Von der Berufung zum Beruf. Mitarbeiter erzählen von ihrer Laufbahn mit ärzte ohne grenzen



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Transkript:

Von der Berufung zum Beruf Mitarbeiter erzählen von ihrer Laufbahn mit ärzte ohne grenzen

CHARTA Titelfoto: Hilfsgüter kommen häufig nur auf dem Luftweg in die ländlichen Gebiete... Ben Milpas Rückseitenfoto:... denn es existieren kaum befestigte Straßen der Geländewagen ist in der Demokratischen Republik Kongo das beste Fortbewegungsmittel. Tristan Pfund ärzte ohne grenzen ist eine private internationale Organisation. Die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind Ärzte und Pflegekräfte, in unseren Projekten sind aber auch Vertreter zahlreicher anderer Berufe tätig. Sie verpflichten sich auf folgende Grundsätze: # ärzte ohne grenzen hilft Menschen in Not, Opfern von natürlich verursachten oder von Menschen geschaffenen Katastrophen sowie von bewaffneten Konflikten, ohne Diskriminierung und ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft, religiösen oder politischen Überzeugung. # Im Namen der universellen medizinischen Ethik und des Rechts auf humanitäre Hilfe arbeitet ärzte ohne grenzen neutral und unparteiisch und fordert völlige und ungehinderte Freiheit bei der Ausübung seiner Tätigkeit. # Die Mitarbeiter von ärzte ohne grenzen verpflichten sich, die ethischen Grundsätze ihres Berufsstandes zu respektieren und völlige Unabhängigkeit von jeglicher politischen, wirtschaftlichen oder religiösen Macht zu bewahren. # Als Freiwillige sind sich die Mitarbeiter von ärzte ohne grenzen der Risiken und Gefahren ihrer Einsätze bewußt und haben nicht das Recht, für sich und ihre Angehörigen Entschädigungen zu verlangen, außer denjenigen, die ärzte ohne grenzen zu leisten imstande ist.

Eine Karriere mit ärzte ohne Grenzen? Liebe Leserin, lieber Leser, die Not der Menschen und die Krisen, in denen sie um ihr Überleben kämpfen, werden immer komplexer. Damit wachsen auch die Herausforderungen für ärzte ohne grenzen. Wenn in Einsatzgebieten wie Somalia, Syrien oder Afghanistan das Sicherheitsrisiko steigt, autoritäre Staaten wie Simbabwe oder Tadschikistan weiter bürokratische Hürden aufbauen, oder wenn immer mehr Menschen, die an schweren Krankheiten wie Aids oder Tuberkulose leiden, dringend Hilfe brauchen, dann muss diese Hilfe professionell geleistet werden. Damit die Ärzte, Logistiker und das Pflegepersonal in den Projekten den hohen Anforderungen gerecht werden können, müssen sie möglichst passend zu ihren beruflichen Qualifikationen und sonstigen Fähigkeiten eingesetzt werden. Wir sind ständig auf der Suche nach engagierten Menschen, die ein hohes Maß an professionellen Kenntnissen und die Begeisterung für die humanitäre Arbeit mitbringen. Doch je komplexer die Einsätze werden, desto mehr brauchen wir auch erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nicht zum ersten Mal mit ärzte ohne grenzen arbeiten. Mit dieser Broschüre wollen wir jede Leserin und jeden Leser dazu motivieren und inspirieren, über eine Karriere mit ärzte ohne grenzen nachzudenken. Aus vielen Gesprächen wissen wir, dass es durchaus ein Interesse an einem längerfristigen Engagement für unsere humanitäre Hilfe gibt. Doch die Unsicherheiten sind groß: Was mache ich mit meinem Job in Deutschland? Wie lässt sich die Arbeit im Ausland mit der Familie verbinden? Falle ich zwischen den Einsätzen in ein finanzielles Loch? An zwölf Beispielen zeigen wir, wie unsere Mitarbeiter mit diesen Fragen umgehen die Arbeit mit ärzte ohne grenzen bietet vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten: Manche sehen den Einsatz als Ergänzung oder als einen Schritt auf ihrer Karriereleiter in Deutschland. Andere bleiben langfristig dabei und arbeiten im Management für ärzte ohne grenzen. Wieder andere können aus familiären oder anderen Gründen nach ein oder zwei Einsätzen nicht mehr ausreisen und unterstützen die humanitäre Arbeit von Deutschland aus. Lesen Sie selbst und erfahren Sie so, dass kein Weg zu und mit ärzte ohne grenzen wie der andere ist. Ihr Dr. Frank Dörner Geschäftsführer ärzte ohne grenzen e.v. Barbara Sigge/MSF

