Generalsekretariat Rechtsdienst Sexuelle Belästigung an der Universität Bern: Rechtliche Situation 1. Einleitung Sexuelle Belästigung ist in der Schweiz verpönt. Sie gilt als ein schwerwiegender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und in die Würde der betroffenen Person. Gemäss Bundesgesetz über die Gleichstellung von Mann und Frau ist sie am Arbeitsplatz verboten, gemäss Strafgesetzbuch stellt sie - zumindest in einer qualifizierten Form - einen eigenen Straftatbestand dar. Kanton und Universität Bern haben vor längerer Zeit Regelungen zur sexuellen Belästigung getroffen und vor Kurzem zwei externe Ansprechstellen eingesetzt. Dieses Papier zeigt die Verpflichtungen die Universität Bern im Zusammenhang mit sexueller Belästigung auf und die rechtliche Möglichkeiten, die betroffenen Angestellten und Studierenden zur Verfügung stehen. 2. Definition Sexuelle Belästigung wird in den Rechtsgrundlagen unterschiedlich definiert, unter anderem im Gleichstellungsgesetz (Art. 4) und in der Personalverordnung des Kantons Bern (Art. 5 Abs. 2). Allen Definitionen gemeinsam sind die folgenden drei Merkmale: Das als Belästigung empfundene Verhalten muss 1. unerwünscht sein 2. einen sexuellen Bezug haben und 3. die betroffene Person aufgrund ihres Geschlechts herabwürdigen 1 Als verpönte Verhaltensweisen kommen dabei verbale, non verbale oder physische Äusserungen in Betracht. Unter anderem sind folgende Formen sexueller Belästigung denkbar: anzügliche und peinliche Bemerkungen sexistische Sprüche oder Witze vorzeigen, aufhängen oder auflegen von sexistischem Material Körperkontakte und aufdringliches Verhalten wiederholte unerwünschte Einladungen Annäherungsversuche, die mit Versprechen von Vorteilen oder Androhen von Nachteilen einhergehen. 1 Definition gemäss Art. 5 Abs. 2 Personalverordnung des Kantons Bern vom 18. Mai 2005 und gemäss dem Konzept gegen die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz des Regierungsrates sowie dem Konzept gegen sexuelle Belästigung der Universität Bern: Als sexuelle Belästigung gilt jede Verhaltensweise mit sexuellem Bezug, die von einer Seite unerwünscht ist und die Personen aufgrund ihres Geschlechts herabwürdigt.
Anders als in andern Ländern werden in der Schweiz nicht nur Belästigungen mit erpresserischem Charakter, sondern auch alle Verhaltensweisen mit sexuellem Bezug, die ein feindseliges Arbeitsklima schaffen, als sexuelle Belästigung definiert. 3. Rechtliche Grundlagen Die Verpflichtungen der Universität und die rechtlichen Möglichkeiten der Betroffenen ergeben sich aus den folgenden rechtlichen Grundlagen: Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann vom 24. März 1995 (Gleichstellungsgesetz, GlG; SR 151.1) Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (StGB; SR 311.0) Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann des Kantons Bern vom 16. November 1998 (Einführungsgesetz GlG, EG GlG; BSG 152.072) Personalgesetz des Kantons Bern vom 16. September 2004 (Personalgesetz, PG; BSG 153.01) Personalverordnung des Kantons Bern vom 18. Mai 2005 (Personalverordnung, PV; BSG 153.001.1) Gesetz über die Universität des Kantons Bern vom 5. September 1996 (Universitätsgesetz, UniG; BSG 436.11) Statut der Universität Bern vom 17. Dezember 1997 (Universitätsstatut, UniSt; BSG 436.111.2) Konzept Gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ; Grundsatzerklärung und Massnahmen innerhalb der kantonalen Verwaltung vom 14. Juni 1995, erlassen vom Regierungsrat des Kantons Bern (im Folgenden: Konzept des Regierungsrates, Konz SB Reg ) 2 Reglement für die Gleichstellung von Frauen und Männern an der Universität Bern vom 14.12.1994, erlassen vom Senat der Universität Bern (im Folgenden: Reglement für die Gleichstellung, RfG ) Konzept Gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und im Studium an der Universität vom 25. Oktober 1999, erlassen von der Universitätsleitung der Universität Bern (im Folgenden: Konzept der Universität Bern, Konz SB Uni ) 2 Für die Universität Bern besonders relevant sind das Gleichstellungsgesetz, die Personalverordnung und das Personalgesetz des Kantons Bern sowie die von ihr erlassenen Rechtsgrundlagen zur sexuellen Belästigung (Konzept und Reglement für die Gleichstellung). 