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D-45958 Dezember 2013 Nr. 129 1,40 Euro www.hochschulanzeiger.de DIE SUPER- GRÜNDER WENN SICH STUDENTEN SELBSTÄNDIG MACHEN SEHR GUT BERATEN Karriere machen im Consulting UND SIE DREHT SICH DOCH Die Rückkehr der Audio-Kassette In Kooperation mit

EDITORIAL TITEL: CHRISTIAN KERBER, EDITORIAL: STEFAN KÖNIG, ANNE SCHÖNHARTING; ILLUSTRATION: ANDRÉ GOTTSCHALK IMPRESSUM Liebe Leserinnen, liebe Leser, es gibt dieses Bild, das 1.000-fach durch Facebook schwirrte: Darauf sind eine alte Musikkassette und ein Bleistift zu sehen. Darunter heißt es: A unique relationship. Vielleicht wird der eine oder andere von Ihnen jetzt die Stirn runzeln. Für alle, die vor 1990 geboren wurden, war das tatsächlich eine einzigartige Verbindung. Den Bandsalat, der sich beim Abspielen von Musikkassetten oftmals bildete, konnte nur ein Bleistift wieder aufrollen. Jetzt kommt die 50 Jahre alte Erfindung zurück: Die Independent-Szene entdeckt den Tonträger mit Bandsalat-Gefahr neu (ab Seite 25). Der Erfolg des Walkmans wäre ohne die Kassette nicht möglich gewesen. Und das Mixtape war der Urgroßvater jeder itunes-playlist. Damals saß ich tatsächlich vor dem Kassettenrekorder, drückte auf Play, Record und Pause gleichzeitig und wartete, bis das aktuelle Lieblingsstück im Radio lief. Heute wirkt das nur noch eigenartig. Genauso eigenartig wie der Wunsch meiner Eltern, ich solle doch Diplomat werden. Wahrscheinlich war ihnen nicht klar, dass zwischen Botschaftsempfängen und Repräsentationsaufgaben auf junge Staatsdiener auch hochkomplexe Probleme warten: ertrinkende Flüchtlinge vor Lampedusa, Gewalt in Ägypten, Chemiewaffen in Syrien. Unsere Autorin Franziska Bulban hat eine Uni in Malta besucht, an der junge Diplomaten für die Weltpolitik fit gemacht werden (ab Seite 8). Ihr Ziel: ein Master in Diplomatic Studies. Politik per Protest war hingegen Miranda Gibsons Ziel. Warum die Umweltaktivistin dafür auf einen Eukalyptusbaum in Tasmanien stieg und 449 Tage lang nicht herunterkam, erzählt sie in unserer Kolumne Mein letztes Mal (Seite 46). Auf ganz andere Art sind unsere Start-up-Studenten aktiv geworden, die sich mit ungewöhnlichen Ideen selbständig gemacht und Produkte erfunden haben. In unserer Titelgeschichte (ab Seite 32) stellen wir ihre Bier- Sets zum Selbstbrauen und Räder mit Bambusrahmen vor. Vielleicht ist da sogar eine Weihnachtsgeschenkidee dabei? Mehr von uns gibts wie immer auf Facebook unter www.hochschulanzeiger.de/fb oder auf Twitter @FAZ_Hanz. Viel Spaß beim Lesen, Blättern und Surfen ANDREAS TAZL Das schwierige Klassenzimmer: In Malta werden die Diplomaten von morgen ausgebildet, und auf dem Stundenplan landen die großen Konfliktthemen des Mittelmeerraumes. Ein Besuch Seite 8 Alle mal herhören: Philipp Riederle ist erst 19 aber die Manager vieler großer Firmen hängen an seinen Lippen. Denn er erklärt Großkonzernen, wie die Generation Y tickt Seite 26 Es war einfach superschön zu sehen, dass es wirklich funktioniert. Maximilian Schay über die Testfahrt auf dem Prototyp eines Bambusrahmen-Fahrrades, das er mit einem Kommilitonen erfunden hat. Die Radstory und drei weitere Geschichten über Studenten, die sich während der Uni- Zeit selbständig machen Seite 32 VERLAG: Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Hellerhofstraße 2 4, 60327 Frankfurt; zugleich ladungsfähige Anschrift für die im Impressum genannten Verantwortlichen und Vertretungsberech tigten GESCHÄFTSFÜHRUNG: Tobias Trevisan (Sprecher), Dr. Roland Gerschermann REDAK TIONSLEITER: Andreas Tazl, V. i. S. d. P. TEXTCHEF: York Pijahn VERANTWORTLICH FÜR ANZEIGEN: Andreas Formen (Verlagsgeschäftsführer) AUTO REN: Jochen Brenner, Franziska Bulban, Serge Debrebant, Daniel Haas, Constanze Kindel, Stephan Knieps, Nadine Lischick, Daniel Ramm, Alexandra Rojkov, Vanessa Schlesier, Katrin Schmiedekampf, Aileen Tiedemann BILD REDAKTION: Anne Schälike FOTO GRAFEN: Dominik Asbach, Jens Bösenberg, Franziska Bulban, Dominik Gigler, Christian Kerber, Stefan König, Oliver Kröning, Frizzi Kurkhaus, Alan Lesheim, Ute Friederike Schernau, Anne Schönharting, Samuel Zuder ILLUSTRATOREN: André Gottschalk, Volkmar Kurkhaus, Jindrich Novotny / 2Agenten, Saskia Oldenburg ILLUSTRATION: Seite 3, 26 29: André Gottschalk, Seite 18/19, 30/31: Volkmar Kurkhaus, Seite 44: Jindrich Novotny / 2Agenten, Seite 7: Saskia Oldenburg BILDNACHWEIS: Titel: Christian Kerber, Editorial: Stefan König, Anne Schönharting; Illustration: André Gottschalk, Inhalt: istockphoto, Frizzi Kurkhaus, Seite 6/7: Getty Images (2), Thinkstock, istockphoto, privat (2); Illustration: Saskia Oldenburg, Seite 8 13: Anne Schönharting, Seite 14 17: Jens Bösenberg, Seite 18/19: Franziska Bulban (4), Getty Images, Sony, PR (2); Illustration: Volkmar Kurkhaus, Seite 20 24: Samuel Zuder, Seite 25: istockphoto, Seite 26 29: Illustration: André Gottschalk, Seite 30/31: Plainpicture, privat, PR; Illustration: Volkmar Kurkhaus, Seite 32: Dominik Gigler, Seite 34/35: Oliver Kröning, Seite 36: Dominik Gigler, Seite 37: Christian Kerber, Seite 38 40: Dominik Asbach, Seite 38: Avenue Images, Seite 42: Ute Friederike Schernau, Seite 44: Illustration: Jindrich Novotny / 2Agenten, Seite 46: Alan Lesheim, istockphoto, Frizzi Kurkhaus LAYOUT: Frizzi Kurkhaus LEKTORAT: SKH SprachKontor Hamburg GmbH, www.sprachkontor.de HERSTELLUNG: Westdeutsche Verlags- und Druckerei GmbH, Kurhessen straße 4 6, 64546 Mörfelden- Walldorf, www.wvd-online.de VERTRIEB: Frank furter Allgemeine Zeitung GmbH ANSCHRIFT: Frank furter Allgemeine Zeitung GmbH, Heller hofstraße 2 4, 60327 Frankfurt; Redaktion: Telefon 040 468991133 und 069 75911842; Inter net: www.hochschulan zeiger.de ABONNENTENSERVICE: Telefon 0180 25252 (6 Cent pro Anruf aus dem deutschen Festnetz, Mobilfunkhöchstpreis 42 Cent) ANZEIGEN: Telefon 069 7591-3400; E-Mail stellenmarkt@faz.de. Der F. A. Z. Hochschulanzeiger erscheint sechsmal im Jahr. Alle in ihm enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Ein willigung des Verlages nicht zulässig. Preise für das Abonnement des F. A. Z. Hochschulanzeigers bei sechs Ausgaben pro Jahr: Inland und Ausland 8,40 Euro inkl. Ver sandkosten und MwSt., Lieferung im Abonnement im Inland nur gegen Bankeinzug des Zeitungsbezugsgeldes möglich. Studierende erhalten den F. A. Z. Hochschulanzeiger im Rahmen ihres vergünstigten F. A. Z. Studentenabonnements nach Erscheinen der neuen Ausgabe automatisch per Post. Abonnementskündigungen sind mit einer Frist von 20 Tagen zum Ende des berechneten Bezugszeit raumes möglich. Mitteilung aufgrund von 5 Abs. 2 des Hessischen Gesetzes über Freiheit und Recht der Presse: Gesellschafter der Frankfurter Allge meine Zeitung GmbH sind FAZIT-Stiftung Gemeinnützige Verlagsgesellschaft mbh, Frankfurter All gemeine Zeitung GmbH, Werner D Inka, Berthold Kohler, Günther Nonnenmacher, Frank Schirrmacher, Holger Steltzner.

CAMPUS Schultafeln für Amerikaner, 6 Meldungen: Kugelsichere alem om und die Hipster von Jerus eine Mist-Idee für billigen Str immer: Studieren 8 Das schwierige Klassenz Malta an der Diplomatenschule in er Studenten 14 Hol alles raus! Vier Berlin n gucken lassen uns in ihre Uni-Tasche LEBEN etzwerk werg in London, ein Verleihn 18 Meldungen: Ein Gartenz n d drei Produkte, die wir liebe un r de lei dk en Ab d un en für Bohrmaschin pps chen Selbstoptimierungs-A 20 Das Zahlenmonster: Ma robiert Unsere Autorin hat es ausp das Leben wirklich besser? ssette : Die Rückkehr der Musikka 25 Und sie dreht sich doch rle Der 19-jährige Philipp Riede e: on iph my is me ho My 26 Generation Y tickt erklärt Unternehmen, wie die e Karriere enschaftlerin aus Plastik, ein 30 Meldungen: Eine Wiss ersten Job auf die Frage, ob man beim bei Google und eine Antwort tlich richtig ist in einer großen Firma eigen Wenn sich Studenten 32 Hörsaal and Company: tändig machen während des Studiums selbs kunft gehört dentischen Beratern die Zu stu rum Wa ts: an ult ns Co 38 Klasse ris nach Lingen gute Idee? Pa n vo b Jo n de r Fü e: rti pa 42 Land tigsten Recruiting-Events 44 Kommt zu uns: Die wich Studium und Karriere 45 Super-Sechs: Apps für wohnen ein Jahr lang auf einem Baum 46 Mein letztes Mal: Über FOTO: ISTOCKPHOTO; FRIZZI KURKHAUS KARRIERE

