Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung

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Transkript:

Übersetzung 1 Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung 0.102 Abgeschlossen in Strassburg am 15. Oktober 1985 Von der Bundesversammlung genehmigt am 15. Dezember 2004 2 Ratifikationsurkunde von der Schweiz hinterlegt am 17. Februar 2005 In Kraft getreten für die Schweiz am 1. Juni 2005 (Stand am 10. April 2013) Präambel Die Mitgliedstaaten des Europarats, die diese Charta unterzeichnen, in der Erwägung, dass es das Ziel des Europarats ist, eine engere Verbindung zwischen seinen Mitgliedern herzustellen, um die Ideale und die Grundsätze, die ihr gemeinsames Erbe bilden, zu wahren und zu fördern; in der Erwägung, dass ein Mittel zur Erreichung dieses Zieles der Abschluss von Abkommen im Verwaltungsbereich ist; in der Erwägung, dass die kommunalen Gebietskörperschaften einer der Grundpfeiler jeder demokratischen Staatsform sind; in der Erwägung, dass das Recht der Bürger auf Mitwirkung an den öffentlichen Angelegenheiten einer der demokratischen Grundsätze ist, die allen Mitgliedstaaten des Europarats gemeinsam sind; überzeugt, dass dieses Recht auf kommunaler Ebene am direktesten ausgeübt werden kann; überzeugt, dass das Bestehen kommunaler Gebietskörperschaften, die mit tatsächlicher Verantwortung ausgestattet sind, eine zugleich wirkungsvolle und bürgernahe Verwaltung ermöglicht; im Bewusstsein, dass der Schutz und die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung in den verschiedenen europäischen Ländern einen wichtigen Beitrag zum Aufbau eines Europas darstellen, das auf den Grundsätzen der Demokratie und der Dezentralisierung der Macht gründet; AS 2005 2393; BBl 2004 79 1 Der französische Originaltext fndet sich unter der gleichen Nummer in der entsprechenden Ausgabe dieser Sammlung. 2 AS 2005 2391 1

0.102 Menschenrechte und Grundfreiheiten in Bekräftigung ihrer Auffassung, dass es hierzu des Bestehens kommunaler Gebietskörperschaften bedarf, die über demokratisch bestellte Entscheidungsorgane verfügen und weitgehende Selbstständigkeit hinsichtlich ihrer Kompetenzen, der Art und Weise, in der sie diese Kompetenzen ausüben, und der zur Erfüllung ihres Auftrags erforderlichen Mittel besitzen, sind wie folgt übereingekommen: Art. 1 Die Vertragsparteien verpflichten sich, die folgenden Artikel, nach Massgabe von Artikel 12 dieser Charta, als für sich bindend anzusehen. Teil I Art. 2 Verfassungs- und Gesetzesgrundlage der kommunalen Selbstverwaltung Der Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung wird in der innerstaatlichen Gesetzgebung und so weit als möglich in der Verfassung anerkannt. Art. 3 Begriff der kommunalen Selbstverwaltung 1. Kommunale Selbstverwaltung bedeutet das Recht und die tatsächliche Fähigkeit der kommunalen Gebietskörperschaften, im Rahmen des Gesetzes einen bedeutenden Teil der öffentlichen Angelegenheiten in eigener Verantwortung zum Wohl ihrer Einwohner zu regeln und zu gestalten. 2. Dieses Recht wird von Räten oder Versammlungen ausgeübt, deren Mitglieder aus freien, geheimen, gleichen, direkten und allgemeinen Wahlen hervorgegangen sind und die über Exekutivorgane verfügen können, die ihnen gegenüber verantwortlich sind. Der Rückgriff auf Bürgerversammlungen, Volksabstimmungen oder jede sonstige Form direkter Beteiligung der Bürger, sofern dies gesetzlich zulässig ist, wird dadurch nicht berührt. Art. 4 Umfang der kommunalen Selbstverwaltung 1. Die grundlegenden Kompetenzen der kommunalen Gebietskörperschaften werden durch die Verfassung oder durch Gesetz festgelegt. Diese Bestimmung schliesst jedoch nicht aus, dass den kommunalen Gebietskörperschaften im Einklang mit dem Gesetz Kompetenzen zu besonderen Zwecken übertragen werden. 2. Die kommunalen Gebietskörperschaften haben im gesetzlichen Rahmen das Recht, sich mit jeder Angelegenheit zu befassen, die nicht von ihrem Kompetenzbereich ausgeschlossen oder einer anderen Behörde übertragen ist. 3. Die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben obliegt im Allgemeinen vorzugsweise denjenigen Behörden, die den Bürgern am nächsten sind. Bei der Aufgabenzuweisung an andere Behörden sollte dem Umfang und der Art der Aufgabe sowie den 2

Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung 0.102 Erfordernissen der Wirksamkeit und der Wirtschaftlichkeit Rechnung getragen werden. 4. Die den kommunalen Gebietskörperschaften übertragenen Kompetenzen sind in der Regel vollständig und umfassend. Sie dürfen von einer anderen zentralen oder regionalen Behörde nur im gesetzlichen Rahmen in Frage gestellt oder eingeschränkt werden. 5. Werden den kommunalen Gebietskörperschaften von einer zentralen oder regionalen Behörde Befugnisse übertragen, so muss es ihnen so weit wie möglich freigestellt werden, deren Ausübung den örtlichen Gegebenheiten anzupassen. 6. Die kommunalen Gebietskörperschaften werden so weit wie möglich bei Planungs- und Entscheidungsprozessen für alle Angelegenheiten, die sie direkt betreffen, rechtzeitig und in geeigneter Weise angehört. Art. 5 Schutz der Grenzen der kommunalen Gebietskörperschaften Bei jeder Änderung kommunaler Gebietsgrenzen sind die betroffenen Gebietskörperschaften vorher anzuhören, gegebenenfalls in Form einer Volksabstimmung, sofern dies gesetzlich zulässig ist. Art. 6 Verwaltungsstrukturen und -mittel, die dem Auftrag der kommunalen Gebietskörperschaften angemessen sind 1. Unbeschadet allgemeinerer gesetzlicher Bestimmungen müssen die kommunalen Gebietskörperschaften das Recht haben, ihre internen Verwaltungsstrukturen selbst zu bestimmen, um sie ihren besonderen Bedürfnissen anpassen und eine wirksame Geschäftsabwicklung gewährleisten zu können. 2. Die Beschäftigungsbedingungen für die Bediensteten der kommunalen Gebietskörperschaften müssen die Rekrutierung von qualifiziertem Personal auf der Grundlage von Leistung und Befähigung ermöglichen; zu diesem Zweck sind geeignete Ausbildungsmöglichkeiten, Besoldungs- und Beförderungsbedingungen vorzusehen. Art. 7 Bedingungen für die Wahrnehmung der Aufgaben auf kommunaler Ebene 1. Das Statut der gewählten Kommunalvertreter muss die freie Ausübung ihres Amtes gewährleisten. 2. Das Statut muss eine angemessene Entschädigung für Kosten, die durch die Amtsausübung entstehen, und gegebenenfalls eine Entschädigung für Verdienstausfall oder ein Entgelt für geleistete Arbeit mit entsprechender sozialer Absicherung ermöglichen. 3. Ämter und Tätigkeiten, die mit dem Amt eines gewählten Kommunalvertreters unvereinbar sind, dürfen nur durch Gesetz oder durch grundlegende Rechtsprinzipien bestimmt werden. 3