4. Allgemeine Verpflichtungen der Universität: Präventive und unterstützende Massnahmen Als Arbeitgeberin und öffentlich-rechtliche Anstalt ist die Universität Bern gehalten, unterstützende und präventive Massnahmen gegen sexuelle Belästigung im Studium und am Arbeitsplatz zu ergreifen. 3 2 Die Konzepte des Kantons und der Universität werden zurzeit überarbeitet, insbesondere weil neu zwei externe Ansprechstellen eingesetzt worden sind. 3 So zum Beispiel Art. 5 PV: 1 Die Direktionen und die Staatskanzlei schützen die Würde der Frauen und Männer am Arbeitsplatz, wirken präventiv und ergreifen die nötigen Massnahmen gegen sexuelle Belästigung. [..] 3 Die Direktionen und die Staatskanzlei bezeichnen eine oder mehrere Ansprechpersonen, welche den von sexueller Belästigung betroffenen Personen oder Dritten als Anlaufstelle beratend und unterstützend zur Verfügung stehen. Art. 21 RfG: 1 Die Universität Bern duldet kein sexistisches Verhalten und keine sexuelle Belästigung. 2
Dazu gehören namentlich 4 : Verfassen einer Grundsatzerklärung gegen sexuelle Belästigung Die Universität Bern nimmt in ihrem Konzept klar gegen sexuelle Belästigung im Studium und am Arbeitsplatz Stellung. Eine sexuelle Belästigung stellt für sie eine Verletzung der Menschenwürde und persönlichen Integrität ihrer Angehörigen dar. 5 In Art. 21 des Reglements für die Gleichstellung wird erklärt, dass keine sexuelle Belästigung an der Universität geduldet wird. Aktive und nachhaltige, d.h. wiederholte Kommunikation zur Grundsatzerklärung (Internet, Flyer, Merkblatt) Die Homepage der Universität Bern enthält eine eigene Seite zum Thema sexuelle Belästigung. Auf diese werden sowohl die Studierenden als auch die Mitarbeitenden der Universität Bern durch Links verwiesen. Die Seite enthält Informationen zur Frage, was sexuelle Belästigung ist und was Betroffene in einem ersten Schritt tun können. Die Universität nimmt wiederum klar gegen jegliche Formen von sexuellen Belästigungen Stellung. Alle neueintretenden Studierenden und Mitarbeitenden werden schriftlich darüber orientiert, dass die Universität Bern keine sexuelle Belästigung im Studium und am Arbeitsplatz duldet und dass sie ihre Angehörigen vor Übergriffen schützt. Definition von sexueller Belästigung Die Universität Bern hat die sexuelle Belästigung in ihrem Konzept wie folgt definiert: Als sexuelle Belästigung gilt jede Verhaltensweise mit sexuellem Bezug, die von einer Seite unerwünscht ist und die Personen aufgrund ihres Geschlechts herabwürdigt. Diese Definition ist auch auf der entsprechenden Internetseite der Universität zum Thema sexuelle Belästigung publiziert. Unterstützung für Belästigte/Bezeichnung von Ansprechstellen Die Internetseite der Universität enthält einen Link, welcher die Studierenden und die Mitarbeitenden auf die für sie zuständigen Ansprechstellen im Falle einer sexuellen Belästigung verweist. Ebenso werden die Ansprechstellen in den Informationen an die neueintretenden Studierenden und Mitarbeitenden aufgeführt. Die Ansprechstellen unterstützen die Betroffenen und bieten telefonische Beratungen und persönliche Gespräche an. Androhen und Ergreifen von Sanktionen/Massnahmen im Falle einer Belästigung Die Universität Bern erklärt in ihrem Konzept klar, dass gegen belästigende Personen Sanktionen ergriffen werden. 