Martin Nehring Homo oeconomicus Ein universell geeignetes Modell für die ökonomische Theorie? Diplomica Verlag
Martin Nehring Homo oeconomicus ein universell geeignetes Modell für die ökonomische Theorie? ISBN: 978-3-8428-0132-5 Herstellung: Diplomica Verlag GmbH, Hamburg, 2011 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden und der Verlag, die Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diplomica Verlag GmbH http://www.diplomica-verlag.de, Hamburg 2011
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis III 1. Gegenstand der Arbeit S. 1 2. Das Modell des Homo oeconomicus S. 5 2.1. Die historische Entwicklung S. 5 2.1.1. Einflussfaktoren vor der klassischen Nationalökonomie S. 5 2.1.2. Die klassische Nationalökonomie S. 7 2.1.3. Der klassische Utilitarismus S. 12 2.1.4. Die Neoklassik S. 15 2.1.5. Modifikationen des Modells im 20. Jahrhundert S. 22 2.1.6. Der Vorwurf des ökonomischen Imperialismus S. 26 2.1.7. Anmerkungen zur historischen Entwicklung S. 28 2.2. Die Charakteristika des Modells S. 37 2.2.1. Die Rationalitätsannahme S. 38 2.2.2. Die Eigennutzannahme S. 42 2.2.3. Die Bedeutung von Restriktionen in der ökonomischen Analyse S. 46 2.2.4. Der methodologische Individualismus S. 47 2.2.5. Anmerkungen zu den Modellcharakteristika S. 48 2.3. Stärken des Modells S. 49 3. Die Kritik am Modell S. 52 3.1. Die Kritik an der Rationalitätsannahme S. 53 3.1.1. Das Konzept der eingeschränkten Rationalität S. 54 3.1.2. Verhaltensanomalien S. 56 3.1.3. Die Bedeutung von Emotionen für menschliches Verhalten S. 60 3.2. Die Kritik an den Präferenzen S. 61 3.2.1. Die Kritik an den Präferenzen des klassischen Modells des Homo oeconomicus S. 61 3.2.2. Die Kritik an der Annahme konstanter Präferenzen S. 63 III
3.3. Begrenzter Eigennutz S. 66 3.3.1. Soziale Präferenzen S. 67 3.3.1.1. Reziprozität S. 68 3.3.1.2. Altruismus S. 69 3.3.1.3. Implikationen S. 70 3.3.2. Intrinsische Motivation und Identität S. 72 3.4. Glück als alternatives Konzept zur Wohlfahrtsmessung S. 74 3.5. Die Kritik an den Restriktionen S. 75 3.6. Soziale Normen und Regeln S. 77 3.7. Der methodologische Individualismus S. 78 3.8. Die Kritik an der formalen Ausrichtung und der Orientierung an den Naturwissenschaften S. 79 3.9. Anmerkungen zur Kritik am Modell des Homo oeconomicus S. 81 4. Das Modell des Homo oeconomicus als notwendige heuristische Grundlage für die ökonomische Theorie S. 82 4.1. Die Methodologie der positiven Ökonomik S. 83 4.2. Die Kompensation individuell irrationalen Verhaltens durch Märkte S. 86 4.3. Das Modell als Fiktion für die Bestimmung durchschnittlichen Verhaltens von Wirtschaftssubjekten aufgrund der Knappheit von Ressourcen S. 88 4.4. Das Modell des Homo oeconomicus als Grundlage für die Analyse nicht intendierter Ergebnisse individuellen Handelns S. 92 4.5. Die Rationalitätsannahme als Voraussetzung für die Analyse des Einflusses von Restriktionen auf das Verhalten von Individuen S. 93 4.6. Die Eigennutzannahme als Motiv für die universelle Erklärung menschlichen Handelns S. 96 4.7. Der Vorwurf mangelnder Realitätsnähe S. 105 4.8. Anmerkungen zu den Argumenten der Befürworter des Modells S. 107 4.8.1. Die Methodologie der positiven Ökonomik S. 107 4.8.2. Die Irrelevanz von Verhaltensanomalien für die aggregierte Ebene S. 111 4.8.3. Die heuristische Funktion der Rationalitätsund Eigennutzannahme S. 114 4.8.4. Die mangelnde Realitätsnähe der Annahmen S. 117 IV
5. Die Auswirkungen des Phänomens Geldillusion auf die Ergebnisse individuellen Handelns auf makroökonomischer Ebene S. 120 5.1. Die Annahme rationaler Erwartungen in der ökonomischen Theorie S. 120 5.2. Das Phänomen Geldillusion S. 124 5.3. Der Einfluss von Geldillusion auf die Anpassung nach einem Schock S. 128 5.4. Der Einfluss von Geldillusion im Zusammenhang mit Fairnessvorstellungen auf die Arbeitsnachfrage S. 134 5.5. Anmerkungen zum Einfluss von Geldillusion und Fairness S. 136 6. Fazit S. 137 Literaturverzeichnis S. 146 V
