Lukas 21,25-33 (2. Advent) Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen. Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht den Feigenbaum und alle Bäume an: wenn sie jetzt ausschlagen und ihr seht es, so wisst ihr selber, dass jetzt der Sommer nahe ist. So auch ihr: wenn ihr seht, dass dies alles geschieht, so wisst, dass das Reich Gottes nahe ist. Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es alles geschieht. Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht. Liebe Gemeinde, vor einer Woche feierten wir den 1. Advent: Gott ist in Jesus in unsre Welt gekommen. Und die Adventszeit will uns darauf vorbereiten. Der Blick geht also nach vorne zu Weihnachten, zum Geburtsfest Jesu, hin. Advent ohne Weihnachten wäre gar nichts. Bei uns in Schönau hat gestern der Weihnachtsmarkt seine Pforten geöffnet, und wir kaufen das Eine oder Andere schon fürs Fest ein. Die Straßen selbst in den kleinsten Ortschaften sind mit Lichtern geschmückt: Sterne, Tannenbäume, Engel alles das, um das Fest der Geburt Christi ins rechte Licht zu rücken. Jedes Jahr feiert also die Christenheit weltweit eine Art Erinnerungsfest. Es 1
lässt uns an jene Nacht denken, in der ein kleines Kind in Bethlehem auf die Welt kam. Auch wenn einer das schon 60, 70 oder 80 mal gefeiert hat es hat für die meisten immer noch so etwas wie einen Zauber, der seine Seele tief berührt. Heute feiern wir den 2. Advent. Und übersetzen wir diesen Begriff einmal direkt, dann heißt das: Die zweite Ankunft Jesu in unsrer Welt. Er wird noch einmal kommen. Dafür haben wir nun keinen so bekannten Namen wie Weihnachten oder Christfest. Dafür werden auch die Straßen und Häuser nicht so aufwendig beleuchtet. Und dafür gibt es auch keinen bestimmten Tag, den die Christenheit begeht. Warum nicht? Nun ja, diesen Tag kann man nicht datieren. Er liegt nicht mit einem festgelegten Datum hinter uns, sondern mit einem unbekannten Datum vor uns. Deshalb gibt es auch keine Geschichte über ihn, die man erzählen könnte. Sondern es gibt Beschreibungen, prophetische Visionen, Andeutungen über ihn. Jesus Christus wird ein zweites Mal in diese Welt kommen. Es wird einmal einen zweiten Weltadvent geben. Und dieser Tag wird genauso bedeutend sein wie das erste Kommen Jesu, damals im Stall von Bethlehem. Darum hat er auch seinen Platz in unsrem Glaubensbekenntnis gefunden. Wir bekennen: von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten mit diesen Worten schließen wir den zweiten Artikel, die Aussagen über Jesus, ab. Es klingelt an der Tür des Pfarrhauses. Ich drücke den Türöffner und stehe zwei Frauen gegenüber. Sie nehmen gleich das Heft in die Hand und führen das Gespräch. Haben Sie schon einmal drüber nachgedacht, wie es mit unsrer Welt weitergehen wird? Ich rieche den Braten und denke: Donnerwetter, das ist schon mutig, als Zeuge Jehovas mit dem Pfarrer diskutieren. Und genau das tun wir auch, eine gute Viertelstunde lang, nach der wir dann 2
das Gespräch beenden. Aber nachdenklich bleibe ich zurück. Kann es denn sein, dass wir Fragen der Zukunft und des Weltendes den Sekten überlassen? Kann es denn sein, dass wir als Christen bei diesem Thema sagen: Nichts Genaues weiß man nicht? Kann es denn sein, dass uns nur noch das Hier und Jetzt wichtig ist, weil uns alles andere als Vertröstung vorgeworfen wird? Jesus jedenfalls hat seinen Nachfolgern nicht vorenthalten, was ihm Gott über die Zukunft geoffenbart hat. Er tat es aber nicht, um den Menschen Angst zu machen, sondern um sie zu ermutigen. Und deshalb steht in der Mitte seiner Endzeitrede dieser Satz: Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. Aufsehen und das Haupt erheben das ist ein Zeichen von Hoffnung und Mut. So stelle ich mir Menschen vor, die ein Ziel, eine Vision haben. Denn wer aufsieht, blickt nicht mehr auf die Erde. Nicht mehr nur auf das, was ihm das Leben vor die Füße geworfen hat. Nicht, dass es das nicht mehr gäbe. Nicht, dass wir die Sorge, die uns quält, überspielen wollten. Nicht, dass Krankheitsnot, Geldsorgen und Familienprobleme plötzlich verschwänden. Aber unser Blick soll nicht an ihnen hängen bleiben. Unsre Gedanken sollen nicht Tag und Nacht um die Lieblingsprobleme kreisen. Sondern Jesus rät zu einem Blickwechsel: Erhebe dein Haupt und schaue einmal an den Horizont dieser Welt. Da siehst du Christus. Er ist nach der Himmelfahrt nicht für immer und ewig verschwunden. Sondern schon immer ist er bei dir geblieben. Und er wird einst wiederkommen und dann die Seinen erlösen von allem, was sie quält. Einer hats mal so gesagt: Entweder wir gehen Christus entgegen, wenn wir gestorben sind oder er geht uns entgegen, wenn er wiederkommt. Das ist Weihnachten.2 und wäre ein eigenes Fest wert. Denn dann sind wir erlöst von allem, was uns belastet, von unsren Sorgen und von unsrer Schuld. Weil 3
