F unde bri ƒ. Veränderung. Yes, we can! oder etwa nicht? Schritte zur Veränderung Daniel Gulden

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Transkript:

Nr. 190 12 2012 F unde bri ƒ Veränderung Yes, we can! oder etwa nicht? Schritte zur Veränderung Daniel Gulden Lernen mit Kopf, Herz und Hand Erlebnispädagogik Beatrice Heinicke EVANGELISCHE MISSIONSSCHULE UNTERWEISSACH Lebendig Gottesdienst feiern in der Diaspora Reiner Kalmbach

Die Zeit ist wie verschenket, drin man nicht dein gedenket, da hat man s nirgend gut; weil du uns Herz und Leben allein für dich gegeben, das Herz allein in dir auch ruht. (Gerhard Tersteegen, EG 481,2) I N H A LT S. 3 Im Herzen bewegen verändernde Kraft Thomas Maier S. 13 Erfahrungen, Eindrücke und Gelerntes aus der Erlebnispädagogik Studierende des 2. Jahrgangs S. 4 Yes, we can! oder etwa nicht? Schritte zur Veränderung Daniel Gulden S. 15 Lebendig Gottesdienst feiern in der Diaspora Erfahrungen aus Argentinien Reiner Kalmbach S. 9 Lernen mit Kopf, Herz und Hand Einblicke in die Erlebnispädagogik Beatrice Heinicke S. 18 50 Jahre gesegnete Arbeit im Dienst der Ev. Kirche am La Plata Dieter Thews S. 10 Der neue Grundkurs S. 20 Vertrauen Tabea Wichern EVANGELISCHE MISSIONSSCHULE UNTERWEISSACH Seminar für Theologie, Jugend- und Gemeinde pädagogik Berufskolleg und Fachschule mit staatlicher und kirchlicher Anerkennung Im Wiesental 1 71554 Weissach im Tal Unterweissach Telefon 07191 / 3534-0 Fax 07191 / 3534-11 buero@missionsschule.de www.missionsschule.de

Im H rzen bew gen" verä~ rnde Kraƒt Liebe Leserin, lieber Leser, was wir in unserem Herzen bewegen, bewegt uns. Von Maria, der Mutter Jesu, wird in der Weihnachtsgeschichte erzählt: Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen (Lukas 2,19). Jesus war geboren worden. Er, der Menschen erlöst aus vielfältiger Not und belastender Schuld. Er, der verlorene Sünder heilsam mit Gott verbindet. Er, der von Engeln mit großer Freude verkündet wird. Die Hirten konnten s kaum glauben: Gott beachtet uns, die wir von Menschen übergangen werden. Gott würdigt uns, dieses Wunder zu hören und zu sehen: Der Heiland ist geboren. Das hat die Hirten bleibend verändert. Sie waren nicht mehr nur die, die sie zuvor waren. Als von Gott Angesehene wurden sie zu Begeisterten, die mit anderen ihre Freude an Jesus teilten. Was für ein tiefes Geheimnis: verändert werden durch das, was uns von Gott und Menschen her widerfährt und gesagt wird. Wir sind als Menschen nicht nur das, was wir selbst aus uns machen. Im Gegenteil, zuerst und zuletzt sind wir das, was wir empfangen. Nach der biblischen Schöpfungsgeschichte wird der Mensch am sechsten Tag erschaffen. Der erste Tag des Menschen ist also der siebte Tag, der Sabbat. Unser Menschsein fängt mit dem an, dass wir nichts tun und von dem leben, was uns von Gott gegeben ist. Das gilt nicht nur für die Schöpfung. Es gilt vertieft für den Glauben an Christus, den Erlöser. Seine liebende Zuwendung geht unserer Hinwendung zu ihm voraus. Seine rettende Gnade öffnet unser Herz, bewegt uns dazu, uns antwortend ihm zuzuwenden. Im Abendmahl wird uns gesagt: Komm, es ist alles bereit. Nimm und iss vom Brot des Lebens. Was für ein tiefes Geheimnis: Wie uns Jesus begegnet, das verändert uns. Was für eine verändernde Kraft liegt dort verborgen, wo wir, wie die Hirten, sehen, was Gott bewirkt; wo wir, wie Maria, seine Worte in unserem Herzen bewegen, innehalten, staunen und uns an Jesus freuen; wo wir an uns geschehen lassen und bejahen, wie Gott mit uns umgeht; wo wir, wie Maria, sagen: Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast (Lukas 1,38). Wo wir lernen, uns Gott mehr und mehr anzuvertrauen, auch mitten in dem, was wir nicht verstehen, da öffnet sich die Tür, da werden wir durch den verändert, der ein Gefährte unserer Nacht geworden ist und am Ostermorgen die Nacht des Todes endgültig überwunden hat. Wie sollten wir da nicht mit den himmlischen Heerscharen in das Lob Gottes einstimmen? Ich wünsche Ihnen, dass sich Ihnen dieses Geheimnis der Heiligen Nacht, das Geheimnis des Lebens und der wandelnden Kraft des Evangeliums wieder neu erschließt. Im vorliegenden Freundesbrief geht es in Variationen um Veränderung, was es mit Veränderungen auf sich hat, was wir aktiv tun können, um Veränderung zu erfahren, auch was sich konkret bei uns an der Schule oder in Argentinien bewegt und verändert. Mit herzlichen Grüßen auch von allen Mitarbeitenden unserer Schule Ihr / Euer Pfr. Thomas Maier Direktor der Missionsschule 3

NACHDENKENSWERT NACHDENKENSWERT Yes, we can!" Oder etwa nicht? Schritte zur Veränderung Im folgenden Artikel zeigt Daniel Gulden, wie Gott Veränderung ermöglicht, und was wir selbst tun können. Er nimmt damit einen wesentlichen Aspekt unseres Menschseins auf. Wir sind von Gott so geschaffen, dass sich in unserem Leben ständig etwas verändert und wir immer wieder etwas verändern müssen. Menschen sehnen sich nach Veränderung, und sie leiden zugleich daran, dass sich, trotz ihres Wun sches nach Veränderung, Dinge nur so schwer verändern lassen. Daniel Gulden unterrichtet Seelsorge in der Nachfolge unseres langjährigen Dozenten Walter Lübbe. Wir sind Bald ist es wieder soweit. Das alte Jahr geht zu Ende, ein neues Jahr beginnt. Der optimale Zeitpunkt, um sich etwas vorzunehmen oder nicht? Haben Sie Ihren Vorsatz für das kommende Jahr schon gefunden? Welcher könnte es dieses Mal sein: mehr Sport, gesündere Ernährung, weniger oder nicht mehr rauchen? Wenn Ihnen nichts einfällt, könnten Sie einen nahestehenden Veränderung nicht, Menschen fragen: Angenommen, Sie würden ih um von Gott geliebt zu werden, sondern weil re Frau, Ihre Kinder oder Gott uns bedingungslos gute Freunde fragen, liebt und wertschätzt welche Antwort würden Sie bekommen? Vielleicht geht es Ihnen ja auch wie mir: Die Frustration über die Kurzlebigkeit von Neujahrsvorsätzen und das damit verbundene Scheitern ist groß. Schade eigentlich, denn es gäbe schon manche Vorsätze, deren Umsetzung mir und anderen gut tun würden. Biblisch-theologische Standortbestimmung In der Bibel wird immer wieder aufgezeigt, dass Veränderung im Leben nicht nur an Silvester und kurz darüber hinaus wichtig ist. Veränderung und Weiterentwicklung, man könnte auch sagen Heiligung, gehört zum Grundmotiv des Lebens eines Christen und ist ein lebenslanger Prozess. In der Bibel sind viele Hinweise diesbezüglich zu finden. Paulus schreibt beispielsweise an die Gemeinde in Rom (Kap.12,2): und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern verändert euch durch die Erneuerung eures Sinnes. Entscheidend ist dabei die Grundintention des gesamten Römerbriefes: Veränderung soll nicht geschehen, um von Gott geliebt zu werden, dies wäre sogar ein schädlicher Ansatz, sondern Veränderung kann gestaltet werden, weil Gott uns bedingungslos liebt und wertschätzt. Weil Gott uns Menschen in der Tiefe unserer Existenz bejaht, befreit und belebt, können wir uns auf den Weg machen, das Leben zu verändern. Wir müsdankbar, dass er fortführt, was Walter Lübbe über zwei Jahrzehnte in segensreicher Weise auf den Weg gebracht hat. Daniel Gulden hat seine Ausbildung an der Missionsschule von 1991-1995 gemacht. Er war Prediger und hat bis 2011 als Diakon bei Kirche Unterwegs der Bahnauer Bruderschaft gearbeitet. Seine Vorträge und seine seelsorgerliche und beratende Begleitung spiegeln sein Herzensanliegen wider, dass Menschen ganzheitlich heil werden. Er steht kurz vor dem Abschluss seiner Ausbildung zum systemischen Therapeuten. 4

