3 neue Kirchenglocken für Raidwangen
Glocke 1 Die Betglocke ist auf den Ton G1 gestimmt und wird über 600 kg wiegen und hat einen Durchmesser von 102 cm. Glocke 2 Die Christusglocke hat ein Gewicht von 320 kg und einen Durchmesser von 80 cm. Sie ist auf ein H1 gestimmt. Glocke 3 Die Tauf- und Schiedglocke ist auf den Ton D2 gestimmt. Sie hat einen Durchmesser von 71 cm und ein Gewicht von 210 kg. Fest gemauert in der Erden steht die Form aus Lehm gebrannt. Heute muss die Glocke werden! Frisch Gesellen, seid zur Hand! Von der Stirne heiß, rinnen muss der Schweiß. Soll das Werk den Meister loben. Doch der Segen kommt von oben! Friedrich Schiller
Segensgebet für den Glockenguss der Glocken der evangelischen Kirche in Raidwangen Gott, himmlischer Vater, wir danken Dir, dass diese Glocken nun gegossen werden. Ein langer Weg der Vorplanung und der Vorbereitung liegt hinter uns. Wir bitten Dich, lass diesen Glockenguss gelingen, lege Deinen Segen auf das Tun aller, die an diesem Guss beteiligt sind. Wir bitten Dich auch für die Glocken, lass später beim Ausbau der alten Glocken und beim Einbau der neuen Glocken niemanden zu Schaden kommen. Lass den äußeren Klang dieser Glocken, wenn Sie über unseren Ort läuten, einen Widerhall haben im Inneren von uns Menschen. Segne die Menschen, die diese Glocken hören werden. Wir freuen uns, auf die neuen Glocken und sind fröhlich über Deine Güte und wollen das Lob Gottes durch das Läuten dieser Glocken über den ganzen Ort erschallen lassen. Diese Glocken laden zum Gottesdienst ein und wollen zur Besinnung auf Dich und Dein Wort einladen. Mach die Menschen in unserem Ort bereit, auf Dich und Dein Wort zu hören. Lass durch den Klang der Glocken Menschen sich einladen lassen, dass sie im Gebt sich Dir öffnen. Lade durch den Klang der Glocken Menschen ein, dass sie sich Dir im Gebet öffnen. Wir bitten Dich, lass uns durch diese Glocken erinnern lassen, an das Sterben und Auferstehen Jesus Christus, dass uns bewusst bleibt, dass wir Menschen von Deiner Gnade und Vergebung leben. Lass durch diese Glocken Menschen getröstet werden, wenn sie trauern und einen Toten zu beklagen haben. Gib ihnen und uns die Hoffnung die über den Tod hinausgeht. Segne nun unser Tun und Lassen, sei Du mit Deinem Segen über unserem Ort und bei allen Menschen, die diese Glocken hören. Lass uns Deine Barmherzigkeit schauen. Wir beten gemeinsam: Vater Unser im Himmel
Die neuen Raidwanger Glocken Glockengeläute zu Gottesdienst, Taufe und Beerdigung Tauf- und Schiedglocke Christusglocke Betglocke Inschrift: Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen. Inschrift: und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Läutet um 11.00 Uhr und um 15:00 Uhr. Inschrift: Vater Unser im Himmel, geheiligt werde dein Name! Läutet um 6:00 Uhr und um 18:00 Uhr. Durchmesser 71 cm, Gewicht 210 kg, Bronze Durchmesser 80 cm, Gewicht 320 kg, Bronze Durchmesser 102 cm, Gewicht über 600 kg, Bronze Zum Gottesdienst wird in Raidwangen mit Glockengeläut eingeladen. Eine Stunde vor Beginn werden Gottesdienste von der Betglocke und eine halbe Stunde vor Beginn von der Christusglocke angekündigt. Zu Beginn des Gottesdienstes läuten dann alle drei Glocken gemeinsam. Während des Taufaktes läutet die Taufund Schiedglocke. Zur Verkündigung eines Todesfalles läutet das volle Geläut um 17:30 Uhr am Tag des Bekanntwerdens. Auf eine Beerdigung wird ebenfalls mit Glockengeläute hingewiesen: Die Betglocke läutet eine Stunde vorher, eine halbe Stunde vor Beginn läutet die Christusglocke und zusätzlich läutet eine Viertelstunde vor Beginn die Tauf- und Schiedglocke.
