An alle Sicherheitsdirektionen Bundespolizeidirektionen Landesgendarmeriekommanden das Einsatzkommando COBRA das Bildungszentrum Traiskirchen Dr. Eminger Abteilung II/1 RA Minoritenplatz 9 A-1010 WIEN TEL: +43-1 53126-3824 FAX: +43-1 53126/3635 BMI-II-1-RA@BMI.GV.AT DVR: 0000051 GZ: 64.520/254-II/1/05 Betr.: Strafrechtswesen StPO; hier: Ausfolgung von Niederschriften bei Amtshandlungen im Dienste der Strafjustiz. In Absprache mit dem Bundesministerium für Justiz wird eröffnet: Personen, die einer Niederschrift beigezogen wurden, können gemäß 14 Abs. 6 AVG verlangen, dass ihnen eine Ausfertigung der Niederschrift ausgefolgt oder zugestellt wird. Ob und in welchem Umfang diese Bestimmung auch bei Vernehmungen und anderen Amtshandlungen im Dienste der Strafjustiz anzuwenden ist (siehe Artikel V EGVG), wurde aus gegebenem Anlass gemeinsam mit dem Bundesministerium für Justiz einer Überprüfung unterzogen. Der daraus gewonnene gemeinsame Rechtsstandpunkt lässt sich wie folgt zusammenfassen: Gemäß Artikel V EGVG sind die Bestimmungen des VStG über das Verwaltungsstrafverfahren auch auf die Amtshandlungen sinngemäß anzuwenden, die von den Verwaltungsbehörden im Dienst der Strafjustiz vorzunehmen sind, soweit sich aus den Vorschriften über das strafgerichtliche Verfahren nicht anderes ergibt. Nach den Bestimmungen der StPO ist über jede gerichtliche Amtshandlung ein Protokoll aufzunehmen ( 101 bis 107 StPO). Einen Anspruch der an der Amtshandlung Beteiligten auf Ausfolgung einer Gleichschrift sehen diese Bestimmungen jedoch nicht vor (siehe 105
StPO, wonach jedes Protokoll den vernommenen oder sonst beigezogenen Personen vorzulesen und auf Verlangen auch zum Durchlesen vorzulegen ist). Lediglich die Parteien des Verfahrens können im Wege der Akteneinsicht ( 45 Abs. 2; 47 Abs. 2 Z 2 StPO) eine Abschrift des mit ihnen aufgenommenen Protokolls erhalten. Selbst dieses Recht des Beschuldigten auf Akteneinsicht kann gemäß 45 Abs. 2 StPO (bis zur Mitteilung der Anklageschrift) eingeschränkt werden, wenn besondere Umstände die Befürchtung rechtfertigen, dass durch eine sofortige Kenntnisnahme der Zweck der Untersuchung gefährdet wäre. Insgesamt liegt diesen Bestimmungen der StPO die Wertung zu Grunde, dass die Gefährdung des Zwecks der Untersuchung in einem frühen Verfahrensstadium sehr weitgehende Einschränkungen nämlich selbst die eines so grundlegenden Verteidigungsrechts wie der Akteneinsicht erlaubt. Diese Grundwertung der StPO würde jedenfalls unterlaufen, wenn 14 Abs. 6 AVG ohne Rücksicht auf eine solche Gefährdung ein unbedingtes Recht auf Ausfolgung einer Gleichschrift der Niederschrift über die Vernehmung gewähren würde. Vielmehr ist 14 AVG ist mit den Bestimmungen der StPO so in Beziehung zu setzen (Artikel V EGVG), dass den jeweils nach ihrer Funktion und ihrer Stellung im Sinnzusammenhang gleich zu erachtenden Elementen die gleichen Rechtsfolgen zugeordnet werden. Zusammenfassend ist somit in Anlehnung an die Bestimmungen der 96 Abs. 5 und 54 StPO idf StPRG, BGBl. I Nr. 19/2004, folgende Vorgangsweise einzuhalten: Gleichschriften von Niederschriften über Amtshandlungen im Dienste der Strafjustiz sind grundsätzlich nur an beteiligte Personen auszufolgen, die zur Akteneinsicht im Strafverfahren berechtigt sind (Beschuldigte oder Privatbeteiligte) und ein entsprechendes Verlangen stellen. Die Ausfolgung ist zu verweigern, soweit dadurch im Einzelfall - etwa bei Befürchtung einer Verabredung zweier Zeugen oder des Beschuldigten und eines Entlastungszeugen, die durch die Ausfolgung einer Gleichschrift wesentlich erleichtert wäre - der Zweck des Verfahrens gefährdet würde oder dies zum Schutz von Persönlichkeitsrechten Dritter geboten erscheint (siehe insbesondere 47a StPO). Im Zweifelsfall oder bei Beschwerden betroffener Personen wäre Kontakt mit Staatsanwaltschaft bzw. Gericht aufzunehmen. Der Begriff des Beschuldigten bzw. des Privatbeteiligten ist dabei im Sinne der bestehenden Praxis und im Hinblick auf die mit 1.1.2008 wirksam werdenden Änderungen der StPO weit