0.102 Menschenrechte und Grundfreiheiten Art. 8 Verwaltungsaufsicht über die Tätigkeit der kommunalen Gebietskörperschaften 1. Jede Verwaltungsaufsicht über die kommunalen Gebietskörperschaften darf nur in der Weise und in den Fällen ausgeübt werden, die durch die Verfassung oder durch Gesetz vorgesehen sind. 2. Jede Verwaltungsaufsicht über die Tätigkeit der kommunalen Gebietskörperschaften darf in der Regel nur bezwecken, die Einhaltung der Gesetze und der Verfassungsgrundsätze sicherzustellen. Die Verwaltungsaufsicht kann jedoch bei Aufgaben, deren Durchführung den kommunalen Gebietskörperschaften übertragen worden ist, eine Kontrolle der Zweckmässigkeit durch übergeordnete Behörden umfassen. 3. Die Verwaltungsaufsicht über die kommunalen Gebietskörperschaften muss so ausgeübt werden, dass die Verhältnismässigkeit zwischen dem Umfang der Massnahme der Aufsichtsbehörde und der Bedeutung der von ihr zu schützenden Interessen gewahrt bleibt. Art. 9 Finanzmittel der kommunalen Gebietskörperschaften 1. Die kommunalen Gebietskörperschaften haben im Rahmen der nationalen Wirtschaftspolitik Anspruch auf ausreichende Eigenmittel, über die sie bei der Ausübung ihrer Kompetenzen frei verfügen können. 2. Die Finanzmittel der kommunalen Gebietskörperschaften müssen in einem angemessenen Verhältnis zu ihren Kompetenzen stehen, wie sie in der Verfassung oder im Gesetz vorgesehen sind. 3. Die Finanzmittel der kommunalen Gebietskörperschaften müssen zumindest teilweise aus kommunalen Steuern und Abgaben stammen, deren Satz die Gebietskörperschaften im gesetzlichen Rahmen selbst festlegen können. 4. Die Finanzierungssysteme, auf denen die den kommunalen Gebietskörperschaften zur Verfügung stehenden Mittel beruhen, müssen ausreichend vielfältig und dynamisch gestaltet sein, damit sie so weit wie praktisch möglich in der Lage sind, mit der tatsächlichen Entwicklung der Kosten für die Ausübung ihrer Kompetenzen Schritt zu halten. 5. Der Schutz der finanziell schwächeren kommunalen Gebietskörperschaften erfordert die Einführung von Finanzausgleichsverfahren oder gleichwertigen Massnahmen, welche die Auswirkungen ungleicher Verteilung der möglichen Finanzierungsquellen und der Kostenlasten korrigieren sollen. Derartige Verfahren oder Massnahmen dürfen die Entscheidungsfreiheit der kommunalen Gebietskörperschaften in ihrem eigenen Verantwortungsbereich nicht beeinträchtigen. 6. Die kommunalen Gebietskörperschaften müssen in geeigneter Form zu der Frage, in welcher Weise ihnen umverteilte Mittel zugeteilt werden sollen, angehört werden. 4

Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung 0.102 7. Soweit möglich dürfen Subventionen, die den kommunalen Gebietskörperschaften gewährt werden, nicht zur Finanzierung bestimmter Vorhaben bestimmt sein. Die Gewährung von Subventionen darf die grundlegende Freiheit der kommunalen Gebietskörperschaften, die Politik in ihrem eigenen Kompetenzbereich zu bestimmen, nicht beeinträchtigen. 8. Zur Finanzierung ihrer Investitionsausgaben müssen die kommunalen Gebietskörperschaften im Einklang mit dem Gesetz Zugang zum nationalen Kapitalmarkt haben. Art. 10 Vereinigungsrecht der kommunalen Gebietskörperschaften 1. Die kommunalen Gebietskörperschaften haben bei der Ausübung ihrer Kompetenzen das Recht, mit anderen Gebietskörperschaften zusammenzuarbeiten und im gesetzlichen Rahmen Verbände mit anderen Gebietskörperschaften zu bilden, um Aufgaben von gemeinsamem Interesse zu erfüllen. 2. Das Recht der kommunalen Gebietskörperschaften, einer Vereinigung zum Schutz und zur Förderung ihrer gemeinsamen Interessen anzugehören, und ihr Recht, einer internationalen Vereinigung kommunaler Gebietskörperschaften anzugehören, müssen von jedem Staat anerkannt werden. 3. Die kommunalen Gebietskörperschaften dürfen im Rahmen von Bedingungen, welche das Gesetz allenfalls vorsieht, mit kommunalen Gebietskörperschaften anderer Staaten zusammenarbeiten. Art. 11 Rechtsschutz für die kommunale Selbstverwaltung Den kommunalen Gebietskörperschaften muss der Rechtsweg offen stehen, damit sie die freie Ausübung ihrer Kompetenzen und die Achtung derjenigen Grundsätze der kommunalen Selbstverwaltung sicherstellen können, die in der Verfassung oder in der innerstaatlichen Gesetzgebung verankert sind. Teil II: Verschiedene Bestimmungen Art. 12 Verpflichtungen 1. Jede Vertragspartei verpflichtet sich, mindestens zwanzig Absätze des ersten Teils der Charta als für sich bindend anzusehen; mindestens zehn davon sind aus den folgenden Absätzen zu wählen: Artikel 2, Artikel 3 Absätze 1 und 2, Artikel 4 Absätze 1, 2 und 4, Artikel 5, Artikel 7 Absatz 1, Artikel 8 Absatz 2, 5