FERNGESPRÄCH Ein Anruf in Jerusalem Israel hat mich schon immer fasziniert. Da wurde ein Staat aus dem Nichts erschaffen! Und mit ihm ein Konflikt, der seit 65 Jahren besteht. Obwohl Israel so klein ist, gibt es hier viele unterschiedliche Gruppen und Subkulturen. Tel Aviv ist voll Hipster, die den ganzen Tag im Café sitzen und alternativ tun. In Jerusalem gibt es die Ultra-Orthodoxen, die streng religiös leben. Und in Ramallah trifft man muslimische Frauen, die nie Kopftuch tragen, dafür aber Jeans und High Heels. Der Nahostkonflikt ist allgegenwärtig, man merkt die Spannung in der Luft förmlich. Wenn ich zur Uni fahre, sind im Bus zum Beispiel kaum Araber. Juden und Palästinenser versuchen, sich aus dem Weg zu gehen. Ich kann beide Völker verstehen. Die Palästinenser aus dem Westjordanland und aus Gaza wollen frei sein und nach Israel reisen dürfen. Aber den Juden ist so viel Schlimmes passiert. Da ist es nachvollziehbar, dass sie sicher in ihrer Gemeinschaft leben wollen. Natürlich dreht sich hier nicht alles um Politik. Jerusalem ist eine tolle Stadt: Es gibt ein Kneipenviertel und einen wunderschönen Markt, wo es nach Guaven riecht und nach frisch gebackenem Pita-Brot. Einmal in der Woche verwandeln sich die Markthallen in eine Party-Location. Dort, wo tagsüber die Händler feilschen und schreien, wird dann abends Bier ausgeschenkt und getanzt. Das Highlight ist natürlich die Altstadt. Man kann stundenlang durch die Gassen schlendern, und wer möchte, trinkt unterwegs einen türkischen Kaffee oder raucht eine Wasserpfeife. Im jüdischen Viertel soll es einen Schleichweg über die Dächer geben, der zur Klagemauer führt. Meine Freunde und ich wollen ihn demnächst suchen. Dann nehmen wir uns Obst mit und Falafeln und machen hoch über der Stadt ein Picknick. Die beste Zeit dafür ist kurz vor dem Sonnenuntergang. Tagsüber ist es einfach zu heiß. Natürlich hat man hier als Deutscher manchmal ein schlechtes Gefühl. Kürzlich zum Beispiel war ich im Holocaust-Museum das war schon sehr krass. Aber die Israelis selbst haben überhaupt kein Problem mit Deutschland. Im Gegenteil: Für die Hipster in Tel Aviv ist Berlin der coolste Ort der Welt. PROTOKOLL: ALEXANDRA ROJKOV Michael Schmutzer, 25, studiert an der LMU München Medizin. Derzeit verbringt er ein Semester an der Hebrew University in Jerusalem. Auf dem Foto? Steht er in der Nähe der Festung Masada am Toten Meer. FELSENDOM IN JERUSALEM. Per Anhalter nach England Wie lange braucht man, um es per Anhalter nach England zu schaffen? Gerade mal 24 Stunden! Zumindest gelang dieses Kunststück zwei Studenten aus Leipzig, und zwar beim Jailbreak ihrer Uni. Jailbreak? Hinter diesem Begriff verbirgt sich eine in England erfundene Art von Rennen, deren Ziel es ist, innerhalb von 24 Stunden so weit wie möglich zu trampen. Erlaubt ist alles, was kein Geld kostet. Die Leipziger Studenten Klarissa Kaiser und Tim Vogel schafften es ins per Luftlinie 870 Kilometer entfernte Brampton, eine Kleinstadt nördlich von London. Das verdanken sie mehr als 50 Menschen in 39 verschiedenen Fahrzeugen aus acht Ländern. Wir haben vor allem eins gelernt, formulierten sie hinterher, alles ist möglich. Sogar die französische Polizei nahm die beiden ein Stückchen mit. Kaisers und Vogels Konkurrenten schafften es unter anderem in die französische Stadt Montbeugny (840 Kilometer) und nach Marijampolė in Litauen (820 Kilometer). FOTOS: GETTY IMAGES (2), THINKSTOCK, ISTOCKPHOTO, PRIVAT (2) Kugelsichere Tafeln für Profs Schießereien an Universitäten und Schulen gibt es vor allem in Amerika leider immer öfter. Die University of Maryland Eastern Shore (UMES) zieht daraus Konsequenzen und stattet ihre Professoren nun mit kugelsicheren Tafeln aus. 60.000 Dollar sollen dafür ausgegeben werden. Die viereckigen Hightech-Tafeln gibt es in sechs verschiedenen Farben, sie sind 45 mal 50 Zentimeter groß und dienen im Alltag als tragbare Notiztafeln. In Gefahr situationen allerdings werden sie zum Schutzschild für die Professoren. Hergestellt werden sie von der amerikanischen Firma Hardwire LLC, die ursprünglich auf Militärrüstungen spezialisiert war. Seit der tragischen Schießerei an der Grundschule Sandy Hook in Newton, bei der im vergangenen Jahr 20 Kinder und sechs Lehrer starben, entwickelt das Unternehmen Sicherheitslösungen für Klassenzimmer. Bisher wurden die kugelsicheren Tafeln an rund 100 Schulen verkauft, mit der UMES gesellt sich nun die erste Universität zu den Kunden. Man wolle vorbereitet sein, sagt Uni-Präsidentin Juliette B. Bell. Die Zeit war in keiner Weise romantisch. Ich hatte kein eigenes Zimmer im Studentenwohnheim und schlief bei Freunden auf dem Boden. Ich sammelte Cola-Flaschen und kaufte mir vom Pfand Essen. STEVE JOBS ( 2011), MITBEGRÜNDER VON APPLE, ÜBER SEIN PHYSIK- UND LITERATUR-STUDIUM IN PORTLAND, DAS ER NACH EINEM SEMESTER ABBRACH Science-Slam MISTMASCHINE In unserer Serie stellen Wissenschaftler ihr Forschungsprojekt innerhalb nur einer Minute und mithilfe einer Bierdeckel-Zeichnung vor. Diesmal: Ingenieurin Saskia Oldenburg Bei einem Reitausflug erzählte ich einer Freundin, dass ich meine Dissertation zum Thema Energiegewinnung aus organischen Rohstoffen schreibe. Also auch über Pferdemist?, fragte sie mich. Gleich am nächsten Tag begann ich zu recherchieren und fand heraus, dass in einer Handvoll Pferdemist genug Energie steckt, um ein Handy zu laden. Allerdings hatte sich bislang noch niemand damit beschäftigt, wie das praktisch funktionieren soll. Weil in Pferdemist viel langes Stroh und Sand enthalten sind, lässt er sich nicht einfach so in einer Biogasanlage verwerten wie etwa Mais. Ich habe deshalb ein halbes Jahr lang daran geforscht, wie man den Pferdekot von Stroh und Sand trennen kann. Dafür haben wir bei uns an der TU Hamburg-Harburg ein spezielles Aufbereitungsverfahren entwickelt, bei dem der Pferdemist in einem rechteckigen Wasserbecken mithilfe von Luftzufuhr von Sand und Stroh getrennt wird. Die Innovation besteht darin, dass man Biogasanlagen dank dieser Erfindung nicht extra umbauen muss, um Pferdemist zu verwerten. Die Idee hat auf jeden Fall Zukunft, denn in Deutschland produzieren 900.000 Pferde jeden Tag 15 Millionen Tonnen Mist. Den sollten wir anstelle von Pflanzen nutzen, die auch als Nahrungsmittel dienen könnten. Immerhin können 2,5 Tonnen Pferdemist eine Tonne Mais ersetzen. Lust auf mehr Science-Slam? Münster am 06.12. im Stadttheater Hamburg am 17.12. im Uebel & Gefährlich Karlsruhe am 30.01. im jubez Protokoll: Aileen Tiedemann 6 7

Studieren in der Postkartenidylle: Die Diplomatenschule liegt in Valletta, Maltas Hauptstadt. Zeit zum Baden? Gibts nur selten der Stundenplan ist einfach zu voll. DAS SCHWIERIGE KLASSENZIMMER In Malta wird die Diplomaten-Elite von morgen ausgebildet. Und Studenten, die sich vielleicht bald am Verhandlungstisch als Gegner gegenübersitzen, werden hier für kurze Zeit Schulfreunde. Ein Besuch. TEXT: FRANZISKA BULBAN / FOTOS: ANNE SCHÖNHARTING Jeden Morgen steigen die Diplomaten einen steinigen Pfad hinauf und jeden Abend wieder hinab. Sie ducken sich unter Ästen hindurch, klettern über Steinplatten und springen über Wurzeln. Wenn sie ihre formelle Kleidung für besondere Gäste tragen, drohen die Frauen auf ihren hohen Schuhen umzuknicken, und die Männer sorgen sich um ihre Stoffhosen. Der Weg führt von der Hotelanlage Sundown Court, in der sie leben, zu einem schmucklosen Nebengebäude der Universität Malta. Normalerweise arbeiten sie an Botschaften und in Ämtern für ihre Heimatländer wie Gambia, Georgien oder Ägypten. Zu Terminen werden sie meist gefahren. Doch in Malta ist alles anders. Hier, in der geografischen Mitte zwischen Europa und Afrika, zwischen Stabilität und Umbruch, zwischen Finanzkrisen, Bürgerkriegen und Neuwahlbestrebungen, sind sie Studenten. An der Mediterranean Academy of Diplomatic Studies, kurz MEDAC, sollen sie Experten werden für den Mittelmeerraum, diese Region, die die Welt in Atem hält. Im Klassenzimmer surrt die Klimaanlage, an den Wänden hängen Karten von Nordafrika. In der Welt da draußen entbrennt noch in ihrer ersten Uni-Woche eine europäische Asylrechtsdebatte wegen ertrunkener Flüchtlinge vor Lampedusa, in Ägypten eskaliert die Gewalt zwischen Muslimbrüdern und deren Gegnern, und die UN-Inspektoren beginnen mit der Vernichtung von Chemiewaffen in Syrien. Die Diplomaten sitzen in Reihen hintereinander und machen Notizen. Das Fach: Contemporary Security Studies. Die Dozentin teilt einen Zettel aus, auf dem ein Land Bedrohungen für seine nationale Sicherheit aufgelistet hat; unter anderem Seuchen und den Klima- 8 9

1 Ousman stammt aus Gambia. Drei Semester wird er in Malta studieren. Per Skype bleibt er mit seiner Familie in Kontakt. 3 1 Außen schmucklos, innen international: Die Malteser Uni bildet Diplomaten für den Mittelmeerraum aus. 2 Lamis aus dem Sudan sitzt neben Mohamed aus Tunesien. 3 Caroline Steiner stammt aus Dänemark. 2 wandel. Die Studenten sollen herausfinden, um welches Land es geht. Atomare Bedrohung, Klimawandel ein großes Land, wahrscheinlich in Asien, sagt einer, Pakistan, ruft ein anderer in den Raum. Oder Indonesien? Die Dozentin grinst. Die Niederlande, sagt sie. Die Studenten lachen. Vor ihnen sind handgeschriebene Namensschilder aufgestellt: Mohammad Abujaber, Palestine, steht da, Ahmad Al Shourbagy, Egypt, oder Lamis Sulaiman, Sudan. Aber auch andere Namen mischen sich darunter, zum Beispiel Marco Loemker, Germany, und Caroline Steiner, Denmark. Denn an der MEDAC gibt es zwei Sorten von Studenten: zum einen Diplomaten aus Entwicklungsländern, die von den Außenministerien für neun Monate entsendet werden und deren Studium mit Stipendien finanziert wird. Und zum anderen Studenten aus ganz Europa, die sich an der Uni Malta für den Master of Arts in Diplomatic Studies eingeschrieben haben. Die Diplomaten mussten sich meist auf die Stipendien bewerben nachdem sie bereits harte Einstellungsverfahren bestanden haben, um an ihre Jobs zu kommen. Marco (22) aus Bremen konnte sich mit seinem Bachelor in International Relations einschreiben. Wahrscheinlich ist es für die Diplomaten nicht ganz so spannend, mit mir den Klassenraum zu teilen, wie für mich, mit ihnen da zu sitzen, sagt Marco und zuckt mit den Achseln. Er hat früh gemerkt, dass er ein internationales Umfeld mag. Ich war in Deutschland nicht unbedingt der beste Schüler, sagt er, ich hatte Ärger mit den Lehrern, fühlte mich unverstanden und langweilte mich. Als seine große Schwester ins Ausland ging, beschloss er, sein Leben in die Hand zu nehmen. Da war Marco 13. Er entschied sich für ein Internat in England. Strenge Regeln, früh aufstehen, kaum Ausgang; aber dafür Klassenkameraden aus der ganzen Welt Marco war glücklich. Nach der Schule hat er die halbe Welt bereist, hat Schulfreunde in Kuwait besucht, ist mit türkischen Freunden durch die Ägäis gesegelt und hat im südafrikanischen Swasiland Zeit mit der Königsfamilie verbracht. Fremde Kulturen, verstehen, wie andere Menschen ticken, das hat ihn fasziniert. Diplomat, vielleicht sogar Botschafter, das klang für Marco nach einem Traumjob. Nur manchmal überkommen ihn Zweifel. Ob er wirklich sein Leben lang herumziehen möchte? Ob man sich nicht auch nach einem Zuhause sehnt, einer festen Basis? Für Marco ist diese Entscheidung noch offen. Er hat ein Jahr lang Zeit, darüber nachzudenken, sich mit den Diplomaten in seinem Klassenzimmer auszutauschen, sich über seine Wünsche klar zu werden. Und ganz nebenbei gilt es ja auch noch, das Studium zu Ende zu bringen. Denn auch, wenn das Semester gerade erst angefangen hat, gibt es schon ein ordentliches Arbeitspensum. Und so sitzt Marco auch an einem Samstag, wenn die Spätsommersonne scheint und die letzten Touristen am Strand entlangspazieren, in seinem Appartement im Westen Maltas und bereitet eine Präsentation vor. Unendlich viel Lesematerial, sagt er und deutet auf seinen Couchtisch. Die MEDAC ist bekannt als harte Schule. 10