6 Die Universität Bern hat die notwendigen präventiven und unterstützenden Massnahmen getroffen, die sie als Arbeitgeberin und öffentlich-rechtliche Anstalt im Zusammenhang mit sexueller Belästigung zu treffen hat. 4 Enthalten beispielsweise in: Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann EBG: Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz; Informationen für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. 5 Konz SB Uni, Ziff. 1: 1. Grundsatzerklärung: Alle Angehörigen der Universität Bern haben das Recht, so behandelt zu werden, dass ihre Würde und ihre persönliche Integrität unangetastet bleiben. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und im Studium verletzt die Persönlichkeit und die Würde von Menschen. [ ] Die Universitätsleitung verlangt von allen Universitätsangehörigen, dass sie die persönlichen Grenzen respektieren, auf die ihre Kolleginnen und Kollegen im zwischenmenschlichen Kontakt Anspruch erheben. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Studentinnen und Studenten, die sich sexuell belästigt fühlen, werden aufgefordert, den belästigenden Personen nach Möglichkeit unmissverständlich mitzuteilen, dass sie ihr Verhalten nicht akzeptieren. 6 Konz SB Uni, Ziff. 1: Gegen belästigende Personen werden interne Sanktionen ergriffen.. 3
5. Vorgehen der Universität im Fall von sexueller Belästigung 5.1. Grundsätzliche Verpflichtungen der Universität im Falle einer Belästigung Die Universität Bern hat im Falle von sexueller Belästigung folgende Verpflichtungen: a. Sie bietet Beratung und Unterstützung durch Ansprechstellen (ausserhalb der Universität angesiedelte Anlaufstellen 7 ) an 8. Erhält sie Kenntnis von sexueller Belästigung an der Universität, b. klärt sie den Sachverhalt ab. 9 Liegt ein Fall von sexueller Belästigung vor, c. ergreift sie Massnahmen, um diese zu beenden bzw. weitere sexuelle Belästigungen zu verhindern. 10 5.2. Sanktionen Der Universität obliegt es, im konkreten Einzelfall in Erwägung aller relevanten Umstände die angemessenen personalrechtlichen oder disziplinarrechtlichen Sanktionen zu ergreifen 11 : A) Im Falle von Angestellten / personalrechtliche Massnahmen Als Sanktionen Massnahmen kommen nach Personalrecht, je nach Schwere der Verfehlung, insbesondere folgende Möglichkeiten in Frage: - Verwarnung - Vorläufige Einstellung im Amt - ordentliche Kündigung; grundsätzlich stellt sexuelle Belästigung einen ordentlichen Kündigungsgrund dar (Art. 25 PG) - fristlose Kündigung 12 B) Im Falle von Studierenden / disziplinarrechtliche Massnahmen Disziplinarrechtliche Massnahmen stehen der Universität Bern gestützt auf ihre Disziplinargewalt gegenüber den Studierenden (Art. 78a UniG i.v.m. Art. 52 UniSt) offen. Das Disziplinarrecht der Universität sieht folgende Sanktionen vor (Art. 52 UniSt): a. Bei leichten Verstössen gegen die Disziplinarordnung: - Verweis durch Dekanin / Dekan. b. Bei schweren oder wiederholten Verstössen gegen die Disziplinarordnung sind je nach den Umständen des konkreten Falls folgende Massnahmen möglich: - durch den Rektor: Verweis oder Hausverbot; - durch die Universitätsleitung: vorübergehender oder dauerhafter Ausschluss von einzelnen Lehrveranstaltungen, von der Benützung einzelner Universitätseinrichtungen oder vom Studium. 7 Es stehen folgende Ansprechstellen zur Verfügung: A) Für Angestellte: Ansprechstelle für Mitarbeitende in der kantonalen Verwaltung (Link unter www.pers.unibe.ch, unter dem Stichwort sexuelle Belästigung; 044 787 73 71) B) Für Studierende: Beratungsstelle der Berner Hochschulen (www.beratungsstelle.bernerhochschulen.ch; 031 631 45 51) 8 Für Angestellte der Universität bietet die Beratungsstelle der Berner Hochschulen im Weiteren psychologische Beratung an. 9 Die Zuständigkeit dafür liegt beim Rektorat. 10 Die Verantwortlichkeit liegt beim Rektor und der Universitätsleitung. 11 Situation und Anliegen der betroffenen Person werden berücksichtigt. Sie wird über die möglichen Massnahmen informiert. 12 Eine fristlose Kündigung erfolgt bei Vorliegen von wichtigen Gründen, d.h. namentlich, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (Art. 26 PG). 4
