ifo Migrationsmonitor: Innereuropäische Migration nach Deutschland Beginn einer rückläufigen Tendenz?

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Transkript:

ifo Migrationsmonitor: Innereuropäische Migration nach Deutschland Beginn einer rückläufigen Tendenz? Daten und Prognosen Katrin Oesingmann 51 Die Personenfreizügigkeit ist eines der Fundamente der Europäischen Union. Sie beinhaltet die Niederlassungsfreiheit sowie die Arbeitnehmerfreizügigkeit für die Staatsangehörigen der EU-Länder. Für EU-Unionsbürger besteht in der gesamten Europäischen Union die Möglichkeit, in einem anderen EU-Land eine Beschäftigung aufzunehmen und/oder sich dort niederzulassen, ohne eine Aufenthalts- oder Arbeitsgenehmigung zu benötigen. In den letzten Jahren stieg die innereuropäische Migration nach Deutschland stetig an. Nach den neusten Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge für Januar bis September 216 ist jedoch erstmalig seit 21 die Höhe der Zuwanderung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum Januar bis September 215 um 9% gesunken. Die stetige Steigerung der Zuwanderung aus den letzten Jahren scheint sich 216 nicht fortzusetzen. Die Personenfreizügigkeit ist eines der Fundamente der Europäischen Union und wird neben dem freien Waren- und Dienstleistungsverkehr sowie dem freien Kapital- und Zahlungsverkehr als eine der vier Grundfreiheiten der Europäischen Union bezeichnet. Die Personenfreizügigkeit beinhaltet die Niederlassungsfreiheit sowie die Arbeitnehmerfreizügigkeit für die Staatsangehörigen der Europäischen Union. Für EU-Unionsbürger besteht demnach in der gesamten Europäischen Union die Möglichkeit, in einem anderen EU-Land eine Beschäftigung aufzunehmen und/oder sich dort niederzulassen, ohne eine Aufenthalts- oder Arbeitsgenehmigung zu benötigen. 1 Seit 24 ist die EU sukzessive um weitere Staaten gewachsen, jedoch wurde die Arbeitnehmerfreizügigkeit zur Aufnahme einer Beschäftigung in Deutschland für die Staatsangehörigen von bestimmten neuen Mitgliedsländern bei diesen EU-Erweiterungen erst verzögert eingeführt. Für die sogenannten EU-8-Staaten (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakische Republik, Slowenien, Tschechien und Ungarn) gilt nach deren EU-Beitritt zum 1. Mai 24 erst seit dem 1. Mai 211 die vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit in Deutschland, für die EU-2-Staaten (Rumänien und Bulgarien) seit dem 1. Januar 214. Diese beiden Länder waren schon zum 1. Januar 27 der EU beigetreten. Mit der letzten EU-Erweiterung wurde Kroatien zum 1. Juli 213 Mitglied der EU für dessen Staatsangehörige gilt 1 Das Recht auf Freizügigkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist im Artikel 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankert. Zusätzlich gilt die Arbeitnehmerfreizügigkeit auch in den Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums, das heißt in Island, Liechtenstein und Norwegen. seit dem 1. Juli 215 die vollständige EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit in Deutschland. Im Rahmen der beschriebenen EU-Erweiterungen galt nur für Staatsangehörige von Zypern und Malta direkt mit dem EU-Beitritt 24 die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit. Deutschland und Österreich hatten bei den EU-Erweiterungen für die neuen EU-Bürger Einschränkungen bei der Aufnahme einer Tätigkeit für den längst möglichen Übergangszeitraum von sieben Jahren angesetzt, Deutschland für kroatische Staatsbürger einen Übergangszeitraum von zwei Jahren. Dies implizierte, dass die bisherigen nationalen Regelungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt für Staatsangehörige der mittel- und osteuropäischen Beitrittsländer zunächst beibehalten werden konnten. Als Grund für diese Übergangsregelung wurde die Befürchtung negativer Beschäftigungseffekte auf den heimischen Arbeitsmarkt durch eine verstärkte Einwanderung von Bürgern aus den neu beigetreten Ländern genannt. Konkret wurde ein Überangebot an Arbeitskräften und eine damit einhergehende Lohnverringerung befürchtet. Großbritannien, Irland und Schweden öffneten ihre Arbeitsmärkte hingegen zeitgleich mit dem Beitritt der neuen EU-Mitglieder im Jahr 24. Auch galt vor den sogenannten EU-Osterweiterungen innerhalb der EU-15-Staaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Irland, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden und Spanien) die volle Arbeitsnehmerfreizügigkeit. Im Zuge dieser EU-Erweiterungen, aber auch mit der Wirtschaftskrise und dem ifo Schnelldienst 6/217 7. Jahrgang 23. März 217

