Die Zeit der Richter. Bibelstunde vom 10. April 2015 B065. Text. Richter / Ruth. Thema Bibelkurs (9/24)

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Transkript:

Die Zeit der Richter Ri 3,7: Und die Kinder Israels taten, was böse war in den Augen des Herrn, und sie vergassen den Herrn, ihren Gott, und dienten den Baalen und Ascheren. Einleitung: Mit dem Tod Josuas beginnt die Zeit der Richter. Es ist eine traurige Epoche der Geschichte Israels, mit der wir uns im neunten Teil unseres Bibelkurses auseinandersetzen. Das Volk vergisst Gott. Am Ende des Buches Josua lesen wir (Jos 24,31): Und Israel diente dem Herrn, solange Josua lebte und die Ältesten, welche Josua überlebten, die auch alle Werke des Herrn kannten, die er an Israel getan hatte. Zu Beginn des Richterbuches heisst es (Ri 2,10): Und als auch jene ganze Generation zu ihren Vätern versammelt war [= gestorben war], kam eine andere Generation nach ihnen auf, die den Herrn nicht kannte noch die Werke, die er an Israel getan hatte. Israel versucht, sein Leben im verheissenen Land ohne Gott zu meistern. Die tragischen Konsequenzen dieses Entscheids werden uns im Buch Richter geschildert. Doch gerade diese finstere Zeit des Abfalls lässt die Treue und Vergebungsbereitschaft Gottes in besonders hellem Licht erstrahlen. 1. Vierzehn Richter für Israel: Bereits das Buch Josua hat uns im letzten Teil unseres Bibelkurses auf die Ursachen für diese unglückliche Entwicklung aufmerksam gemacht. Israel soll das Land Kanaan im Auftrag Gottes einnehmen. Doch längst nicht alle Stämme gehorchen (Jos 15,63; 16,10; 17,12-13; 23,12-13; vgl. Ri 1,21-36). Jeder Feldzug ist aufwändig und kostspielig. Zudem können die fronpflichtigen Einheimischen als billige Arbeitskräfte gebraucht werden. Der Eigennutzen wird höher gewertet als der Gehorsam gegenüber Gott. Mischehen werden abgeschlossen. Immer tiefer wird das Volk in den Götzendienst der Kanaaniter hineingezogen. Gott ermahnt sein Volk (Ri 2,2): Ihr aber sollt mit den Einwohnern dieses Landes keinen Bund machen, sondern ihre Altäre niederreissen. Aber ihr habt meiner Stimme nicht gehorcht! Warum habt ihr das getan? Als Folge ihres Fehlverhaltens verlieren die Israeliten die Unterstützung Gottes (Ri 2,3): So habe ich nun auch gesagt: Ich will sie nicht vor euch vertreiben, damit sie euch zu Fangnetzen und ihre Götter euch zum Fallstrick werden! Es beginnt ein tragischer Kreislauf, der sich als Abwärtsspirale über Jahrhunderte hinwegzieht (z.b. Ri 3,7-9): Abfall: Und die Kinder Israels taten, was böse war in den Augen des Herrn, Strafe: Da entbrannte der Zorn des Herrn über Israel; und er verkaufte sie unter die Hand, Umkehr: Da schrieen die Kinder Israels zum Herrn, Rettung: Und der Herr erweckte den Kindern Israels einen Retter, der sie befreite. Dieses Muster, das uns in den ersten Kapiteln beschrieben wird, wiederholt sich während der ganzen Richterzeit. Schauen wir uns diesen Zyklus kurz noch etwas genauer an (vgl. auch Ps 106,34-43). ht 1/6 07.04.2015

a. Abfall: Durch die Vermischung mit der einheimischen Bevölkerung kommt es zum Abfall von Gott. Die Israeliten beten Götzen und die dahinter stehenden Dämonen an (Ri 2,13): Denn sie verliessen den Herrn und dienten dem Baal und den Astarten. Baal, der kanaanitische Hauptgott, war ein männlicher Fruchtbarkeitsgott. Astoret (bzw. Astarte) war sein weibliches Pendant. Zu ihren Anbetungsritualen gehörten Tempelprostitution und Kinderopfer. b. Strafe: Denn wen der Herr lieb hat, den züchtigt er (Hebr 12,6). Gott überlässt die Israeliten nicht ihrem Schicksal. Durch äussere