Bronze - der ideale Werkstoff für die Glocke, seit Jahrtausenden Seit Jahrtausenden hat der Mensch in den verschiedenen Kulturen Bronze für die Gestaltung der Zivilisation und der Kultur verwendet. Bronzeglocken werden in der Glockengießerei Perner aus einer Legierung aus 78% Kupfer und 22% Zinn gegossen. Diese Legierung stellt das Optimum der Zugfestigkeit dar, so dass eine Glocke, die mit dem Klöppel angeschlagen wird, diese Schläge bestens und lange Zeit verkraftet. Gleichzeitig gibt diese Legierung den Glocken den ausgeprägten und langanhaltenden Klang. Bei weniger Zinngehalt nimmt der Nachklang der Glocken deutlich ab und die Glocken klingen stumpf. Bei mehr Zinn wird der Klang der höheren Teiltöne gefördert, da das Material zu hart wird, und gleichzeitig kann es sehr schnell zu Sprüngen oder Rissen kommen. Die Glocken klingen dann schrill und unangenehm. Diese Kenntnisse, die die Vorfahren in Jahrtausenden empirisch gefunden haben, sind heute in den anerkannten Lehrbüchern zu finden. (Deutsches Kupferinstitut, Veröffentlichungen über den Werkstoff Kupfer und seine Legierungen). Der hohe Zinngehalt hat noch den Vorteil, dass die Glocke sehr korrosionsbeständig ist und unempfindlich gegen Umwelteinflüsse. Bereits 1500 vor Christus haben die Chinesen den Zhong, ein Glockenspiel, aus Bronze gegossen. Der Schmelzprozeß findet heute noch nach jahrhundertealten Regeln statt, wie er von den Vätern überliefert ist. Dabei wird die Glockenbronze im Perner- Holzofen auf ca. 1200 Grad erhitzt Mit dem fertig behandelten und desoxidierten Material werden die Glocken gegossen. Um nach dem Guss gleichzeitig eine Entspannung des Gusses herbeizuführen, werden die Formen aus Lehm gebaut, der eine isolierende und wärmespeichernde Eigenschaft hat. Die trockenen Formen werden dann in eine Grube mit spezieller isolierender Dämmerde fest eingegraben. So kann nach dem Guss die Glocke, die dick am Schlagring und gleichzeitig dünn an der Schulter ist, langsam abkühlen und dazu noch ein gleichmäßiges kristallines Gefüge sich bilden. Grundvoraussetzung sind für eine gute Glocke neben der richtigen Bearbeitung die Reinheit der Materialien. Deshalb benutzt Perner nur Legierungsmaterialien aus nachgewiesenen Quellen, die analysiert sind und deren Reinheit höchste Ansprüche erfüllt.
Geschichte der Glocken Glocken spielten bereits im alten China eine wichtige Rolle. Die ältesten Glocken stammen aus der Zeit der Schang-Dynastie (ca. 1600 bis 1027 v. Chr.). Diese Glocken wurden von außen angeschlagen und ihre Mündung öffnete sich nach oben. Schon ungefähr 700 v. Chr. gelangten Glocken in den Mittelmeerraum und in Rom hingen die ersten bekannten Glocken am Giebel eines Jupitertempels. Aber erst durch irische Mönche fanden Glocken im 6. und 7. Jahrhundert. n. Chr. ihre Verbreitung in Europa. Wahrscheinlich waren sie zunächst Handschellen. Daher stammt dann auch der Begriff clocc (Altirisch: Schelle ). Bis zum neunten Jahrhundert wurden Glocken noch genietet, erst etwa um die Zeit Karls des Großen wurden Glocken aus Bronze gegossen. Im frühen Mittelalter wurde es üblich auf Klosterkirchen und später auf anderen Gotteshäusern Glocken in kleinen Dachreitern zu platzieren. Erst ab dem 10. bzw. 11. Jahrhundert entstanden hohe Türme, die den Glockenstuhl enthielten. Schließlich gelang es ab dem 14. Jahrhundert Glocken zu gießen, die den Zusammenklang mehrerer Glocken ermöglichte. Die sog. spätgotische Glocke gilt daher heute noch als Norm. Gleichzeitig entstanden Turmuhren mit Viertel- und Stundenschlägen, aus denen sich später Glockenspiele entwickelten. Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten und weniger Kirchenbauten wurden im 16. und 17. Jahrhundert weniger Glocken gegossen. Das Klangniveau dieser Renaissanceglocken war nicht sehr überzeugend. Nach dem dreißigjährigen Krieg waren nicht mehr viele private Glockengießer vorhanden, daher ersetzten lothringische Wandergießer die verloren gegangen Glocken durch dünnwandige Glocken. Erst im 19. Jahrhundert besinnt man sich in der Glockengießkunst wieder auf musikalische Qualitäten, aber die Ergebnisse sind nicht gut. Es dauerte bis nach dem zweiten Weltkrieg, dann gelang es den Glockengießern allmählich wieder das hohe Klangniveau des 15. und 16. Jahrhunderts zu erreichen bzw. zu übertreffen. Herstellung von Glocken Schon bei Schiller hieß es im Lied von der Glocke: Fest gemauert in der Erden steht die Form aus Lehm gebrannt. Glocken werden meistens immer noch durch Gießen in eine Form hergestellt. Das Gussmaterial ist in der Regel eine Zinnbronze aus 76 80 % Kupfer und Tintinnabulum Süditalien 1. Jhd. v. Chr.