Die Diplomaten befassen sich an diesem ersten Wochenende aber auch mit ganz weltlichen Problemen. Ahmad aus Ägypten zum Beispiel ist 33, er hat eine Frau und zwei Kinder und muss in Malta zum ersten Mal in seinem Leben Wäsche waschen. Lamis, 24, stammt aus dem Sudan, arbeitet für die Arabische Liga in Kairo und muss jetzt selbst Lebensmittel kaufen. Ob das Wort Hamburger bedeutet, dass Schwein im Fleisch ist? Lamis zögert, legt das Hackfleisch zurück in die Kühltruhe, streift durch die Läden. Zu Hause kümmern sich um so etwas ihre Eltern. Und die 20 Minuten Fußweg, die sie vom Hotel zum Supermarkt gehen muss, würde sie in Kairo in ihrem dunkelblauen BMW zurücklegen. Es ist Teil des Rollenwechsels Jeans statt Anzug, Bus statt Auto, Student statt Diplomat. Aber dieser Rollenwechsel hilft im Unterricht. Denn an der MEDAC sollen sich alle als Privatpersonen begegnen und eigene Meinungen äußern. Aber im Beruf sind Diplomaten stets Vertreter ihrer Länder, und besonders in der Öffentlichkeit müssen sie sie repräsentieren. Das ist einer der Gründe, warum die Diplomaten auch hier keinen falschen Eindruck erwecken wollen, weshalb viele beim Besuch einer deutschen Reporterin verhalten reagieren und manche nicht fotografiert werden möchten. Denn am Ende des Jahres müssen sie zurück in die Rolle und ihrem Status gerecht werden. Besonders schwierig ist das bei umstrittenen Themen, zum Beispiel wenn Diplomaten aus Algerien und Marokko aufeinandertreffen und über die Grenze zwischen den Ländern diskutieren. Oder wenn es um Israel geht. Themen, die die meisten Europäer höchstens aus den Nachrichten kennen, beeinflussen das Leben der Menschen in diesem Klassenzimmer direkt. Als der Arabische Frühling losbrach, sorgten sich viele Diplomaten an der MEDAC um ihre Familien, um ihre Heimat und um ihre Freunde. Es ist meine Aufgabe, die starken Gefühle umzuleiten, sagt Institutsleiter Stephen Calleya, 49, und faltet seine manikürten Hände, sie als Motivator zu nutzen, sich mit einem Thema akademisch auseinanderzusetzen. Seit 1995 arbeitet er an der MEDAC. Sein ganzes Büro ist dekoriert mit Fotos. Die meisten zeigen, wie Calleya jemandem die Hand schüttelt: einem deutschen Botschafter, einem ägyptischen Präsidentschaftskandidaten. Das Netzwerk der MEDAC, es ist sein großer Stolz. Es ist eines der wichtigsten Elemente dieser Ausbildung, sagt Calleya, Kontakte, die manchmal ein Leben lang halten. Denn egal, ob Marco Loemker einmal in den Dienst des Auswärtigen Amtes tritt oder sich die Diplomaten eines Tages als Botschafter oder Verhandlungsführer wiedersehen: Sie werden sich auch als Menschen in Jeans und T-Shirt kennen und wissen, dass sie eine Zeit lang ein Stück Weg gemeinsam gegangen sind. Auch, wenn es ein steiniger Pfad war, man sich unter Ästen hindurchducken und über Wurzeln springen musste. Master of Arts an der Mediterranean Academy of Diplomatic Studies: Dauer: 3 Semester Zulassungsvoraussetzungen: Bachelor (mit Auszeichnung) in einem studienrelevanten Fachbereich wie zum Beispiel Geschichte, Jura, Politikwissenschaften, Internationale Be ziehungen; Nachweis von Englischkenntnissen Weitere Informationen: www.um.edu.mt/medac Der Tag geht, die Hausaufgaben kommen: Schon in der ersten Uni-Woche haben die Studenten auch am Wochenende nicht frei, sondern müssen arbeiten. So wie Noah aus Palästina und Marco aus Deutschland der immerhin ein eigenes Appartement hat. 12

T A S C H E N K O N T R O L L E! DER KRAM, DEN WIR JEDEN TAG ZUR UNI SCHLEPPEN, ERZÄHLT VIEL ÜBER UNS: ER SAGT, WAS UNS WICHTIG IST, WER WIR SIND. VIER BERLINER STUDENTEN HABEN FÜR UNS EINMAL ALLES AUSGEPACKT. DABEI HERAUSGEKOMMEN (BITTE UMBLÄTTERN) TEXT: VANESSA SCHLESIER FOTOS: JENS BÖSENBERG Steffi Kuhlmann, 26, studiert Architektur an der Berliner Universität der Künste Ich habe immer zwei Notizbücher dabei: ein großes für die Uni und ein kleines für mich. Die Uni-Zeichnung, die man hier sieht, zeigt eine Brücke über die S-Bahn, ein Projekt aus dem letzten Semester. Mein privates Notizbuch ist wie ein Tagebuch. Darin schreibe und zeichne ich. Das Bild zeigt eine Pause während einer Architektur-Exkursion in Essen, ich habe meine Kommilitonen skizziert. Zeichnen? Ist Entspannung für mich. Ich habe erst seit Kurzem ein Smartphone. Aber ich schreibe immer noch alles in meinen Moleskine-Kalender. In dem Etui sind alle Stifte, die ich brauche, Radiergummi, Anspitzer und natürlich Salz und Pfeffer. Ich esse eigentlich immer unterwegs, bin ständig hungrig. Deshalb die Banane und Lakritze. Auf der externen Festplatte links im Bild ist mein gesamtes gearbeitetes Leben. Fotos, Filme, alle selbst gedreht. Dazu mein Uni-Leben und meine Projekte. Mann, die darf ich echt nicht verlieren. DIE SELBERMACHERIN DER STREICHHOLZ-INGENIEUR Sven Giermann, 27, studiert Energie- und Verfahrenstechnik an der TU Berlin Den Jutebeutel hab ich immer dabei, wie es sich gehört für einen Friedrichshainer. Sonst habe ich eigentlich eher wenig im Rucksack. Die Jacke für den Fall, dass es kalt wird. Kugelschreiber. Der Schlüsselanhänger in den Deutschland-Farben ist eine Requisite von der WM 2010. Damals bin ich mit meiner WG in den Teutoburger Wald, um im Haus meines Mitbewohners das erste WM- Spiel zu sehen. Eine schöne Erinnerung. Und ja, die Streichholzschachtel hat auch eine besondere Geschichte. Die hat meine Freundin in meinem Rucksack vergessen. Das Besondere ist, dass ich erst letzte Woche mit ihr zusammengekommen bin. Und die Streichholzschachtel ist von dem Abend, als wir unser erstes Treffen als offizielles Paar hatten. Allein deswegen ist es echt ein cooles Utensil, das da zufällig bei mir im Rucksack gelandet ist. 14 15

T A S C H E N K O N T R O L L E! SIND GESCHICHTEN ÜBER MAMAS RESCUE-TROPFEN, EINE WM-FEIER IM TEUTOBURGER WALD UND PFEFFER UND SALZ FÜR DEN KLEINEN HUNGER UNTERWEGS. Julian Koller, 27, studiert Amerikanistik und Italienisch an der Berliner HU Die Tasche gehört einem Freund. Eigentlich er klaut immer meine Klamotten, und jetzt benutze ich seine Tasche, die er bei mir vergessen hat. Ein Mädchen sagte mir mal, die wird in Kairo an jeder Straßenecke verkauft. Ich finde, sie sieht aus wie ein Unikat. Der große Kalender ist immer dabei. Es ist nicht richtig wie ein Tagebuch, aber doch ein bisschen. Super geil ist der Molotow-Stift. Der satteste schwarze Ton, den es gibt. Perfekt zum Kritzeln. Rescue Remedy nehm ich immer zum Runterkommen. Meine Mama ist Heilpraktikerin, und die Tropfen helfen immer besonders, wenn ich am Wochenende weg war. Ich liebe Electro. Groove ist DAS Magazin für Electro und Clubkultur. Und konkret ist die politische Zeitschrift, bei der ich mich am wenigsten von irgendwelchen Meinungen bedrängt fühle. Es ist jetzt drei Uhr, und ich habe erst zwei Kekse gegessen. Deswegen das Sandwich: Ich hab Hunger. DER UMHÄNGETASCHEN- INDIVIDUALIST DIE LEDER-LADY Leontine Köhn, 19, studiert Jura an der Berliner HU Ich liebe braunes Leder. Besonders die Sachen von bimba & lola. Tasche, Geldbeutel und das kleine Täschchen für meine Kontaktlinsen alles aus Paris. Obwohl die Marke eigentlich aus Spanien ist. Ich muss die Tasche morgens gar nicht mehr packen: Es ist alles schon drin, was rein gehört. Immer dasselbe. Mein altes Samsung-Handy, Lippenstift, Spiegel, Brille und meine Handcreme. Von einer französischen Marke. Ich liebe Frankreich, besonders Paris. Das Hermès-Tuch hab ich von meinen Eltern zum 18. Geburtstag bekommen. Ach ja, und dann hab ich neben meinem Mulberry-Kalender natürlich ein Buch. Das muss ja auch sein. Wir müssen so viel für die Uni lesen, da muss ein bisschen Spaß zwischendrin auch sein. Ich geh auch supergern ins Theater. Letzte Woche war ich im Berliner Ensemble in Floh im Ohr. 16 17

KUMMERKASTEN Franzi und die sieben Zwerge Folge 4: London Was passiert, wenn man in den nächsten Flieger für 200 Euro steigt? Unsere Autorin probiert es aus. Im Gepäck: ein Gartenzwerg. Für den sucht sie ein neues Zuhause aber nur, wenn sie im Tausch etwas mitnehmen darf Sean ist obdachlos und erzählte unserer Autorin seine Lebensgeschichte. Gegen ihren Gartenzwerg tauschte er einen Teddybären. Sean drückt den blauen Kapuzenpulli an sein bärtiges Gesicht und riecht daran, bevor er ihn herüberreicht. Hier, der ist sauber und so, wirklich, sagt er. Der Pulli, das ist sein Tauschangebot für den Gartenzwerg. Und ich kann ihn auf keinen Fall annehmen. Der Winter kommt. Schon jetzt, wo die Herbstsonne noch etwas scheint, frage ich mich, wie Sean es den ganzen Tag lang aushält auf seinem Stammplatz am Süd ufer der Themse. Hier, an der Promenade, sitzt er auf kalten Waschbetonplatten. Gegenüber ragt die Kuppel von St Paul s Cathedral in den Himmel. Southwark heißt dieses Viertel, ein Ort, an dem Welten aufeinanderprallen Banker joggen auf dem Heimweg an minderjährigen Müttern in Trainingshosen vorbei, Touristen versperren Städterinnen in beigen Blazern mit iphones und Bubble-Tea den Weg. Vor Sean liegt eine Mütze mit Pappschild, Please help steht darauf. Er kommt aus Liverpool und lebt seit vielen Jahren auf der Straße. Seine Wohnung habe er verloren, als er wochenlang im Krankenhaus lag, sagt er. Er habe einem Freund erlaubt, in der Zwischenzeit dortzubleiben. Als er zurückkam, sei die Hölle los gewesen. Da sei er abgehauen. Hat er nie daran gedacht, nach Liverpool zurückzugehen? So, wie ich aussehe? Niemals, sagt er, senkt den Kopf, zuckt mit den Schultern und schließt die Augen. Das würde ich meiner Familie nicht antun. Außerdem sei sein Leben nicht schlecht, meint Sean. Und erzählt eine Geschichte: Vor Kurzem wurde er verprügelt, von ein paar Typen aus der Stadt. Als er im Krankenhaus genäht wurde, kam er an einer Station mit krebskranken Kindern vorbei. Die waren voller Leben. Wer das gesehen hat, muss sich schämen, wenn er Selbstmitleid hat. Er streichelt Bella, seinen Hund, nimmt sie auf den Schoß. Sein Blick bleibt am Gartenzwerg hängen. Was hat der da eigentlich im Arm? Eine solarbetriebene Lampe, erkläre ich. Solar, das interessiert mich schon lange. Ich habe gehört, man kann damit auch Handys aufladen, sagt Sean, das wäre für Leute wie mich natürlich praktisch. Nur, weil ich auf der Straße lebe, bin ich kein totaler Idiot. Gegen sechs wird er unruhig. Die Geschäftsleute machen Feierabend, für ihn ist es die wichtigste Arbeitszeit. Und wenn ich bei ihm bin, bekommt er nicht genug Geld. Ich stehe auf und gebe ihm den Gartenzwerg. Für deine Geschichte, sage ich. Aber das will Sean zuerst nicht annehmen. Er drückt mir einen kleinen Teddy in die Hand. Hundespielzeug von Bella. Wenigstens den soll ich nehmen, sagt er. Den Zwerg darf ich einfach behalten?, fragt er. Klar, sage ich und verabschiede mich. Als ich mich ein paar Meter weiter noch einmal umdrehe, hält er den Zwerg noch immer in der Hand, streicht über die Zipfelmütze und macht das Licht an und wieder aus. DREI PRODUKTE, DIE WIR LIEBEN DER DADDELTRAUM 400 Euro kostet sie, die PlayStation 4 von Sony. Zum Glück ist ja bald Weihnachten. Dank der Spielkonsole dürften dann auch die langweiligen Feiertage gerettet sein. Mit ihrer glasklaren Grafik und den tief in das System integrierten Social-Media-Fähigkeiten stößt die PS4 nämlich in neue Gaming-Welten vor. de.playstation.com/ps4 DIE WEIHNACHTSBÄCKEREI Plätzchenbacken ist spießig? Aber nicht, wenn die Ausstechformen wie die Köpfe der Star-Wars-Charaktere Yoda, Darth Vader und Chewbacca aussehen. Möge die Macht der Keksbackkunst mit euch sein! Circa 8 Euro. thegiftoasis.com KRÄUTERGARTEN IM BLEISTIFT Das ist mal eine tolle Form von Recycling: Im Inneren des Sprout-Bleistiftes befinden sich Pflanzensamen. Wer den Bleistiftrest in die Erde steckt und fleißig wässert, kann sich je nach Geschmack Basilikum, Dill, Koriander, Minze, Rosmarin, Salbei oder Thymian heranziehen. Für ein bisschen Grün im dunklen Winter. 3,50 Euro. sproutbleistift.de FOTOS: FRANZISKA BULBAN (4), GETTY IMAGES, SONY, PR (2); ILLUSTRATION: VOLKMAR KURKHAUS JENS HENDRIK MAIER, Diplom-Psychologe JAKOB H. VIA MAIL Mein neuer Prof kann mich nicht leiden. Bisher gehörte ich zu den Besten in meinem Semester, aber seit er da ist, bin ich rapide abgesackt. Er hat an allem, was ich sage, etwas auszusetzen und stellt mich in den Vorlesungen vor den anderen bloß. Wie kann ich mich wehren? Einfach nicht mehr hingehen! Nein, im Ernst. Am besten man sucht ein Einzelgespräch mit dem Professor und fragt direkt, wie man die Noten verbessern kann. Vielleicht wird dabei schon deutlich, wo das Problem liegt. Womöglich macht der Prof das nur, um Sie anzuspornen. Oder er ist einfach gerade selbst gestresst, oder sein Hund ist gestorben. Da gibt es tausend Varianten. Indem man das Gespräch auf die sachliche Ebene hebt, hat man jedenfalls eine deutlich bessere Kommunikationsgrundlage, als wenn man in Tränen ausbricht. Außerdem ist es sicherlich hilfreich, sich mit anderen Studenten auszutauschen. Das entlastet nicht nur, sondern die Einschätzung der Kommilitonen kann auch bei der Bewertung der Situation helfen. Wenn diese Bloßstellungen allerdings wiederholt vorkommen, ist es notwendig, das auch gegenüber dem Professor anzusprechen und Grenzen zu setzen. Das ist bei den Hierarchieunterschieden nicht einfach, aber es ist möglich. Man kann den Prof bitten, Unterstellungen und Beleidigungen zu unterlassen und sich auf die Sachebene zu konzentrieren. Das würde ich allerdings möglichst defensiv formulieren, damit der Prof die Führungsrolle, die ihm ja zugeschrieben ist, behalten kann. Ich bin wie Weihnachten: Man wird mich nicht los, ich komme jedes Jahr wieder! SCHAUSPIELER DAVID HASSELHOFF (61) LEIHEN STATT KAUFEN Der Monat ist zur Hälfte rum, das Konto aber schon leer. Dummerweise braucht man dringend dieses Buch für die Uni. Oder eine Bohrmaschine. Hat nicht vielleicht einer im Freundeskreis so ein Ding? Um diese Frage zu klären, gibt es die App WHY own it. Nach der Anmeldung kann man sehen, was ebenfalls registrierte Facebook-Freunde und Adressbuch-Kontakte besitzen und unentgeltlich zu verleihen bereit sind. Bisher haben 10.000 Nutzer rund 30.000 Produkte registriert von der Handtasche bis zum Boot, vom Abendkleid bis zum Fotoapparat. Wer im Gegenzug selbst etwas verleiht, sammelt Bonuspunkte, die gegen Gutscheine von Partnerfirmen eingetauscht werden können, zum Beispiel für Freiminuten bei car2go. www.whyown.it 18