0.102 Menschenrechte und Grundfreiheiten Artikel 9 Absätze 1, 2 und 3, Artikel 10 Absatz 1, Artikel 11. 2. Jeder Vertragsstaat notifiziert bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde dem Generalsekretär des Europarats die nach Absatz 1 ausgewählten Absätze. 3. Jede Vertragspartei kann jederzeit danach dem Generalsekretär notifizieren, dass sie weitere Absätze dieser Charta für sich als bindend ansieht, die sie noch nicht nach Absatz 1 angenommen hatte. Diese späteren Verpflichtungen gelten als Bestandteil der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung durch die notifizierende Vertragspartei und haben dieselbe Wirkung vom ersten Tag des Monats an, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär folgt. Art. 13 Gebietskörperschaften, auf welche die Charta Anwendung findet Die in dieser Charta enthaltenen Grundsätze der kommunalen Selbstverwaltung gelten für alle Arten von kommunalen Gebietskörperschaften, die im Hoheitsgebiet der Vertragspartei bestehen. Jedoch kann jede Vertragspartei bei der Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde die Arten von kommunalen oder regionalen Gebietskörperschaften bezeichnen, auf die sie den Anwendungsbereich dieser Charta beschränken oder die sie von deren Anwendungsbereich ausschliessen will. Sie kann ferner durch spätere Notifikation an den Generalsekretär des Europarats weitere Arten von kommunalen oder regionalen Gebietskörperschaften in den Anwendungsbereich der Charta einbeziehen. Art. 14 Übermittlung von Informationen Jede Vertragspartei übermittelt dem Generalsekretär des Europarats alle einschlägigen Informationen über Rechtsvorschriften und sonstige Massnahmen, die sie erlassen oder getroffen hat, um die Bestimmungen dieser Charta einzuhalten. Teil III Art. 15 Unterzeichnung, Ratifikation, Inkrafttreten 1. Diese Charta liegt für die Mitgliedstaaten des Europarats zur Unterzeichnung auf. Sie bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung. Die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Generalsekretär des Europarats hinterlegt. 2. Diese Charta tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach dem Tag folgt, an dem vier Mitgliedstaaten des Europarats nach Absatz 1 ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch die Charta gebunden zu sein. 6

Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung 0.102 3. Für jeden anderen Mitgliedstaat, der später seine Zustimmung ausdrückt, durch die Charta gebunden zu sein, tritt diese am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde folgt. Art. 16 Gebietsklausel 1. Jeder Staat kann bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde einzelne oder mehrere Hoheitsgebiete bezeichnen, auf die diese Charta Anwendung findet. 2. Jeder Staat kann jederzeit danach durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Erklärung die Anwendung dieser Charta auf jedes weitere in der Erklärung bezeichnete Hoheitsgebiet erstrecken. Die Charta tritt für dieses Hoheitsgebiet am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Erklärung beim Generalsekretär folgt. 3. Jede nach den Absätzen 1 und 2 abgegebene Erklärung kann in Bezug auf jedes darin bezeichnete Hoheitsgebiet durch eine an den Generalsekretär gerichtete Notifikation zurückgenommen werden. Die Rücknahme wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von sechs Monaten nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär folgt. Art. 17 Kündigung 1. Jede Vertragspartei kann diese Charta nach einem Zeitabschnitt von fünf Jahren seit dem Tag, an dem die Charta für sie in Kraft getreten ist, jederzeit kündigen. Die Kündigung wird dem Generalsekretär des Europarats unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten notifiziert. Die Kündigung berührt nicht die Gültigkeit der Charta für die anderen Vertragsparteien, vorausgesetzt, dass deren Zahl vier nicht unterschreitet. 2. Jede Vertragspartei kann nach Massgabe von Absatz 1 jeden von ihr angenommenen Absatz des ersten Teils der Charta kündigen, vorausgesetzt, dass Anzahl und Art der Absätze, durch die diese Vertragspartei gebunden ist, mit den Bestimmungen von Artikel 12 Absatz 1 im Einklang bleiben. Jede Vertragspartei, die nach Kündigung eines Absatzes den Bestimmungen von Artikel 12 Absatz 1 nicht mehr entspricht, wird so angesehen, als hätte sie auch die Charta selbst gekündigt. Art. 18 Notifikation Der Generalsekretär des Europarats notifiziert den Mitgliedstaaten des Europarats: a. jede Unterzeichnung; b. jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde; 7

0.102 Menschenrechte und Grundfreiheiten c. jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Charta nach Artikel 15; d. jede nach Artikel 12 Absätze 2 und 3 eingegangene Notifikation; e. jede nach Artikel 13 eingegangene Notifikation; f. jede andere Handlung, Notifikation oder Mitteilung im Zusammenhang mit dieser Charta. Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten diese Charta unterschrieben. Geschehen zu Strassburg, am 15. Oktober 1985 in französischer und englischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Europarats hinterlegt wird. Der Generalsekretär des Europarats übermittelt allen Mitgliedstaaten des Europarats beglaubigte Abschriften. (Es folgen die Unterschriften) 8

Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung 0.102 Geltungsbereich am 10. April 2013 3 Vertragsstaaten Ratifikation Inkrafttreten Albanien 4. April 2000 1. August 2000 Andorra* 23. März 2011 1. Juli 2011 Armenien* 25. Januar 2002 1. Mai 2002 Aserbaidschan* 15. April 2002 1. August 2002 Belgien* 25. August 2004 1. Dezember 2004 Bosnien und Herzegowina 12. Juli 2002 1. November 2002 Bulgarien* 10. Mai 1995 1. September 1995 Dänemark* a 3. Februar 1988 1. September 1988 Deutschland* 17. Mai 1988 1. September 1988 Estland* 16. Dezember 1994 1. April 1995 Finnland 3. Juni 1991 1. Oktober 1991 Frankreich* 17. Januar 2007 1. Mai 2007 Georgien* 8. Dezember 2004 1. April 2005 Griechenland* 6. September 1989 1. Januar 1990 Irland* 14. Mai 2002 1. September 2002 Island 25. März 1991 1. Juli 1991 Italien* 11. Mai 1990 1. September 1990 Kroatien* 11. Oktober 1997 1. Februar 1998 Lettland* 5. Dezember 1996 1. April 1997 Liechtenstein* 11. Mai 1988 1. September 1988 Litauen 22. Juni 1999 1. Oktober 1999 Luxemburg 15. Mai 1987 1. September 1988 Malta* 6. September 1993 1. Januar 1994 Mazedonien 6. Juni 1997 1. Oktober 1997 Moldau 2. Oktober 1997 1. Februar 1998 Monaco* 10. Januar 2013 1. Mai 2013 Montenegro 12. September 2008 1. Januar 2009 Niederlande* b 20. März 1991 1. Juli 1991 Norwegen 26. Mai 1989 1. September 1989 Österreich* 23. September 1987 1. September 1988 Polen 22. November 1993 1. März 1994 Portugal 18. Dezember 1990 1. April 1991 Rumänien* 28. Januar 1998 1. Mai 1998 Russland 5. Mai 1998 1. September 1998 Schweden* 29. August 1989 1. Dezember 1989 Schweiz* 17. Februar 2005 1. Juni 2005 Serbien* 6. September 2007 1. Januar 2008 Slowakei* 1. Februar 2000 1. Juni 2000 Slowenien* 15. November 1996 1. März 1997 Spanien* 8. November 1988 1. März 1989 3 AS 2005 2393, 2010 709 und 2013 1231. Eine aktualisierte Fassung des Geltungsbereiches findet sich auf der Internetseite des EDA (www.eda.admin.ch/vertraege). 9

0.102 Menschenrechte und Grundfreiheiten Vertragsstaaten Ratifikation Inkrafttreten Tschechische Republik* 7. Mai 1999 1. September 1999 Türkei* 9. Dezember 1992 1. April 1993 Ukraine 11. September 1997 1. Januar 1998 Ungarn 21. März 1994 1. Juli 1994 Vereinigtes Königreich* 24. April 1998 1. August 1998 Zypern* 16. Mai 1988 1. September 1988 * Vorbehalte und Erklärungen. Die Vorbehalte und Erklärungen werden in der AS nicht veröffentlicht, mit Ausnahme jener der Schweiz. Die französischen und englischen Texte können auf der Internetseite des Europarates: http://conventions.coe.int eingesehen oder bei der Direktion für Völkerrecht, Sektion Staatsverträge, 3003 Bern, bezogen werden. a Die Charta findet keine Anwendung auf Grönland und die Färöer. b Für das Königreich in Europa. Erklärungen Schweiz 4 Gemäss Artikel 12 Absatz 2 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung erklärt die Schweiz, dass sie die folgenden Artikel und Absätze für sich als bindend ansieht: Artikel 2; Artikel 3 Absätze 1 und 2; Artikel 4 Absätze 1, 2, 3, 5 und 6; Artikel 5; Artikel 6 Absatz 1; Artikel 7 Absätze 1 und 3; Artikel 8 Absätze 1 und 3; Artikel 9 Absätze 1, 2, 3, 4, 6 und 8; Artikel 10 Absätze 1, 2 und 3; Artikel 11. Gemäss Artikel 13 der Charta gilt diese in der Schweiz für die Einwohnergemeinden ( communes politiques / comuni politici ). 4 Art. 1 Abs. 2 des BB vom 15. Dez. 2004 (AS 2005 2391). 10