20 24 % Zinn. Es wird zunächst ein hohler Glockenkern gemauert und mit Lehm bestrichen. Auf die Lehmschicht wird ein Trennmittel (Talg, Fett, Graphit) aufgebracht. Auf diese Schicht kommt wieder Lehm, genau in der Form, die die Glocke später hat. Das ist die falsche Glocke. Auf ihr werden, wenn sie trocken ist, alle Verzierungen und Schriften aus Wachs aufgebracht. Auf diese Wachsschicht kommen mehrere Schichten Lehm, darin bilden sich dann die Verzierungen und Schriften ab. Diese Schicht heißt Mantel. Wenn diese Schicht fertig ist, wird sie durch ein Feuer im hohlen Kern ausgebrannt. Anschließend wird der Mantel abgehoben und die falsche Glocke zerschlagen. Danach wird der Mantel wieder aufgesetzt. Es entsteht jetzt zwischen Kern und Mantel ein Hohlraum. Zum Gießen der eigentlichen Glocke wird die Grube, in der die Glockenform steht mit Erde aufgefüllt, damit die Form den beim Gießen entstehenden Druck aushalten kann. Über Rinnen wird die auf ca. 1.100 0 C erhitzte Glockenspeise durch das Gussloch in die Form geleitet. Durch ein oder zwei Löcher entweichen die Luft und die beim Gießen entstehenden Gase. Nach Glockengießer Darstellung von 1568 mehrwöchiger Abkühlungszeit kann die Glocke aus der Form genommen werden. Erst dann weiß man, ob der Guss der Glocke erfolgreich war. Traditionellerweise wird als Termin für den Guss Freitagnachmittag 15 Uhr, die Sterbestunde Jesu Christi, gewählt. Glockengießen benötigt viel Erfahrung, daher haben in diesem Handwerk viele Glockengießereien eine lange Tradition. Glockenformen Die Form eines Bienenkorbes war bis zum 12. Jahrhundert die vorherrschende Form. Die älteste bekannte Glocke dieser Art ist die Lullusglocke in der Stiftsruine Bad Hersfeld. Sie wurde 1038 gegossen. Die schwerste Glocke dieser Art ist die Kunigundenglocke im Bamberger Dom, sie wiegt 3.600 kg und wurde ca. 1138 gegossen. Im 13. Jahrhundert entwickelte sich die Zuckerhutform. Entwicklung der Glockenrippen
Lullusglocke mit traditioneller Aufhängung Glocken als Musikinstrument Einige dieser Glocken gibt es noch, so z. B. im Konstanzer Münster das Totenglöckchen, das um ca. 1200 n. Chr. gegossen wurde oder das ebenfalls um ca. 1200 gegossene Totenglöckchen im Überlinger Münster mit einem Gewicht von 90 kg. Im 15. Jahrhundert entwickelte sich die gotische Dreiklangglocke. Sie ist die verbreitetste Form. Dazu gehört z. B. die Mittagsglocke in der Herrenberger Stiftskirche, die um 1470 n. Chr. von Hans Eger in Reutlingen gegossen wurde. im Spätmittelalter an der schwerrippigen Molloktavglocke. Die neuen Glocken in Raidwangen wurden auf die Töne G1, H1 und D2 gestimmt. Glockenaufbau Früher wurden Glocken einzeln zu bestimmten Anlässen geläutet. Auf ein harmonisches Klangverhalten wurde nicht geachtet. Seit der Barockzeit wurden Glocken aufeinander abgestimmt. Jede Glocke hat verschiedene Töne, die auch durch ganz unterschiedliche Einflüsse bestimmt werden. Einerseits gibt es die natürliche Obertonreihe, andererseits verschiedene Teiltöne, die tiefe Prinzipaltöne (Unterton, Prime, Terz, Quinte und Oktave) und die darüber liegenden Mixturtöne enthalten. Neben dem Teiltonaufbau und der Gusstechnik wird die Klangqualität einer Glocke auch vom Rippenprofil (der Dicke und der Form der Glockenwand) beeinflusst. Die schweren Glockenrippen geben einen stärkeren, runderen Klang als die dünnwandigen. Das heutige Klangideal orientiert sich, wie
