Susanne Gottlob, Karl-Josef Pazzini, Robert Langnickel, Johannes Binotto

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Transkript:

RISS. Zeitschrift für Psychoanalyse. Freud - Lacan Nummer #83 (2016/1) Reihe ISSN 1019-1976 Druckausgabe ISBN 978-3-03846-018-3 ebook (pdf) ISBN 978-3-03846-019-0 epub ISBN 978-3-03846-020-6 Herausgeber: Redaktion: Design / Grafik: Peter Widmer Susanne Gottlob, Karl-Josef Pazzini, Robert Langnickel, Johannes Binotto Marc Philip Seidel, dreamis.ch 2016 Edition RISS www.editionriss.com 2016 VISSIVO Verlag, Sonnmattstrasse 7, CH-5400 Baden verlag@vissivo.ch - www.vissivo.ch/verlag 2016 Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Bilder, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen. 4 RISS 83 (2016/1)

Inhalt Editorial 7 Artur R. Boelderl Sterben vor Lachen. Kein Witz für Lacan 10 Michaela Wünsch Warum Stereotypen witzig sind. Zum «einzigen Zug» in der Komödie 20 Marianne Schuller Ein «großer Lacher». Kafka 35 Sulgi Lie Die komische Kamera. Mischbilder in Buster Keatons The Cameraman 45 Manfred Geier «Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.» Tendenziöser Witz und Galgenhumor bei Sigmund Freud und Billy Wilder 61 Paul-Laurent Assoun Das Objekt des Lachens. Psychoanalyse des Lachhaften 76 Maurice Blanchot Auszug aus: Jener, der mich nicht begleitete / Celui qui ne m accompagnait pas. Kommentiert von Susanne Gottlob 98 Peter Widmer Wieviel Erde braucht ein Mensch? Über das diabolische Lachen 103 RISS 83 (2016/1) 5

Buchbesprechungen: Silvia Henke Bild(ungs)forschung zwischen Kunst und Psychoanalyse. Karl-Josef Pazzini: Bildung vor Bildern. Kunst Pädagogik Psychoanalyse 109 Karl-Josef Pazzini Christfried Tögel (Hg.); Urban Zerfaß (Mitarbeit): Sigmund-Freud-Gesamtausgabe in 23 Bänden 114 Abstracts und Schlüsselwörter d / f / e 119 Autoren 127 Bücher, zum Rezensieren empfohlen 132 6 RISS 83 (2016/1)

Editorial DieBeiträgedieserAusgabegruppierensichumdasLachen.Siebeschließt vorläufigdiebeschäftigungmitdenaffekten:gingesindernummer81um Affektivität, d.h. um Affekte allgemein, rückten anschließend einzelne AffektewieNeid,Ekel,Hass,auchLeidenschaftenwieLiebeund Hassins Zentrum der Auseinandersetzung. Nun versammeln sich alle Beiträge um einenaffekt,daslachen.seineprivilegierungistnichtzwingend,dennes gäbe andere Affekte, die auch interessant sind und so viele Fragen aufwerfen, dass auch sie zum gemeinsamen Thema erkoren werden könnten. Den Ausschlag für das Lachen hat wohl seine Nähe zur psychoanalytischen Theorie und Praxis ergeben, wie ja Freuds Buch Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten eindrücklich zeigt. Es öffnet auch Bezüge zu Belletristik, zu Philosophie und Ethnologie, und selbst in Religionen kommt das Lachen an entscheidenden Stellen vor, man denke nuranisaakdensohnvonabrahamundsarah,indessennamedaslachen steckt. Theoretische Abhandlungen über das Lachen sind bisweilen todernst. Eingestreute Einlagen sind dazu da, zumindest ab und zu ein SchmunzelnbeimLeserhervorzurufen. * Noch ein Wort in eigener Sache: Redaktoren, Verleger und Herausgeber freuensichübereingroßesinteressevonautoren,imrisspublizierenzu können. Wir hätten keine Probleme, drei oder gar vier Nummern jährlich mitinteressantenbeiträgenzufüllen.umtatsächlichsoweitzukommen, sind wir auf eine größere Zahl von Abonnenten und Bezügern von Einzelnummernangewiesen!Nursowirdesmöglich,ausdenrotenZahlen zu kommen. Deshalb der Appell an Sie, liebe Leser, bei Kolleginnen und Kollegen für den RISS zu werben, oder auch dafür zu sorgen, dass Bibliotheken und andere Institutionen die Zeitschrift abonnieren. Sofern dereinsteinüberschussresultierenwird,werdenwirihndazuverwenden, in erster Linie aufwändige Übersetzungen, in zweiter Linie AuU torenhonorarezubezahlen. WirtununsererseitsunserMöglichstes,denlacanianischenDiskurs nochmehrbekanntzumachen.geplantsindzurzeitzweisondernummern, RISS 83 (2016/1) 7

