Denkmalplege im Rheinland

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Transkript:

Denkmalplege im Rheinland Landschaftsverband Rheinland LVR-Amt für Denkmalplege im Rheinland 0177-2619_denkmalpflege_1-2014 2.indd 1 31. Jahrgang Nr. 1 1. Vierteljahr 2014 27.02.2014 10:26:02

Inhalt Bärbel Schallow-Gröne Sakrale Würde in profanen Bauformen Die Heilig-Geist-Kirche in Essen-Katernberg von Gottfried Böhm.... 1 Jutta Curtius 1000 Rosen für Schloss Birlinghoven Fritz Enckes Planungen für den Schlosspark... 6 Katja Schlisio Die Geschichte des Barmer Rathauses... 14 Gisela Hauck Ein Ornat von Clemens August aus St. Dionysius in Heimbach-Vlatten: Material und Herstellungstechniken Konservierung/ Restaurierung... 20 Elke Janßen-Schnabel Erhaltenswerte Bausubstanz in der Städtebaulichen Denkmalplege auf der Grundlage des Denkmalschutzgesetzes von Nordrhein-Westfalen... 33 Marco Kieser Hollywood hat auch einmal so angefangen. Der Architekt Carlos Dudek eine Skizze... 33 Impressum Erscheinungsdatum: 1. Vierteljahr 2014 Klartext Verlag Heßlerstraße 37 45329 Essen Tel.: +49 (0)201 86 206 33 Fax: +49 (0)201 86 206 22 info@klartext-verlag.de www.klartext-verlag.de Alle Rechte vorbehalten Eine Veröfentlichung des LANDSCHAFTSVERBANDES RHEINLAND LVR-Amt für Denkmalplege im Rheinland Dr. Andrea Pufke, Landeskonservatorin Abtei Brauweiler 50259 Pulheim Redaktion: Thomas Goege, Marco Kieser, Gundula Lang, Marc Peez, Christoph Schaab E-Mail: redaktion-dir.denkmalplegeamt@lvr.de Fotograinnen: Jessica Blank, Viola Blumreich, Vanessa Lange, Silvia-Margrit Wolf Digitale Bildbearbeitung im LVR-ADR: Viola Blumrich, Silvia-Margrit Wolf Satz, Gestaltung und Lithographie: Klartext Medienwerkstatt GmbH, Essen (www.k-mw.de) Druck: Druckerei Nolte Iserlohn Erscheinungsweise: vierteljährlich Jahresabonnement: 13,00 (zzgl. Versandkosten) Einzelheft: 4,00 (zzgl. Versandkosten) Abo-Bestellung beim Verlag ISSN 0177 2619 Nachrichten und Notizen Tagungsbericht: Kongress Aggression und Avantgarde... 37 Deutscher Preis für Denkmalschutz 2013... 42 17. Kölner Gespräch zu Architektur und Denkmalplege: Perspektiven der Denkmalförderung... 44 Neue Bücher.... 45 Nachrichten/ Personalia... 46 Auswärtige Autorinnen und Autoren: Dipl.-Ing. Jutta Curtius Landschaftsarchitektin AKNW info@jutta-curtius.de Dr. Bärbel Schallow-Gröne bschallow@t-online.de Dipl.-Ing. Katja Schlisio katja.schlisio@tu-dortmund.de Dipl.-Ing. Moritz Wild info@moritzwild.de Autorinnen und Autoren aus dem LVR-Amt für Denkmalplege im Rheinland: Eva-Maria Beckmann M. A., Sabine Cornelius M. A., Gisela Hauck, Dr. Elke Janßen-Schnabel, Dr. Marco Kieser, Dr. Helmtrud Köhren-Jansen Eine Veröfentlichung des LANDSCHAFTSVERBANDES RHEINLAND Titelbild: Heimbach-Vlatten, St. Dionysius, Ornat des Kölner Erzbischofs und Kurfürsten Clemens August I (1700 1761). Nachbildung des Rapports des loral gemusterten Gewebes (Gros de Tours). Vgl. Beitrag von Gisela Hauck. Foto und Bildmontage: Viola Blumrich, LVR-ADR, 2013 0177-2619_denkmalpflege_1-2014 2.indd 2 27.02.2014 10:26:02