Umstände will er sie zur Umkehr bewegen (Ri 2,14): Da entbrannte der Zorn des Herrn über Israel, und er gab sie in die Hand von Räubern, die sie beraubten; und er verkaufte sie in die Hand ihrer Feinde ringsum, so dass sie vor ihren Feinden nicht mehr bestehen konnten. Der Herr lässt militärische Niederlagen und Fremdherrschaft über sein Volk kommen. Dazu gehören Kämpfe mit der einheimischen Bevölkerung Kanaans. Doch auch die Nachbarvölker bedrängen Israel. Im Norden wird es von aramäischen Königreichen bedroht (z.b. Hazor). Im Osten beanspruchen Ammon und Moab das Ostjordanland. Von Süden her fallen die Stämme der Amalekiter, Edomiter und Midianiter auf ihren räuberischen Streifzügen ins Land ein. Im Westen schliesslich werden die aus dem ägäischen Raum in die Küstenebene eingewanderten Philister immer stärker. c. Umkehr: Leider lernen die Israeliten das Beten immer erst in der Not. In ihrer Ausweglosigkeit erinnern sie sich an den Herrn. Tatsächlich dürfen sie erfahren, dass ihre Untreue Gottes Liebe und Geduld nicht aufhebt (Ri 2,18): Denn der Herr hatte Mitleid wegen ihrer Wehklage über ihre Bedränger und Unterdrücker. Wir selbst hätten dieses Volk wohl schon längst aufgegeben. Doch Gott bleibt ihm treu. d. Rettung: Als Antwort auf ihre Hilferufe schenkt Gott den Israeliten Anführer, die sie aus ihrer Not befreien. Es sind die Richter (hebr. schophet = einer, der zum Recht verhilft) - (Ri 2,16): Doch erweckte der Herr Richter, die sie aus den Händen derer retteten, die sie beraubten. Die Richter sind zivile und militärische Anführer. Mit Hilfe Gottes befreien sie die Israeliten von der Zwangsherrschaft ihrer Feinde. In Friedenszeiten üben sie in Israel auch richterliche Befugnisse aus, indem sie unter dem Volk Recht sprechen. Sobald allerdings ein Richter stirbt, beginnt der Kreislauf von vorne (Ri 2,19): Wenn aber der Richter starb, so handelten sie wiederum verderblich, mehr als ihre Väter Eine grundlegende Umkehr zu Gott findet nicht statt. Im Gegenteil, der Abwärtstrend wird von Mal zu Mal stärker. 450 Jahre lang dauert die Zeit der Richter (vgl. Apg 13,20). Nach biblischer Chronologie fällt sie in die Jahre zwischen 1546 und 1096 v. Chr. (vgl. LIEBI, Das Buch der Richter, Skript vom 20.07.2011). Das Buch Richter: Das Buch Richter ist der erschütternde Bericht aus jener Zeit. Der Verfasser wird uns im Buch nicht genannt. Im Babylonischen Talmud wird das Geschichtswerk Samuel zugeschrieben, der das Volk zwischen ht 2/6 07.04.2015

1116 und 1096 v. Chr. angeführt hat. Das Buch muss vor der Einnahme Jerusalems durch König David im Jahr 1049 v. Chr. geschrieben worden sein (vgl. Ri 1,21: sondern die Jebusiter wohnten bei den Söhnen Benjamins in Jerusalem bis zu diesem Tag). Das Buch Richter lässt sich in drei Teile Gliedern. In der (a) Einleitung (Kap. 1,1 3,6) werden die politischen und religiösen Verhältnisse und damit die Probleme der ganzen Epoche dargestellt. Im (b) Hauptteil (Kap. 3,7 16,31) lesen wir von der Tätigkeit der vierzehn Richter, die Gott seinem Volk schenkt. Im (c) Schlussteil (Kap. 17,1 21,25) folgt die Schilderung zweier Episoden, welche die erschreckenden Verhältnisse jener Zeit besonders deutlich machen: Michas Götzendienst in Ephraim (Kap. 17-18) und der Benjaminitische Bürgerkrieg als Folge der Schandtat von Gibea (Kap. 19-21). Wer waren die Richter? Im Buch Richter werden uns vierzehn Richter vorgestellt: Othniel (3,9), Ehud (3,15), Schamgar (3,31), Debora (4,4) und Barak (4,6), Gideon (6,11), Abimelech (9,1), Tola (10,1), Jair (10,3), Jephtah (11,1), Ibzan (12,8), Elon (12,11), Abdon (12,13) und Simson (13,24). Von manchen von ihnen wissen wir nur sehr wenig, so zum Beispiel von Ibzan aus Bethlehem (Ri 12,8-10): Nach ihm [= Jephtah] richtete Ibzan von Bethlehem das Volk Israel. Der hatte 30 Söhne und entliess 30 Töchter aus seinem Haus und nahm seinen Söhnen 30 Töchter von auswärts als Ehefrauen; und er richtete Israel sieben Jahre lang. Danach starb Ibzan und wurde in Bethlehem begraben. Längst nicht jeder Richter wird von allen zwölf Stämmen anerkannt. So lesen wir beispielsweise, dass Debora und Barak im Kampf gegen den kanaanitischen König Jabin Hilfe aus Ephraim, Manasse, Benjamin, Sebulon, Naftali und Issaschar erhielten (vgl. Ri 4,10; 5,14-15a). Den Stämmen Ruben, Dan und Asser hingegen wird mangelnde Unterstützung vorgeworfen (Ri 5,15b-17). Anders als die späteren Könige übten die Richter keine Kontrolle über das ganze Land aus. Das für das ganze Volk verbindende Element wäre das Heiligtum Gottes, die Stiftshütte in Silo, gewesen. Doch diese hatte ihre Funktion durch den Abfall vom Glauben weitgehend verloren. Am ausführlichsten berichtet uns die Bibel über die Richter Debora und Barak (Kap. 4-5), Gideon (Kap. 6-8), Abimelech (Kap. 9), Jephtah (Kap. 11-12) und Simson (Kap. 13-16). Schauen wir uns kurz einige Beispiele an, um eine Vorstellung ihres Wirkens zu bekommen. a. Debora und Barak: Bereits seit 20 Jahren leidet Israel unter der Gewalt des kanaanitischen Königs von Hazor. Als Antwort auf die verzweifelten Schreie der Kinder Israels schickt Gott die Richterin und Prophetin Debora und den Heerführer Barak gegen Sisera, den Oberbefehlshaber der Feinde. Vom Berg Tabor aus gelingt es ihnen, die feindliche Übermacht zu besiegen. Sisera kann entkommen, doch wird er kurze Zeit später von Jael, der Frau Hebers, umgebracht. Die vermeintliche Verbündete schlägt ihm mit einem Hammer einen Zeltpflock in die Schläfe, während er im Zelt ruht. ht 3/6 07.04.2015

b. Gideon: Zur Zeit Gideons sind die Israeliten jedes Jahr den Raubzügen der Midianiter ausgeliefert, die mit ihren Kamelen aus der Wüste in das Land eindringen. Zur Errettung beruft Gott einen Mann namens Gideon. 22 000 Israeliten ziehen unter seiner Leitung den Midianitern entgegen, die sich in der Ebene Jesreel lagern. Der Herr verlangt, dass das israelitische Heer auf 300 Mann reduziert wird. Diese wenigen Krieger umgeben nachts das gegnerische Heer und lösen mit ihren Schopharhörnern und den in Krügen versteckten Fackeln unter den Midianitern eine Panik aus. Mit Gottes Hilfe werden die Feinde in die Flucht geschlagen. c. Simson: Der Richter Simson ist von Gott dazu bestimmt, die Israeliten vom Joch der Philister zu befreien. Von Geburt an ist er Gott geweiht. Der Herr hat ihn mit übermenschlichen Kräften ausgestattet. Doch immer wieder wird ihm seine Schwäche für Frauen zum Verhängnis. So kommt es, dass er das Geheimnis seiner Kraft, sein ungeschnittenes Haar, einer seiner Liebhaberinnen preisgibt. Simson wird gefangengenommen. Seine Augen werden ausgestochen. Während eines Festes der Philister erfüllt ihn der Herr ein letztes Mal mit Kraft. Er bringt den Palast zum Einsturz und begräbt sich und seine Feinde unter den Trümmern. Am Beispiel von Simson wird deutlich, dass uns das Verhalten der Richter in vielerlei Hinsicht nicht als Vorbild dienen kann. Auch sie straucheln oft. Gideon beispielsweise errichtet nach positivem Anfang in seiner Heimat Ophra ein goldenes Götzenbild, das angebetet wird. Der Benjaminitische Bürgerkrieg: Der absolute Tiefpunkt der Richterzeit wird uns in den letzten drei Kapiteln des Buches näher