Jesus sein Leben für uns gab, ist uns Erlösung geschenkt. Das darf uns die Furcht vor der Zukunft nehmen und uns getrost machen. In den letzten Jahren ist bei uns die Sensibilität gewachsen, was die Zukunft der Welt angeht. Wir hören von Tsunamis, atomaren Unfällen, Toten bei Erdbeben. Es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen sagt Jesus. Sind wir heute Zeugen davon? Manches Mal können die Künstler und Filmemacher solche Gedanken eindrücklicher darstellen als die Theologen und Kirchenmenschen. Vor 16 Jahren machte ein Film Furore mit dem Titel Harmaggedon, ein Begriff, der aus der Bibel stammt und dort den endzeitlichen Kampf beschreibt. Im Film geht es darum, dass ein Meteorit aus dem All mit 1000 km Durchmesser auf die Erde zurast. Die einzige Möglichkeit, die Erde vor dieser Katastrophe zu bewahren, ist eine Sprengung des Asteroiden von innen. Dazu muss ein Team auf den riesigen Himmelskörper fliegen und dort ein tiefes Loch bohren, um anschließend einen nuklearen Sprengsatz darin zu zünden. Nach vielen Mühen, Opfern und Verlusten gelingt es schließlich einer Rumpfmannschaft, die Lunte in das Bohrloch zu legen. Aber die Fernzündung versagt. Einer muss sich opfern, da bleiben, um die Bombe von Hand zu zünden und dabei sein Leben lassen. Er tut es und rettet damit die Welt. Ein grandioser Film. In Amerika sahen ihn damals 43 Millionen Menschen und in Deutschland waren es mehr als 5 Millionen. Was waren die Gründe für diesen Erfolg? Zum Einen das Thema Weltbedrohung, Weltende. Wir sind sensibel geworden für die Gefährdung unsrer Erde. Auf Weltklimakonferenzen beraten die Politiker, wie man eine globale Katastrophe verhindern kann. Ozonloch, schmelzende Polkappen sind keine Fremdworte mehr für uns, und da macht sich schon mancher Sorgen und kommt ins Grübeln, ob es wohl immer so weiter gehen kann wie bisher. Dazu 4
wählt der Film einen Titel aus der Bibel: Harmaggedon. Stichwort für die endzeitlichen Katastrophen. Das ist nicht Zufall. Wenn in den Kirchen vermieden wird, über bestimmte Themen zu reden und zu predigen, dann nimmt sich alsbald die Welt dieser Themen an und bringt sie unters Volk. Was aber zum Eindrücklichsten des Films gehört, erfährt der Zuschauer am Ende: Ein Mann aus der Rettungsmannschaft opfert sein Leben, um den Meteoriten zu sprengen und damit die Erde und die Menschen darauf vor dem tödlichen Verderben zu retten. Und die Menschen atmen auf, als die Katastrophe an ihnen vorbeigeht. Sie sind erlöst von ihrer Furcht. Was für eine Symbolik in diesem spannenden Unterhaltungsfilm: Einer gibt sein Leben für die Menschheit. Kann man das sehen und hören, ohne wiederum an die Bibel zu denken? War schon der Titel Harmaggedon daraus entnommen, so ist es dieser Opfergedanke noch einmal und noch nachdrücklicher. Jesus gibt sein Leben hin, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern ewiges Leben haben. Der 2. Advent, das zweite Kommen Jesu schenkt uns Erlösung, Befreiung. Darauf richtet sich unsre Hoffnung. Wann Christus wiederkommen wird, wissen wir nicht. Er selbst verbietet alles Berechnen. Und wie man sich das konkret vorzustellen hat, müssen wir auch den Sekten überlassen, so sehr wir uns das gerne ausmalen würden. Aber dass Himmel und Erde einmal vergehen werden und Gott etwas ganz Neues schaffen wird das ist und bleibt die Hoffnung der Christenheit. Und deshalb kommt es darauf an, Herz und Sinn darauf vorzubereiten. Mit Ernst, o Menschenkinder, das Herz in euch bestellt singen wir in diesen vorweihnachtlichen Tagen. Und das gilt nicht nur im Blick auf die Ankunft Christi bei seiner Geburt, sondern auch im Blick auf die Zu-kunft der Welt und unseres Lebens. Ja, wir haben Zu-Kunft, weil Christus kommen wird. Der Dichter Paul Gerhard erinnert in seinem bekannten Adventslied Wie soll ich dich 5
empfangen nicht nur an das erste Kommen Jesu, sondern bringt im letzten Vers auch das zweite Kommen ins Spiel: Er kommt zum Weltgerichte: zum Fluch dem, der ihm flucht, mit Gnad und süßem Lichte dem, der ihn liebt und sucht. Wohl dem, der sich darauf vorbereitet. Auf der Halbinsel eines italienischen Sees liegt eine verträumte Villa. Nur der Gärtner lebt da, hält sie für die Besitzer in Schuss und führt auch die Besucher. "Wie lange sind sie schon hier?" fragt einer der Touristen. "24 Jahre" antwortet der Gärtner. "Und wie oft war die Herrschaft hier in dieser Zeit?" "Viermal." "Wann das letzte Mal?" "Vor 12 Jahren", sagte der Gärtner. "Ich bin fast immer allein. Sehr selten, dass ein Besuch kommt." "Aber sie haben den Garten so gut instand, so herrlich gepflegt, dass ihre Herrschaft morgen kommen könnte." Der Gärtner lächelt: "Heute, mein Herr, heute." Es gilt bereit zu sein, wenn Christus kommt. Heute. Amen. 6