Der Predigttext für diesen Sonntag steht im Johannesevangelium im 4. Kapitel, Verse 46-54. Wer das Büchlein mit den Predigttexten zur Hand hat, findet den Text in der 3. Reihe auf Seite 114. 46 Und Jesus kam abermals nach Kana in Galiläa, wo er das Wasser zu Wein gemacht hatte. Und es war ein Mann im Dienst des Königs; dessen Sohn lag krank in Kapernaum. 47 Dieser hörte, dass Jesus aus Judäa nach Galiläa kam, und ging hin zu ihm und bat ihn, herabzukommen und seinem Sohn zu helfen; denn der war todkrank. 48 Und Jesus sprach zu ihm: Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht. 49 Der Mann sprach zu ihm: Herr, komm herab, ehe mein Kind stirbt! 50 Jesus spricht zu ihm: Geh hin, dein Sohn lebt! Der Mensch glaubte dem Wort, das Jesus zu ihm sagte, und ging hin. 51 Und während er hinabging, begegneten ihm seine Knechte und sagten: Dein Kind lebt. 52 Da erforschte er von ihnen die Stunde, in der es besser mit ihm geworden war. Und sie antworteten ihm: Gestern um die siebente Stunde verließ ihn das Fieber. 53 Da merkte der Vater, dass es die Stunde war, in der Jesus zu ihm gesagt hatte: Dein Sohn lebt. Und er glaubte mit seinem ganzen Hause. 54 Das ist nun das zweite Zeichen, das Jesus tat, als er aus Judäa nach Galiläa kam. Liebe Schwestern und Brüder im Glauben, haben Sie schon einmal ein Wunder erlebt? So ein richtiges Wunder? Jemand war lebensbedrohlich erkrankt und man sagte: da hilft nur noch beten! Sie flehten Gott um Hilfe an - und tatsächlich, nach allem Hoffen und Bangen wich die böse Krankheit und der Kranke kam wieder ins Leben zurück. Vielleicht war es auch ein Ereignis im Straßenverkehr. Urplötzlich kamen wir in eine gefährliche Situation, konnten nur noch ein Stoßgebet zum Himmel schicken und - wie durch ein Wunder- kamen wir ungestreift davon mit schlotternden Knien, aber wohlbehalten. Von solch einem Wunder handelt unser Predigttext. Ein Beamter des Königs Herodes Antipas kommt zu Jesus, um Hilfe zu holen für seinen lebensgefährlich erkrankten Sohn. Der Vater hat schon diverse Ärzte bemüht als königlicher Beamter konnte er sich das leisten. Doch vergeblich. So bleibt ihm nur noch eine Hoffnung: dieser Jesus, von dem er gehört hat, er könne Wunder vollbringen, Kranke heilen. Also macht sich auf den 37 km langen Weg von Kapernaum am See Genezareth nach Kana im galiläischen Gebirge, Doch der Vater bekommt von Jesus zunächst eine schroff abweisende Antwort: Wenn Ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht.
Jesus wirft einen kritischen Blick auf den Zusammenhang zwischen Glaube und Wunder. Sicher war Jesus umgeben von Menschen, die die Sensation suchten, die in ihm nur den Wunderheiler sahen, die von ihm Wunder forderten, weil sie sie brauchten. Doch ein Glaube, der sich auf das Außerordentliche aufbaut, ist kein wahrer Glaube. So heißt es auch an späterer Stelle des Evangeliums: Obwohl Jesus solche Zeichen vor ihren Augen tat, glaubten sie doch nicht an ihn. Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind lässt Goethe den Doktor Faust sagen. Und meint damit eine Art von Religiosität, die es zu allen Zeiten und in allen Religionen gegeben hat, eine Religiosität, die das Mirakel braucht und sucht. Das hat es bisweilen auch im Christentum gegeben hat, auch hier in dieser Regiswindiskirche. Aus allen Himmelrichtungen pilgerten im Mittelalter Menschen hierher, um Wunder zu erflehen von den Überresten eines gewaltsam gestorbenen Mädchens. Aus gutem Grunde hat die Reformation Schluss gemacht mit dieser Art von Wallfahrten. Denn der Glaube braucht keine Wunder. Sonst