Das Zahlenmonster Endlich früher aufstehen, öfter zum Sport gehen und gesünder leben unzählige Male hat sich unsere Autorin das schon vorgenommen. Vergeblich. Dann entdeckte sie einen Trend namens Self-Tracking. Und geriet in einen Sog. Text: Katrin Schmiedekampf Fotos: Samuel Zuder App-Etitzügler: Autorin Schmiedekampf fotografierte ihr Essen, was dazu führen soll, dass sie sich gesünder ernährt. Effektiv? Ja. Freudvoll? Hm. Als die Mozzarella-Pizza vor mir steht, zücke ich mein Handy. Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?, sagt meine Freundin Leonie. Bevor sie sich weiter beklagen kann, mache ich ein Foto von meinem Essen. Dann gebe ich ein, was mich der Restaurant-Besuch kostet und wie viel Geld ich heute insgesamt ausgegeben habe. Leonie sieht jetzt wirklich wütend aus. Und sie ist nicht die Einzige. Seit ich angefangen habe, mich selbst zu vermessen, habe ich viele Freunde vergrätzt. Kontrollzwang unterstellen sie mir, manche haben sogar angekündigt, sich nicht mehr mit mir treffen zu wollen, solange der Selbstversuch läuft. Aber der Reihe nach.

Muskel trainieren. Sie entscheidet über Glück und Zufriedenheit, über Karriere, Gesundheit und finanzielle Sicherheit, heißt es im Buch Die Macht der Disziplin des amerikanischen Psychologen Roy Baumeister. Klingt einleuchtend. Ich muss nur endlich mit dem Training beginnen. Tag 2: Eins, zwei, drei im Sauseschritt 8.994 Schritte, 19 Stockwerke, um 00.57 Uhr ins Bett gegangen, 6,8 Stunden geschlafen, Einschlafzeit 14 Minuten, 17-mal aufgewacht Statt einer Armbanduhr trage ich neuerdings ein kleines Gerät namens Fitbit One an meinem Handgelenk, das an einen USB-Stick erinnert. Es zählt meine Schritte und die Stockwerke, die ich hinaufsteige. Das Gerät kostet knapp 100 Euro. Eine Blume im Display zeigt an, wie es mir gerade geht. Nach einem langen Büro-Tag ist sie klein und verkümmert, laufe ich dagegen viel herum, gedeiht sie prächtig. Schon nach kurzer Zeit fühle mich wie mein eigenes Tamagotchi, weil ich darauf achte, die Blume und damit mich selbst zu pflegen. 10.000 Schritte am Tag sind mein Ziel. Ich gewöhne mir an, eine U-Bahn-Haltestelle früher auszusteigen und den restlichen Weg ins Büro zu laufen. Außerdem freue ich mich plötzlich, dass ich im vierten Stock wohne denn auch das bringt ordentlich Punkte. Nachts misst das Gerät meinen Schlaf. Außerdem liegt mein Handy neuerdings mit im Bett. Ich habe mir eine App namens EasyWakeup heruntergeladen. Sie misst, wie stark ich mich im Schlaf bewege und soll mich wecken, wenn ich in einer Schlafphase bin, in der es einem leichter fällt, aufzustehen. Tag 7: Rückfall ins alte Leben Um 3.20 Uhr im Bett gewesen, 4,51 Stunden geschlafen, achtmal aufgewacht, 223 Euro ausgegeben, Produktivität: lieber nicht drüber nachdenken Gestern Geburtstag, heute Kopfbrummen. Schlimmer Tag. Habe mich erst um zwölf Uhr mittags ins Büro geschleppt. Das Programm RescueTime listet gnadenlos auf, wie viel ich seitdem gearbeitet habe. Abgesehen von ein paar Mails: nichts. Ich fluche und traue mich kaum, meine neue Haushaltsbuch-App zu öffnen. Sie heißt Today s Budget und zeigt mir an, was ich schon vorher wusste: Ich lebe über meine Verhältnisse. Wenn man meine Fixkosten von meinen Einnahmen abzieht, bleiben mir pro Tag genau 20 Euro zum Ausgeben. Inzwischen lodert im Display ein Feuer, sogar mit echtem Flammen-Sound. Ich bin nämlich inzwischen mit 83 Euro im Minus die 200 Euro, die ich für meine Geburtstagsfeier ausgegeben habe, nicht mitgerechnet. Eigentlich darf ich in den nächsten Wochen kein Geld mehr ausgeben. Nur: Irgendwas muss ich ja essen außerdem wollte ich zwischendurch ins Kino gehen. Auf einer App namens MoodPanda, mit der ich jeden Tag meine Stimmung verfolge, gebe ich ein, dass ich nicht so gut drauf bin. Als Grund für meine miese Laune tippe ich das Wort Self-Tracking. Tag 8: Ihr fiesen kleinen Aufpasser Laune: 6 von 10 Punkten, Obst: 3 Stück, 1,75 Liter Wasser getrunken, Produktivität: 72 Prozent, 17,50 Euro ausgegeben, 32 Buchseiten gelesen Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, mich selbst zu vermessen. Meine Tage sind besser strukturiert, spätestens um halb zehn sitze ich am Rechner und arbeite konzentriert. Ich lese dank der App ReadMore jeden Tag mindestens 25 Seiten und fühle mich durch die viele Bewegung fitter. Meine Schritte sind federnder, Tag 0 oder: Wie alles begann Als Freiberuflerin habe ich mein Leben selbst in der Hand. Ich entscheide, wann ich aufstehe und wie viel ich arbeite. Die Kehrseite: Es gibt niemanden, der sich beklagt, wenn ich zu spät ins Büro fahre, zu lange Mittagspausen mache oder die Nächte durcharbeite. So ist es auch in meinem Privatleben: Keiner sagt mir, dass ich gesünder essen, häufiger Sport treiben oder früher schlafen gehen soll. Im Grunde meines Herzens weiß ich, dass ich mein Leben ändern muss. Deshalb habe ich angefangen, Daten über mich zu sammeln. Quantified Self heißt die Bewegung, die gerade von den USA nach Deutschland herüberschwappt. Das Motto: Selbsterkenntnis durch Zahlen. Angefangen hat alles in San Francisco, wo die Journalisten Gary Wolf und Kevin Kelly im Jahr 2007 die Website der Bewegung gründeten. Inzwischen gibt es auf der ganzen Welt Menschen, die Self-Tracking betreiben. Sie vermessen ihren Körper, erfassen zum Beispiel regelmäßig ihr Körpergewicht, ihre Blutzuckerwerte, ihren Puls, ihre Kalorienzufuhr. Manche führen sogar Buch über ihren Stuhlgang und den Grad ihrer Mundfeuchtigkeit. Ganz so weit will ich nicht gehen. Ich möchte herausfinden, ob die Vermessung meines Ichs der Schlüssel zu einem gesünderen, selbstbestimmteren Leben sein kann. Tag 1: Der Anstandswauwau auf meinem Computer Produktivität: 62 Prozent, verbrannte Kalorien: 1.894, zurückgelegte Kilometer: 3,5, Wasserzufuhr: 1,8 Liter Mein Computer hat angefangen, mich zu überwachen. Ein Programm namens Rescue Time erfasst, wie viel Zeit ich mit Surfen verbringe und wie lange ich wirklich an Word-Dokumenten und Mails arbeite. Als ich mit einer Tasse Pfefferminztee aus der Büro-Küche zurückkomme, fragt mich das Programm, wo ich gewesen bin. Ich soll ankreuzen, ob ich in einer Konferenz war oder ein Telefonat geführt habe. Ich gebe sonstige Aktivitäten an und schäme mich dafür, dass ich auf dem Flur noch fast zehn Minuten mit einer Kollegin geschnackt habe. Ich arbeite eine Weile konzentriert vor mich hin, doch der Drang, mich abzulenken, lässt sich nicht einfach abstellen. Ich erlaube mir, einen Blick in die Ebay-Kleinanzeigen zu werfen. Vielleicht finde ich ja genau in diesem Moment ein Peugeot-Rennrad aus den 80ern, von dem ich schon seit Monaten träume. Blöd nur, dass der Anstandswauwau auf meinem Computer alles mitbekommt. Disziplin beruht auf Willenskraft und lässt sich wie ein Tag 5: Die Hosentaschenpolizei 11.550 Schritte, 33 Stockwerke, 7, 7 Kilometer, 2,1 Liter getrunken, 17 Buchseiten gelesen, Stimmung: 7 auf einer Skala von 1 bis 10 Mein neues Leben ist knallhart. Früher hatte ich nur eine leise Ahnung davon, dass es zwischendurch Tage gab, an denen ich mich kaum bewegt und wenig geleistet habe. Jetzt zeigen mir alle möglichen Zahlen und Kurven, was Sache ist. Die App Meal Snap, mit der ich mein Essen fotografiere, beweist mir, wie schlecht ich mich ernähre. Der Tag beginnt mit Nutella-Toast, später esse ich den Kuchen, den jemand mit ins Büro gebracht hat, zum Mittag zwei belegte Brötchen, dann noch mehr Kuchen und Gummitiere und abends einen Burger. Das will ich ändern. Mir geht es dabei nicht so sehr um die Kalorien sondern um ein gesünderes Leben. Ich möchte mehr Obst, Gemüse und Nüsse essen und weniger Fleisch. Außerdem trinke ich zu wenig. Die App AquaPlan soll mich ab jetzt daran erinnern, die Wasserflasche auf meinem Schreibtisch auch wirklich zu leeren. Plötzlich ist es so wie früher, als Eltern einen ermahnt haben, mehr Obst zu essen, nicht so spät schlafen zu gehen und endlich mein Zimmer aufzuräumen. Regelmäßig poppt eine Warnung auf dem Bildschirm meines Handys auf, ich solle jetzt sofort 250 Milliliter Wasser trinken. Ja, das nervt total. Aber es ist hilfreich. Ich fange an, achtsamer mit meinem Körper umzugehen. Jeden Tag kostet es mich mindestens eine Dreiviertelstunde, Zahlen nachzutragen, Programme aufzurufen und Fotos zu machen. Die Zeit, die ich einspare, weil ich effizienter bin, verliere ich durch das Self-Tracking gleich wieder. Verrückt. 22 23