Veränderung ist möglich Die Ergebnisse der Hirnforschung der letzten 20 Jahre haben gezeigt, dass Veränderung nicht nur ein frommer Wunsch, sondern wirklich gestaltbar und umsetzbar ist. Das Hirn, so beschreiben es Hirnund Verhaltens forscher wie Gerald Hüther, Manfred Spitzer, Donald Olding Hebb, hat die Fähigkeit, sich lebenslang den Erfordernissen seiner Benutzung anzupassen. Die Funktion des Gehirnes lässt sich mit einem Muskel vergleichen, der, wenn er trainiert und benutzt wird, stärker wird. Das Gegenteil trifft auch zu: Wenn er unbenutzt bleibt, wird er wenisen nicht verdrängen, vertuschen oder vermeiden, sondern können in Freiheit einen Weg der Veränderung gehen. Die Frage, die jedoch bleibt und in diesem Artikel beantwortet werden soll, ist, wie Veränderung so gestaltet werden kann, dass sie nicht zum Frust sondern zur Freude führt. Veränderung braucht Zeit. Viele Menschen wünschen sich schnelle Veränderungen. Negativ erlebte Verhaltensmuster sollen möglichst rasch überwunden werden. Die Erfahrung, gerade in der Seelsorge, zeigt etwas anderes: Veränderung ist ein langer, manchmal auch mühsamer Prozess. Ein Weg, der immer wieder von Rückschlägen und Hürden geprägt ist. Veränderung braucht Zeit und Geduld. Veränderung beginnt mit dem An - nehmen des Veränderungswürdigen Es gibt Bereiche in unserem Leben, die sind nicht oder nur sehr schwer veränderbar. Ich denke an Menschen, die in der Kindheit emotional oder auch körperlich missbraucht wurden und unter diesen traumatischen Erfahrungen leiden und nicht vergessen können. Ich kenne Menschen, die durch Erfahrungen jahrelang leiden. Hier gilt es, das Unveränderbare anzunehmen. Das ist ein langer, oft auch mühsamer Prozess. Klage, Trauer und dem Ohnmachtsgefühl eine Gestalt geben, sind wichtige Schritte dabei. Auch für die schlimmen Erfahrungen unseres Lebens gilt: Man ist den verletzten Seiten des Lebens nicht hoffnungslos ausgeliefert, man kann den Umgang mit dem erlebten und überlebten Leid verändern. Die Jahreslosung für dieses Jahr weist uns hier einen hilfreichen Weg: Paulus leidet an einem Pfahl im Fleisch (2. Korinther 12,7-9). Er betet, er kämpft, er bemüht sich, doch das Ergebnis seines Mühens ist für ihn frustrierend: Nichts bewegt sich. Bis Jesus ihm antwortet: Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Aus dieser Zusage lernt Paulus, den Pfahl im Fleisch anzunehmen und seinen Umgang damit zu verändern. Dagegen anzugehen, hilft nicht. Den Schmerz zu verdrängen, hilft nicht weiter. Paulus muss lernen, dass er nur durch den Schmerz und durch die Schwachheit hindurch zum Frieden kommt. Gottes Gnade reicht gerade dann, wenn wir selbst nicht weiterkommen. Von Kirchenvater Gregor von Nazianz stammt sinngemäß der durch den Schmerz Satz: Alles, was wir bekämpfen, werden wir nicht und durch die Schwachheit überwinden, aber das, was hindurch zum Frieden wir anschauen und bejahen, kann Gott heilen. Paulus macht uns in diesem Text Mut, unsere Schwachheit nicht nur als Defizit, als Makel oder gar als Strafe zu deuten, sondern in den Momenten der Ohnmacht, des Zweifels und auch der Verzweiflung Gott um diese Gnade zu bitten, dass sich seine Kraft gerade darin entfaltet. NACHDENKENSWERT 5

NACHDENKENSWERT NACHDENKENSWERT Durch die Vorstellungskraft nimmt eine Veränderung bereits Formen an Martin Burchard in seinem Atelier If you can dream it, you can do it (Walt Disney) Mit einer Vision fängt es an Zu einem lohnenswerten Ziel kommt es durch eine positive Vision. Paulus ist offenbar derselben Überzeugung und formuliert dies folgendermaßen: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis, Bevor man sich auf den Weg der Veränderung macht, ist es wichtig, dass man sich innerlich klar macht, wohin die Reise gehen soll. Dabei geht es nicht nur um Hirngespinste oder um Luftschlösser, die man sich baut. Die neuere Hirnforschung hat gezeigt, dass allein durch die Vorstellungskraft des Menschen neue neuronale Wege im Hirn gebahnt werden. Durch die Vorstellungskraft des Menschen wird eine Veränderung nicht nur vorbereitet, sondern: die Veränderung nimmt bereits Formen an. Der Arzt, Psychotherapeut und Gründer der Logotherapie Victor Frankl hat durch eine Vision die Schrecken des Völkermordes im Dritten Reich überlebt. Frankl beschreibt in seinem Buch Und trotzdem Ja zum Leben sagen, wie er die Schrecken des Holocausts in den KZs der Nazis überlebt hat: Da stellte ich mir vor, ich stünde an einem Rednerpult in einem großen, schönen, warmen und helger und schwächer. Übertragen heißt das: Die im Hirn durch neuronale Netzwerke gespeicherten Erfahrungen bewusste oder unbewusste Verhaltensmuster können durch neu gebildete Netzwerke ersetzt und erweitert werden. Dabei sind einige Bedingungen notwendig: Schritte zur Veränderung Wo ein Wille ist, da ist ein Weg auf die Motivation kommt es an Veränderung kann dann geschehen, wenn die Motivation groß genug ist. Bei Paulus kann man diese Überzeugung in seinem Brief an die Gemeinde in Philippi beobachten. Er beschreibt dort sehr ehrlich, dass es auch in seinem Leben Bereiche oder Verhaltensmuster gibt, die er gerne verändert haben möchte (Kap. 3,21). Und er beschreibt, was ihm Motivation gibt, den Weg der Veränderung konsequent zu gehen. Ich vergesse, was dahinten ist und strecke mich aus nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung in Jesus Christus. Bei Paulus erwächst die Motivation zur Veränderung nicht aus dem Blick nach hinten, in die Vergangenheit, oder auf seine Defizite, sondern er blickt nach vorne, er hat ein großes Ziel vor Augen, und das spornt ihn an. Hierin liegt ein erster wichtiger Faktor der Motivation zur Veränderung: Veränderung gelingt nur, wenn man sich ein Ziel gesteckt hat. Ein Ziel ist aber nur dann wirksam, wenn es eine Bedeutung oder einen Nutzen für einen Menschen hat. Bei Paulus liegt die Bedeutung in der himmlischen Berufung, der Nutzen im Siegespreis. Bedeutung und Nutzen des Zieles sind für Paulus so groß, dass sie ihn dazu motivieren, die Mühe und die Widerstände der Veränderung nicht zu scheuen. Im Gegenteil. Er ist bereit, den Preis der Veränderung zu bezahlen. Auf die Motivation kommt es an. Gute Vorsätze scheitern, wenn der Preis, die Mühe oder der Aufwand der Veränderung nicht im Verhältnis zum Ertrag stehen. Vielleicht hilft dieser Gedanke für die Veränderung, die Sie sich wünschen. Notieren Sie doch einmal, was Sie wirklich davon haben werden, wenn Sie ihr Ziel erreichen. Folgende Fragen könnten ihre Gedanken dabei leiten: Warum ist mir der Vorsatz wichtig? Welche positiven Effekte wird das Erreichen des Vorsatzes für mich haben? Welche positiven Effekte wird das Erreichen meines Zieles für andere haben? 6