eineüberiranunddiepsychoanalyse,dieandere,dieandiesummerschool anknüpft, die das Lacan Seminar Zürich im Sommer 2015 veranstaltete, überangst.zudemwirdvom20.u 22.Januar2017eineTagunginZürich überdiegeburtstattfinden.dasdatumverweistaufdreigeburtstage:der RISSwirddannseinen30.Jahrganghintersichhaben,das«LacanSeminar Zürich»unddie«Fadenspule»alsMitorganisatorenbestehenseit20Jahren bzw.10jahren.daswichtigsteaberliegtinunsererüberzeugung,dassdie GeburtderPsychoanalysenichtabgeschlossenist. * Die kommende Nummer gilt dem Thema Flucht aus psychoanalytischer Perspektive. Redaktoren und Herausgeber haben sich dafür entschieden, bevor die vielen Flüchtlinge nach Europa kamen. Die beunruhigende Aktualitäthatunsdarinbestärkt,dasThemaumfassenderanzugehenbzw. zu vertiefen. Aus einem Treffen in Berlin am 22. Januar 2016 in der Psychoanalytischen Bibliothek gingen interessante Beiträge hervor, deren weitere Ausarbeitung im kommenden RISS veröffentlicht werden. Gleichwohl sind auch andere Beiträge willkommen; wer etwas zu diesem Thema schreiben möchte, setze sich mit der Redaktion oder dem HerausgeberinVerbindung. * Wiederum haben bei der Produktion dieser Ausgabe Kolleginnen und Kollegenmitgeholfen,diewederaufderAutorenlistenochimImpressum erscheinen:barbaralangraffürdiekorrekturenundergänzungeninden französischen Abstracts, Liliane Bienaimé für Mithilfe bei kniffligen Übersetzungsproblemen, Elisabeth Widmer für die Formatierung der beiden Cartoons, Ins A Kromminga, Serge Tisseron, die taz für die Autorisierung der Verwendung von Cartoons und Witzen. Ihnen allen ein herzlichesdankeschön! PeterWidmer 8 RISS 83 (2016/1)

Ein «großer Lacher». Kafka Marianne Schuller Ungefähr ein Vierteljahr ist vergangen, seit der später als «anderer ProU zess» (Elias Canetti) charakterisierte Briefwechsel, von dem nur Kafkas Briefeerhaltensind,zwischenFranzKafkaundFeliceBauereingesetzthat. Da,inderNachtvom8.aufden9.Januar1913,unternimmtesKafka,sich gegenüberdergeliebtenals«großerlacher»zuempfehlen:«ichkannauch lachen, Felice, zweifle nicht daran, ich bin sogar als großer Lacher beu kannt».1zumbeweisdieserwiedrohendvorgebrachtenbehauptungfolgt die sich über vier Seiten erstreckende, als Erinnerung firmierende BeU schreibungeinesgroßenlachens,dasinderarbeiteruunfalluversicherung alslegendefortlebt:dergroßelacherist,sodervermerkkafkas,«schon zweijahreher,wirdaberinderanstaltalslegendemichüberleben»(26). Die Szene: Eine feierliche Unterredung im Büro des Präsidenten ausanlassderbeförderungvonkafkaundzweiweiterenangestellten.da eine Begegnung mit dem im Anstaltsleben quasi unsichtbar bleibenden Präsidenten dem normalen Beamten eine Begegnung mit den Kaiser eru setzt,hatdasritualderdanksagungderdreiinschwarzeanzügegekleideu ten Kandidaten einen hohen feierlichen Wert. Die Feierlichkeit entspricht ganz und gar dem allen bekannten Reglement: Der «würdigste» der drei KandidatenhältdieDankesrede kurz,vernünftig,schneidendwiedasseinemwesenentsprach.derpräsiu dent hörte in seiner gewöhnlichen, bei feierlichen Gelegenheit [sic!] geu wählten, ein wenig an die Audienzhaltung unseres Kaisers erinnernden, tatsächlich(wennmanwillundnichtanderskann)urkomischenstellung zu.diebeineleichtgekreuzt,dielinkehandzurfaustgeballtaufdieäuu ßersteTischkantegelegt,denKopfgesenkt,sodaßsichderweißeVollbart aufderbrusteinbiegtundzualledemdennichtallzugroßenaberimmeru hinvortretendenbaucheinwenigschaukelnd(27). 1 Franz Kafka: Kritische Ausgabe. Briefe 1913-1914. Hg. von Hans-Gerd Koch, in: Franz Kafka. Kritische Ausgabe. Schriften Tagebücher Briefe. Hg. von Gerhard Neumann, Sir Malcolm Pasley, Jost Schillemeit, Frankfurt a. M.: Fischer 1999, S. 26 (im Folgenden unter Angabe der Seitenzahl fortlaufend im Text zitiert). RISS 83 (2016/1) 35