Hollywood hat auch einmal so angefangen. Der Architekt Carlos Dudek eine Skizze Marco Kieser Hans-Günther Sohl (1906 1989), 1942 bereits Wehrwirtschaftsführer, 1953 1973 Thyssen-Vorstandchef und 1972 1976 Vorsitzender des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, war in den Wiederaufbauund Boomjahren der Bundesrepublik zweifellos einer der einlussreichsten deutschen Wirtschaftsmanager. 1961/62 ließ er sich ganz im Osten Düsseldorfs ein stattliches Wohnhaus mit einem beeindruckenden Park errichten. Dieser von Roland Weber gestaltete Park der Villa Sohl wurde 2012 durch das LVR-Amt für Denkmalplege in Zusammenarbeit mit dem Gartendenkmalpleger Claus Lange begutachtet und als Denkmal eingestuft. Das Wohnhaus selbst, in jenem typischen Landhausstil, der Mitte des 20. Jahrhunderts beinah zeitlos erscheint und alle Stile, Moden und Geschmäcker (von der Avantgarde ganz zu schweigen) scheinbar reglos überdauerte, war einige Jahre zuvor bereits einmal in Augenschein genommen und als architektonisch und architekturgeschichtlich belanglos, somit nicht denkmalwert eingestuft worden. Klares Urteil, abgeschlossener Fall? Nicht ganz. Rätsel gab noch der Architekt des Wohnhauses auf Carlos Dudek aus Ibiza. Der Architekturhistoriker gesteht ungern, aber schamlos: Der Name war uns völlig unbekannt. Konnte das sein, bei einer solch überaus prominenten Bauaufgabe bzw. Bauherrenschaft? Auch die üblichen Bordmittel einer guten bauhistorischen Bibliothek versagten bis auf wenige, ganz versteckte Ausnahmen. Wie so häuig führten erst die neuen Recherchemöglichkeiten des Internets auf die richtige Fährte: Film und Frau, Bunte, Hamburger Abendblatt hier wäre der richtige Einstieg gewesen! Ein erster hilfreicher Kontakt war dann der engagierte Leiter eines kleinen Filmmuseums in einem Dorf südlich von Hamburg. Irgendwann war dann die entscheidende Adresse für eine e-mail nach Ibiza gefunden Von Stoppenberg zum Film Wilhelm Julius Carl Dudek wurde am 5. September 1910 in Stoppenberg (Essen), gewissermaßen im Schatten der Zeche Zollverein, geboren. 1935 besteht er in Hamburg die Prüfung zum Diplom-Volkswirt, zwei Jahre später wird er als Architekt Mitglied der Reichskammer der Bildenden Künste. In den Hamburger Adressbüchern dieser Jahre irmiert er mit der noblen Adresse Elbchaussee 105 als Innenarchitekt, bald auch schon unter dem Künstlernamen Carlos Dudek, der ihm 1954 als oizielles Pseudonym amtlich genehmigt wird. In den gängigen Architekturzeitschriften indet sich, soweit wir sehen, bis auf einen kleinen Artikel über eine Ladengestaltung nichts über den jungen Architekten. Bekannt wird er 35. Erhalten, verwahrlost: Die Villa Sohl in Düsseldorf. Foto: Silvia-Margrit Wolf, LVR-ADR, 2012 33 0177-2619_denkmalpflege_1-2014 2.indd 33 27.02.2014 10:26:45