auszulegen, das heißt, dass bereits bei Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes unter dem üblichen Begriff Verdächtiger bzw. ab Erklärung einer betroffenen Person, sich dem Verfahren als Privatbeteiligter anzuschließen, nach den obigen Ausführungen vorzugehen ist. Zusatz für die LGK, EKO COBRA, BZ Traiskirchen: Unter Bezugnahme auf die ho. Erlässe vom 25.6.2001, Zl. 2701/59-II/B/23/01, und vom 3.12.2002, Zl. 2701/71-II/23/02, ist der Abs. 9 des Anhangs II der Kanzleiordnung bezüglich Amtshandlungen im Dienste der Strafjustiz im obigen Sinn abzuändern. Der Abs. 9 hat daher zu lauten: (9) Personen, die bei der Gendarmerie Angaben in Verwaltungsverfahren gemacht haben, ist über deren Verlangen eine Gleichschrift der aufgenommenen Niederschrift (Protokoll) auszufolgen. <Gleichschriften von aus obiger Zusammenfassung..vorzulegen ist. > Bis auf weiteres entfällt auch der Kostenersatz. Anhang: Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2004 Auszug Verbot der Veröffentlichung 54. Der Beschuldigte und sein Verteidiger sind berechtigt, Informationen, die sie im Verfahren in nicht öffentlicher Verhandlung oder im Zuge einer nicht öffentlichen Beweisaufnahme oder durch Akteneinsicht erlangt haben, im Interesse der Verteidigung und anderer überwiegender Interessen zu verwerten. Es ist ihnen jedoch untersagt, solche Informationen, soweit sie personenbezogene Daten anderer Beteiligter des Verfahrens oder Dritter enthalten und nicht in öffentlicher Verhandlung vorgekommen sind oder sonst öffentlich bekannt wurden, in einem Medienwerk oder sonst auf eine Weise zu veröffentlichen, dass die Mitteilung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird, wenn dadurch schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen ( 1 Abs. 1, 8 und 9 DSG 2000) anderer Beteiligter des Verfahrens oder Dritter, die gegenüber dem öffentlichen Informationsinteresse überwiegen, verletzt würden.
Protokoll 96. (1) Die Aufnahme von Beweisen ist in einem Protokoll zu dokumentieren, welches insbesondere zu enthalten hat: 1. die Bezeichnung der Behörde und der an der Amtshandlung beteiligten Personen, 2. Ort, Zeit und Gegenstand der Amtshandlung, 3. den Inhalt von Aussagen, 4. andere wesentliche Vorgänge während der Amtshandlung, 5. allenfalls gestellte Anträge, 6. die Unterschriften der vernommenen Personen. Wird eine Unterschrift verweigert oder unterbleibt sie aus anderen Gründen, so sind die hiefür maßgebenden Umstände im Protokoll zu vermerken. (2) Das Protokoll ist vom Leiter der Amtshandlung oder von einer anderen geeigneten Person als Schriftführer zu erstellen. Es ist in Vollschrift abzufassen. Sofern es diktiert wird, hat dies für die Anwesenden hörbar zu geschehen. Es ist aber zulässig, vorläufig Kurzschrift zu verwenden oder das Diktat mit einem technischen Hilfsmittel aufzunehmen. Eine solche Vorgangsweise und ein allenfalls verkündeter Beschluss sind jedenfalls sogleich in Vollschrift festzuhalten. Kurzschrift und Tonaufnahme sind unverzüglich in Vollschrift zu übertragen, die Tonaufnahme ist überdies zuvor wiederzugeben, sofern dies einer der Beteiligten verlangt. (3) Soweit dies für die Beurteilung der Sache und der Ergebnisse der Amtshandlung erforderlich ist oder eine vernommene Person es verlangt, ist ihre Aussage im Protokoll wörtlich wieder zu geben; im Übrigen sind die Antworten ihrem wesentlichen Inhalt nach erzählungsweise festzuhalten. Die gestellten Fragen sind nur soweit aufzunehmen, als dies für das Verständnis der Antwort erforderlich ist. (4) Das Protokoll ist der vernommenen Person zur Durchsicht mit der Information vorzulegen, dass sie berechtigt ist, Ergänzungen oder Berichtigungen zu verlangen. Erhebliche Zusätze oder Einwendungen sind in einen Nachtrag aufzunehmen und gesondert zu unterfertigen. Sofern dies abgelehnt wird, hat die vernommene Person das Recht, dem Protokoll eine Stellungnahme beizufügen. Im Übrigen darf in dem einmal Niedergeschriebenen nichts Erhebliches ausgelöscht, zugesetzt oder verändert werden. Durchgestrichene Stellen sollen noch lesbar bleiben. Das Protokoll ist von der vernommenen Person auf jeder Seite und am Ende vom Leiter der Amtshandlung, vom Schriftführer und den übrigen Beteiligten zu unterschreiben.
(5) Das Protokoll ist zum Akt zu nehmen. Soweit die vernommene Person zur Akteneinsicht berechtigt ist, ist ihr auf Verlangen sogleich eine Abschrift oder Kopie auszufolgen, sofern dem schutzwürdige Interessen des Verfahrens oder Dritter nicht entgegenstehen; 54 ist anzuwenden. Auf Kurzschriften und Tonaufnahmen (Abs. 2) ist 271 Abs. 6 anzuwenden. F.d.R.d.A.: Cvitkusic 10. Februar 2005 Für die Bundesministerin: Dr. BUXBAUM