52 Daten und Prognosen Abb. 1 EU-Zuwanderung nach Deutschland 21 bis September 216 Gesamt und Hauptherkunftsländer 8 6 4 2 21 211 212 213 214 215 Jan. Sept. 215 Rumänien Polen Bulgarien Kroatien (a) Ungarn Italien Griechenland Spanien übrige EU-Länder (a) Kroatien wird zur Vergleichbarkeit seit 21 als Herkunftsland aufgeführt. Quelle: BAMF (217). Anstieg der Arbeitslosigkeit vor allem in den südeuropäischen Ländern stieg die innereuropäische Migration nach Deutschland in den letzten Jahren stetig an. Abbildung 1 zeigt den Verlauf der Zuwanderung nach Deutschland insgesamt und für die acht stärksten Herkunftsländer der eingewanderten EU-Unionsbürger von 21 bis einschließlich September 216. 2 Die größte Anzahl der EU-Zuwanderer kam im Jahr 215 aus Rumänien, gefolgt von Zuwanderern aus Polen und Bulgarien. Weitere Hauptherkunftsländer 215 waren Kroatien, Ungarn, Italien, Griechenland und Spanien. In den 2 Die in Abbildung 1 bis 3b dargestellten Zahlen auf Basis der Veröffentlichungen des BAMF gehen auf das sogenannte Ausländerzentralregister zurück (AZR). Diese Zahlen unterscheiden sich von denen des Statistischen Bundesamtes, da die Daten des AZR personenbezogen sind und Personen darin erst registriert werden, wenn sie sich nicht nur vorübergehend, sondern länger als 9 Tage im Bundesgebiet aufhalten. Da im AZR nur Daten ausländischer Staatsangehöriger erfasst sind, beziehen sich die Wanderungszahlen nicht auf deutsche Zu- und Abwanderer. Abb. 2 Anzahl ifo Schnelldienst 6/217 7. Jahrgang 23. März 217 Jan. Sept. 216 Zuwanderung, Abwanderung und Wanderungssaldo von EU-Bürgern, 21 216 8 6 4 2 Anzahl 21 211 212 213 214 215 Hochrechnung 216 Wanderungssaldo Zuwanderung Abwanderung Für die Hochrechnung 216 wurden die Monate Januar bis September auf Jahresebene hochgerechnet. Quelle: BAMF (217); Berechnungen des ifo Instituts. Jahren 21 bis 215 wuchs die Gesamtzuwanderung aus Europa jährlich stetig an. Die neusten Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für Januar bis September 216 zeigen jedoch erstmalig seit 21 ein anderes Bild die Höhe der Zuwanderung ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum Januar bis September 215 um 9% gesunken. Auch wenn die Jahreszahlen für 216 noch nicht vorliegen, scheint sich die stetige Steigerung der Zuwanderung aus den letzten Jahren 216 nicht fortzusetzen. Neben der Zuwanderung von Unionsbürgern nach Deutschland gibt es auch eine Abwanderung von Unionsbürgern aus Deutschland. Aus der Zuwanderung und Abwanderung ergibt sich für die berichteten Jahre der Wanderungssaldo der EU-Bürger. Dieser wird in Abbildung 2 zusätzlich zur Gesamtzuwanderung und Gesamtabwanderung auf Jahresniveau dargestellt. In den Jahren von 21 bis einschließlich 215 ist auch der Wanderungssaldo stetig angewachsen. Dies lag an dem stärkeren Wachstum der Zuwanderung im Vergleich zur Abwanderung von EU-Bürgern. So betrug 21 der Wanderungssaldo 87 Personen, 215 382 Personen. Nach einer Hochrechnung der für 216 bisher veröffentlichten Daten auf Jahresniveau wird der Wanderungssaldo für 216 höchst wahrscheinlich geringer als 215 ausfallen. Auch wenn wieder mit einem positiven Wanderungssaldo gerechnet werden kann, scheint die steigende Tendenz des Wanderungssaldos der letzten Jahre gebrochen zu sein. Abbildung 3a zeigt den Wanderungssaldo der EU-Bürger aus den mittel- und osteuropäischen Herkunftsländen Rumänien, Polen, Bulgarien, Kroatien und Ungarn seit 21 bis zur Hochrechnung für 216. Es handelt sich um die EU-Bürger mit den höchsten Wanderungssalden. Betrachtet man den Wanderungssaldo der EU-Bürger aus den Ländern Rumänien und Bulgarien, wird ersichtlich, dass dieser stetig bis einschließlich 215 gewachsen ist. Jedoch könnte nach Hochrechnung der bisher für 216 veröffentlichten Zahlen im Jahr 215 ein Höhepunkt des Wanderungssaldos erreicht worden sein. Der Wanderungssaldo der EU-Bürger aus Polen und Ungarn, die schon 211 die volle Arbeitsnehmerfreizügigkeit erhalten haben, hatte schon 212 bzw. 213 einen Höhepunkt erreicht und ist seitdem leicht gefallen. Nur bei den EU-Bürgern aus Kroatien ist der Trend noch nicht rückläufig, dieses Land ist bisher als letztes der EU beigetreten und erhielt erst im Jahr 215 die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit.