1. Gegenstand der Untersuchung Mein Stolz, der wurde kleiner. Ich merkte mit Verdruss: Es kann doch unsereiner Nur denken, wie er muss! /? -Wilhelm Busch- Ökonomische Theorien und Handlungsempfehlungen bestimmen unternehmerische Tätigkeiten, Politik und das öffentliche Bewusstsein. Sie bilden die Grundlagen für Politikberatung und prägen das Verständnis sozialer Wirklichkeit. Kaum andere wissenschaftliche Denkmodelle haben einen vergleichbaren Einfluss. Ökonomen sprechen darüber hinaus wirtschaftspolitische Empfehlungen aus, die die Entwicklung der Wirtschaftsordnung und damit der gesamten Gesellschaft maßgebend mitbestimmen. Das Modell des Homo oeconomicus spielt in der ökonomischen Theorie seit dem Beginn der modernen Wirtschaftswissenschaften eine implizite und seit Vilfredo Pareto auch eine explizite Rolle. Es bildet das zentrale Element und die Grundlage neoklassischer Modelle. Durch den dominierenden Einfluss der Neoklassik innerhalb der Wirtschaftswissenschaften nimmt das Modell des Homo oeconomicus in der ökonomischen Theoriebildung eine Schlüsselposition ein. Das gilt in einem bestimmten Umfang auch für andere wissenschaftliche Disziplinen, wie z. B. die Soziologie und die Rechtswissenschaften. Das Modell des Homo oeconomicus hat mittlerweile längst eine implizite Normativität erreicht und beeinflusst somit auch auf diese Weise das Handeln der unternehmerischen und politischen Entscheidungsträger. Dabei sind die Ansichten über das Modell des Homo oeconomicus selbst in den Wirtschaftswissenschaften nicht unumstritten: Nicht alle Ökonomen sehen umfassende Anwendungsmöglichkeiten für dieses Konzept. Den Mittelpunkt von Diskussionen bilden vor allem einzelne Modellannahmen, wie die Rationalität oder das eigennützige Verhalten, aber auch die Frage, ob es sich beim Homo oeconomicus um ein ökonomisches oder verhaltenswissenschaftliches Modell handelt, ist nicht vollständig geklärt. Viele Probleme treten außerdem bei dem Versuch auf, die einzelnen Fassetten des Konzepts genau darzustellen: Ökonomen meinen 1
nicht zwingend das Gleiche, wenn sie über den Homo oeconomicus sprechen. Das ursprüngliche Modell, das in der neoklassischen Theoriebildung definiert wurde, kann von den modifizierten Versionen, die im 20. Jahrhundert entwickelt wurden, unterschieden werden. Ein empirisches Verständnis des Konzepts kann von einem fiktiven Verständnis getrennt werden. Und eine normative Auffassung des Modells steht der nicht-normativen Auffassung gegenüber. Die Vorstellungen über die genauen Eigenschaften und Annahmen des Homo oeconomicus sowie über seinen methodologischen Status gehen weit auseinander. Die Kritik an dem Konzept hat vor allem in den letzten zwanzig Jahren an Bedeutung und Einfluss gewonnen. Die Kritiker des Homo oeconomicus behaupten, dass das mit dem Modell (implizit) einhergehende Menschenbild für die Erklärung vieler Phänomene nicht ausreichend ist. Zweifel gibt es deshalb darüber, ob das Konzept des Homo oeconomicus tatsächlich ein angemessenes Modell menschlichen Verhaltens darstellt. Insbesondere wird betont, dass menschliche Entscheidungen in der Realität anders getroffen werden, als es das Modell des Homo oeconomicus darstellt. Aus diesem Grunde sollten Ökonomen vor allem psychologische Erkenntnisse in ihren Theorien berücksichtigen. Die Verleihung des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften an Daniel Kahneman und Vernon Smith für ihre Forschungen auf dem Gebiet der verhaltensorientierten Ökonomie und der experimentellen Wirtschaftsforschung im Jahre 2002 hat diese Entwicklung unterstützt und die Bedeutung psychologischer Ansätze für die Wirtschaftswissenschaften insgesamt erhöht. Bereits im Jahr davor wurde der Nobelpreis an George A. Akerlof, A. Michael Spence und Joseph Stiglitz verliehen, die sich kritisch mit der Vorstellung der Existenz vollkommener Märkte auseinandersetzten. 1 Dabei sind die Kritikpunkte an dem Modell an sich nicht neu. Bereits Adam Smith maß Emotionen in seinen Theorien einen besonderen Stellenwert zu. Und Gustav v. Schmoller bildete mit seiner Aussage, dass für eine angemessene Ein- 1 Diese Tatsachen scheinen vor allem dann einen Richtungswechsel anzudeuten, wenn berücksichtigt wird, dass noch im Jahre 1992 der Nobelpreis an Gary S. Becker verliehen wurde, der die universelle Anwendung des neoklassischen Modells des Homo oeconomicus auf sämtliche Bereiche des menschlichen Lebens befürwortete. 2