len Vortragssaal und sei im Begriff, vor einer interessierten Zuhörerschaft einen Vortrag zu halten unter dem Titel,Psychotherapeutische Erfahrungen im Konzentrationslager und ich spräche gerade von alledem, was ich soeben erlebte. Einige Jahre nach der Beendigung des Holocausts stand Victor Frankl wirklich vor Psychotherapeuten und hielt einen Vortrag zu genau diesem Thema. Auf die Vision kommt es an. Fangen Sie an zu träumen. Fragen zum Weiterdenken: Nehmen Sie an, dass Sie das Ziel schon erreicht haben: Was ist dann anders? Welches Gefühl macht sich in Ihnen breit? Woran würden Sie merken, dass Sie das Ziel erreicht haben? Woran würden es andere merken, dass Sie ihr Ziel erreicht haben? Schon oder noch nicht? Aufmerksamkeitsfokusierung erzeugt Erleben Um Veränderung gestalten zu können, ist es wichtig, auf den persönlichen Blickwinkel zu achten. Dabei ist entscheidend, ob ich meine Veränderung vom Defizit oder von dem schon Erreichten her wahr nehme. Der Psychotherapeut und Begründer der modernen Hypnotherapie, Milton Erickson, hat den Satz geprägt: Aufmerksamkeitsfokusierung erzeugt Erleben. Mit diesem Satz ging es ihm darum, aufzuzeigen, dass unsere Wahrnehmung unser Ergehen massiv beeinflusst. Im Philipperbrief sehen wir, dass Paulus im Blick auf Veränderung ähnlich denkt: Was wir schon erreicht haben, darin lasst uns leben. (3,16) Paulus ist es wichtig aufzuzeigen, dass er und seine Adressaten nicht bei Null beginnen, sondern auf zurückgelegte (Fort-)Schritte blicken können. In Kap. 1,6 macht er den Christen mit dem Verweis auf die bisherigen Schritte Mut, für weitere Schritte der Veränderung: Ich bin darin guter Zuversicht, dass der, der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird es auch vollenden bis zu dem Tag Christi Jesu. Diesen Fort-Schritten schenkt er Aufmerksamkeit. Auch hier wieder: Er lenkt seinen Blick nicht auf das Defizit, auf das, was noch nicht erreicht ist, sondern er achtet darauf, welcher Weg schon zurücklegt wurde und bekommt Kraft, Zuversicht und Motivation für den weiteren Weg der Veränderung, der noch zu gehen ist. Hierzu lade ich ein, folgenden Fragen nachzugehen: Welche Schritte bin ich im Blick auf meinen Vorsatz schon gegangen? Was habe ich schon erreicht? Welche Anzeichen des Fortschrittes sind mir schon bewusst? Welche Anzeichen des Fortschrittes haben andere schon wahrgenommen? Wen könnte ich fragen? Auf einer Skala von 1 10 (1 steht für ganz am Anfang, 10 steht für das Ziel ist erreicht ): Wo stehen Sie jetzt? Warum bin ich bei und nicht zwei Punkte niedriger auf der Skala? NACHDENKENSWERT Schwierigkeiten ins Auge sehen Einen weiteren Impuls im Blick auf Veränderung entnehme ich dem ersten Kapitel des Philipperbriefes. Paulus schreibt sehr offen von seinen Schwierigkeiten, von den Spannungen und von den Anfechtungen, die ihm begegnen. Er ist kein Schwärmer, der so tun würde, als wäre er Den Blick nicht auf das Defizit richten, auf das, was schon im Himmel. Paulus noch nicht erreicht ist, ist realistisch. Er spricht sondern darauf, welcher von Widersachern (V.28) Weg schon zurückgelegt ist und fühlt sich in einer Kampf situation (V.30). Aber dadurch wird seine Motivation auf Veränderung nicht etwa geschmälert oder gehemmt, sondern im Gegenteil, das spornt ihn an. Paulus lässt sich von Widerständen nicht überraschen, sondern kalkuliert sie von vorne herein ein und kann ihnen so offensiv entgegentreten. Wer von Anfang an den Schwierigkeiten 7