6. Rechtliche Möglichkeiten von belästigten Personen Im Fall von sexueller Belästigung an der Universität Bern stehen betroffenen Personen folgende rechtlichen Möglichkeiten und Ansprüche offen: Unterstützung und Abklärung: Sexuell belästigte Angestellte und Studierende haben als erstes die Möglichkeit, sich an eine Anlaufstelle zu wenden, welche sie unterstützt und unter Umständen in informellen Gesprächen nach Lösungen sucht. 13 Mitteilung an die Anstellungsbehörde/Universitätsleitung 14 : Eine Mitteilung aktiviert die Verpflichtung der Universität zu Abklärung und Massnahmen gegenüber belästigenden Personen falls dies nicht schon aufgrund anderer Kanäle geschehen ist. Nur Angestellte der Universität Bern: Aufsichtsrechtliche Anzeige an die Universitätsleitung: Angestellte können mit aufsichtsrechtlicher Anzeige gemäss Art. 106 Personalgesetz (PG) an die Universitätsleitung gelangen, falls sie der Auffassung sind, dass trotz Mitteilung betreffend sexuelle Belästigung die notwendigen Massnahmen nicht ergriffen würden. Im Rahmen dieser aufsichtsrechtlichen Anzeige kann gestützt auf Art. 5 Gleichstellungsgesetz (GlG) u.a. der Antrag gestellt werden, dass eine bestehende Belästigung zu beseitigen bzw. eine drohende Belästigung zu verhindern ist. 15 Alternativ bzw. vorgängig zu einer solchen Anzeige an die Universitätsleitung könnte die betroffene Person auch ein Schlichtungsverfahren gemäss dem Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann beantragen 16. Zuständige Schlichtungsstelle im Kanton Bern ist die Schlichtungsbehörde Bern-Mittelland. Nur Studierende der Universität Bern: Aufsichtsrechtliche Anzeige an die Universitätsleitung: Studierende können mit aufsichtsrechtlicher Anzeige gemäss Art. 101 Verwaltungsrechtspflegegesetz (VRPG 17 ) an die Universitätsleitung gelangen, falls sie der Auffassung sind, dass trotz Mitteilung betreffend sexuelle Belästigung die notwendigen Massnahmen nicht ergriffen würden. Strafanzeige gegen die belästigende Person: Im Vordergrund steht eine Anzeige gegen den Täter oder die Täterin wegen sexueller Belästigung (Art. 198 StGB) 18. Der Tatbestand einer sexuellen Belästigung liegt dann vor, wenn jemand tätlich oder in grober Weise durch Worte sexuell belästigt wird. Nur eine qualifizierte sexuelle Belästigung erfüllt also diesen strafrechtlichen Tatbestand. Es handelt sich um ein Antragsdelikt. Die Antragsfrist beträgt drei Monate (Art. 31 StGB). Unter Umständen: Anspruch auf Schadenersatz und Genugtuung gegenüber der belästigenden Person (Art. 41 OR). Genugtuungsansprüche setzen eine Körperverletzung oder eine schwere Persönlichkeitsverletzung voraus (Art. 47 u. 49 OR). März 2011, RD UniBE 13 Vgl. auch Fussnote 7. 14 Die Mitteilung ist an die Leiterin der Abteilung Personal und/oder an den Generalsekretär zu richten. 15 Gestützt auf Art. 5 Abs. 3 GlG kann sodann die Entrichtung einer Entschädigung verlangt werden, wenn die Arbeitgeberin Universität nicht beweisen könnte, dass sie Massnahmen getroffen hat, die zur Verhinderung sexueller Belästigungen nach der Erfahrung notwendig und angemessen sind und die der Arbeitgeberin billigerweise zugemutet werden können. Vorbehalten bleiben gemäss Abs. 5 sodann allfällige weitere Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung. 16 Vgl. zum Schlichtungsverfahren Art. 10 ff. GlG. 17 Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Bern vom 23. Mai 1989 (VRPG; BSG 155.21). 18 Möglicherweise in Verbindung mit Drohung (Art. 180 StGB), Nötigung (Art. 181 StGB) oder Ausnützung einer Notlage (Art. 193 StGB). 5