gebracht. Wir erkennen, wie als Folge der zerstörten Gottesbeziehung auch die zwischenmenschlichen Verhältnisse in die Brüche gehen: Ehebruch, Massenvergewaltigung, Mord, Perversion, Bürgerkrieg und Menschenraub kommen hier in wenigen Versen zusammen. Ein Levit aus dem Bergland von Ephraim kehrt mit seiner ihm untreu gewordenen Nebenfrau in seine Heimat zurück. Sie ist ihm davongelaufen. Unterwegs übernachten sie in Gibea im Stammesgebiet Benjamin. Um selbst dem gleichen Schicksal zu entgehen, gibt der Levit seine Nebenfrau der Vergewaltigung durch die Bewohner der Stadt preis, die das Haus seines Gastgebers umstellt haben. Am nächsten Morgen findet er seine Frau tot vor der Haustür. Er zerschneidet sie in zwölf Stücke und sendet sie an die zwölf Stämme Israels. Ein Aufschrei geht durch das Land. Weil die Benjaminiter die Auslieferung der Vergewaltiger verweigern, beschliessen die restlichen Stämme, ihnen keine Töchter mehr zur Frau zu geben und die Schandtat von Gibea zu rächen. Es kommt zum Bürgerkrieg. Der Stamm Benjamin wird weitgehend ausgelöscht bis auf einen kleinen Restbestand von 600 Mann. Angesichts dieser fast vollständigen Vernichtung beschliessen die übrigen Stämme, den verbliebenen Benjaminitern Frauen zu besorgen. Sie tun dies, und das zeigt die Absurdität dieser Zeit, indem sie neues Blut vergiessen. Die Stadt Jabesch in ht 4/6 07.04.2015

Gilead, die sich nicht am Krieg beteiligt hat, wird angegriffen und ihrer Töchter beraubt. Zudem erlaubt man dem Stamm Benjamin, anlässlich des Erntefestes einen Festzug von Frauen aus Silo zu überfallen. Es ist eine Zeit des religiösen Abfalls, der politischen Anarchie, der moralischen und sozialen Verderbtheit. Immer wieder ertönt in den letzten Kapiteln des Buches der Hilfeschrei (Ri 17,6; 18,1; 19,1; 21,25): Zu jener Zeit gab es keinen König in Israel; jeder tat, was recht war in seinen Augen. Heute wie damals sehnt sich der Mensch angesichts solcher Zustände nach Ruhe, Frieden, Ordnung und Gerechtigkeit. Die Israeliten versuchten dieses Ziel nach der Richterzeit durch die Einsetzung von Königen zu erreichen. Doch auch die neuen Herrscher konnten die Situation nicht entscheidend verändern. Letztlich widerspiegelt dieser Refrain also den Ruf und die Sehnsucht nach dem verheissenen Messias, den Gott seit dem Sündenfall angekündigt hat. Wann endlich würde er kommen und die Menschheit aus der Knechtschaft der Sünde befreien? Noch sollte mehr als ein ganzes Jahrtausend vergehen, bis es soweit sein würde. 2. Ruth und Samuel - Licht im Dunkeln: Mitten in diese Finsternis hinein erstrahlt im Anschluss an das Buch Richter ein kleines Licht: Das Buch Ruth. Es ist eines von zwei biblischen Büchern (Ruth, Esther), in denen eine Frau im Vordergrund steht. Die Geschichte der Moabiterin Ruth zeigt uns, dass es unter dem Volk Gottes auch in der Richterzeit noch einige wenige Menschen gab, die Gott und sein Wort allen Widerständen zum Trotz lieb hatten. Die vier Kapitel des Buches Ruth erzählen davon, wie Noomi und ihre Familie während einer Hungersnot aus Bethlehem ins Nachbarland Moab ziehen (Rut 1). Jahre später kehrt sie als Witwe ohne Mann und ohne Söhne zurück. Mit ihr kommt Ruth, ihre ebenfalls verwitwete Schwiegertochter, die Noomi treu zur Seite steht (Rut 1,16): Denn wo du hingehst, da will ich auch hingehen und wo du bleibst, da will ich auch bleiben; dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott! In Bethlehem liest Ruth auf abgeernteten Feldern Ähren zusammen (Rut 2), wie es das Gesetz den Armen und Fremdlingen gestattet. Dort trifft sie Boas, einen wohlhabenden