Drei davon möchte ich Ihnen heute Abend vorstellen.

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31.12.15, Silvester Röm 8,31-39 Ist Gott für uns, wer kann gegen uns sein? Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben - wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht. Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und uns vertritt. Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? wie geschrieben steht:»um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe.«Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn. Liebe Gemeinde, gegen Ende eines Jahres werden oft besondere Menschen geehrt, Personen, die im vergangenen Jahr in der Öffentlichkeit einen besonderen Eindruck hinterlassen haben. 1

Drei davon möchte ich Ihnen heute Abend vorstellen. Der erste ist ein junger syrischer Pianist mit Namen Aiham Ahmed. Ein Video von ihm ging um die Welt: Man sieht und hört, wie er in den Trümmern eines umkämpften Stadtteils von Damaskus auf offener Straße Klavier spielt. Zwischen den zerschossenen Häusern, zwischen Schutt und Asche sitzt er an einem alten Klavier und spielt Bach, Mozart, Beethoven, Rachmaninow- und sehr, sehr viele selbst geschriebene Kinderlieder. Er hat bis vor ein paar Wochen seinen Landsleuten, die in der Hölle des syrischen Bürgerkriegs ausharren müssen, mit seiner Musik Mut gemacht und ihre Trauer und ihren Schmerz in Liedern ausgedrückt. Wenn er auf seinem fahrbaren Klavier spielte und dazu sang, war er immer von Kindern umringt, die begeistert mitsangen. Als aber dann der IS sein Klavier in Brand schoss und er um Leib und Leben fürchten musste, machte er sich auf den Fluchtweg nach Europa und kam auf der bekannten Balkanroute vor kurzem hierher nach Deutschland, wo er nun in Gießen in einem Flüchtlingslager lebt. Vor vierzehn Tagen wurde ihm in Bonn der renommierte Beethovenpreis verliehen, ein Preis für Musiker, die im Geiste Beethovens wirken und musizieren. 2

Die zweite Person, die ich Ihnen vorstellen möchte, ist die weißrussische Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch, die Bücher geschrieben hat, in denen sie das Leben und Leiden von Menschen unter der kommunistischen Diktatur und in der Zeit danach beschreibt, die Stimmen der Opfer sehr genau und eindringlich zu Wort kommen lässt und dafür sorgt, dass ihre Schicksale als Mahnung und Ermutigung in Erinnerung bleiben. In ihrer Heimat, in Weißrussland, hat sie Publikationsverbot. Mehrfach hat man dort versucht, sie einzuschüchtern oder mundtot zu machen, bislang ohne Erfolg. Nun wurde sie vor einigen Wochen in Stockholm mit dem Nobelpreis für Literatur geehrt: eine freundliche, unbeirrbare und furchtlose Frau. Und schließlich die dritte Person, an die ich heute Abend erinnern möchte, die wahrscheinlich am wenigsten bekannt ist: eine resolute ältere Dame in der kleinen italienischen Stadt Ercolano in der Nähe von Neapel, Inhaberin eine Modeboutique, mit Namen Raffaella Ottaviano. Da ihre Heimatstadt am Fuße des Vesuv seit Jahrhunderten in den Klauen der Mafia ist, in den Fängen der Camorra, musste auch sie erleben, wie kurz nach der Eröffnung ihres Ladens zwei Männer in langen Mänteln in ihre Boutique kamen, um von ihr das übliche Schutzgeld zu erpressen. Da tat sie etwas, was noch nie jemand vor ihr gewagt hatte. 3

