Erbärmliche Ökumene Lesung: 2.Kor 5,19-20 Predigt

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Transkript:

Erbärmliche Ökumene Lesung: 2.Kor 5,19-20 Alles aber kommt von Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat. Denn ich bin gewiss: Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete und unter uns das Wort von der Versöhnung aufgerichtet hat. So treten wir nun als Gesandte Christi auf, denn durch uns lässt Gott seine Einladung ergehen. Wir bitten an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! Predigt Liebe Gemeinde wie steht es eigentlich um die gegenwärtige Ökumene, um das gemeinsame Miteinander von reformierten, katholischen und orthodoxen Christinnen und Christen? Vor genau einem Jahr, im Juni 2013, hat die ökumenische Tischgemeinschaft Symbolon in Dübendorf zu einem Gottesdienst geladen, der in den Medien grosses Aufsehen erregte. Vielleicht erinnern sie sich. Unter dem Titel Ökumenische Reformation wurde ein Gottesdienst mit einer gemeinsamen Abendmahlsfeier angekündigt, in der drei reformierte Pfarrer, ein orthodoxer Priester und zwei katholische Priester das Hochgebet beim Abendmahl gemeinsam sprechen sollten. In der Öffentlichkeit entstand eine kurze aber lebhafte Kontroverse, bei der sich die verschiedenen Kirchenleitungen zu Wort meldeten. Der konservative römisch-katholische Bischof von Chur reagierte entsprechend scharf. Dürfen doch nach römischkatholischer Amtslehre nur vom Bischof geweihte Priester das Hochgebet bei der Abendmahlsfeier sprechen. Geistliche anderer Konfessionen seien dazu nicht befugt. Auch die orthodoxe Kirchenleitung meldete sich, indem sie ihrem Priester die Teilnahme am Gottesdienst kurzerhand verbot. Und unsere reformierte Kirchenleitung in Zürich bezeichnete es schlichtweg als unwürdig, eine Abendmahlsfeier zur Demonstration zu machen, riet also auch ganz klar davon ab. 1

Die ökumenische Tischgemeinschaft Symbolon musste sich dem Druck schliesslich beugen. Es fand zwar ein Abendmahlsgottesdienst in Dübendorf statt, jedoch ohne den orthodoxen Priester. Und beim der Abendmahlsfeier selbst nahmen die beiden katholischen Priester nur als Gäste teil und sprachen nicht, wie ursprünglich vorgesehen, gemeinsam mit den anderen Geistlichen das Hochgebet am Abendmahlstisch. Liebe Gemeinde, die Geschichte zeigt uns, wo wir in der Ökumene, im Bemühen um ein christliches Miteinander und um die Tischgemeinschaft im Zeichen gegenseitiger Wertschätzung und Anerkennung stehen: im Nirgendwo. Ein Jahr ist seit diesem Vorfall jetzt vergangen und die meisten haben ihn auch schon wieder vergessen. Aber es ist doch zu skandalös, um wieder zu vergessen, was da zum Vorschein kam. Die heutige Welt brennt und Christen streiten immer noch darüber, ob sie gemeinsam, in gegenseitiger Anerkennung das Brot brechen dürfen oder ob jeder nicht doch lieber für sich allein die eigene Winkelmesse feiern soll. Das ist völlig absurd! Es gibt so viele brennende Fragen und Probleme, die die gemeinsame Kraft von Christen und Christinnen erfordert. Aber Kirchenleitungen haben offenbar nichts Besseres zu tun, als die alten Mauern mit neuem Zement zu versehen, statt sie endlich niederzureissen. Ein Armutszeugnis! Als provokativ und demonstrativ bezeichneten die drei Kirchenleitungen gar einmütig das Vorhaben der fünf Geistlichen. Aber wer ist denn hier provokativ und demonstrativ? Es sind doch diejenigen, die diesen Geistlichen das Recht absprechen, in gegenseitiger Anerkennung im Gottesdienst miteinander das Hochgebet zu sprechen und mit der Gemeinde das Brot der Hoffnung zu teilen. Ich behaupte, dass für die meisten Christinnen und Christen diese unwürdige Frage nach der Erlaubnis eines gemeinsamen Abendmahls in gegenseitiger Anerkennung längst abgestorben ist. Es ist ein lächerliches Scheinproblem. Aber wie lange dauert es noch, bis Kirchenleitungen erkennen, dass sie das Kirchenvolk beleidigen, indem sie es immer wieder mit zu lächerlichen Fragen belästigen! 2