Aufgaben der Glocken früher und heute Verbreiter der Glocken in der Frühzeit waren die Klöster. Bereits Benedikt von Nursia (Begründer des Mönchtums in Westeuropa, ca. 480 bis 547 n. Chr.) schrieb den Mönchen acht Gebetszeiten vor, sieben davon tagsüber, eine um Mitternacht. Durch ein Zeichen, in der Regel eine Glocke sollten die Mönche zusammen gerufen werden, folglich hatten Glocken zuerst die Aufgabe eines Rufinstruments. Teilweise übernahm die evangelische Kirche diese klösterliche Tradition. Dies drückt sich auch in den Glockenbezeichungen aus: Name Primglocke ursprüngliche Aufgabe markiert den Tagesbeginn (6 Uhr) Kreuzglocke Kreuz- bzw. Schiedglocke Betglocke erinnert an die Kreuzigung Jesu erinnert an die Kreuzigung Jesu und an verstorbenen Gemeindeglieder (15:00 Uhr) Gedenken an die Grablegung Jesu
Unsere Glocken im Glockenmuseum in Herrenberg Hoch über den Dächern der Stadt Herrenberg unter der welschen Haube, der barocken Zwiebel, im mächtigen Turm der Stiftskirche befindet sich das Glockenmuseum. Unser Gemeindeausflug im November 2008 führte uns hierher und gab uns wertvolle Einblicke in die Geschichte der Kirchenglocke im Besonderen und im Allgemeinen. In jedem Jahr scheuen sich etwa 10.000 Menschen nicht vor dem Aufstieg über die 146 Stufen, um dann ohne musealen Abstand die einmalige Sammlung aus über einem Jahrtausend Glockengeschichte ansehen und anhören zu können. Der Weg führt durch die Vorhalle der Kirche über die Turm-Empore zur mittelalterlichen engen, steinernen Wendeltreppe. Über breitere Holztreppen gelangt man anschließend in die große Glockenstube. Wenige Stufen höher wird die Empore der Zimbelglocken erreicht. Über 30 läutbare Glocken können nun aus der Nähe besichtigt werden. Der viertelstündliche, der stündliche Glockenschlag und das Läuten der Glocken nach der festgelegten Läuteordnung unterbricht unüberhörbar jede Besichtigung und wird zu einem unvergesslichen Klangerlebnis. Interessante und reichhaltige Beschreibungstafeln geben Auskunft über Alter, Herkunft, Klang, Namen und Einsatz der jeweiligen Glocke. Mit viel ehrenamtlichem und freiwilligem Einsatz betreut und erweitert die Bauhütte laufend das Museum. Dies wird auch sichtbar an den vielen noch nicht endgültig aufgestellten Gegenständen und Glocken, die zukünftig auf der Ebene unter den Großglocken gezeigt werden sollen. Ab Herbst 2009 werden hier 2 unserer alten Glocken, welche Wilhelm Henzler aus Ohio im Jahre 1920 seiner Heimatgemeinde der Evangelischen Kirchengemeinde Raidwangen spendete, ausgestellt. Die 3. Glocke wird im Eingangsbereich des Gemeindehauses aufgehängt. Sollten Sie neugierig geworden sein, dann nehmen Sie sich doch einfach vor, das Museum zu besuchen und auf eigene Faust oder mit einer sachkundigen Führung zu erleben. Vielleicht entdecken Sie ja eine Ihrer Glocken. Detailinfos, auch zu den ausgestellten Glocken, Öffnungszeiten und Eintrittspreise erhalten Sie unter: www.glockenmuseum-stiftskirche-herrenberg.de
Herausgegeben von der Ev. Kirchengemeinde Raidwangen. Fotos: Fa. Perner, S. Sonneck