Sie richtete sich vor den beiden jungen Männern auf, weigerte sich, das Geld zu bezahlen und wies den Mafiosi mit energischer Stimme die Tür. Danach zeigte sie die beiden bei der Polizei an. Das hatte seit Menschengedenken noch niemand in der Stadt Ercolano gewagt. Sie hatte die Mauer des Schweigens durchbrochen. Was sie da tat, war natürlich lebensgefährlich. Aber es ging erstaunlicherweise gut. Sie wurde nicht getötet. Der grausame Arm der Camorra war offensichtlich nicht lang genug. Sie setzte einen neuen Anfang im Kampf gegen die Mafia. Sie ging herum und machte anderen Mut. Jetzt folgten in einer Kettenreaktion immer mehr Anzeigen. Der Metzger zeigte seine Erpresser an, die Bäckerin, die Tabakverkäuferin, der Konditor, der Automechaniker, der Juwelier, der Fischverkäufer usw. Innerhalb von zwei Monaten war die Antischutzgeld- Vereinigung mit ihrer Präsidentin Raffaella Ottaviano auf 42 Mitglieder angewachsen. Heute sind es über 80 Geschäftsleute. Prozess folgte auf Prozess. Die Mafiosi wurden verhaftet und verurteilt. Und siehe da: 2015 wurde Ercolano zu einer Stadt, in der die Camorra nichts mehr zu sagen hatte. Vor ein paar Tagen wurde die mutige ältere Dame im Fernsehen eingehend dafür gewürdigt. 4

Was ist nun diesen drei Personen, diesen drei Menschen des Jahres gemeinsam? Erstens: Sie ließen sich trotz extrem feindlicher und bedrohlicher Umgebung nicht einschüchtern. Sie machten zweitens anderen Menschen in unglaublicher Weise Mut und Hoffnung. Und vor allem: Sie ließen sich selber nicht trennen von ihrer eigenen Lebensquelle, von ihrer persönlichen Berufungsquelle, Inspirationsquelle. Im Falle des syrischen Pianisten war diese Quelle die Kraft und Schönheit der Musik. Im Falle der weißrussischen Schriftstellerin war es das Streben nach wahrhaftiger Erinnerung. Und im Falle der italienischen Ladenbesitzerin war es das Eintreten für Recht und Gerechtigkeit. Nichts konnte diese drei Menschen scheiden von dem, was ihnen heilig war. Und genau darin sind sie jenem Mann ähnlich, dessen Worte wir eingangs gehört haben. Sie haben, so möchte ich sagen, eine gewisse Geistesverwandtschaft mit dem Apostel Paulus. Auch Paulus ließ sich nach seiner Bekehrung vor Damaskus auch in extrem feindlicher und bedrohlicher Umgebung niemals einschüchtern. Auch er machte anderen Menschen in unglaublicher Weise Mut und Hoffnung, in unserem Fall der christlichen Gemeinde in Rom, der er einen äußerst konzentrierten und hoffnungsstarken Brief geschrieben hat: den Römerbrief. 5

Und vor allem: Auch Paulus wusste sich stets ungetrennt von seiner tiefsten Lebensquelle, von seiner tiefsten Inspirationsquelle. Und das war für ihn das Evangelium, die Botschaft von der Liebe Gottes, von der Barmherzigkeit Gottes, die allen Menschen erschienen ist und die uns einlädt, in tiefem Vertrauen auf Gott gemeinsam den Weg in die Zukunft zu gehen: Eine Botschaft, die gegen alle Welt dazu aufruft, nicht gegeneinander zu leben, sondern miteinander zu leben, aufeinander zu zu gehen und sich gegenseitig zu helfen, wie und wo immer das möglich ist. Den Christen in Rom, die von schwerer Verfolgung bedroht waren und im Untergrund, in den Katakomben, ihre Gottesdienste feiern mussten, ihnen machte er im Namen Gottes Mut, wenn er ihnen schrieb und eindringlich zu rief: Ist Gott für uns, wer kann eigentlich gegen uns sein? Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben - wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht. Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und uns vertritt. 6