mein Leben ist effizienter geworden. Philipp Kalwies, 31, ein Selbstvermesser aus Hamburg, sagt, dass die Geräte ihm helfen, weil sie unbestechlich sind. Ohne meinen Schrittzähler neige ich zur Nachlässigkeit und nehme wieder den Fahrstuhl, sagt er. Ich weiß, was er meint: Mithilfe der kleinen Aufpasser führe auch ich ein disziplinierteres Leben. Ich trinke täglich knapp zwei Liter Wasser, schäle eine Kiwi, statt in die große Packung mit Schokokeksen zu greifen. Und ich gehe endlich früher schlafen. Doch wirklich gut geht es mir nicht. Es ist, als verfolge mich ein Zahlenmonster. Ständig frage ich mich, ob ich mein Tages-Soll erfüllt habe. Die Folge: Ich bin total angespannt. Die Selbstvermessung soll uns ein besseres Leben bescheren, glauben die Anhänger der Quantified-Self- Bewegung. Und besser bedeutet dabei vor allem eins: glücklicher. Doch langsam habe ich das Gefühl, dass das Self-Tracking bei mir das Gegenteil bewirkt. Was ich auch tue ich denke sofort: Da geht noch mehr. Es ist wie ein Tick. Durch das Self-Tracking wird der Gedanke, immer mehr leisten zu müssen, auf die Spitze getrieben. Die Autorin Juli Zeh kritisiert in einem Artikel im Schweizer Tages-Anzeiger den Trend zur Selbstvermessung, den sie als neue Art der Magersucht bezeichnet. Und warnt: Wir können uns nicht gesundrechnen, sodass am Ende das perfekte Leben herauskommt. Hat sie recht? Tag 9: Tick, Trick und Track 20.934 Schritte, 34 Stockwerke, verbrannte Kalorien: 2.788, 90 Minuten Sport getrieben, 7,58 Stunden geschlafen, 12,21 Euro ausgegeben, Stimmung: 7 Wo landen eigentlich die ganzen Daten, die ich über mich erstelle? Klar ist: Sie werden nicht nur auf meinem Computer gespeichert, sondern auch auf den Servern der Programm- und App-Anbieter. Weil Quantified Self vor allem auch ein Markt ist, interessieren sich auch App-Entwickler, Sportartikelhersteller, die Pharma- und Medizintechnikbranche, Versicherungen, Forschungsunternehmen und der Staat für die Datensätze. Allein in den Vereinigten Staaten sind es inzwischen 35 Millionen Menschen, die mithilfe der neuen Technik am eigenen Ich basteln. Was passiert, wenn meine Krankenkasse Wind davon bekommt, dass es Wochen gibt, in denen ich fast gar keinen Sport treibe und mich nur von Fast Food ernähre? Bereits jetzt zeigen Krankenversicherungen ein großes Interesse an den Self- Trackern, auch in Deutschland. Die AOK Nordost kooperiert als erste deutsche Krankenkasse mit einer Plattform, auf der Nutzer Bewegungsmodus, Ernährung, Schlaf und Stress vermessen und in einen Health-Score umrechnen können. Wird es bald einen Bonus für diejenigen geben, die ein vorbildliches Leben führen? Florian Schumacher, 33, der als Kopf der Quantified- Self-Bewegung in Deutschland gilt, sagt, dass es bei uns Gesetze gibt, die verhindern, dass die Daten in die falschen Hände gelangen. Außerdem gäbe es die Zusicherung der Unternehmen, keine Daten weiterzuverkaufen. Ob man sich darauf wirklich verlassen kann? Hat nicht der NSA-Skandal gerade gezeigt, dass unsere Daten alles andere als sicher sind? Langsam bin ich froh, dass der Selbstversuch bald vorbei ist. Pennen nach Plan: Dank einer App wurde unsere Autorin morgens in einer leichten Schlafphase geweckt. Tag 11 oder: Der Tag danach Schritte: keine Ahnung, geschlafen: etwa 7 Stunden, Tage, die dieser Selbstversuch noch läuft: 0, Stimmung: eine glatte 10 Zuerst fühlt sich die Rückkehr in mein altes Leben seltsam an. Ein wenig, als hätte ich Handy, Portemonnaie und Hausschlüssel zu Hause vergessen. Ich habe alle Apps gelöscht, das Stalking-Programm auf meinem Rechner deinstalliert, den Schrittzähler abgelegt und das Handy aus dem Bett verbannt. Ob ich ab jetzt in alte Gewohnheiten zurückfalle? Vielleicht. Aber ehrlich gesagt ist mir das egal. Früher habe ich schließlich trotz aller Trödelei immer alle Dinge geschafft, die ich mir vorgenommen habe. Und irgendwie habe ich inzwischen Angst vor einem durchgetakteten Bilderbuchleben. Ich fühle mich befreit. Vielleicht bin ich rückschrittlich, weil der Trend so unumgänglich erscheint, dass man sich ihm wahrscheinlich schon bald nicht mehr entziehen kann. Aber solange es noch nicht so weit ist, genieße ich die Zeit, in der ich einfach so vor mich hin leben kann. FOTO: ISTOCKPHOTO Und sie dreht sich doch Die Kassette ist tot, es lebe die Kassette! Der ausgestorben geglaubte Tonträger ist im Jahr seines 50. Geburtstages überraschend munter. Wir spulen zurück und vor. Unser Remix über die Kassette. Von Daniel Ramm Ihr Traum hat zwei Buchstaben: MC. Das Herz der Kölner Musikproduzenten Roland Wilhelm und Sebastian Ingenhoff schlug schon immer für die Musik-Kassette. Als sie nach einem unkomplizierten Weg suchten, Livemitschnitte ihres Electro-Duos Camp Inc. weiterzugeben, fiel ihnen dann auch sofort das Tape ein. Kurzerhand gründeten sie ihr Kassetten-Label Camp Magnetics. Als wir die Idee hatten, haben all unsere Freunde uns für verrückt erklärt, sagt Roland Wilhelm. Wie wollt ihr den Scheiß denn loswerden, haben sie gefragt. Aber dann war die erste Auflage von 50 Kassetten innerhalb von nur einer Woche verkauft. Roland Wilhelm: Damit haben wir selbst nicht gerechnet. Die Kassette ist gar nicht so nischig, wie man denkt. Ist sie nicht? Der Vater der Kassette sieht das anders: Die Musikkassette ist Geschichte, brummt der 87-jährige Lou Ottens, ich mag es, wenn was Neues kommt. Der ehemalige Ingenieur war Leiter der Entwicklungsabteilung des niederländischen Konzernes Philips, als dieser 1963 die Kassette erstmals auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin präsentierte. Die Kassette war eine Sensation! erinnert sich Ottens. Im Vergleich zu den damals verbreiteten Tonbändern waren Kassetten wunderbar klein und handlich. Die Kassette sollte zu einer Revolution im Plastikgehäuse werden. Die bis dato gängigen Tonbänder waren störanfällig, die Aufnahmegeräte riesig, die Technik nicht benutzerfreundlich. Wie anders da die Kassette. Wir wollten einen Tonträger, der billiger und einfacher in der Hand habung sein sollte, sagt Lou Ottens. Und kleiner als eine Zigarettenschachtel, wie es damals in einer Philips-Werbung hieß. Ursprünglich war die Kassette lediglich als Diktierband gedacht. Doch ihre Vorzüge blieben auch der Musikindustrie nicht lange verborgen: Ab 1965 wurden Alben und Singles auch auf MC veröffentlicht. Das in rechteckiges Plastik eingefasste Magnetband überholte in den Folgejahren bei den Verkaufszahlen zeitweise die der Schallplatte. 1979 gingen mehr als 75 Millionen Leerkassetten allein über deutsche Ladentheken. Vor allem der Walkman von Sony, der in jenem Jahr auf den deutschen Markt kam, trug entscheidend dazu bei. Ob im Walkman, im Autokassettendeck oder im Gettoblaster: Mit der Kassette wurde Musik plötzlich mobil. Und Musik wurde basisdemokratisch: Leerkassetten ermöglichten es erstmals einer breiten Masse, Songs aus dem Radio oder vom Plattenspieler aufzunehmen. Das Mixtape war geboren. Das Publikum hat diese Art des Teilens selbst erfunden, kommentiert der amerikanische Musikjournalist Rob Sheffield, Autor des Buches Love is a Mix Tape, im TIME-Magazin. Als Mixtape habe die Kassette das Musikhören grundsätzlich verändert. Es zählte nicht länger, was sich Bands beim Aufnehmen ihrer Alben dachten. Hörer pickten sich ihre Lieblingslieder neu zusammen. Mit dem Mixtape wurde jeder zu einem DJ. Eine Entwicklung, die sich nicht zurückspulen ließ: Auch heute ist jede Playlist nichts anderes als ein Mixtape und wäre ohne Kassette gar nicht denkbar gewesen. Kassetten haben wieder etwas Cooles, denn sie hatten schon immer etwas Praktisches. Die Independent-Szene besinnt sich heute wieder auf diesen einfachen Vertriebsweg jenseits der Musikindustrie. In Berlin bietet das Underground-Label [aufnahme + wiedergabe] Kassetten an oft in Kleinauflagen, von Hand nummeriert. Ebenfalls aus Berlin kommt Greatberry Tapes. Die Macher des Labels brachten unter anderem eine Wiederauflage des Jeans-Team-Albums Kopf auf heraus. Wir haben das Album nun auf unser Lieblingsmedium, die Kassette, überspielt, heißt es auf der Homepage. Auf der Internetseite Bandcamp, über die Bands ihre Musik direkt vertreiben können, finden sich mittlerweile wieder mehr als 1.500 Veröffentlichungen auf Kassette. Auch bekannte Bands wie The Flaming Lips oder Primal Scream werden derzeit nicht müde, vom warmen, fetten Sound der Kassette zu schwärmen. Im Frühjahr brachten das amerikanische Folk-Duo She & Him und die Electro-Popper MGMT ihre Musik auch auf Tape heraus. Die Liebe der Musikwelt zur Kassette ist neu entflammt. Sie wird sogar derart verehrt, dass sie ihren eigenen Feiertag bekommt: Im September wurde erstmals der internationale Cassette- Store-Day begangen. Musikläden zwischen Portland und Berlin-Neukölln feierten nach Vorbild des 2007 ins Leben gerufenen Record-Store-Days die Kassetten-Kultur mit Konzerten, DJ-Sets, aber vor allem mit Sonderveröffentlichungen. Mehr als 50 Indie-Größen wie Deerhunter und Animal Collective steuerten Singles bei, die nur an diesem einen Tag und nur in ausgewiesenen unabhängigen Plattenläden zu kaufen waren: auf Kassette. Auf der Website des Cassette-Store-Days nennt der britische Musiker Bobby Gillespie den Grund, warum man den Tonträger feiern sollte: Musik klingt auf Kassetten großartig. Und sogar ein eigener Film über die Kassette wird 2014 in die Kinos kommen, gedreht von den New Yorkern Zack Taylor und Seth Smoot. Die beiden versuchten über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter, Geld für ihren Film zu sammeln. Die Resonanz war verblüffend: Für Cassette kamen 25.000 Dollar zusammen. Taylor und Smoot betonen, es werde keine Geschichte über den Niedergang, sondern über die Langlebigkeit werden. Klar, ein bisschen Nostalgie ist mit dabei, sagt Roland Wilhelm von Camp Magnetics. Die Leute, die Kassetten hören wollen, die haben auch noch einen Kassettenrekorder. Alle anderen müssen sich eben einen kaufen. Lou Ottens wird das wohl nicht mehr tun. Der Vater der Kassette hört nur noch CD. Das mag aber auch daran liegen, dass er die ebenfalls erfunden hat. 24 25