vielmehr als Filmarchitekt, denn er ist beim Neuund Wiederaufbau zahlreicher Kinos und Theater beteiligt, meist für die Innenausstattung zuständig also beim ersten, noch äußerlichen Überführen des Zuschauers von der kargen Realität der Nachkriegsjahre in die Phantasiewelt des Films, durch aufallende Vornehmheit (Hamburger Abendblatt), plüschigen Glamour, Lichtinszenierungen, Wasserorgeln, farbenfrohe Möbel. Dudek arbeitet für verschiedene Kinogesellschaften und Filmverleihe, die ihre Lichtspielhäuser wieder aufbauen, renovieren oder ganz neu errichten. Tivoli (1949), Urania-Filmbühne (1951), Kleine Komödie (1953) in Hamburg, später, als er von Hamburg nach München gezogen und Hausarchitekt der Gloria-Film geworden ist, die Gloria- Filmstudios und Filmtheater u. a. in München (Gloria- Filmpalast in Laim, 1955) und Frankfurt. Sein 1953 errichtetes Filmhaus in der Spittalerstraße besitzt auf seinem Dach den ersten Hubschrauberlandeplatz im Hamburger Stadtzentrum. Und bereits 1948 führt ihn der Wiederaufbau der legendären Lichtburg auch zurück nach Essen, wo sein Name vor allem mit der seit 2001 2003 liebevoll-nostalgisch wiederhergestellten Filmbar der Lichtburg verbunden ist. Schließlich: Dudek gehört in jener Blütezeit des Kinos und der Kinoarchitektur ofenbar selbst zur glamourösen Szene der Schönen und Reichen; Illustrierten- Fotos zeigen ihn auf dem Münchener Filmball oder bei Eröfnungen von Kinos und Theatern, für die er auch Bühnenbilder entwirft. Bendestorf Von großer kulturgeschichtlicher Bedeutung und sicher auch kennzeichnend für Dudeks Ambitionen war und ist das Filmatelier in Bendestorf, einem kleinen Dorf in der Heide südlich von Hamburg. 1947 beginnt hier der Regisseur und Produzent Rolf Meyer mit seiner Jungen Film-Union (JFU), Spielilme zu drehen in kurzer Zeit wird das Atelier Bendestorf zum größten seiner Art in Nordwestdeutschland, in dem Filme wie Die Sünderin oder Die Csardasfürstin entstehen. Vielleicht von Anfang an, spätestens aber ab 1950 ist Carlos Dudek der Hausarchitekt der JFU, die nach Anfängen in einer Gaststätte 1948 erste kleine Atelierhallen errichten lässt. Für seine Zeit spektakulär und nicht nur dem Spiegel einen Artikel wert ist das 1950 von Dudek entworfene große Ateliergebäude auf rund 1000 qm Grundläche und mit 10 m 36. Charme und Plüsch der 1950er Jahre, 2002: Die Filmbar in der Essener Lichtburg. Repro aus: Christoph Wilmer: Die Lichtburg in Essen (= Rheinische Kunststätten 524). Hrsg. vom Rheinischen Verein für Denkmalplege und Landschaftsschutz (RVDL), Köln 2011, S. 15. Foto: Art und Weise Film Hanns Peter Hüster. Mit frdl. Genehmigung des RVDL 34 0177-2619_denkmalpflege_1-2014 2.indd 34 27.02.2014 10:26:47

37. Das Atelier der Junge Film Union in Bendestorf in einer Skizze von Carlos Dudek. (am First: 15 m) Bauhöhe, mit integriertem Wasserbassin für Badeszenen, auch für große Produktionen geeignet. Im selben Jahr verlegt Dudek sogar seinen Wohnsitz von Hamburg nach Bendestorf. Zusammen mit Meyer will er hier Monte Carlos bauen, eine Filminsel mit Künstlersiedlung, Hotel, Schwimmbad und Spielbank Hollywood hat auch einmal so angefangen zitiert das Hamburger Abendblatt den Architekten. Die hochliegenden Pläne scheitern, als Meyer 1951 zunächst einen schweren Autounfall erleidet und dann auch in inanzielle Schwierigkeiten gerät. Die JFU und so auch die Vision Dudeks sind damit vorerst am Ende, Nachfolgeeinrichtungen bis hin zum NDR betreiben die Atelierbetriebe Bendestorf nach 1952 aber weiter. Jüngst wird leider vom Abriss der geschichtsträchtigen Gebäude, insbesondere auch der großen Atelierhalle, gesprochen, während sich Filmfreunde und nicht zuletzt das Filmmuseum Bendestorf für Erhaltung und Weiternutzung engagieren. Häuser Dudek baut in den Fünfziger Jahren Wohnhäuser für Filmleute und Filmstars, Industrielle, die auch so ein aussterbender Ausdruck oberen Zehntausend ; Villen, Landhäuser, Feriensitze, in und außerhalb Deutschlands. Auftraggeber sind Aenne Burda, Muck Flick, Willy Messerschmitt oder der Salzburger Industrielle und Society-Größe Carl Adolf Ady Vogel. Landhäuser zumeist, groß, konservativ, mit Assoziationen an Mediterranes, dabei durchaus sachlichschlicht in der Form, mit weißen Wänden und großen bergenden Dächern oder auch südländischen Flachdächern, garniert mit Rundbögen, Ecktürmchen, ofenem Kamin, Terrasse, Patio, Swimming Pool, Garten. Kitsch oder Kunst oder? Gebauter Heimatilm und die alt-neue deutsche Sehnsucht nach dem Süden? Bezeichnend die Namen: dem weitgehend Traum gebliebenen Monte Carlos in Bendestorf folgt Casa Carlos in Pullach bei München, das ehemalige Torwärterhaus von Schwanthalers Burg Schwaneck über der Isar, das er zu seiner eigenen Wohnung, seiner Residenz ausbaut. Seine Häuser haben sicher nicht die künstlerische Klasse zumindest der Spitzenwerke eines Breuhaus de Groot, doch kann man die beiden Namen gesellschaftlich doch Seite an Seite sehen. Während Breuhaus sich selbst unermüdlich publiziert und damit bewirbt, indet man von Dudek aber nichts in den einschlägigen Architektur-Fachzeitschriften seine Entwürfe werden dafür regelmäßig in der populären Illustrierten Film und Frau veröfentlicht, mit deren Verleger Curt Waldburger er befreundet ist. Fotograiert und in Szene gesetzt werden sie von F. C. Gundlach. Sie illustrieren Tipps für Einrichtung und Ausstattung von Barküchen, Terrassen, Kaminen, auch für das Mixen von Cocktails. So ist es nicht die Bauwelt, sondern die Bunte, die ihn 1964 ganz selbstverständlich als berühmten Architekten bezeichnen kann. 35 0177-2619_denkmalpflege_1-2014 2.indd 35 27.02.2014 10:26:47