NACHDENKENSWERT NACHDENKENSWERT und Widrigkeiten in die Augen schaut, der kann mit möglichen Rückschlägen und Spannungen besser umgehen, denn er ist vorbereitet. Wer sich dagegen nicht auf mögliche Hindernisse einstellt, wird frustriert und demoralisiert, wenn diese auftreten. Seine Motivation geht verloren. Vielleicht hilft es Ihnen, darüber nachzudenken, welche Schwierigkeiten Ihnen auf dem Weg Ihrer Veränderung begegnen können. Was wird Ihnen womöglich zu schaffen machen? Womit müssen Sie rechnen? Lassen Sie sich dadurch nicht entmutigen, sondern überlegen Sie, wie Sie mit diesen Schwierigkeiten und Hindernissen umgehen wollen: Wer darf und wer soll Sie ermutigen, anspornen und ehrlich begleiten? Welche Kompetenzen brauchen Sie, um diesen Schwierigkeiten begegnen zu können? Wer oder was könnte Ihnen in der Situation, in der Sie das Ziel aus den Augen verlieren, helfen, dran zu bleiben? Gemeinsam sind wir stark Beziehungen sind das ganze Leben Ein weiterer wichtiger Aspekt und eine hilfreiche Ressource für Veränderungsprozesse sind andere Menschen, die Gott mutet uns nicht nur etwas zu, sondern den Weg der Veränderung begleiten. er rüstet uns aus mit Gaben, mit Visionen, mit Mut und vielem mehr Der Prediger Salomo hat dies folgendermaßen beschrieben: So ist s besser zu zweien als alleine Fällt einer von ihnen, so hilft ihm sein Gesell auf. Weh dem, der allein ist, wenn er fällt Einer mag überwältigt werden, aber zwei können widerstehen, und eine dreifache Schnur reißt nicht entzwei. Damit Veränderung vom Wunsch in die Wirklichkeit kommt, brauchen wir Menschen, die uns unterstützen, ermutigen, ermahnen, trösten, Menschen sind, so hat es der Neurobiologe Joachim Bauer in seinem Buch Prinzip Menschlichkeit beschrieben, auf Kooperation und gegenseitige Unterstützung angewiesen. Gute Beziehungen, ermutigende Worte und menschliche Nähe wirken sich direkt auf unser Belohnungssystem in unserem Gehirn aus. Durch die Bestätigung und Ermutigung durch andere bekommen wir Mut, Kraft und ein Gefühl von Selbstwirksamkeit. Nicht umsonst berichtet Paulus seinen Mitchristen von seinen Veränderungswünschen. Hier erfährt er Unterstützung, und auch er kann andere unterstützen. Erstellen Sie doch eine Liste von Personen, die Sie bei Ihrem eigenen Veränderungsprozess unterstützen können. Bedenken Sie dabei aber auch, wie Sie andere unterstützen könnten. Gemeinschaft lebt vom Miteinander und von Gegenseitigkeit. Sprechen Sie mit Menschen, was Sie erreichen wollen. Bitten Sie andere, Sie zu unterstützen und zeigen Sie auf, wie diese Unterstützung aussehen könnte. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie mehr brauchen als die Unterstützung von Freunden, dann suchen Sie einen professionellen Seelsorger, Therapeuten oder Berater auf. Hier erleben Sie Hilfe zur Selbsthilfe und Anregungen wie Sie weiterkommen können. Yes, we can! Dieser Satz gilt Menschen, die sich auf den Weg zur Veränderung machen. Veränderung oder Heiligung ist nötig und möglich. Aber Gott mutet uns nicht nur etwas zu, sondern er rüstet uns aus mit Gaben, mit Visionen, mit Mut und vielem mehr. In und mit all dem lebt Gott durch seinen Geist in uns. So bleibt Veränderung nicht nur ein frommer Neujahrswunsch, sondern wird eine gelebte Realität unserer Existenz. Daniel Gulden 8

L r~en mit Kopf, Herz un Hand Ein Einblick in die erlebnispädagogische Arbeit an der Missionsschule Seit einigen Jahren gehört Erlebnis pädagogik zur Ausbildung im zweiten Jahr an der Missionsschule. Warum? Lesen Sie im Folgenden, was unsere Gastdozentin Beatrice Heinicke dazu schreibt, und Sie werden verstehen, warum dieses Fach viel mehr ist als nur ein Unterrichtsfach. Das zeigen auch die viel fältigen Erfahrungen unserer Studierenden an sechs Tagen Erlebnispädagogik. Erfahrungen, die sie ermutigen, in ihren Diensten wiederum erlebnis pädagogische Elemente aufzunehmen. Wir sind sehr dankbar, dass Beatrice Heinicke und Jörg Thierfelder als Gastdozenten ihre Kompetenz und Erfahrung bei uns seit einigen Jahren einbringen. Beatrice Heinicke ist Beraterin und Trainerin (www.beatrice-heinicke.de), Jörg Thierfelder Seelsorger und Erlebnis pädagoge. Das Leben leben Das Erlebnis kann man nicht rational vermitteln, es muss emotional erfahren werden. Man kann es nicht lehren, man muss es bisweilen inszenieren. So formulierte es Kurt Hahn, ein deutschjüdischer Pädagoge, der als einer der Begründer der Erlebnispäda gogik (kurz EP) gilt. Müssen wir wirklich Erlebnisse inszenieren? Ein Event jagt das andere, immer neue Abwechslung wird gesucht. Ist der erlebnispä dagogische Ansatz nicht eine Mode erscheinung, der gerade in ist? Überall sprießen die Hochseilgärten wie Pilze aus dem Boden. Kaum ein Urlaub, ein Schullandheim ohne sogenannte erlebnispädagogische Elemente wie Klettern, Abseilen, Kanu, Rafting und und und. Das hört sich nach Adrenalin, nach Abenteuer, nach Gefahr an. Aber was ist daran pädagogisch? Warum und wozu gehören die EP-Tage zum festen Bestandteil im Ausbildungs-Curriculum der Studierenden im 2. Jahrgang? Wir arbeiten nach dem Konzept des Adventure Based Counseling (kurz ABC) einem seit vielen Jahren bewährten Beratungsansatz für die pädagogische Arbeit mit Gruppen. Das Abenteuer dient uns in der Arbeit mit den Studierenden als Instrument für Entwicklungsprozesse der Gruppe und jedes Einzelnen. Nach unserem Verständnis beginnen Abenteuer dort, wo wir gewohntes Terrain verlassen und das Ungewisse wagen. Es geht also immer um die Konfrontation der Gruppe und damit natürlich automatisch jedes Einzelnen mit Situationen, Aufgaben, Herausforderungen, die neu sind, Aufgabenstellungen, bei denen die Lösung auf den ersten Blick gewohntes Terrain schwierig oder gar unmöglich erscheinen. In verlassen und das Ungewisse wagen allen Situationen erlebt die Gruppe, dass sie nur gemeinsam die Aufgabe lösen kann, dass sie nur gemeinsam ans Ziel kommt. In diesem Problemlöseprozess erlebt jede(r) Einzelne u. a.: wie schwierig oder leicht es ist, in dieser Gruppe eigene Ideen zu äußern, wie mit Misserfolg und Fehlern umgegangen wird und ob es Schuldzuweisungen gibt wie offen und ehrlich kommuniziert wird wer wie führt und wie er/sie sich verhält, wenn er/sie geführt wird wer welche Rolle einnimmt wie flexibel bzw. unflexibel die Rollenverteilung ist wie die Gruppe und jeder Einzelne unter Stress reagiert wie groß die Freude ist, wenn alle als Gruppe die Herausforderung bewältigt Beatrice Heinicke haben und wie sehr diese Erlebnisse zusammenschweißen. Wir arbeiten mit Herausforderungen in und mit der Natur, weil diese echt sind, weil wir dort aufgefordert sind, uns mit der S. 12 Jörg Thierfelder 9