Die Beschreibung betont das Gewöhnliche des Verlaufs des Rituals; sie betont,dassdieszeneganzundgardemgewohntenverlaufeinersolchen Handlungentspricht.Dasheißt:DieWiederholungistes,diedasKomische der Szene und ihres Verlaufs hervortreten lässt. Es ist die Wiederholung, dieinderdoublierungdemvollkommenbekanntenetwasnimmtundhinu zufügt,anhängt.soistdiehaltungdespräsidentenkomisch,weilsiediedes KaisersnachahmtunddamiteineDifferenzeinführt,welchedievermeintU lich eigene Haltung nicht etwa kritisiert, sondern unterbricht. Ein Modus vonunterbrechungist,wiesichabzeichnenwird,daslachen.diestellung despräsidenten,soderbriefschreiberkafka,«kannteichschonzurgenüge undeswargarnichtnötig,daßichkleinelachanfällebekam,diesichaber nochleichtalshustenreizerklärenließen,zumalderpräsidentnichtaufu sah»(27).dochdann,alsderpräsidentseingesichthob,«packtemichfür einenaugenblickeinschreckenohnelachen,dennnunkonnteerjaauch meinemienensehnundleichtfeststellen,daßdaslachen,dasmirzumeiu nemleidwesenausdemmundekam,durchauskeinhustenwar»(27).ist mitderformulierung«schreckenohnelachen»impliziert,dasssichschreu cken und Lachen nicht ausschließen, so sticht vor allem hervor, dass das Lachen hier als ein vom Subjekt ablösbares Objekt erscheint; aufgrund dieses Objektcharakters wird das Lachen nicht länger als reibungsloses harmonischeskomplementvorgestellt, sondernalseindieharmoniestöu rendes Supplement (in) der Struktur des Subjekts, das sich auch im veru zerrten Körperbild zur Darstellung bringt: im aufgerissenen Mund. Diese Störung geschieht zum «Leidwesen» Kafkas, wie es aber auch in seinen haltlosenexplosionenein«genuß»(27)ist.daslachenaus«vollemhalse» wirdimmerhaltloser,danundie«üblichelängstvorherbekannte,kaiseru lichschematischerede»despräsidenten(27)einsetzt,dieinihrersinnlou sigkeit die das Denken erzeugende und stabilisierte Hemmungsfunktion schwächtunddiemöglichkeitzurabfuhrdeslachensschafft.nichtweildie RededesPräsidentenwitzigwäre,sondernweilsiesichganzaufdieSeite eines leeren Schematismus schlägt, mit dem Ergebnis, dass der Ausbruch deslachensfreiebahnbekommt: Natürlich lachte ich dann, da ich nun einmal im Gange war, nicht mehr bloßüberdiegegenwärtigenspäßchen,sondernauchüberdievergangeu nenunddiezukünftigenundüberallezusammenundkeinmenschwußte mehr,worübericheigentlichlache(28). 36 RISS 83 (2016/1)