Daten und Prognosen 53 Abb. 3a Wanderungssaldo 21 216, von EU-Bürgern aus 12 1 8 6 4 2-2 Polen Kroatien Bulgarien Rumänien Ungarn 21 211 (Polen, Ungarn) 212 213 214 (Rumänien, Bulgarien) 215 Hochrechnung (Kroatien) 216 Für die Hochrechnung 216 wurden die Monate Januar bis September auf Jahresebene hochgerechnet. In Klammern wird angezeigt, welche EU-Bürger die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit bekommen haben. Quelle: BAMF (217); Berechnungen des ifo Instituts. Abb. 3b Wanderungssaldo 21 216, von EU-Bürgern aus 3 2 1 Italien Griechenland Spanien Portugal 21 211 212 213 214 215 Hochrechnung 216 Für die Hochrechnung 216 wurden die Monate Januar bis September auf Jahresebene hochgerechnet. Quelle: BAMF (217); Berechnungen des ifo Instituts. Abb. 4 Entwicklung der Arbeitslosenquoten in Südeuropa, 21 216 3 25 2 15 1 5 % 21 211 212 213 214 215 216 Italien Griechenland Spanien Portugal Die Daten für 216 für Griechenland und Italien wurden auf Basis der bisher veröffentlichten Monatswerte 216 berechnet. Quelle: Eurostat (217a; 217b). Abbildung 3b zeigt die Wanderungssalden für EU-Bürger aus den südeuropäischen Ländern Italien, Griechenland, Spanien und Portugal, die alle auch Mitglieder des Euroraums sind. Bei den EU-Bürgern aus den Ländern Griechenland, Spanien und Portugal war 212 und 213 der höchste Wanderungssaldo zu verzeichnen. Diese Länder wurden besonders stark von der Finanzkrise 28 und der darauffolgenden Wirtschaftskrise in Europa getroffen. Stärker noch als die Europäische Union beruht der Euroraum aufgrund der einheitlichen Geldpolitik auf der freien Mobilität der Produktionsfaktoren und somit auch der Arbeitskräfte. Aus makroökonomischer Sicht hilft eine Arbeitskräftemigration die Unterschiede der Arbeitslosigkeit zwischen den Mitgliedstaaten auszugleichen und trägt zu einer effizienteren Zuteilung der Humanressourcen bei. Insofern kann die Zuwanderung von Unionsbürgern nach der Finanzkrise und mit Beginn der Wirtschaftskrise als eine notwendige Reaktion auf die hohe Arbeitslosigkeit in diesen Ländern gesehen werden. Ein wichtiger Auslöser für eine Migration ist dementsprechend die Arbeitslosigkeit im Heimatland und die Hoffnung, Arbeit im Zielland zu finden. 3 Daher kann hier ein Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit im Heimatland und den Migrationsbewegungen erwartet werden. Abbildung 4 zeigt die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den zuvor in Abbildung 3b aufgeführten südeuropäischen Ländern Italien, Griechenland, Spanien und Portugal. Alle Länder bis auf Italien hatten 213 die höchste Arbeitslosigkeit mit seitdem wieder fallender Tendenz. In Italien war 214 bisher die höchste Arbeitslosenquote erreicht. Aufgrund der beschriebenen Ausgleichswirkung makroökonomischer Ungleichgewichte durch Migration will die EU die innereuropäische Mobilität der Arbeitskräfte stärker fördern. Insgesamt gilt die Höhe der innereuropäischen Migration von Arbeitskräften als gering, nur ein Bruchteil der Unionsbürger gut 3% arbeitet in einem anderen Land 3 Nach Daten des Eurostat Labour Force Survey 214 geben 58% der befragten Europäischen Einwanderer (EU 28) nach Deutschland, die vor ein bis fünf Jahren eingewandert waren, an, dass Arbeit der Grund der Einwanderung ist. Am zweitwichtigsten waren familiäre Gründe. Als Einwanderer gelten in der Befragung Personen, die für mindestens zwölf Monate nach Deutschland eingewandert sind. ifo Schnelldienst 6/217 7. Jahrgang 23. März 217