10GRUNDKURS GRUNDKURS

11GRUNDKURS

12Das Leben leben Das Leben leben Umgebung, wie sie ist, auseinanderzusetzen und damit automatisch mit uns selbst. Außerdem sind dort die Konsequenzen des Handelns unmittelbar. So ist es beispielsweise in der Höhle eng, dunkel und kalt eine Vorstellung, die bei vielen Angst auslöst. Will ich mich dieser Angst stellen? Wenn ja welche Wenn ich nein sage, Hilfe brauche ich, welche Strategien, um mit der Angst umzugehen, bin ich dann ein Schwächling? kann ich ausprobieren? Was mache ich, wenn ich trotz allem an den Punkt komme, wo ich nicht mehr weiter kann? Beiße ich mich dann durch oder traue ich mich, nein zu sagen und umzukehren? Wenn ich nein sage, wie reagiert die Gruppe, bin ich dann ein Schwächling vielleicht weniger in den Augen der anderen, sondern in meinen eigenen? Wie fühlt sich dieses es nicht gepackt haben an? Diese Erfahrungen gehen tief, bringen jeden in Berührung mit sich selbst. Mit seinen Stärken, mit seinen Ängsten, mit seinen Grenzen und mit den darin liegenden Chancen. Viele stellen nach der Höhle fest, dass es weniger schlimm war als vorher befürchtet und sofort bietet sich die Transferfrage an: Wo kenne ich dieses,katastrophendenken aus meinem Alltag und wie kann ich die Höhlenerfahrung nutzen, um einen realistischeren Blick auf diese Alltagssituationen zu werfen? Genau hier im Transfer des gerade Erlebten in den Alltag liegen die Antworten auf die eingangs gestellten Fragen nach der Pädagogik und dem Wozu. Unsere Aufgabe als Trainer besteht darin, in der Ausarbeitung des Programms und vor allem in der Prozessbegleitung der Gruppe, die oben beschriebenen Erfahrungen zu ermöglichen und dafür Sorge zu tragen, dass die Studierenden sich auf diese Erfahrungen überhaupt einlassen können. Dazu sind zwei Dinge wesentlich: 1. Zielsetzung: Jeder Studierende setzt sich für sich selbst und für die Gruppe mindestens ein Entwicklungsziel, an dem er/sie bzw. die Gruppe während der EP-Tage arbeiten möchte. 2. Sicherheit: Die Studierenden müssen sich physisch und emotional sicher fühlen. Sie müssen sich sicher sein, dass sie sich hier zeigen dürfen, ohne Gefahr zu laufen, das Gesicht zu verlieren. Sie müssen sich sicher sein, dass, wenn sie es wagen, Konflikte anzusprechen, diese auf eine konstruktive Art und Weise geklärt werden können. Und natürlich müssen sie sich sicher sein, dass der Karabiner hält, die Knoten richtig sind und das Seil trägt. Seit 2008 dürfen wir nun schon die Studierenden begleiten. Trotzdem ist es für uns Trainer wie bei einem guten Wein jeder Jahrgang ist etwas ganz besonders. Der eine Jahrgang war zu Beginn lieblich und rund, der andere hat seine Kanten und muss erst etwas geöffnet werden, um das ganz Besondere zu erkennen. Und dementsprechend reagieren wir als Trainer. Unser Ziel ist es, die Studierenden näher an ihre eigenen und in der Gruppe gesteckten Ziele zu bringen. Deshalb war und wird ein Programm nie wie das andere sein, wurden ganze Tage umgestaltet, neue Übungen hineingenommen und Geplantes wieder gestrichen. Konstant bleiben jedoch die typischen Phasen und Schlüsselelemente während der EP-Tage: Kennenlern- und Orientierungsphase Zielfindung die Gruppe und der Einzelne definiert ein oder mehrere Ziele

Arbeitskontrakt (gemeinsame Regeln, Feedback, Zuhören ) Kooperationsphase wie arbeiten wir als Gruppe, Auswertung gruppendynamischer Prozesse Konfliktphase irgendwann muss jeder Position beziehen; Konfliktlösungsstrategien werden erarbeitet und transparent Produktivitätsphase die Gruppe lernt zu arbeiten, Rollen sind klarer, Ressourcen werden besser eingesetzt, Erfolge können gefeiert werden Reflexionsphasen der bewusste Ver- und Bearbeitungsprozess der gemachten Erfahrungen Nach dem sich die Gemeinschaft des Kurses zum Beginn des zweiten Jahres etwas aufgelöst hatte, tat es gut, eine gemeinsame intensive Phase zu haben. Sich in Ruhe und mit kompetenter Hilfe über die Gruppenstruktur und Dynamik klar zu werden. Zu beobachten, wie die einzelnen Charaktere in der Gruppe zum Tragen kommen, man aber auch seine Rolle tauschen konnte. Und dies alles noch in einem spielerischen und natürlichen Umfeld. Persönlich kam man auch immer wieder, z. B. durch Hochseilgarten oder auch Höhlentour, an seine Grenzen und konnte lernen, mit diesen umzugehen, auch als Gruppe. Viele Ideen und Spiele kann man sicher auch später im Dienst nochmal gebrauchen! Anastasios Leontopoulos Manche Angstsituationen verwandelten sich in größte Zufriedenheit, Spaß und Freude. Manche Angstsituationen trieben mich aber auch an die äußerste Grenze. Lisa Illenberger Während den EP-Tagen war es sehr spannend für mich zu erleben, wie wir als Kurs in einer neuen Weise aufeinandertrafen. Wir kamen in Situationen, die zwar nicht angenehm, doch gewünscht waren und uns in unserer Kursgemeinschaft vorwärts ge Vertrauen aufbauen und stärken in sich selbst und in die Gruppe Spaß miteinander lachen, einfach nur spielen und mal nicht reflektieren Die EP-Tage sind intensiv, berührend und anstrengend für die Studierenden und uns Trainer. Für uns Trainer sind sie darüber hinaus eine erfüllende Art, mit Menschen zu arbeiten, die uns dazu auch noch so richtig viel Spaß bereitet. Wir freuen uns schon jetzt auf den nächsten Durchgang! Beatrice Heinicke Erfahrungen, Eindrücke und Gelerntes Spotlights von Studierenden des 2. Jahrgangs bracht haben. Wir konnten auch einmal unsere gewohnten Rollen in der Gemeinschaft ablegen und versuchen, eine neue auszuprobieren. Der übliche Leiter konnte zum Hörer werden und umgekehrt. So konnten wir uns gegenseitig von einer ganz anderen Seite kennenlernen. Die stärksten Erinnerungen werde ich wohl an unsere Höhlenwanderung haben, bei der man sich durch enge Höhlengänge hindurchzwängen musste und richtige Dunkelheit erlebte, und an den Hochseilgarten, in dem wir in 12 m Höhe rumkletterten, und uns auf ein Seil und eine andere Person voll verlassen mussten. So machten wir zwei Extreme durch: Dunkelheit und Enge; Freiheit und Höhe. Extreme, die manche an ihre Grenzen brachte. Jede einzelne Person wurde immer wieder vor Herausforderungen gestellt, bei denen sie sich in ihren Gaben und Sich auf eine Grenzen besser kennen lernen konnte. Ich wurde bei andere Person voll verlassen mir auf Fertigkeiten aufmerksam, die zwar vorhan müssen den, aber noch ausbauwürdig sind. EP half mir, konkreter an mir zu arbeiten und dies z. B. im Mentorat weiter zu verfolgen. Regelmäßige Reflexionen innerhalb der Gruppe halfen uns, bestimmte Vorgänge besser nachvollziehen zu können. Dies gab uns die Möglichkeit, Gelungenes bewusst 13Das Leben leben 13