Grundbesitzer und entfernten Verwandten der Familie. Boas kommt seiner Aufgabe als Löser (vgl. 5Mo 25,5-10) nach und heiratet Ruth (Rut 3-4), so dass die beiden Witwen eine Lebensgrundlage erhalten. Boas und Ruth sind die Urgrosseltern des späteren Königs David (Rut 4,17.22). Damit sind sie zugleich auch leibliche Vorfahren des Messias (vgl. Mt 1,5). Gott hat sein Versprechen, der Menschheit einen Erlöser zu senden, nicht vergessen selbst in der dunklen Richterzeit nicht. Auch wenn vordergründig alles im Chaos zu versinken droht: Gott kommt mit seinem Plan trotzdem zum Ziel. Selbst aus Zeiten der Zerrüttung heraus beruft er sich treue und bescheidene Diener, mit denen er ht 5/6 07.04.2015

seine Absichten abseits der Schaltzentralen der Macht weiterverfolgt. Ein zweites Beispiel von Gottes Gnade und Barmherzigkeit ist der Prophet Samuel, der uns in den ersten sieben Kapiteln des ersten Buches Samuel vorgestellt wird. Als letzter Richter und erster Prophet (bzw. Seher, wie ein Prophet damals genannt wurde (1Sam 9,9), vgl. Apg 3,24; Apg 13,20) prägt er die Phase des Übergangs von der Richterzeit zum Königtum. Samuel, sein Name bedeutet: von Gott erhört, wird seiner gottesfürchtigen, aber kinderlosen Mutter Hanna als Gebetserhörung geschenkt (1Sam 1-2). Aus Dankbarkeit verspricht sie ihren Sohn dem Herrn (1Sam 1,27-28a): Ich habe um diesen Knaben gebeten, und nun hat mir der Herr meine Bitte gewährt, die ich an ihn gerichtet hatte. Darum übergebe ich ihn auch dem Herrn; alle Tage seines Lebens sei er dem Herrn übergeben. In Silo wächst Samuel beim Priester Eli im Heiligtum Gottes auf. Samuel lernt, auf die Stimme Gottes zu hören (1Sam 3). Am gottlosen Treiben der Söhne Elis beteiligt er sich nicht. In ganz Israel von Norden bis nach Süden, von Dan bis nach Beerscheba wird er als Prophet Gottes anerkannt (1Sam 3,19-20): Samuel aber wuchs heran, und der Herr war mit ihm und liess keines von allen seinen Worten auf die Erde fallen. Und ganz Israel von Dan bis Beerscheba erkannte, dass Samuel als ein Prophet des Herrn bestätigt war. Jedes Jahr zieht er von Rama, seiner Heimatstadt, aus nach Bethel, Gilgal und Mizpa, um unter dem Volk Gottes Recht zu sprechen (1Sam 7,15-17). Zur Zeit Samuels werden die Philister zunehmend zu einer Bedrohung für Israel. Immer weiter dringen sie von der Küstenebene ins Bergland vor. Die Israeliten müssen schwere Niederlagen einstecken. Schliesslich rauben die Philister sogar die Bundeslade, welche die Israeliten als eine Art Talisman ins Heerlager geholt haben (1Sam 4). Schon bald wird sie wieder nach Israel zurückgeschickt. Das Unheil, das über ihre Städte kommt, ist den Philistern zu gross (1Sam 5-6). Schliesslich ist es nicht die Bundeslade, sondern die von Samuel geforderte Herzensumkehr, welche die Israeliten zum ersten Sieg über die Philister führt (1Sam 7). Schlusswort: Mit Samuel geht die Richterzeit zu Ende. Im hohen Alter wird nämlich eine neue Forderung an ihn herangetragen: Israel will einen König. Damit werden wir uns das nächste Mal beschäftigen müssen. Vorerst dürfen wir uns mit Ruth und Samuel an den beiden Farbtupfern auf dem grauen und düsteren Gemälde der Richterzeit erfreuen, das wir heute kennengelernt haben. Ihr hingebungsvolles Leben, das uns Vorbild und Ermutigung sein darf, widerspiegelt die unveränderliche Treue Gottes (2Tim 2,13): Wenn wir untreu sind, so bleibt er [= Gott] doch treu; er kann sich selbst nicht verleugnen. Amen. Im Internet finden Sie diese Bibelstunde zum Ausdrucken als pdf- Datei unter www.egwynental.ch (Archiv/Bibelkurs). ht 6/6 07.04.2015