54 Daten und Prognosen als ihrem Geburtsland. Die sogenannte Strategie Europa 22 beschreibt die Mobilität von EU-Bürgern in den Mitgliedstaaten als Mittel zur Schaffung moderner Arbeitsmärkte und zur Steigerung des Beschäftigungsniveaus. Die Europäische Kommission hat sich deshalb verpflichtet, die innergemeinschaftliche Mobilität der Arbeitnehmer zu erleichtern und zu fördern, um das Angebot an Arbeitskräften besser mit der Nachfrage zu vereinbaren (vgl. Eurofund 214). Insbesondere will die EU die Mobilität der Jugendlichen verstärken, indem sie junge Menschen auf die Beschäftigungsmöglichkeiten in anderen EU-Ländern über das Europäische Portal für die berufliche Mobilität (EURES) aufmerksam macht. Vor allem die junge Bevölkerung war in den südeuropäischen Ländern sehr stark von der Wirtschaftskrise betroffen, mit Arbeitslosenraten weit über dem Landesdurchschnitt. 4 Für Deutschland im Speziellen kann die Migration zusätzlich noch dabei helfen, den aufgrund der viel beschriebenen demographischen Entwicklung zu erwartenden Arbeitskräftebedarf zu decken. Hierbei sind natürlich die Qualifikationen der Einwanderer und eine Komplementarität der auf dem Arbeitsmarkt nachgefragten und angebotenen Qualifikationen ausschlaggebend für die Integration in den Arbeitsmarkt. Abbildung 5 gibt Aufschluss über die Integration der EU-Bürger in den deutschen Arbeitsmarkt und zeigt die Beschäftigungs- und Arbeitslosenquoten im Vergleich zu deutschen Bürgern. Die Beschäftigungsquoten der Bürger aus Staaten der EU-Osterweiterung lag Ende 216 bei 57% und somit 1 Prozentpunkte unter denen der Deutschen (67%), die der Bürger aus Südeuropa (GIPS-Staaten) bei einem ähnlichen Wert von 56,5%. 5 Die höchsten Beschäftigungsquoten weisen Bürger aus Kroatien und Rumänien auf. Auch liegen die Arbeitslosenquoten der EU-Bürger über der Arbeitslosenquote der Deutschen. Jedoch haben Bürger aus Kroatien und Rumänien zusammen mit Bürgern aus Ungarn dementsprechend auch die geringsten Arbeitslosenquoten von zwischen 5,5% und 6,7% und entsprechen in etwa dem Niveau bei der deutschen Bevölkerung von 5,7%. Die höchst Arbeitslosenquote ist bei Personen aus Bulgarien (16,7%) zu finden. Zu den Faktoren, die eine Integration in den Arbeitsmarkt verhindern können, gehören neben der Qualifikation, die Anerkennung dieser Qualifikationen, wenn diese im Ausland erworben wurden, sowie Sprachbarrieren. Abbildung 6 zeigt die Barrieren zur Aufnahme einer Beschäftigung aus Sicht der EU-28-Bürger auf Basis des Eurostat Labour Force Survey aus dem Jahr 214. Die Aussagen der in Deutschland arbeitenden EU-Bürger werden hier mit den Aussagen der 4 So lag in Griechenland 215 die Arbeitslosenquote der bis einschließlich 24-Jährigen bei 49,8%, in Spanien bei 48,3% (vgl. Eurostat 217a). Weitere Länder mit einer hohen Jugendarbeitslosigkeit sind Kroatien, Italien und Portugal. 