Neunzehn Jahre alt, Unternehmensberater, Buchautor, Internet-Guru: Ein Nachmittag mit Philipp Riederle inklusive Blick in die Zukunft und Crashkurs fürs Smartphone. Text: Daniel Haas Illustrationen: André Gottschalk Konsumieren? Ja, ist ein Problem, sagt er und nippt am Mineralwasser. Er schaut voller Mitgefühl, als müsse er gleich einem Kranken sagen, dass die neue Therapie nicht angeschlagen hat. Facebook zum Beispiel, das macht immer weniger Spaß. Wir wollen uns nicht auf einer Pinnwand verewigen, die mit Werbebotschaften vollgekleistert ist. Die Leute erkennen eben, dass es keinen Sinn ergibt, das ganze Leben zu veröffentlichen. Wir kommunizieren heute selektiv. Das heißt? Austausch über WhatsApp-Gruppen. Die Kommunikation verlagert sich in geschlossene, geschützte Räume. Riederle hatte schon als Kind einen Blog auf Youtube, Ich und mein iphone. Da erklärt er der Welt, wie ein Smartphone funktioniert. Das muss 2008 gewesen sein, sagt er nachdenklich, zuletzt hat man diesen Tonfall bei Kriegsveteranen gehört. Es gab damals ja kaum Informationen zu dieser neuen Technologie. Ob man tausend Leuten und mehr gesprochen, heute Nachmittag zum Beispiel: Podiumsdiskussion vor den Kunden einer großen Branding-Agentur. Also, haben die das auch, dieses Aha-Gefühl, dass eigentlich alles ganz einfach ist in der schönen neuen Welt des Digitalen, wenn man nur den richtigen Scout hat? Bedürfnisse wecken, das geht bei meiner Generation nicht mehr so schnell. Man kann heute nicht mehr marktschreierisch irgendwelchen Mist mit Hochglanzbroschüren losschlagen. Das tut jetzt gut, man selbst hat ja schon seit Jahren keine Postwurfsendung mehr angeschaut. Die Zielgruppe ist aufgeklärt wie nie zuvor. Eine große Einzelhandelskette für Elektronik beklagte sich bei mir: Zu uns kommt keiner mehr ins Geschäft. Und während man sich noch fragt, welcher Laden das wohl sein könnte Saturn vielleicht, wo man neulich wieder eine halbe Stunde auf einen Mitarbeiter gewartet hat, der einem zeigt, wie man die Munddusche in Betrieb nimmt, sagt er: Warum auch, wenn ich mehr weiß als der Verkäufer vor Ort? Ja, warum auch sich herumschlagen mit nervigen Angestellten und ihrem nutzlosen Viertelwissen, wenn im Internet alles zu haben ist: Information, Know-how, Innovation. Die Unternehmen müssen der smarten, sprunghaften Klientel etwas Neues bieten. Riederle hat das in seinem Buch ausgiebig dargestellt. Wer wir sind und was wir wollen heißt das Werk, es ist in ranschmeißerisch-kessem Ton geschrieben. Aber im Gespräch ist er besonnen, präzise, und jetzt, da wir zu den entscheidenden Punkten kommen, spricht er noch schneller. Die Hände flattern durch die Luft, als seien es die Vögel von Twitter. Wir achten zum Beispiel auf Ökologie, auf Nachhaltigkeit. Wenn Unternehmen diese Aspekte berücksichtigen, muss die Markenkommunikation anders aussehen. Nach draußen schreien Wir sind die Besten und Billigsten!, aber im Endeffekt unterscheidet sich das Produkt nicht von dem anderer Anbieter: Das ist passé. Und was funktioniert dann? Bekannt werden ohne klassisches Marketing, sagt er und pflückt ein Kekschen vom Silberteller. Hmmm!, macht er ernsthaft überrascht. Old-School-Kekse! Sein Blick hat den Like-Button gedrückt. Heute haben auch die Kleinen eine Chance. Im Netz können sie durch Empfehlungen und Blogs ein Millionenpublikum erreichen. Was wohl die Manager nachher sagen werden über solche Ideen, die das alte Sender- Empfänger-Modell um einen riskanten Punkt erweitern: Aus den Empfängern, den Kunden, werden wiederum Sender. Das heißt: Kommentatoren, Kritiker, Bewerter. Leute wie Riederle, die mit achtzehn ein Buch schreiben, einen Terminkalender haben, der voll ist bis Mitte 2014, und trotzdem keinen Prestigejob wollen, selbst wenn er ein schickes Büro bedeutet und ein 13. Monatsgehalt. Das ist das zweite große Problem, das viele Firmen heute umtreibt: Die Generation Y will sich nicht anstellen lassen. Auch hierfür brauchen sie einen wie Riederle; er muss ihnen sagen, wie sie die guten Uni-Abgänger, die Internet-Tüftler und Start-up-Genies an sich binden können, und das nicht nur für ein halbes Jahr. Mehr als siebzig Prozent der Arbeitnehmer über vierzig bezeichnen ihr Gehalt als Schmerzensgeld, sagt er mit Grabesmiene. Aber ist ja auch zweite Nachkriegsgeneration. Die sind froh, dass sie Arbeit haben. Seine Generation brauche das nicht mehr: den Dienstwagen (generell ist der Führerschein out, wie Riederle schreibt), die Hierarchien, das Weihnachtsgeld. Die klassischen Konzernstrukturen sind veraltet. Du musst zwischen zehn und vier Uhr da sein auch, wenn du in dieser Zeit am unproduktivsten bist. Er klingt jetzt ein bisschen pampig, als habe man ihm eine Stelle als Sachbearbeiter in einer Krankenkasse angeboten. Und danach wird der Mailserver ausgeschaltet, damit du, falls du doch noch Ideen hast, sie nicht verbreiten kannst. Was ist Ihnen dann wichtig, Herr Riederle? Klingt jetzt vielleicht kitschig, sagt er. Aber das Wort ist Purpose. Purpose? Englisch für Sinn, Anliegen, Engagement? Genau. Wir wollen Ideen umsetzen können, ohne dass sie im Kleinklein der Strukturen untergehen. Er selbst bekommt viele Angebote, Jobs mit Perspektive und Festvertrag. Aber Personalchef für die nächsten zwanzig Jahre? Auf keinen Fall. Da fehlt der Purpose, ja? Er schaut freundlich, offen, die Ironie der Frage ignoriert er wie ein lästiges Werbebanner. Wissen Sie, ein Job muss die Augen zum Leuchten bringen. So einfach ist das. Hatten seine Augen während des Gespräches geleuchtet? Auf jeden Fall. Wenn Philipp Riederle seinen Kunden erklärt, wie sie aussieht, ihre Traum-Zielgruppe die coolen, medienbewussten Kids zwischen vierzehn und achtzehn, dann beschreibt er vermutlich sich selbst: Chinos, schmal geschnittenes Hemd, Raulederboots, verstrubbelter Seitenscheitel. Eine Mischung aus dem jungen Johnny Depp und Kai Pflaume. Im Gepäck: iphone und MacBook. So kommt er in die Tee- Lounge des Vier Jahreszeiten in Hamburg. Fünf-Sterne-Hotel, antikes Mobiliar, die Kellner tragen Livree. Philipp Riederle ist zwar erst neunzehn, hat aber schon Karriere gemacht als Unternehmensberater. Zu seinen Kunden gehören Audi und Daimler, die Telekom und die Deutsche Bank. Sie alle wollen von ihm wissen: Wie tickt die sogenannte Generation Y, die Digital Natives, also diejenigen, die ihr erstes Handy nicht mit zwanzig kaufen, sondern mit sechs von den Eltern zur Einschulung bekommen. Die auf Facebook und Twitter zu Hause sind und Apps sammeln wie Kinder früher Abziehbildchen? Und die, als Zielgruppe betrachtet, über Geld verfügen, aber auch über genügend Eigensinn, um unter dem Radar der Werbung wegzutauchen? Wie kriegt man die verdammt noch mal zum ihn fragen kann, wie man die Lautstärke des Aufnahmegerätes im iphone einstellt? Er spricht ja so schnell, in der Hotellobby ist es laut, hoffentlich kriegt das Telefon alles mit. Wo stellt man eigentlich die Aufnahmelautstärke ein? Ein sehr ernster Blick aus sehr dunklen Augen. Das geht nicht. Griff in die Haare, die Tolle wird dekorativ nachjustiert. Das Gerät nimmt das automatisch vor. Das Gerät nimmt das automatisch vor? Aha. Fühlen sich so die Anzugträger, die ihn für Vorträge buchen? Er hat vor 28

DI E ERST E LEG O W I SSENS CHA F T LERIN CASPER (31), RAPPER, ÜBER SEINEN ERFOLG Seien wir ehrlich, die Zahlen sind mies: Nur jeder fünfte Job in den MINT-Berufen wird von einer Frau erledigt. Zwar steigt die Zahl, aber nur langsam. Vielleicht macht es da wirklich Sinn, im Kinderzimmer anzufangen mit den Geschlechtervorbildern für die Jobs von morgen. LEGO hat jetzt die erste Wissenschaftlerin-Spielfigur in sein Sortiment aufgenommen. Professor C. Bodin, so ihr Name, ist Teil der neuen Minifigures-Serie. Sie trägt einen weißen Kittel, hat zwei Erlenmeyerkolben in den Händen und laut LEGO eine ziemlich beachtliche Karriere vorzuweisen: Die geniale Wissenschaftlerin sucht immer nach neuen und interessanten Möglichkeiten, Dinge miteinander zu kombinieren, heißt es in ihrer Biografie. Dank ihrer unermüdlichen Forschung konnte bereits vielen Minifiguren geholfen werden, die ihre Beine verlegt hatten wahlweise mit Fischflossen, Schlangenteilen oder Roboterbeinen. Viele begehrte Preise habe sie für ihre Arbeit bereits erhalten. Bleibt zu hoffen, dass es auch in der realen MINT-Branche bald mehr Professor C. Bodins gibt. BEWERBUNGSCOACH Ich kann zwischen zwei Praktikumsplätzen wählen, habe aber in den Semesterferien nur für eines Zeit. Wohin sollte ich gehen zu einer mittelständischen Firma, bei der ich schnell eigene Aufgaben bekomme, oder in ein großes Unternehmen, bei dem ich schon ein Assessment-Center gemacht habe, um das Praktikum zu bekommen? FOTOS: PLAINPICTURE, PRIVAT, PR; ILLUSTRATION: VOLKMAR KURKHAUS Man lernt, damit umzugehen, so pubertär das auch klingt. Aber es ist auch ein bisschen wie eine Pubertät gewesen. Nur ohne Pickel und ungeplante Erektion. 30 Bei dieser Frage geht es erst mal darum, wofür Sie das Praktikum machen: Wollen Sie danach Mitarbeiter in einer globalen Firma werden, weil Sie dann zum Beispiel als mittlere Führungskraft einen Bereich verantworten? Oder wollen Sie im Praktikum Ihre Fähigkeiten testen und einbringen? Ist Ihnen beruflicher Status wichtig, oder sind Sie eher ein vielseitiger Macher? In den Machtstrukturen der Großen herrscht naturgemäß mehr Konkurrenz. Das beginnt schon bei der Bewerbung. Die überwiegend flachen Hierarchien im Mittelstand setzen auf Kooperation. Sehen Sie sich in einigen Jahren vielleicht selbst als Chef eines mittleren Unternehmens? In Deutschland sind vier von fünf Jobs in mittelständischen Unternehmen, und viele dieser Firmen suchen Nachfolger für wichtige Bereiche. Hier bekommen Sie schnell Verantwortung übertragen und IST HIER JEMAND ARZT? Man nennt sie nicht umsonst Engel in Weiß: Denn das Image von Ärzten ist in Deutschland besser als das jedes anderen Berufes. Das ergab die repräsentative Allensbacher Berufsprestige-Skala 2013. Seit Jahrzehnten erfragt das Meinungsforschungsinstitut re gel mäßig das Ansehen bestimmter Berufe in der Bevölkerung. Befragt wurden dieses Mal 1.570 Personen ab 16 Jahren. Aus einer Liste von 18 Berufen sollten sie die fünf von ihnen am meisten geschätzten auswählen. Mit 76 Prozent liegen Ärzte wie schon im Vorjahr unangefochten an der Spitze. Darauf folgen Krankenschwestern (63 Prozent) und Polizisten (49 Prozent). Geistliche erhielten 29 Prozent der Stimmen, Hochschulprofessoren 26 Prozent. Für Politiker stimmten nur sechs Prozent der Befragten. Schlechter schnitten nur Fernsehmoderatoren und Bankangestellte ab (je drei Prozent). 31 die Gelegenheit, in Aufgaben hineinzuwachsen. Klangvolle Namen der Global Player sind nicht alles. Was, wenn Sie im Prak tikum nur am Kopierer stehen und in Überstunden die Computertechnik warten? Wenn jedoch klar ist, dass das Großunternehmen tatsächlich Interesse an Ihren Fähigkeiten und zukünftigen Einsatzmöglichkeiten zeigt und Sie eine realistische Chance auf ein Arbeitsangebot haben, dann spricht auch hier alles für ein Praktikum. Und natürlich gilt immer: Wer in einem mittleren Unternehmen Fach- und Sozialkompetenz entwickelt hat, wird auch für die Großen interessanter. MARTINA REHBERG-RECHTENBACH ist Bewerbungscoach mit dem Schwerpunkt Akademikerberatung. In jeder Ausgabe klärt sie eine der vielen Fragen auf dem Weg zwischen Annonce und Vorstellungsgespräch.

