschenbild. Dies kommt insbesondere dann zum Ausdruck, wenn der Hilfesuchende als eigenständige Person in seiner Einzigartigkeit und Würde angenommen wird, wenn die Individualität der Person bei der Hilfe beachtet wird als Recht des Menschen, sein Leben in Freiheit eigenständig und eigenverantwortlich in Übereinstimmung mit seinem Gewissen zu gestalten, wenn Hilfe als Hilfe zur Selbsthilfe konzipiert ist, die Eigenkräfte des Hilfesuchenden gestärkt werden und die Abhängigkeit des Hilfesuchenden vom Helfer weder Ziel noch Ergebnis des Hilfsprozesses ist, wenn partnerschaftlicher Umgang unter Beachtung der körperlichen, seelischen, geistigen, materiellen, kulturellen und religiösen Bedürfnisse geschieht, wenn Hilfe im Bewusstsein geschieht, dass sie nicht nur ein Geben, sondern auch ein Empfangen ist, wenn der sozialen Eingebundenheit des Hilfesuchenden Rechnung getragen wird, wenn die Transparenz der Hilfe während des ganzen Hilfsprozesses gewährleistet ist. Seite 7
6. Unsere Partner Die Arbeit des Caritasverbandes kann nur gelingen in Zusammenarbeit mit anderen. Wirksame Zusammenarbeit mit Kirche, anderen Trägern der sozialen Arbeit und Staat geschieht auf der Grundlage partnerschaftlichen Zusammenwirkens bis hin zur Vernetzung sowohl der Dienste und Einrichtungen der kirchlich-caritativen Träger als auch mit anderen Trägern der sozialen Arbeit vor Ort. Offenlegung und konsequente Vertretung verbandlicher Positionen, Konfliktbereitschaft in Sachfragen, Kompromissbereitschaft und Fairness kennzeichnen unser Verständnis von Partnerschaft. Pfarrgemeinden Der erste Ort der Caritas als Wesensaufgabe der Kirche ist die Pfarrgemeinde. Zugleich sind alle Pfarrgemeinden als Mitglieder des Caritasverbandes Mitträger der Caritasarbeit der ganzen Diözese. Der Caritasverband berät und unterstützt die Pfarrgemeinden bei ihrer Aufgabe vor allem in den Bereichen, welche die Möglichkeiten und Fähigkeiten einer Pfarrgemeinde übersteigen. Die Dienste und Einrichtungen in Trägerschaft der Caritasverbandes arbeiten mit den Pfarrgemeinden ihres Einzugsbereiches partnerschaftlich zusammen. Diözese, Caritasverbände, Fachverbände Der Caritasverband ist in besonderer Weise mit der Diözese, dem Deutschen Caritasverband, den Diözesan-Caritasverbänden in Rheinland-Pfalz und im Saarland sowie mit den in der Diözese tätigen Zentralen Fachverbänden des Deutschen Caritasverbandes verbunden. Der gemeinsame Auftrag verlangt eine besonders intensive Zusammenarbeit. Evangelische Kirche, Diakonisches Werk Die ökumenische Zusammenarbeit, die sich in unserer Diözese in Arbeitsgemeinschaften, Kooperationsverträgen und eigenen Rechtsträgerschaften bewährt hat, wird weiterverfolgt. Ein gutes Miteinander der christlichen Kirchen und ihrer sozialen Dienste ist ein Zeugnis des gemeinsamen christlichen Auftrags. Wohlfahrtsverbände Der Caritasverband arbeitet mit den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege in Rheinland-Pfalz, im Saarland und auf Bundesebene partnerschaftlich zusammen. Durch Beratung und größtmögliche Abstimmung in zentralen Aufgabenbereichen der freien Wohlfahrtspflege setzen sie sich gemeinsam für die Menschen ein. Staat Der Caritasverband beteiligt sich mit einem eigenständigen Beitrag an der Erfüllung sozial-staatlicher Aufgaben. Trotz Förderung durch öffentliche Mittel ist er frei und Seite 8
unabhängig in der Gestaltung seiner Arbeit. Der Caritasverband arbeitet partnerschaftlich zusammen mit den Landesregierungen der beiden Bundesländer Rheinland-Pfalz und Saarland und den zuständigen Ministerien und Ämtern sowie mit den Kommunen und den jeweiligen kommunalen Spitzenverbänden. Ausblick Ein Leitbild hat nur dann einen Sinn, wenn es von allen Betroffenen als verbindlich anerkannt und in das eigene Handeln einbezogen wird. Es geht um einen gemeinsamen Lernprozess von Träger, Leitungsverantwortlichen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es ist ein lohnender Weg voller Herausforderungen. Was uns dabei verbindet ist der Auftrag Jesu, sich vom Leid der Mitmenschen anrühren zu lassen wie der Samariter im Evangelium (Lk 10,33), und der Mut, sich menschlichen Nöten zu stellen. Speyer, den 28. Dezember 1995