Der tiefe Trost des Evangeliums wird hier laut, der darin besteht, allen äußeren und inneren Anfechtungen und Anfeindungen zum Trotz auf die alles bezwingende Liebe Gottes zu vertrauen, die in Jesus Christus erschienen ist und die in die Sphäre unserer Schuld, unserer Angst und unseres Todes hinuntergestiegen ist, um uns daraus zu befreien und uns Anteil zu geben am Sieg, am Jubel, am Triumph Christi über Sünde, Tod und Teufel. Geradezu triumphierend schreibt Paulus: Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? wie geschrieben steht:»um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe.«Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat. In einer Zeit, in der gerade die Deutschen weltweit dafür berühmt sind, dass sie besonders ängstlich und auf größtmögliche Sicherheit bedacht sind, in einer Zeit, wo die sog. German Angst wieder ihre Schatten werfen könnte, sind die mutigen und hoffnungsvollen Worte des Paulus aktueller denn je. 7

Paulus lebt aus einer tiefen Dankbarkeit Gott gegenüber, wohlwissend, dass alles Gute von ihm herkommt und seiner Gnade und seinem Segen zu verdanken ist. Im Rückblick auf das vergangene Jahr können wir uns diesem Dank nur anschließen. Was für eine Gnade, in einem Land leben zu dürfen, in dem äußerer Friede herrscht, wo keiner hungern muss, wo Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit gewährleistet sind und wir vertrauen können auf eine funktionierende Demokratie und auf eine unabhängige Justiz, wo Menschen, wenn s drauf ankommt hilfsbereiter sind, als man denkt. Wie viel Grund haben wir auch im Rückblick auf 2015 einfach nur Danke zu sagen untereinander und zum Himmel hin. Und Paulus lebt auch in dem Bewusstsein, dass wir immer wieder Fehler machen, auch schwere Fehler machen, aus Dummheit oder Bosheit oder Gleichgültigkeit, dass wir alle angewiesen sind auf Vergebung untereinander und vom Himmel her, dass es heilsam ist, am Ende eines Jahres alles Schwere und Misslungene vor dem Kreuz anzulegen und um Vergebung, Verzeihung und Erneuerung des Lebens zu bitten. 8

Und Paulus lebt schließlich in einer tiefen und unumstößlichen Gewissheit, die ganz ähnlich ist wie die Gewissheit des syrischen Pianisten, dass nichts ihn zu scheiden zu vermag von der Kraft und der Schönheit der Musik, die ganz ähnlich ist wie die Gewissheit der weißrussischen Schriftstellerin, dass nichts sie zu trennen vermag von ihrer Wahrheitsliebe, die ganz ähnlich ist wie die Gewissheit der italienischen Ladenbesitzerin, dass nichts sie zu trennen vermag von ihrem Einsatz für Recht und Gerechtigkeit. Paulus verkündet die Gewissheit unseres Glaubens, das uns nichts zu trennen vermag von der Liebe Gottes, die unser ganzes Leben hält und trägt. Diese Gewissheit ist keine breite und naive und blauäugige Gewissheit, dass wir immer von Leid und Unglück verschont bleiben werden (das wird mit großer Wahrscheinlichkeit nicht der Fall sein), sondern die gleichsam viel schmalere, aber viel tiefere existenzielle Gewissheit, dass nichts, aber auch gar nichts uns zu scheiden vermag von der Liebe Gottes. Darum sagt Paulus in einer Art Zusammenfassung des christlichen Glaubens (und das sind großartige Worte): 9

Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn. Ja, liebe Gemeinde: Was uns das Neue Jahr 2016 bringen wird, wissen wir letztendlich nicht, und wir brauchen es auch letztendlich nicht zu wissen. Es genügt die Gewissheit, dass nichts uns zu trennen vermag von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus erschienen ist. Diese Gewissheit genügt voll und ganz. Sie hilft uns, innerlich frei zu sein, immer wieder aufzuatmen, die persönliche Verantwortung in dieser Welt klar zu erkennen und wahrzunehmen und freudig und unverzagt zu leben. Amen. 10