shoemates Business Leinenschuhe verkaufen und dabei mit jedem verkauften Paar automatisch einem Kind in Afghanistan ein Paar Schuhe spenden Gründer Obaid Rahimi (26, Foto links), Julia Jockwer (26) und Marc Langener (27). Die beiden Erstgenannten schreiben an ihrer BWL-Masterarbeit an der Uni Passau, Marc ist bereits fertig und arbeitet Meine kleine Firma Diese Geschichte handelt von Bierfässern, Bambusrädern, Schuhen für Afghanistan und einem Übersetzer-Netzwerk mit Blaulicht. Aber vor allem: von Studenten, die sich während der Uni-Zeit mit einer Idee selbständig gemacht haben. Vier Erfolgsstorys. TEXT: STEPHAN KNIEPS; FOTOS: DOMINIK GIGLER, OLIVER KRÖNING, CHRISTIAN KERBER FOTO: DOMINIK GIGLER An einem Sommermorgen recherchiert der BWL-Student Obaid Rahimi, 26, in der Passauer Uni-Bibliothek für seine Masterarbeit, als ihn plötzlich das Zollamt Leipzig anruft: Man habe hier 100 Paar Schuhe aus China für ihn, wo denn die Zollnummer für die Lieferung sei. Für Rahimi und seine beiden Kommilitonen Julia Jock wer und Marc Langener gehören solche Fragen in diesem Sommer zum Business. Zwischen Masterarbeit und Klausuren bauen sie gemeinsam shoemates auf: einen Online-Shop für Espadrilles, dessen Besonderheit in der sozialen Komponente liegt. Denn pro verkauftem Paar Leinenschuhe geht automatisch ein Paar solider Lederschuhe als Spende an ein Schulkind in Afghanistan. Get one, give one nennen sie dieses Prinzip. Die fehlende Zollnummer für die erste Fuhre konnte Rahimi im Sommer leicht nachreichen. Und auch sonst entwickelte sich das Unternehmen prächtig. Mitgründerin Jockwer, 26, und Rahimi sitzen in der Mensa der Uni Passau und strahlen die ganze Zeit, als sie die Gründungsgeschichte von shoemates erzählen. Und die hängt eng mit ihrem ersten Projekt headmates zusammen: Innerhalb einer Hochschulgruppe für Entrepreneurship entwickeln die drei mit anderen Kommilitonen ein soziales Unternehmen, in dem Rentnerinnen der Region in Handarbeit Strickmützen herstellen, wodurch sie mehr soziale Kontakte erhalten. Das kam gut an den Winter über. Nur dann haben wir uns gefragt: Was machen wir im Sommer?, erzählt Rahimi. Der Kern des Strickmützen-Teams bleibt zusammen. Sie einigen sich auf die argentinischen Nationalschuhe Alpargatas, auch Espadrilles genannt. Einfach in der Herstellung, kein Marktwechsel und, o.k., sie liegen natürlich auch voll im Trend, gibt Jock wer zu. Kein unwichtiges Kriterium. Hergestellt werden die Schuhe im Süden Chinas. Die IHK Niederbayern in Passau empfahl den Studenten einen Schuhhersteller vor Ort mit hohen Produktionsstandards. Jock wer, Rahimi und Langener führen eine kleine Marktanalyse in ihrem Freundeskreis durch: Welche Farben findet ihr schön? Welche Größen habt ihr? Dann bestellen sie 100 Paar. Bleibt die Frage: Wie kommen die Spendenschuhe nach Afghanistan? Hier kommen Rahimi seine Wurzeln zu Hilfe: Die ersten fünf Jahre seines Lebens verbrachte er in Kabul, sein Onkel ist der Leiter der staatlichen Menschenrechtsorganisation in der westafghanischen Provinz Herat. Über ihn kontaktieren sie einen afghanischen Schuhhersteller, der über die Bedürfnisse vor Ort Bescheid weiß. Wenn wir in Afghanistan einfach nur Schuhe spenden, stellen wir eine Konkurrenz zu den lokalen Schuhproduzenten vor Ort dar, da diese weniger Aufträge erhalten, erklärt Rahimi. Genau dies aber wollen sie vermeiden, indem wir einen Schuhproduzenten in Afghanistan gesucht haben, der für uns die Schuhe produziert, die anschließend auch dort gespendet werden. So werde die Wirtschaft im Land gestärkt. Mit ihrer Idee gewinnen die Studenten den ersten Preis eines Gründerwettbewerbes. Anschließend steigt die Nachfrage. Studenten melden sich über Facebook, in der Uni verkaufen sie die ersten Schuhe; selbst der Uni-Präsident kauft ein Paar. Schnell merken sie, dass sie Unterstützung brauchen, und profitieren wiederum von einem Kontakt aus ihrer Zeit als Wollmützen-Verkäufer: Verpackung und Versand der Schuhe übernimmt fortan die Donauwerker GmbH, bei der psychisch kranke Menschen arbeiten. Und das Studium? Jockwer und Rahimi grinsen sich an. Zum Glück haben wir keine Anwesenheitspflicht mehr, sagt sie vorsichtig. Manchmal habe sie sich schon die Frage gestellt: Warum halse ich mir denn noch zusätzlich Stress auf? Die Arbeit an shoemates behindert natürlich ein wenig den Lernfluss in der Klausurphase. Rahimi und Langener, erzählt sie, hätten in der Anfangsphase in den Vorlesungen gesessen und ständig aufs Handy geguckt, ob schon wieder neue Aufträge reingekommen sind. Langener hat mittlerweile seinen Abschluss und schon einen Vollzeitjob, nach Feierabend und am Wochenende arbeitet er aber per Dropbox und Skype weiterhin am gemeinsamen Projekt. Drei bis sieben Stunden täglich, schätzt Rahimi, investiere er in shoemates: Aber die Erfolgsmomente geben einem so viel. Die Arbeit haben sie sich inzwischen aufgeteilt: Jockwer ist für das Marketing verantwortlich, schreibt die Texte für die Homepage, arrangiert Fotoshootings; Rahimi und Langener regeln Buchhaltung, Budgets und Bestellungen. Dort haben sie gerade viel zu tun: Für 2014, sagt Rahimi, sieht ihr Jahresplan 10.000 verkaufte Paar Schuhe vor. 32 33

lengoo FOTO: OLIVER KRÖNING Business Übersetzung mittels Studenten Gründer Philipp Koch-Büttner (26, 2. v. l.) und Christopher Kränzler (24, r.), seit Frühjahr dabei: Julius Parrisius (28, l.) und Alexander Gigga (26, 2. v. r.), Studenten am Karlsruher Institut für Technologie In einer alten Schweinemarkthalle im Osten von Karlsruhe trägt der Wirtschaftsingenieurstudent Christopher Kränzler, 24, einen Kasten Club Mate in einen angerosteten Seefrachtcontainer. Der Container ist sein Büro. Der alte Schlachthof ist der sogenannte Kreativpark von Karlsruhe. Hier sollen sich besonders innovative Firmen niederlassen, und die Stadt hielt es für eine originelle Idee, ausrangierte Container übereinanderzustapeln und zu vermieten. Einen Container hat die Firma lengoo gemietet: ein Übersetzungsdienstleister, von Karlsruher Studenten gegründet, der internationale Studenten in ihre Muttersprache übersetzen lässt. Neben Kränzler sitzen hier Mitgründer Philipp Koch-Büttner, 26, sowie die im Frühjahr hinzugekommenen Julius Parrisius, 28, und Alexander Gigga, 26. Auf Giggas Schreibtisch steht ein Blaulicht, wie man es von Polizeiautos kennt. Das leuchtet bei uns immer, wenn wir einen neuen Kunden haben, erklärt Parrisius. Der Container hat in letzter Zeit häufig blau geleuchtet. Dabei hatte alles sehr unscheinbar mit einem Studentenjob für Kränzler angefangen, der wegen eines USA-Aufenthaltes sehr gut Englisch spricht. Nach einem Praktikum bei einer IT-Unternehmensberatung in Frankfurt wird ihm im Dezember 2011 angeboten, IT-Konzepte ins Englische zu übersetzen. Da haben wir gedacht: Das können wir denen doch generell abnehmen, sagt 2 Koch-Büttner. Das KIT (Karlsruher Institut für Technologie) hat eine sehr technische und naturwissenschaftliche Ausrichtung. Deshalb, erklärt er, ziehe es viele Studenten aus den USA, Lateinamerika und Asien nach Karlsruhe. Koch-Büttner und Kränzler sehen darin großes Potenzial: ein Sprachen- und ein Fachwissen-Reservoir. Wie wäre es, wenn wir die als Übersetzer beschäftigen? Sie haben Glück: Ihre Idee, ein Unternehmen zu gründen, kommt zur rechten Zeit. Zwei KITler haben 2008 das Center für Innovation und Entrepreneurship (CIE) gegründet, dort holen sich Koch-Büttner und Kränzler Beratung für ihre geplante Existenzgründung. Im März 2012 wird lengoo gegründet. Über schwarze Bretter der umliegenden Unis suchen sie Studenten, die übersetzen wollen. Wir haben einen Aushang gemacht und hatten am nächsten Tag 20 Bewerbungen auf dem Tisch, erzählt Koch-Büttner. Die Kandidaten sortieren sie nach Sprachkombination und Studienfachrichtung und legen eine Kartei an. Diese umfasst inzwischen etwa 160 Studenten. Anfangs übersetzt lengoo nur Hotel-Homepages, doch schnell kommen kleine und mittelständische Unternehmen hinzu vorwiegend aus technischen Bereichen wie Maschinenbau oder auch IT- und Softwaredienstleister. Die Studenten übersetzen Handbücher und Bedienungsanleitungen. Rumänisch, Japanisch, sogar Burmesisch ist im Angebot; die deutsche Flugsicherung wird ebenso Kunde wie die Uniklinik Frankfurt. Zwischendurch schreiben die beiden Gründer Klausuren, halten Referate. Wir haben uns wöchentlich abgewechselt, sagt Kränzler, dessen Küchentisch zu der Zeit noch die Geschäftsstelle ist. Im Februar kommt es dann aber zum Zusammenprall von Studium und Firma: Mitten in der Klausurphase erhält Koch-Büttner einen Anruf von einem Übersetzer. Der sollte bis zum nächsten Tag Bauingenieursdokumente ins Türkische übersetzen doch plötzlich sagt er ab. Da mussten wir uns entscheiden, sagt Koch-Büttner: Lernen, schlafen und die Klausur schaffen oder den Auftrag retten. Sie telefonieren sich durch ihre Kontakte und schaffen den Auftrag. Und die Klausur war dann auch gar nicht sooo schlecht, erinnert sich Kränzler. Das Team lernt daraus, sie holen sich Verstärkung. Die beiden Gründer nehmen ab April ein Urlaubssemester. Ob sie ins Studium zurückkehren, ist unklar. Bei einem Thema aber herrscht Gewissheit unter den vieren: Das Studium, ist Kränzler überzeugt, ist der beste Zeitpunkt, ein Unternehmen zu gründen. 34