Das lebe Das Leben leben zu sehen und uns daran zu freuen und Missstände zu entdecken, um daran zu arbeiten. Für mich war die EP-Zeit eine sehr spannende und tolle Zeit, in der ich mich und meinen Kurs besser kennenlernen konnte. Die Reflexionen halfen mir, meine Selbstund Fremdwahrnehmung zu schulen, was mir im Hinblick auf meinen späteren Beruf von Nutzen sein wird. Benjamin Hopp Was mich bei EP fasziniert hat, war das laufende A. Es war ein großes Holz-A an dessen Spitze Seile befestigt waren, durch die es ausbalanciert werden konnte. Einer stand in dem A und der Rest der Gruppe musste es ausbalancieren und zum Laufen bringen. Gerade bei der Übung war gut zu sehen, wie alle zusammenarbeiten und sich voll konzentrieren mussten. Es hat richtig Spaß gemacht, gemeinsam den Parcours zu meistern. Daniel Haizmann EP war für mich als Person wichtig, aber auch für uns als Kurs spannend und total herausfordernd. Ich kam oft an meine Grenzen, wurde selbst herausgefordert und habe mich von den andern herausfordern lassen. Wir hatten viel Spaß zusammen, und durch regelmäßiges ich hätte nie gedacht, dass ich überhaupt den Mut Reflektieren haben wir viel dazugelernt. habe, da hoch zu gehen Die krasseste Erfahrung war für mich der Hochseilgarten, in dem ich sehr stark an meine Grenze gekommen bin. Es war für mich trotzdem positiv, da ich nie gedacht hätte, dass ich überhaupt den Mut habe, da hoch zu gehen. Wieviel dann doch noch geht, hat mich erstaunt. Insgesamt war es eine geniale Zeit, in der man sich ausprobieren konnte und auch einfach mal wieder richtig Kind sein durfte Jasmin Birnbaum Nur wer loslässt, wird gehalten! Dieser Buchtitel wurde mir in Erlebnispädagogik sehr bewusst Dinge, die wir gemeinsam gemeistert haben, förderten unsere Teamfähigkeit und unser Verhalten zueinander. Zu Beginn versuchte jeder irgendwie allein das Hindernis zu bekämpfen, bis man auf die Idee kam, es gemeinsam anzugehen. Und so lernte auch ich, dass ich, wenn ich loslasse, von den andern gehalten werde. Zum Beispiel gab es die Aufgabe Hühnerstall. Hier mussten alle in einen, mit Seil abgegrenzten, Hühnerstall eintreten, ohne die Absperrung zu berühren. Die Zeit drängte, denn der Fuchs war unterwegs Da hieß es für mich: Lass los, denn die anderen halten dich. Eine sehr schöne Erfahrung war es, zu wissen, dass wir als Team gemeinsam was schaffen können und füreinander da sind. All die Erfahrungen in EP können wir gezielt in unseren Alltag einbauen, und man merkt schon, wo sich Sichtweisen, Verhalten, Umgang miteinander etc. geändert haben, bei mir selbst und bei den anderen. EP ist zum einen herausfordernd und zum anderen auch ein richtiger Spaß. Vielen Dank an Beatrice und Jörg. Virginia Klumpp 14

L bendig Go te i ~s ƒei rn n der Diåspora Erfahrungen aus der Evangelischen Kirche am Río de La Plata in Argentinien In der Evangelischen Kirche am La Plata in Argentinien haben etliche Absolventen der Missionsschule seit 50 Jahren in unterschiedlichen Diensten Kirche in einer anderen Kultur miterlebt und mitgestaltet. Pfr. Reiner Kalmbach, der 1986 bis 1990 an der Missionsschule seine Ausbildung gemacht hat und seitdem in Argentinien ist, gibt uns Einblick in das Gemeindeleben und in gewachsene Veränderungen. Dabei wird spürbar, wie Gottes Geist heute wirkt. Die anderen Umstände in Argentinien können uns die Augen öffnen für das, was Gemeinde heute ausmachen kann auch in Deutschland. Viele Hände und deine können die Welt ein bisschen besser machen Gott feiern Woher kommen wir? Wir kommen aus Russland, aus Brasilien, Südafrika, Holland, der Schweiz, aus Schweden, aus Deutschland, usw. Mit dieser Vielfalt wollen wir Kirche bauen. Das ist gar nicht so einfach. Schließlich bringt jeder seine Gebräuche und Traditionen, seine Wünsche und Erfahrungen mit. Da kann es passieren, dass man sich in den Formen verheddert, dass man das Eigent liche aus den Augen verliert. Warum gehören wir zur Kirche, zu dieser Kirche? Warum suchen wir nicht Kontakt zu einer der vielen anderen Kirchen, von denen uns einige doch das Paradies auf Erden versprechen? Was bedeutet uns der Gottesdienst? Ist er der Mittelpunkt unserer Gemeinde, meines Lebens, oder spielt er nur eine untergeordnete Rolle? Kann ich im Gottesdienst neue Energie für den Alltag tanken, oder verstehe ich von dem, was der Pfarrer von der Kanzel predigt, überhaupt nichts? Wichtige Fragen, denen wir nicht ausweichen können, denen wir uns stellen müssen. Gottesdienst feiern in der Diaspora? Nein! Gottesdienst feiern in der Dia spora der Diaspora! Wohin gehören wir? Wohin gehöre ich? Wo fühle ich mich wohl, ernstgenommen, aufgehoben? Wo finde ich Raum für mein Leben, meine Situation, meine Erfahrungen, meine Not, meine Freude? Diese Fragen haben dazu geführt, dass wir neue Worte suchen für das, was wir tun, was wir sein wollen. Nicht mehr Kirchengemeinde, sondern Gemeinschaft derer, die glauben, nicht mehr Gottesdienst, sondern Zeit der Gemeinschaft mit Gott und dem Nächsten. Ja, da bin ich gut aufgehoben, da bin ich mit meinem Leben mitten drin, da fühle ich mich zu Hause, da werde ich gehört, da begegnet mir Jesus im Nächsten. Und: Dahin möchte ich meinen Nachbarn, meinen Arbeitskollegen, meine Freunde einladen. Wie feiern wir? Wie möchte ich diese Zeit der Gemeinschaft mit Gott und dem Nächsten feiern? So, dass sich jeder und jede mit seinen Traditionen und Gebräuchen, seinen Erfahrungen und Wünschen wiederfindet. Und wenn so viele (Lebens-)Geschichten zusammen kommen, wenn Reiner Kalmbach und sein Gottesdienstteam Samenkörner aus so vielen verschiedenen Pflanzen, da werde ich gehört, da begegnet mir Jesus im Nächsten. Blumen, Sträuchern und Und: Dahin möchte ich meinen Bäumen, alle durcheinander in ein einziges Beet ge Nachbarn, meinen Arbeitskollegen, meine Freunde einladen streut werden, dann entsteht daraus kein Chaos, sondern ein wunderschöner bunter Garten. Wenn die Heizung ausfällt, wird zusammengerückt 15