DasLachenisthaltlosauchdarin,dassesdiezeitlichenProportionen,OriU entierungen und Gliederungen sprengt. Sie fallen in sich zusammen. So flüchtigundunfassbardermomentseinesausbruchs,dermomentderentu BindungundEntUSetzungvonSinnbesetzungist,soisterzugleichinseiner Flüchtigkeit «zeitlos». Auch lösen sich im Lachen die dem synthetischen VermögendesDenkenszugänglichenGegenständeauf:KeinMenschweiß, worüberzulachenwäre. AllesymbolischenBandeinderFunktionderHemmungvonPrimärU vorgängen(sigmundfreud),welchediewahrnehmungdessubjektsmitkonu stituiert,reißenundlassenderabfuhrvonpsychischerenergieihrenlauf. [D]ie Welt, die ich bisher immerhin im Schein vor Augen gehabt hatte, vergingmirvölligundichstimmteeinsolautesrücksichtsloseslachenan, wie es vielleicht in dieser Herzlichkeit nur Volksschülern in ihren SchulU bänkengegebenist(29). Und schließlich wird das Lachen in seiner heftigen Körperlichkeit in geu waltsamenaktenhaltlosengenießensausgekostet: Mit der rechten Hand meine Brust schlagend, zum Teil im Bewußtsein meiner Sünde (in Erinnerung an den Versöhnungstag) zum Teil um das vieleverhaltenelachenausderbrustherauszutreiben,brachteichvieleru leientschuldigungenvor,dievielleichtallesehrüberzeugendwaren,aber infolgeimmerneuendazwischenfahrendenlachens,gänzlichunverstanu denblieben(29). DieSchulealsInstitutionderEinübungindiesymbolischeOrdnung,dieReU ligion,welchedaswissenvongutundböse,vonunschuldundsündemit l noch zu einem durch scheinbar vernünftige Erklärungen herbeigeführten harmonischenabschlusszukommenundsichdarüberzuerhaltenwähnt: NunwarnatürlichselbstderPräsidentbeirrtundnurindemsolchenLeuU ten schon mit allen seinen Hilfsmitteln eingeborenen Gefühl alles mögu gendeine Phrase, die meinem Heulen irgend ab,ichglaube,zueinemspaß,denervorlanu RISS 83 (2016/1) 37

EDITION RISS Autor werden Eingeladen sind Autoren, ihre Texte, die den Zielsetzungen des RISS entu sprechen,einzureichen.detailszurtexteinsendungfindensieaufunserer Websitewww.editionriss.com Inhalt Der psychoanalytische Diskurs nach Freud und Lacan soll durch die ZeitU schrift RISS belebt und mitgestaltet werden. Sie nimmt die HerausfordeU rungan,durchandereansätzeaufihretauglichkeitgeprüftzuwerdenund dadurchdennochunausgeschöpftendialogvoranzubringen.dasgeschieht durch Reflexion von Praxiserfahrungen, aber auch durch Einbezug von Linguistik, Philosophie, Pädagogik, Kunstgeschichte, Filmwissenschaften, Ethnologie, Mathematik u.a. Disziplinen. Die einzelnen Nummern können thematischwieauchgemischtaufgebautsein. Leserschaft Praktizierende Psychoanalytiker, an Psychoanalyse Interessierte (SprachU wissenschaftler, Philosophen, Kulturschaffende, Pädagogen, Historiker, Ethnologenu.a.).DieexklusivfürRISSverfasstenBeiträgesowieÜbersetU zungenvonanerkanntenanalytikern,dazudieschlichtegestaltungmachen diesezeitschriftfürleserundinserentenzueinemwichtigenforumfürdie lacanianischepsychoanalyse.rissistweltweitinvielenbibliothekenonline oder physisch erhältlich und bleibt als Arbeitsinstrument weit über das Erscheinungsdatumhinausaktuell. Anzeigen / Bestellungen / Medienkontakt WirfreuenunsaufIhreKontaktaufnahme:verlag@editionriss.com RISS 83 (2016/1) 133