5 Die Beschäftigungsquoten sind inklusive geringfügiger Beschäftigung. Wird diese raus gerechnet, liegen die Quoten für Deutsche und EU-Bürger ca. 7%-Punkte niedriger. Abb. 5 Beschäftigungs- und Arbeitslosenquoten Nov. 216, von Deutschen und EU-Bürgern in Deutschland aus. Deutsche Kroatien Rumänien Slowenien EU 11 (a) GIPS-Staaten (b) Ungarn Bulgarien Polen Litauen Tschech. Rep. Slowakei Lettland Estland 1 2 3 4 5 6 7 8 Arbeitslosenquote Beschäftigungsquote (c) (a) Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn. (b) Griechenland, Italien, Portugal, Spanien. (c) Inklusive geringfügiger Beschäftigung. Quelle: Bundesagentur für Arbeit (217). in Frankreich und Großbritannien arbeitenden EU-Bürger verglichen. Vor allem Großbritannien war bisher neben Deutschland das Hauptzielland der innereuropäischen Migration. Insgesamt gut 73% der befragten EU-Bürger in Deutschland geben an, Hürden bei der Findung einer Anstellung gehabt zu haben. In Großbritannien sind es knapp 7%, in Frankreich hingegen nur gut 5%. Die Hauptgründe, die eine Beschäftigung in Deutschland verhindern, sind Barrieren bei der Anerkennung von Qualifikationen, Sprachbarrieren und weitere Hindernisse. 6 Um eine erfolgreiche Integration der EU-Bürger in den Arbeitsmarkt zu erreichen, müssen die Qualifikationen der zugewanderten EU-Bürger den auf dem Arbeitsmarkt nachgefragten Anforderungen entsprechen. Jedoch sollte auch gewährleistet sein, dass diese eine Anerkennung ihrer im europäischen Ausland erworbenen Leistungen erreichen können. Die vom Bund angebotenen Sprachkurse im Rahmen der Integrationskurse für ausländische Personen sind des Weiteren ein wichtiger Schritt zur Förderung der Sprachfertigkeiten der eingewanderten EU-Bürger und deren Inte- 6 Zu beachten ist, dass es sich bei den Befragten um Personen handelt, die eine Anstellung gefunden haben. Daten zu Personen ohne Anstellung liegen bei dem Survey für Deutschland nicht vor. ifo Schnelldienst 6/217 7. Jahrgang 23. März 217

Daten und Prognosen 55 Abb. 6 Umfrage unter zugewanderten EU-28-Bürgern: Hindernisse, einen geeigneten Job zu finden 1 % 8 6 4 2 Frankreich Großbritannien Deutschland Sprachkenntnisse andere Hindernisse Anerkennung von Qualifikationen Herkunft, Religion, sozialer Hintergrund Quelle: Eurostat (216). gration in den Arbeitsmarkt. Neben den beschriebenen Vorteilen für die EU insgesamt und für Deutschland durch die Migration, darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass eine starke Abwanderung in einigen Ländern der EU mit Sorge betrachtet wird. Es wird befürchtet, dass der Wegzug insbesondere von jungen, gut qualifizierten Personen die wirtschaftliche Entwicklung im Heimatland nachhaltig negativ beeinflussen könnte. Literatur Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) (217), Freizügigkeitsmonitoring: Migration von EU-Bürgern nach Deutschland, im Zeitraum Januar bis September 216, Nürnberg Bundesagentur für Arbeit (217), Auswirkungen der Migration auf den deutschen Arbeitsmarkt, Arbeitsmarkt kompakt, Januar, Nürnberg. Eurofund (214), Labour Migration in the EU: Recent Trends and Policies, Publications Office of the European Union, Luxembourg. Eurostat (216),»Obstacles to getting a suitable job by migration status, labour status and citizenship«, verfügbar unter: https://data.europa.eu/euodp/en/data/dataset/gnv4ioipbi83dupfegbg, aufgerufen am 23. Februar 217. Eurostat (217a),»Unemployment by sex and age annual average«, verfügbar unter: http://ec.europa.eu/eurostat/en/web/products-datasets/-/ UNE_RT_A, aufgerufen am 16. Februar 217. Eurostat (217b)»Unemployment by sex and age monthly average«, http://ec.europa.eu/eurostat/en/web/products-datasets/-/une_rt_m, aufgerufen am 16. Februar 217. ifo Schnelldienst 6/217 7. Jahrgang 23. März 217