Kunstmäzen In Hamburg kennt man Carlos Dudek aber auch als generösen Kunstmäzen. Er ist im Vorstand des Künstlerclubs die insel, 1961 stiftet er einen Wanderpreis für junge Künstler, der ihnen ein kostenloses Jahr Leben und Arbeiten auf Ibiza ermöglicht erster Preisträger ist 1961 der in Dudeks Heimatstadt Essen geborene Maler Fritz Kreidt. Ibiza? Auf der Insel im Mittelmeer hat der Architekt und Mäzen Carlos Dudek Ende der 1950er Jahre noch einmal Großes vor. Laut einem Bericht des Hamburger Abendblatts entsteht die Idee hierzu schon 1957, als er auf der Märcheninsel Studien für von bildender Kunst initiierte er auch das Ibiza HiFi Musikfestival. Epilog In den 1970er Jahren verschwindet Dudek aus den Schlagzeilen. Er stirbt im Alter von 81 Jahren am 23. Februar 1992 in München. Heute verfällt sein Anwesen auf Ibiza, Casa Carlos in Pullach iel schon Ende der Sechziger Jahre einem Hangrutsch zum Opfer, und eine Stiftung, die unter Verwaltung des spanischen Kultusministeriums noch seinen Namen trägt, dümpelt vor sich hin. Die Villa Sohl wurde nicht 38. Künstlerheim-Träume auf Ibiza. Repro aus: Hamburger Abendblatt 4.8.1959 Privatbauten deutscher Industrieller betrieb. Ab 1959 errichtet Dudek dort, in der Bucht Cala Tarida, gemeinsam mit drei spanischen Geschäftsleuten unter dem Namen Monte Carlos AG eine Urbanizacion für Künstler eine Siedlung von Wohn- und Atelierbauten im maurischen Stil. Jeder, der sich hier ansiedeln will, kann das zu relativ preiswerten Bedingungen tun. Auch wenn er selbst kein Künstler ist. Nur muß er von vornherein wenigstens ein Studio mit einplanen, das einem Maler oder Bildhauer zur Verfügung gestellt werden muss. Drei solcher Häuser, alles leuchtend weiße Flachbauten, stehen bereits. Das größte, Dudeks eigenes Haus mit fünf Studios ist zu Pingsten eingeweiht worden. Es ist zugleich das Clubhaus der künftigen Künstlerkolonie, ihr Trefpunkt. (Hamburger Abendblatt 30.5.1961). Zusätzlich zur Förderung und Ausstellung 39. Filmball 1956. Links Carlos Dudek, mit Helga und Curt Waldenburger sowie Günter Brosda. Foto: F. C. Gundlach, Repro aus: Film und Frau 1956, H. 4 unter Denkmalschutz gestellt und sieht möglicherweise dem Abriss entgegen, das gleiche Schicksal droht seit Jahren schon den Ateliergebäuden in Bendestorf. Was also bleibt noch? Vielleicht sollte man sich in die Filmbar der Essener Lichtburg setzen, ein Carlos- Spezial-Mixgetränk bestellen und ein wenig von Ibiza in den Fünfziger Jahren träumen? Dank an: Brigitte Dudek und Walfried Malleskat sowie Kerstin Walter, Claus Lange, Rüdiger Jordan, Ulrich Buecholdt, Martin Bach, Ulrike Schwarz. Auf ein Verzeichnis der zeitgenössischen Quellen muss an dieser Stelle aus Platzgründen verzichtet werden. An neuerer Literatur hervorzuheben: Claus Lange: Der Park der Villa Sohl. Ein später Landschaftsgarten in Düsseldorf-Hubbelrath. In: Denkmalplege im Rheinland 29 (2012) H. 3, S. 97 108; Walfried Malleskat (Red.): 100 Jahre Rolf Meyer. Die Junge Film-Union in Bendestorf, Broschüre zur Sonderausstellung 2010 im Filmmuseum Bendestorf, Oktober 2010. 36 0177-2619_denkmalpflege_1-2014 2.indd 36 27.02.2014 10:26:48