Name: Lucia Junk Geburtsjahr: 1982 Beruf: Ärztin (in Ausbildung zur Fachärztin für Kinderheilkunde) Einsätze: 2 Einsatzländer: Kolumbien, Südsudan Positionen/Jobs bei ärzte ohne grenzen: Ärztin Ich kannte ärzte ohne grenzen zunächst aus den Medien, aus der Zeitung und Berichten in Radio und im Fernsehen. Im Studium hatte ich dann den ersten Kontakt mit ärzte ohne grenzen bei einer Infoveranstaltung an der Uni. Die Möglichkeit, in anderen Ländern medizinisch zu arbeiten, Menschen zu helfen, die in weniger privilegierten Umständen leben und andere Kulturen und Länder kennenzulernen, hat mich schon damals fasziniert. Ich konnte mir gut vorstellen eines Tages mit ärzte ohne grenzen ins Projekt zu gehen, doch die Möglichkeit schien zunächst weit weg.. Ich dachte, dass vor allem Fachärzte mit jahrelanger Erfahrung gesucht werden. Über die Internetseite von ärzte ohne grenzen habe ich mich informiert, was die Voraussetzungen für einen Einsatz sind: mindestens zwei Jahre Berufserfahrung, Auslandserfahrung und gute Sprachkenntnisse. Das hörte sich schon gar nicht mehr so weit weg an. Zumal ich ein freiwilliges soziales Jahr in Guatemala und Auslandspraktika in Südafrika und Mexiko gemacht hatte. Nach dem Studium begann ich die Facharztausbildung für Kinderheilkunde. Es ist ein sehr interessantes und vielfältiges Fach und gleichzeitig wusste ich, dass man damit bei ärzte ohne grenzen in vielen Projekten einsetzbar sein würde. Nach zweieinhalb Jahren Berufserfahrung bewarb ich mich, und wenig später kam das Angebot von ärzte ohne grenzen, nach Kolumbien zu gehen. Meinen Job an einer Münchener Klinik habe ich dafür gekündigt. Ich war neugierig auf den Einsatz und überzeugt von dem, was ärzte ohne grenzen macht. Deshalb war es keine Frage für mich, ob ich lieber in Deutschland bleibe. Die Entscheidung zu gehen, habe ich nie bereut. Zwölf Monate arbeitete ich in Kolumbien. Es war für mich wie ein erster Testlauf. Ich wollte sehen, wie mir die Arbeit mit ärzte ohne grenzen gefällt und ob ich weitere Einsätze danach machen will. In Kolumbien habe ich meist nicht direkt am Patienten gearbeitet, was mich anfangs etwas überrascht hat. Ich war Südsudan 2012: Im Flüchtlingslager sind die Menschen auf Hilfe von außen angewiesen. Robin Meldrum/MSF