Braufässchen Business Bier-Sets zum Selbstbrauen verschicken Gründer Dominik Guber (25, oben), Wolfgang Westermeier (27, Mitte) und Ping Lu (25, unten), Studenten an der TU München FOTO: DOMINIK GIGLER 4Als sie endlich zum ersten Mal auf ihren selbst gebauten Fahrrädern saßen Anfang Juni im schleswig-holsteinischen Fockbek, da waren Maximilian Schay, 22, und Jonas Stolzke, 21, überrascht, dass man damit tatsächlich fahren kann. Es war einfach superschön zu sehen, dass es wirklich funktioniert, erinnert sich Stolzke. Schließlich hatten wir ein halbes Jahr auf diesen Moment hingearbeitet, sagt Schay. Es sind besondere Fahrräder, die die beiden Kieler BWL-Studenten an jenem Tag Probe fahren: Die Rahmen bestehen aus ghanaischen Bambusrohren, miteinander verbunden durch Hanfseile. Das macht sie leichter als andere Räder. Es sind die Prototypen ihrer Geschäftsidee. Aber wie kommt ghanaischer Bambus nach Norddeutschland? Die Studenten sitzen im Kieler Wissenschaftszentrum, wo sie inzwischen ein Büro haben. Im vergangenen Jahr verbrachten sie hier mehr Zeit als in ihren Hörsälen. Im Spätsommer 2012 erzählt Schay ein Freund von seinem FSJ in der ghanaischen Stadt Kumasi, wo die Leute auf Bambusrädern zur Arbeit fahren. Schay berichtet seinem Kommilitonen Stolzke von der Idee, Bambusräder in Deutschland zu verkaufen. Bei der Suche nach einem Bambusproduzenten wird ihnen schnell klar, dass wir das mit einem sozialen Projekt verbinden möchten, wie Schay sagt. Sie entscheiden sich für Ghana und das dort ansässige Yonso-Projekt. Dieses sichert pro verkauftem Bambusrahmen einem Schulkind ein einjähriges Stipendium. Die beiden Studenten überzeugen einen befreundeten Investor, ihr Projekt zu unterstützen, und bestellen neun Fahrradrahmen aus Ghana. Doch als die erste Lieferung ankommt, weicht die Begeisterung schnell der Enttäuschung: Die Rahmen waren schief, erinnert sich Stolzke, da konnte man keine zwei Reifen dran befestigen. Die Yonso-Bewohner arbeiten unter sehr einfachen Bedingungen, wenn das Fahrrad halbwegs fährt, sind dort alle zufrieden, sagt Schay. Auf dem deutschen Markt aber sind die Rahmen nicht zu verkaufen. Das Projekt steht auf der Kippe. Sie holen sich Unterstützung von einem Fahrradzulieferer, ihr Investor vermittelt ihnen den Kontakt zu technischen Zeichnern. Gemeinsam entwerfen sie eine Metallschiene für das Rahmengestell, mit deren Hilfe die Bambusrohre genormt werden sollen. Die Metallschiene markiert den Wendepunkt. Anfang Mai fliegen sie nach Ghana, bauen die Fahrradrahmen gemeinsam mit den Bewohnern Yonsos nach ihren Vorstellungen. Auch ein Name ist schnell gefunden: my Boo, wie sie ihre Fahrräder nennen, mein Liebling. Sattel, Reifen und Pedale kommen vom Zulieferer aus Fockbek. Im Oktober fliegen sie noch einmal nach Yonso. Sie bringen fünf neue Metallrahmenschienen. Denn inzwischen gibt es viele Anfragen: Nach einem Beitrag über my Boo im RTL Nachtjournal sei ihre Website zusammengebrochen, erzählt Stolzke. Und das bei einem Stückpreis von fast 2.000 Euro. Doch der Erfolg des Unternehmens hat für die Studenten seinen Preis. Im letzten Semester, sagt Stolzke, haben wir nur die Hälfte der Klausuren geschrieben. Inzwischen, so Schay, könne man eben nicht mehr sagen: Ich gehe heute mal nicht ins Büro. Einfach wieder nur zu studieren, ohne nebenbei Unternehmer zu sein, das können sich beide aber nicht mehr vorstellen. In einem Jahr mit my Boo hätten sie schließlich mehr gelernt als in zwei Jahren Studium. Ich frage mich manchmal, sagt Schay, was die Leute machen, die nur studieren. my Boo Business Fahrräder mit Bambusrahmen verkaufen und dabei ein soziales Projekt in Ghana unterstützen Gründer Jonas Stolzke (21, l.) und Maximilian Schay (22, r.), BWL-Studenten an der Uni Kiel FOTO: CHRISTIAN KERBER Vor den Türen der Braufässchen-Zentrale stinkt es nach Kuhmist. Landluft, sagt Dominik Guber, 25, und bittet in sein Büro in Giggenhausen. Hier soll ein aufstrebendes Internet-Start-up sitzen? Die nächste S-Bahn-Haltestelle ist zehn Autominuten entfernt, von dort dauert es noch einmal 35 Minuten bis nach München. Die Mietpreise und die Nähe zu unseren Uni-Fakultäten waren ausschlaggebend, erklärt Guber, und wenn man mit ihm die 120 Quadratmeter große Halle betritt, ahnt man, warum das Start-up Braufässchen Platz braucht: Auf Holzpaletten stapeln sich Hunderte 5-Liter-Fässchen. In einer gekachelten Ecke gibt es ein Labor mit Gläsern, Fläschchen, Kühlschränken, in einer anderen Ecke stehen Laptops, Regale, haufenweise Pappkartons und ein Kickertisch. Von hier aus wollen die drei Braufässchen-Betreiber neben Guber sind das Wolfgang Westermeier, 27, und Ping Lu, 25 den deutschen Biermarkt revolutionieren. Die drei kennen sich aus einem Gründer-Programm der TU München: Studenten aus unterschiedlichen Fachbereichen werden hierbei drei Semester lang, parallel zum Studium, auf eine Unternehmensgründung vorbereitet. Gegen Ende des Programms, im Oktober 2011, brauchen sie eine unternehmerische Idee. Bei ein paar Bier sprechen sie über die Biervielfalt in anderen Ländern: etwa in Belgien oder in den USA, wo es Himbeer-, Honig- oder Kürbisbier gibt. Das gefällt ihnen. Die Innovationen werden in Deutschland aber durch das Reinheitsgebot eingeschränkt, sagt Westermeier. Das Gebot verbietet Zusatzstoffe. Deshalb gibt es hier lediglich Biermischgetränke. Die Studenten aber entdecken eine Lücke: Die Regel gilt nicht für Bier, das man zu Hause braut. Die Idee ist geboren: Wir mussten es schaffen, den Leuten die Möglichkeit zu geben, ihr eigenes Bier selbst zu brauen, erinnert sich Westermeier. Dann dürfen sie sich reinmischen, was sie wollen. Die drei entwickeln ein Bierbrau-Set, ein 5-Liter-Fässchen, mit 3 Aromen kombinierbar und mit dem Anspruch, dass jeder Laie daraus innerhalb von sieben Tagen ein trinkfertiges Bier brauen kann. Sechs Monate dauert die Entwicklung. Anfangs sind noch zwei Brau- und Getränketechnologen dabei, aber auch der Bio- und Agrarwissenschaftsstudent Westermeier steuert sein Uni- Wissen bei. Ansonsten aber leidet die akademische Karriere: Ich bin ab dem 6. Semester gar nicht mehr zu Vorlesungen gegangen, sagt Guber. Für seinen Maschinenbau-Bachelor hat er nun acht Semester gebraucht. Auch Westermeier zeigt weniger Präsenz in der Uni, bemerkt aber noch etwas anderes: Ich habe mir die Vorlesungen danach ausgesucht, ob sie mich und meine Firma weiterbringen könnten. Die hätte ich sonst nicht gewählt. Die meiste Zeit verbringen sie in einer WG-Küche, um die richtige Mischung für ihr Bier zu finden. Im Frühjahr 2012 haben sie sie gefunden und können zwei private Investoren von ihrer Idee überzeugen. Mathematikstudent Lu stößt zum Team dazu, er baut die Homepage mitsamt der Konfigurations- und Vertriebsautomatik. Es folgt, was Guber die Red-Bull-intensive Phase nennt: Innerhalb weniger Wochen ziehen sie in die Giggenhausener Halle, bestellen Fässchen, Aromastoffe, Malz, Hopfen, Hefe. Mittlerweile haben sie 800 bis 900 Bestellungen pro Monat, ein Fässchen kostet knapp 30 Euro. Westermeier tüftelt ständig an neuen Aromen, aktuell haben sie 15 verschiedene; unter anderem Bourbon, Mango und Passionsfrucht. Im Oktober hat Guber, zuständig für Finanzen, seinen Mitarbeitern das erste Mal ein kleines Gehalt überwiesen. Ihre Master-Abschlüsse wollen Lu und Guber noch machen aber weder will Lu danach als Mathematiker arbeiten noch Guber als Ingenieur. Meine größte Erkenntnis des Studiums ist wohl, sagt Guber, dass ich nicht mehr als Angestellter arbeiten möchte. Ich war noch nie so motiviert wie in meiner eigenen Firma. 36

DIE HIER SIND DIE ZUKUNFT TEXT: ALEXANDRA ROJKOV, FOTOS: DOMINIK ASBACH RUND 2.200 STUDENTEN ARBEITEN NEBENHER ALS UNTERNEH- MENSBERATER. WIR HABEN DREI VON IHNEN GETROFFEN. FOTO: AVENUE IMAGES Sonntag, 8.26 Uhr: Die Arbeit beginnt. Moritz Möhrke schreibt die erste E-Mail an seine Mitarbeiter: Guten Morgen. Anbei sende ich euch einen Rohentwurf der Angebotspräsentation. Keine zwei Stunden später antwortet Jan-Hendrik Wolke. Er werde schnellstmöglich sein bestes Ergebnis abliefern. Für Manager mögen solche Konversationen am Wochenende nicht ungewöhnlich sein. Doch Möhrke und Wolke sind Studenten. Dass die beiden zu einer Unzeit Mails beantworten, liegt an ihrem Nebenjob: Sie sind Unternehmensberater. Möhrke und Wolke arbeiten bei move e. V., einer studentischen Unternehmensberatung in Münster. Eine Woche zuvor: Die Projektgruppe trifft sich in einem Raum unter dem Dach der Uni Münster. Die Tische sind zusammengeschoben, darauf stehen Apfelsaft und Kekse. Futter für die Nerven. Heute sind sie zu dritt: Moritz Möhrke, 26 Jahre alt, Jan-Hendrik Wolke, 24. Und Ronja Nadirk, 25 Jahre alt. Es ist Nachmittag, sie haben schon Vorlesungen hinter sich. Trotzdem müssen sie sich jetzt noch einmal sammeln. Die Stimmung ist konzentriert, aber entspannt. Nadirk knabbert Kekse, während Möhrke mit durchgestrecktem Rücken erklärt, worum es in dem Projekt gehen wird. Die Stadt Münster möchte, dass die Wirtschaft in der Region nachhaltiger wird. Dafür haben sich mehr als siebzig Firmen einer Klima-Allianz angeschlossen. Die Studenten wollen nun in Workshops abfragen, was die Unternehmen bisher für den Klimaschutz getan haben und wie sie in Zukunft noch nachhaltiger wirtschaften können. Rund fünfzehn Projekte bearbeitet move im Jahr: Hundert Studenten aus Münster analysieren Prozessabläufe oder erstellen Marketingkonzepte. Dabei geht move genauso vor wie beispielsweise die Profis von McKinsey oder der Boston Consulting Group: Interessierte Unternehmen können sich beim Verein melden, dieser schreibt die Projekte anschließend intern aus. So kommt ein Projektteam zustande in diesem Fall Möhrke, Wolke und Nadirk. Gemeinsam mit zwei weiteren Studenten erstellen sie ein Angebot, das erst von move geprüft und schließlich dem Kunden vorgestellt wird. Klar hätten einige Firmen erst einmal Vorbehalte, Studenten zu engagieren, sagt Kathleen Jeske vom Bundesverband Deutscher Studentischer Unternehmensberatungen e. V. (BDSU). Aber meistens merkten sie schnell: Die können was. Viele studentische Berater haben fundiertes Fachwissen, sagt Jeske. Gleichzeitig sind sie sehr kreativ. Besonders kleine und mittelständische Unternehmen wenden sich deshalb gern an die studentischen Berater. Die jungen Consultants sind motiviert, gebildet und dabei günstiger als professionelle Beratungsunternehmen. Hauptberufliche Consultants mit mehrjähriger Berufserfahrung können Tagessätze von 1.000 Euro und mehr verlangen. Die Münsteraner dagegen verdienen mit ihrer Arbeit rund 300 Euro pro Tag. Das klingt erst mal nach viel, sagt Ronja Nadirk. Aber wir arbeiten ja projektbasiert. Und Projekte gibts manchmal viele und manchmal gar keine. Dass es den Studenten nicht ums Geld geht, merkt man an dem Projekt von Nadirk, Wolke und Möhrke. Für die Stadt arbeiten sie pro bono, also ohne Bezahlung. Dennoch, so die drei, habe es für das Projekt mehr interne Bewerbungen gegeben, als Mitarbeiter gebraucht werden. Laut dem BDSU gab es 2012 in Deutschland fast 150 studentische Unternehmensberatungen. Der BDSU ist neben dem JCNetwork einer von zwei Dachverbänden in Deutschland, die die Arbeit der studentischen Berater überwachen. Zum BDSU zählen derzeit etwa 2.200 Berater aus unterschiedlichen Studiengängen. Zwar ist ein Großteil des BDSU-Netzwerkes Wirtschaftswissenschaftler. Aber auch Geisteswissenschaftler, Informatiker und Kulturwissenschaftler machen mit. Ronja Nadirk studiert im fünften Semester Economics and Law. Sie ist seit Beginn ihres Studiums bei move. Ich wollte einfach Praxiserfahrung sammeln, sagt sie. Wenn Nadirk erzählt, klingt das nicht wie karrieristisches Kalkül. Die junge Frau lacht viel und plaudert entspannt. Sie erzählt offen, dass sie schon mal ein Psychologiestudium abgebrochen hat. Der Nebenjob bei move hilft ihr, sich für die Zukunft zu rüsten: Sonst würde ich mich die ganze Zeit fragen, wofür ich eigentlich studiere. Nadirk gehört bei move zum Personalressort: Sie sichtet die Lebensläufe neuer Anwärter, führt Interviews mit Kandidaten. Und von denen gibt es viele: Jedes Wintersemester bewerben sich etwa achtzig Studenten um einen Job in der Unternehmensberatung. TEXT: ALEXANDRA ROJKOV, FOTOS: DOMINIK ASBACH 39 Einer von ihnen ist Jan-Hendrik Wolke. Seit September ist er als sogenannter Trainee bei move. Auf den ersten Blick wirkt Wolke ausgeglichen, fast gemütlich. Er ist zum Studium in der Region geblieben und trifft sich wöchentlich mit seinen Kumpels zum Würfeln. Doch man merkt schnell, wie ehrgeizig Wolke ist. Er hat eine Ausbildung als Lacklaborant gemacht und sich erst später für ein Studium entschieden. Heute studiert er Wirtschaftsingenieurwesen und Chemietechnik. Während viele seiner Kommilitonen am liebsten einen Job mit viel Freizeit hätten, möchte Wolke später seine ganze Kraft in seine Karriere stecken. Auf einer Messe kam er mit einer Unternehmensberatung in Kontakt und dachte: Das könnte etwas für mich sein. Er bewarb sich bei move und wurde nach einem Auswahlgespräch vorläufig angenommen. Nun nimmt er an den wöchentlichen Treffen teil, hilft bei in- und externen Projekten. Zudem hat er an zahlreichen Wochenenden Schulungen belegt: beispielsweise in Präsentationstechnik und Projektmanagement. Dieses Engagement wird von ihm erwartet gerade in der Probezeit, die sechs Monate dauert. Wer sich nicht einbringt, muss gehen. Man merkt schnell, ob jemand nur da ist, um seinen Lebenslauf aufzubessern, sagt Nadirk. Mindestens fünf Stunden pro Woche wenden die Berater von move für ihre Projekte auf. Dazu kommen Seminare, Besprechungen auch am Wochenende. Während andere feiern oder ausschlafen, schreiben die Consultants von move Arbeitsmails. Jan-Hendrik Wolke ist es das wert: Er möchte auch in Zukunft als Unternehmensberater arbeiten. Wolke bekommt das Know-how und den Kontakt zu Firmen. Dafür gibt er seine Arbeitskraft. Wenn mir etwas Spaß macht, mache ich das gern auch sechzig Stunden pro Woche, sagt Wolke. Und Spaß macht es ihm, das weiß er schon jetzt. Nicht nur die Projekte selbst, sondern auch die Zusammenarbeit mit den anderen Consultants. Jeder, der hier mitmacht, ist auf seine