Immer wieder hört man im Hinblick auf das gemeinsame Abendmahl das ewig falsche Argument, man sei noch nicht soweit. Erst müsse man sich einigen, so als ob die Einigkeit der Kirchenleitungen die Voraussetzung für die Würdigkeit des Abendmahls sei. Das ist falsch! Es ist grundverkehrt! Voraussetzung für das heilige Mahl sind nicht wir Menschen und unser erbärmlicher Selbstdünkel, sondern der Blick Gottes, der eine Würdigkeit in unsere Erbärmlichkeit hineinsieht, die wir von uns aus gewiss nicht haben. Das sollten gerade Kirchenleitungen wissen! Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete, schreibt der Apostel Paulus in aller Deutlichkeit. Gott hat also die Welt mit sich versöhnt und zwar bevor die Menschen überhaupt auf den Gedanken gekommen sind, sich miteinander zu versöhnen. Menschliches Glauben und Tun kann also rein gar nichts zur Heiligkeit und Würde des heiligen Mahls, das die Versöhnung feiert, beitragen. Es ist allein Gottes Beschluss und Wille. Gerade Reformierte sollten das doch besonders gut wissen. Steht doch das Fundament der reformierten Kirche auf genau dieser Erkenntnis, dass wir alle aus der Gnade Gottes leben und nicht aus uns selbst! Darum bin ich von unserer reformierten Kirchenleitung auch immer so enttäuscht und verärgert, wenn sie, wie im besagten Fall, mit solcher Weichheit auf römischkatholische und orthodoxe Diktate reagiert. Für mich ist das Verrat an der eigenen Erkenntnis. Ist es doch für Protestanten eine ewige und heilige Pflicht, gerade im ökumenischen Dialog beharrlich darauf hinzuweisen, dass es der Blick der Güte Gottes in Christus ist, der uns Würde und Heil verleiht und nicht wir Menschen selbst! Selbst sind wir Menschen nämlich gar nichts und erbärmlich, wie dieser alte, unwürdige Streit um das Abendmahl überdeutlich beweist. Im Hinblick auf die römisch-katholische Kirche und den neuen Papst Franziskus hegen viele neue Hoffnungen, gerade auch bezüglich der Ökumene. Es bleibt abzuwarten, was geschieht. Ich persönlich erwarte nicht allzu viel. Jedenfalls arbeitet die Schweizerische Bischofskonferenz gegenwärtig gerade an einem neuen, völlig absurden Papier, in dem sie, wie es heisst, Normen 3