16Gott feiern Gott feiern Alle sind da, keiner steht am Rand, bunt gemischt, alle sind wichtig, alle zusammen machen ein grosses und herrliches Bild! Wir nehmen uns viel Zeit zum Feiern. Wir beginnen mit dem gemeinsamen Frühstück. Wir warten bis alle da sind, schließlich kommen manche von weit her. Dann wird es ganz langsam still. Wir bereiten uns auf die Feier vor, die Kinder bringen wir wollen ganz dabei sein, grüne Zweige, Blumen, mit Leib und Seele. Blätter und legen sie auf die Steine, oder sie Nach Anfangslied, Willkommen und Wochenspruch be zünden Kerzen an, denn Gott will unser Leben kennen wir vor Gott und dem Nächsten unsere Situation, unsere Last, Angst, unsere Wut, schreiben sie auf Zettel, legen sie als Steine auf den Boden und formen ein Kreuz. Wir sprechen ein Gebet, einen Psalm, oder wir sind ganz einfach still. Dann kommen die Kinder und bringen grüne Zweige, Blumen, Blätter und legen sie auf die Steine, oder sie zünden Kerzen an, denn Gott will unser Leben. Er vergibt uns unsere Schuld, er verwandelt Dunkelheit in Licht. Jetzt sind wir bereit zu hören das Wort! Jemand hat sich die ganze Woche vorbereitet. Er hat das Evangelium oder ein Wort aus dem Alten Testament gelesen, immer wieder, er hat es zu Hause meditiert. Und jetzt liest er es, und jeder spürt, dass es ein lebendiges Wort ist, dass dieses Wort unsere Herzen sucht. Und wieder singen wir, und in der Predigt finde ich mich wieder mit meiner Not, meiner Hoffnung, und manchmal erschrecke ich über meine Kleingläubigkeit. Ja, hier, in dieser Zeit der Gemeinschaft spüren wir, spüre ich Seine Anwesenheit, Seine Nähe, ganz deutlich! Herr, wie gut ist es, hier zu sein! Und dann beten wir, alle zusammen. Wir stehen auf, fassen uns an den Händen, knüpfen ein großes Netz, das den ganzen Raum ausfüllt. Keiner, keine ist allein, Sonntagsfrühstück zusammen mit älteren Gemeindegliedern Jeder und jede trägt zum Gottesdienst bei alle verbunden in einer großen Gemeinschaft! Dann wird es still, dann öffnet sich mein Mund und spricht das aus, was ich auf dem Herzen habe. Da sprudelt es aus mir heraus, ich will danken, ich will klagen, vielleicht sogar anklagen, ich möchte bitten, für mich, den Nächsten, für unser Land. Und so beten wir, manche in der Stille, manche laut, mit Freude, oder mit einer Stimme voller Sorge und Schmerz. Bis dann das Gebet, das Jesus selbst uns gelehrt hat, uns alle vereint, und da höre ich plötzlich verschiedene Sprachen, denn es ist das Gebet, das Mutter mit mir gebetet hat, vor so langer Zeit, dort, in der Heimat doch Wo ist die Heimat? Gute Frage. Mein Großvater sagte mir einmal er hatte in seinem Leben alles drei Mal verloren: Heimat, Haus und Hof, Nachbarn und Freunde und musste drei Mal von vorne beginnen: Heimat ist dort, wo Du eine gute Gemeinschaft findest. Heimat ist für diese Menschen, die sich sonntäglich in unserer kleinen Kirche versammeln oder unter der Woche im Haus irgendeiner Familie in den Weiten der patagonischen Steppe oder in den Bergen, Heimat ist erst einmal die Gemeinschaft derer, die glauben. An wen glauben sie, an welchen Gott? Bestimmt nicht an den gott (bewusst klein geschrieben, um ihn von dem biblischen Gott zu unterscheiden), der mir an jeder Straßenecke das Paradies auf Erden verspricht, oder das baldige Ende aller Zeiten. Und schon gar nicht an jenen gott, der mir einreden will, dass je mehr ich im Leben erreiche, je mehr ich besitze, je reicher ich werde, desto mehr wird gott mich segnen. Ja, solch ein gott (oder soll ich besser sagen goldenes Kalb ) wird von etlichen angepriesen und kommt bei nicht wenigen gut an. Das Kreuz steht da nur im Weg, ist nur ein Ärgernis. Nein, diese Menschen stehen mit beiden

Maruka knapp 1000 Familien, die im und vom Müll leben Beinen auf der Erde, sie wissen, dass jeder Tag seine eigene Mühe hat. Manche von ihnen haben Unsägliches durchgemacht. Viele sind arm, kommen gerade so über die Runden. Sie glauben an jenen Gott, der uns am Kreuz den Weg in die ewige Heimat zeigt. Deshalb gehören sie zu dieser Kirche. Wie lebt man das Wort? Bei uns ist das ziemlich einfach, nicht konfliktfrei, aber doch ohne den sonst üblichen ideologischen Überbau. Wer einen gesunden Glauben hat und das unbeschreibliche Elend mit eigenen Augen sieht, mit der eigenen Nase riecht und mit den eigenen Ohren hört, dem treibt es die Tränen in die Augen, und ich stelle mir Jesus vor, wie es ihm buchstäblich den Magen umdreht angesichts dessen was er sieht, riecht und hört (Matth. 9,35f). Und dann gehen wir hin, weil das, was wir im Gottesdienst erleben, sich nicht einschließen lässt. Und wenn du dann die Dankbarkeit in den Augen eines alten Menschen siehst, den seine eigene Familie schon längst abgeschrieben hat, der seit Monaten vergeblich auf die Tür schaut, und der Sohn, die Tochter kommen nicht herein Unsere Jugendlichen gehen ins Altenheim bevor der Gottesdienst beginnt, frühstücken mit den alten Menschen und kommen anschließend Rollstuhl schiebend oder Arm in Arm mit einem Opa, einer Oma, durch die Kirchentür. Vor den Toren der Stadt leben unsere Fremdarbeiter, bolivianische Familien, die in Argentinien die schwersten und schmutzigsten Arbeiten verrichten. Viele leben von der Backsteinbrennerei nach uralten einfachen Methoden. Die ganze Familie arbeitet rund um die Uhr, auch die kleinen Kinder. Ihre Hütten haben sie mitten in den Müllhalden der Stadt errichtet, dort jagt sie niemand davon. Kein Wasser, kein Strom, kein Arzt, die wenigsten Kinder gehen in die Schule. Ich hatte keine Ahnung von dieser Situation. Eines Tages kam einer unserer Jugendlichen und sagte mir: ich möchte dir etwas zeigen. Als wir dort ankamen, war ich so erschüttert, dass mir die Tränen kamen, und ich wusste sofort, warum er mich hierher gebracht hatte: Wir müssen etwas tun! Mittlerweile gibt es einen Gemeinschaftsraum, in dem die Kinder zwei warme Mahlzeiten am Tag bekommen, Gemeindeglieder bringen ihnen Lesen und Schreiben bei, Mütter lernen über Hygiene und ihre Rechte als Frauen. Mit dem städtischen Wasserwerk sind wir in Verhandlung, damit eine Wasserleitung gelegt wird. Und seit kurzem fragen die Menschen uns: Warum tut ihr das? Pfr. Reiner Kalmbach, Allen (Argentinien) Eines Tages kam einer unserer Jugendlichen und sagte mir: ich möchte dir etwas zeigen Gott feiern Hier essen und lernen die Kinder von Maruka Die Küche von Maruka 17