könnten alle diejenigen unter uns, die noch keine Wunder erlebt haben, nicht glauben. Der Glaube braucht kein Wunder, er erfährt bisweilen das Wunder, weil er etwas wagt. So wie der Vater in unserer Geschichte. Eigentlich war er ja gekommen, um Jesus zu holen. Doch nun geht er ohne Jesus wieder zurück, lässt sich von ihm auf den Weg schicken, glaubt dem Wort das Jesus zu ihm sagt Geh, dein Sohn lebt. In diesem Mann hat sich etwas verändert. Er hat Vertrauen gefasst, so dass er, ohne etwas in der Hand zu haben wieder nach Hause geht. Der Vater des Kranken traute Jesus etwas zu. Ein solcher Glaube empfängt das Wunder! Nicht das Wunder schafft den Glauben, sondern der Glaube empfängt das Wunder. Der Glaube ist ein zartes wachsendes Pflänzchen. Ein schrittweises Wagnis. Ich bin Johannes dankbar, dass er uns diese Geschichte vom schrittweisen Glauben des Beamten erzählt. Denn nur wenige von uns erleben eine schlagartige Bekehrung, so dass von einem Tag auf den anderen alles anders wird. Die meisten von uns und dazu zähle auch ich, haben eine andere Glaubensgeschichte, erlebten und erleben ein schrittweises Wachsen von einer Stufe zur anderen. Beim Vater in unserer Geschichte sind es drei Schritte. Erster Schritt: er geht von zu Hause fort, um Jesus zu holen. Immerhin lag sein Sohn krank zu Hause und er musste ihn verlassen. Das Kind könnte sterben, während er weg war. Es gab viele Gründe, sich nicht zu bewegen. Aber, er setzte sich in Bewegung, wie gesagt 37 Kilometer und 700 Höhenmeter und das zu Fuß. Er wartete nicht, dass etwas passiert. Er riskierte den ersten Schritt und weitere Schritte. Zweiter Schritt: der Beamte geht wieder nach Hause, ohne irgend etwas in der Hand zu haben, allein mit der Zusage: Geh hin, dein Sohn lebt.
Dritter Schritt: er erfährt von seinen ihm entgegeneilenden Mitarbeitern, dass das Fieber von seinem Sohn gewichen ist. Er erkennt, dass Jesus aus der Ferne geholfen hat. Und er wird gläubig mit seiner ganzen Familie. Dieser dritte Schritt ist der wichtigste Schritt und das größte Wunder in der ganzen Geschichte. Aus der kurzen und punktuellen Begegnung entsteht eine dauerhafte Bindung. Das ist der Unterscheid zwischen Jesus und einem Arzt. Wenn ich zum Arzt gehe, dann will ich möglichst keine dauerhafte Bindung, sondern dass ich ihn möglichst nicht mehr brauche. Ein Arzt hat denn den größten Erfolg, wenn er sich überflüssig macht. Das ist bei Jesus Christus anders. Er bindet uns auf Dauer an sich. Er ruft uns auf Dauer in seine Gemeinde. Wir hören, dass nicht nur der Vater zum Christusglauben kam, sondern sein ganzes Haus, d.h. seine ganze Familie samt den Mitarbeitern. Das mag uns seltsam und fragwürdig vorkommen, war aber zur damaligen Zeit normal. Das wird auch an anderen Stellen der Bibel erzählt: der Hausvater oder in manchen Fällen auch die Hausmutter traf die Entscheidung, ließ sich taufen und die Familie folgte ihnen nach. Wie gesagt, das mag uns fragwürdig vorkommen. Vielleicht erinnert es uns an manche Züge unserer Volkskirche, an Menschen, die aus bloßer Tradition zur Kirche gehören, ihre Kinder taufen und konfirmieren lassen, weil das in unserer Gesellschaft eben halt noch so dazu gehört. Wo es ein solches Traditionschristentum gibt, und sicher gibt es das auch bei uns in Lauffen, ist es weiß Gott fragwürdig. Denn der Glaube ist ein eigenes mündiges Ja zu Gott und zu seinem Sohn Jesus Christus. Etwas ganz Persönliches. Niemand kann den Glauben seiner Eltern glauben oder sich auf die Großmutter berufe, die ja so fromm war und regelmäßig zur Kirche