zum Empfang der Eucharistie festlegen wollen. Das verheisst im Hinblick auf die Ökumene gewiss nichts Gutes, im Gegenteil! Aber auch der Schweizerisch Evangelische Kirchenbund gibt keinen Anlass zur Hoffnung. Verabschiedete sich doch der Präsident Gottfried Locher kürzlich ganz offiziell von der evangelisch-katholischen Amtsökumene. Er wolle sich fortan nur noch auf die innerprotestantische Ökumene konzentrieren. Lässt er damit aber nicht unsere katholischen Glaubensbrüder- und schwestern an der Basis, denen der Selbstdünkel ihrer Bischöfe schon längst ein Dorn im Auge ist, im Stich? Unterschätzt er zudem nicht die Gefahr, dass in einer solchen rein innerprotestantischen Ökumene die Themen der evangelikalen Freikirchen die ökumenische Diskussion zu dominieren beginnen? Es ist nämlich keineswegs ausgemacht sondern eher fragwürdig, dass diese Themen der Freikirchen die wirklich wichtigen Fragen sind. Der Biblizismus und der Fundamentalismus der Freikirchen waren zudem immer schon Gift für die Ökumene. In ihrem Einzigartigkeits- und Unendlichkeitswahn unterscheiden sie sich letztlich in keinster Weise vom Selbstdünkel des römischkatholischen Lehramts. Apropos Unendlichkeitswahn: Eine grosse Hoffnung habe ich für die Ökumene. Sie leitet sich aus dem Satz des Apostels Paulus ab: Ich bin gewiss: Gott war in Christus. Wenn nämlich Gott in Christus war, dann bedeutet das, dass wir Menschen unsere eigene Begrenztheit und Endlichkeit annehmen müssen. Denn es war ja gerade der Unendlichkeitswahn der Menschen, die grosse Verfehlung, die Jesus ans Kreuz brachte. Man erwartete alles von ihm. Er jedoch enttäuschte die Menschen, weil er endlich und begrenzt blieb. Mit anderen Worten: Gott sagte in Christus letztlich ja zur Begrenztheit, zur Endlichkeit und zur Sterblichkeit. Wer dies gut bedenkt, wird zum Schluss kommen, dass kein Weg zum Heil an dieser Akzeptanz der Endlichkeit von allen und allem in dieser Welt vorbeikommt. Mehr noch: Wer dies gut bedenkt, wird erkennen, dass in der Annahme der eigenen Endlichkeit letztlich ein grosser Segen verborgen ist, der die Kraft hat zwischen den Menschen unterschiedlicher Konfessionen und auch Religionen endlich Frieden zu stiften. Wie das zu verstehen ist, das hat der Theologe Fulbert Steffensky im Hinblick auf die 4

Ökumene in einem Glanzstück christlicher Theologie formuliert. Ich lese ihnen dieses Stück zum Schluss der Predigt vor: Meine Hoffnung für die Ökumene: Wir werden lernen, dass wir endlich sind, auch als Kirchen. Wir werden lernen, dass keine der Kirchen alles sein muss, die wahre und einzige. Die Kirchen ehrt ihre Bedürftigkeit und Angewiesenheit. Die Tatsache, dass meine Einzelkirche nicht alles ist und dass ich in meiner Kirche darum nicht ganz zuhause bin, verweist auf die anderen Kirchen. Der Mangel im Eigenen macht bedürftig, und so macht er geschwisterlich. Nur bedürftige Menschen sind geschwisterliche Menschen. Das gilt für Menschen, und das gilt für Systeme. Die Vorläufigkeit und die Begrenztheit der eigenen Kirche machen einen zum Spieler. Man braucht nicht nur der stumpfsinnige, sich selbst genügende Katholik, Orthodoxe, Lutheraner oder Reformierte zu sein. Es gibt eine Lust zwischen den Zeilen zu leben, zwischen den Häusern und zwischen den Welten. Es ist die Lust, in mehr Häusern beheimatet zu sein als nur in einem. Es ist die Unbescheidenheit, mehr Welten zu wollen als nur die eigene bescheidene Lebenswelt. Heimat verdummt, wenn man nur eine kennt. Wer mehr als eine Kirche kennengelernt hat, lernt seine eigene zu lieben und sie zugleich als begrenzt zu empfinden. Er lernt Humor und die wundervolle und lebensrettende Gabe der Skepsis seiner eigenen Heimat gegenüber. Die Wahrheit kann nicht eingefangen werden in einer Kirche, nicht einmal in allen zusammen. 1 Amen. Aesch, 12. Juni 2014 Marc Stillhard 1 Fulbert Steffensky in: Hasenhüttl, Gotthold: Christen gegen Christen. Der Streit um das gemeinsame Abendmahl, Stuttgart 2010. 5