18DIENST WELTWEIT DIENST WELTWEIT IMPRESSUM 50 Jahre g egn e Arbeit im Dienst der Evangelischen Kirche am La Plata Es gibt unterschiedlichste Wege, wie Absolventen der Missionsschule nach Südamerika gekommen sind. Wer heute mit ihnen spricht, bemerkt schnell, wie eindrücklich und oft prägend diese Jahre Herausgeber: EVANG. MISSIONSSCHULE UNTERWEISSACH, Seminar für Theologie, Jugend- und Gemeindepädagogik der Bah nauer Bruderschaft GmbH Im Wiesental 1 71554 Weissach im Tal Tel.: 0 71 91. 35 34-0 Fax: 0 71 91. 35 34-11 email: buero@missionsschule.de www.missionsschule.de Redaktion: Benjamin Hopp, Jürgen Schwarz, Tobias Schaller, Renate Wachter, Manfred Zoll, Uli Gutekunst, Thomas Maier (verantwortlich). gewesen sind. Pfr. Dieter Thews, von 1959 bis 1962 an der Missionsschule ausgebildet, schildert, was den Beginn und Fortgang der Arbeit in Südamerika ausmacht. Am 4. Dezember 2012 werden es 50 Jahre sein, dass Bahnauer Brüder, Absolventen der Missionsschule, in Südamerika Dienste tun. Nach 16-tägiger Überfahrt von Genua/Italien aus kamen Friedbert Höner und Dieter Thews in Buenos Aires/Argentinien an, um in Hohenau/ Paraguay ihren Dienst anzutreten. Evangelist Ernst drei Jahre mit einem Taschengeld und einem BMW-Motorrad Krupka war nach Brasilien, Paraguay und Argentinien eingeladen worden, um in einigen Gemeinden der deutschsprachigen evangelischen Auswandererkirchen und auch in einigen Mennonitengemeinden zu evangelisieren. Dabei lernte er auch die besondere Lage der Gemeinde Hohenau in Paraguay kennen. In seiner Zeitschrift Heilig dem Herrn warb Ernst Krupka darum, über die Missionsschule zwei Prediger mit einem Taschengeld und jeweils einem BMW-Motorrad für drei Jahre nach Hohenau zur Hilfe zu entsenden, einschließlich Hin- und Rückpassagen per Schiff. Was als Privatinitiative von Ernst Krupka begann, führte nach drei Jahren zu Gesprächen mit der Kirchenleitung in Buenos Aires. Von da an kam es immer wieder zu Anstellungen über das Kirchliche Außenamt in Deutschland für jeweils sechs Jahre. Es gab in der La-Plata-Kirche viele vakante Pfarrstellen und noch nicht genügend eigene ausgebildete Pastoren. 17 Absolventen der Missionsschule wurden über die Jahre dorthin in den Dienst berufen. Die meisten von ihnen sind wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Zwei arbeiten zur Zeit noch im Gemeindedienst in Uruguay und Argentinien, und vier leben dort im Ruhestand. Nicht nur als Gemeindepfarrer waren sie tätig. Einige wurden auch zu anderen Diensten berufen: als Präsident des Evangelischen Kirchenbundes in Uruguay; in ökumenischen Verantwortungen in Paraguay; als Mitglieder einer als Vizepräsident des Kirchenrates; in Arbeitskommissionen für Evangelisation, Theologische Aus- und Fortbildung, Jugendarbeit, Schlichtung, Ökumene, jüdisch-christlichen Dialog, Austausch und Zusammenarbeit mit Schwesterkirchen in Bolivien, Brasilien und Chile usw. Die Jahre unter den Militärdiktaturen in diesen Ländern ließen viele in der Ökumene enger zusammenrücken zum gesellschaftsdiakonischen Zeugnis Christi in der Vielfalt seiner Kirche. Bahnauer waren und sind dann auch in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Brasilien und in Missionsgesellschaften, die in Lateinamerika arbeiten, tätig. Pfarrer, Theologiestudenten und Diakone sind von dort aus auch zeitweilig zur Ausbildung an der Missionsschule in Unterweissach gewesen. Pfr. Dieter Thews Villa Gral Belgrano, Argentinien Bildnachweis: S.4,6,7: Fotolia.com: ryanking999, gitanna, Rafael Ben-Ari; alle anderen: privat und Archiv der Evang. Missionsschule Unterweissach.

Neb n der Spur " Powerday 2013 Der Powerday geht in die zehnte Runde Schon seit Herbst 2012 wird der Powerday 2013 wieder vorbereitet. Bereits zum zehnten Mal werden am 23. März hunderte ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erwartet. Der Power day bietet als Impulstag vielseitige Möglichkeiten, neue Ideen für eine lebendige Gemeinde- und Jugendarbeit zu bekommen und sich mit anderen zu vernetzen. Die Auswahl ist riesig: Viele Seminare greifen relevante Themen auf; in Workshops kann gelernt und vertieft werden, was nötig ist in der praktischen Arbeit vor Ort; und in den Do it s geht es um die praktische Anwendung des Gelernten. Der gemeinsame Abschlussgottesdienst bildet den Höhepunkt des Tages. Der Powerday 2013 steht unter dem Motto Neben der Spur. Diese Redewendung gebrauchen wir üblicherweise negativ. Man kann das auch anders verstehen: Unerwartetes und Ungewöhnliches tun, nicht immer beim Herkömmlichen bleiben, neue Wege gehen, sich unterscheiden von dem, was uns in der Gesellschaft vorgegeben ist. Jesus selbst hat oft gegen Erwartungen und Konventionen gehandelt. Nicht wenige dachten sich: Der ist total neben der Spur. Auch die Jünger Jesu wähnte man neben der Spur, als sie voll Heiligen Geistes am ersten Pfingstfest in den verschiedensten Sprachen von Jesus erzählten. In diesem Sinne neben der Spur zu leben, kann andere überraschen und sogar verblüffen. Es kann aber auch einen ganz neuen Blick auf das Leben eröffnen. Gott überrascht uns bis heute ebenso durch sein Handeln und Reden. Von ihm werden wir immer wieder ausgespurt, und wir lernen so ganz neue Dinge in unserem Christsein hinzu. Auch um junge Menschen heute zu erreichen, müssen wir bisher bewährte Spuren verlassen und Neues wagen. Junge Menschen wollen überrascht und herausgefordert werden. Wie kann ein Leben abseits der ausgefahrenen Piste aussehen? Auf diese Fragen wird der Powerday 2013 mit seinen Seminaren, Workshops, Do it s und dem Gottesdienst eingehen und nach tragfähigen Antworten suchen. Fossi Bäumer, Dozent für Spiritualität und Öffentlichkeitsarbeit am Marburger Bibelseminar, wird als Referent und Prediger mit dabei sein. Er weiß aus eigener Erfahrung und aus seiner Tätigkeit, wie wichtig es ist, sich von Gott neben die Spur setzen zu lassen. Beim Powerday geht es zugleich um den Vorentscheid zum Bandcontest EIGEN SINNiCH. Junge christliche Künstler haben die Möglichkeit, ihr Können unter Beweis zu stellen und sich für die nächste Runde des EIGENSINNiCH Contest (http://ejwblog.de/eigensinnich/) zu qualifizieren. Die Endausscheidung findet dann auf dem ejw Jugendtag am 29. September 2013 in Stuttgart statt. Der Powerday 2013 wird spannend, vielfältig und überraschend: ein Tag neben der Spur, ein Tag, um mit Jesus neben die Spur zu kommen! Mehr Infos unter www.powerday.de Öffentlichkeitsteam Powerday 2013 Konten: Evangelische Kreditgenossenschaft Stuttgart Kto.: 416 592 BLZ 520 604 10 IBAN DE77 5206 0410 0000 4165 92 BIC GENODEF1EK1 Kreissparkasse Waiblingen Kto.: 7876 BLZ 602 500 10 IBAN DE40 6025 0010 0000 0078 76 BIC SOLADES1WBN Volksbank Backnang Kto.: 3 746 003 BLZ 602 911 20 IBAN DE33 6029 1120 0003 7460 03 BIC GENODES1VBK Grafische Gestaltung und Illustrationen: Uli Gutekunst, Neuffen, www.uli-gutekunst.de 19 Druck: Streicher Druck GmbH, Winnenden Papier: chlorfrei gebleicht, 50% Altpapier

Vertrauen will ich brauch ich kann ich nicht Ängste überfrachten mich beherrschen mich hemmen mich Ich will loslassen mich fallen lassen Mut fassen Gewohntes verlassen mich auf Neues einlassen Gott, mach mich frei Tabea Wichern, Studierende im 4. Jahr