ging. Ein jedes von uns muss irgendwann für sich selber die Frage beantworten; warum glaubst du und warum hältst Du an Deinen Glauben fest? Jeder und jede von uns hat seine ureigenen persönlichen Gründe, ob wir diese Dinge nun Indizien d.h Anzeichen oder Zeichen und Wunder nennen. Der Glaube, so klein und erbärmlich er auch anfängt, wird immer wieder mit kleinen oder großen Wundern beschenkt. Sie geschehen heute, unter uns, jeden Tag, an dir und mir. Da hat jemand Schuld auf sich geladen. Nicht irgendein Kavaliersdelikt, sondern eine handfeste Schuld. Jemand hat großen Schaden erlitten. Der Schuldig gewordene möchte es wieder gut machen, aber wie? Wird der, Geschädigte die Entschuldigung annehmen? Kann ich ihm überhaupt unter die Augen treten? Dann wird offen darüber geredet: Bitte vergib mir! Und das Unerwartete passiert: Die dargebotene Hand wird ergriffen, das befreiende Wort gesprochen:
Ich nehme die Entschuldig an, ich verzeihe dir." Ist so etwas nicht ein Wunder? Ja, liebe Gemeinde, so etwas nenne ich ein Wunder. - da haben zwei Menschen sich gefunden und wollen zusammen bleiben. Aus der Menge der Menschen wählen sie sich diesen einen zum Partner. Der soll's sein. Kein anderer. Der ist für mich bestimmt, dem vertraue ich mich an, dem will ich gehören... ein ganzes Leben lang... für immer. Man mag so nüchtern darüber denken, wie man will, es bleibt eine Sache zum Erstaunen, besonders für die beiden, die da Ja zueinander sagen. Für dieses Jahr 2011 haben sich wieder sehr viele Brautpaare angemeldet, um sich hier in der RK das Jawort zu geben. 15 Trauungen sind es bisher. Ist so etwas nicht ein Wunder? Ja, es geschehen noch Zeichen und Wunder. - da ist ein Kind zu einem Jugendlichen herangewachsen und reift allmählich zu einer Persönlichkeit heran. Und obwohl ringsumher viel Unglauben ist und so viel gegen den Glauben an Gott zu sprechen scheint, beginnt diese Konfirmandin oder dieser Konfirmand an zu beten und Gott zu vertrauen, auf eigene, vielleicht noch unfertige Art und Weise. Ist das nicht ein Wunder? Doch, es geschehen noch Zeichen und Wunder. - Oder auch dies: In einer Zeit, in der alles auf Profit aus ist, auf Gewinn an Geld und Besitz, gibt es doch auch noch den echten Verzicht: Ich will nicht immer mehr und mehr haben, sondern kann mit andern teilen, kann von dem abgeben, was mir Gott gegeben hat, was mir entbehrlich ist. Da mögen ringsherum alle auf die Sicherheit ihres Sparbuchs setzen jemand schenkt weg, was er reichlich hat. ist so etwas nicht ein Wunder? Doch, so etwas ist ein Wunder. Liebe Gemeinde, vor uns liegt das neu begonnene Jahr wie ein offenes weites Land. Der heutige Sonntag lädt uns ein, dieses Land zu betreten, im Vertrauen auf Jesus Christus. Er ist das größte Wunder, das die Welt kennt. Der Weg des Glaubens wird nicht immer ein bequemer Weg sein. Es kann schon sein, dass Jesus uns ohne irgendetwas in der Hand losschickt, so wie hilfesuchenden Vater. Vielleicht ist unser Weg noch weiter als 37 km und steiler als 700 Höhenmeter. Doch es lohnt sich, aufzubrechen und diesen Weg zu gehen. Denn Jesus ist nicht irgendein Wunderheiler. Er ist Gottes Sohn, der Mensch gewordene Gott. Der ewige Gott liebt uns und reicht uns seine Hand. Dieser Sonntag bietet die Chance, diese ausgestreckte Hand neu zu ergreifen. Wie Martin Luther es sagt: Unser Herz soll allweg so stehen, als fingen wir heute an zu glauben und alle Tage so gesinnt sein, als ob wir das Evangelium noch nie gehört haben; man muss alle Tage zu Glauben anfangen. Amen
656 Wir haben Gottes Spuren festgestellt