Südsudan 2012: Die Ärztin Lucia Junk behandelt im Flüchtlingslager Jamam ein mangelernährtes Mädchen. Lucia Junk/MSF vor allem für die Organisation und Einsatzplanung unserer mobilen Kliniken zuständig, hielt Treffen mit Dorfältesten und Entscheidungsträgern ab und machte als Teamleiterin Supervision und Trainings mit einheimischen Kollegen. Diese organisatorischen Aufgaben haben mir sehr viel Spaß gemacht und ich habe viel dazugelernt. Oft war ich die einzige Expat (internationale Mitarbeiterin) in einem Team mit rund zehn Kolumbianern. Mit mobilen Kliniken sind wir durch das Land gereist, um den Patienten in entlegenen Regionen Hilfe zu bringen. Die Dankbarkeit der Menschen hat mich sehr bewegt. Und dass man medizinisch mit einfachen Mitteln so viel bewirken kann, hat mich davon überzeugt, dass ich wieder los will. Deshalb war es keine Frage für mich, ob ich lieber in Deutschland bleibe. Die Entscheidung zu gehen, habe ich nie bereut. Die Aufgabengebiete in einem Einsatz mit ärzte ohne grenzen sind immer sehr vielfältig. Man muss gut improvisieren können und kreative Lösungen finden. Während meines zweiten Einsatzes in einem Flüchtlingslager im Südsudan habe ich in einer Zeltklinik ganz direkt Patienten betreut, und auch das war eine spannende Erfahrung. Ich habe unglaublich bewegende Momente erlebt: Mangelernährte Kinder, von denen ich nicht geglaubt hätte, dass sie es schaffen, und die wir wieder gesund entlassen konnten. Jeden Tag standen viele Flüchtlinge Schlange vor unserer Zeltklinik wir waren der einzige große Gesundheitsversorger vor Ort. Dass man trotz Stress und viel Arbeit immer die Freude und den Sinn im Job findet, hat mich begeistert, und die hohe Professionalität meiner Kollegen nationale und internationale hat mich beeindruckt. Das nehme ich auch mit nach Deutschland. Außerdem nehme ich mit, dass man beim Umgang mit Patienten und bei der Diagnostik viel mehr auf seine Sinne hören kann. In Deutschland greifen wir oft sehr schnell nach technischen Hilfsmitteln Laborwerten, Röntgenbildern und vielem mehr, im Projekt steht uns das meist nicht zur Verfügung, da sind oft Intuition und Flexibilität gefragt. Jetzt möchte ich erst einmal meinen Facharzt in Deutschland machen. ärzte ohne grenzen wird aber auf jeden Fall eine Rolle in meiner Zukunft spielen. Ich kann mir auch vorstellen, mit wachsender Erfahrung mehr Verantwortung in den Projekten zu übernehmen, auch wenn ich dann nicht mehr so nahe am Patienten bin. Wobei ich mich schon im medizinischen Bereich sehe vielleicht als medizinische Koordinatorin oder als Beraterin im Berliner Büro. Aber das wird sich alles zeigen. Jedenfalls bleibe ich auch jetzt in Deutschland eng mit ärzte ohne grenzen in Kontakt, gehe zu den Stammtisch-Treffen und unterstütze die Öffentlichkeitsarbeit bis ich wieder in den nächsten Einsatz gehen kann.

Name: Andreas Bründer Geburtsjahr: 1969 Beruf: Elektroniker, Pflegehelfer und Tibetologe Einsätze: 8 Einsatzländer: Südsudan, Uganda, Mosambik, Usbekistan, Sudan, Indien Positionen/Jobs bei ärzte ohne grenzen: Logistiker, Logistikkoordinator, Landeskoordinator Mit 17 wollte ich nach Kanada, die große weite Welt erkunden. Ich wollte schon früh hinaus in die Welt, nicht nur zum Reisen, sondern um dort zu leben, Menschen anderer Kulturen kennenzulernen und mit ihnen zusammen zu arbeiten. Mit 25 lernte ich während einer sechsmonatigen Reise ärzte ohne grenzen in Tibet kennen, und mir wurde klar: Das ist genau das, was ich schon immer machen wollte. Zurück in Deutschland bewarb ich mich und mein Beruf als Elektroniker war die beste Voraussetzung dafür, dort als Logistiker anzufangen. Im Oktober 1995 war es dann soweit: Ich war auf dem Weg in den Süden des Sudan. Und es war toll. Nicht nur war es eine persönliche, neue und sehr wertvolle Erfahrung, in dieser Abgeschiedenheit des während der Regenzeit größten Sumpfes der Welt zu leben und mit Menschen unterschiedlichster Herkunft zusammenzuarbeiten. Auch identifizierte ich mich stark mit dem Ziel von ärzte ohne grenzen, den vom Bürgerkrieg gebeutelten Menschen zu helfen und beizustehen. Ich arbeitete als Logistiker in einem fünfköpfigen Team von Ausländern: ein Arzt, eine Krankenschwester, ein Labortechniker und ein Projekt-Koordinator. Zusammen mit vielen lokalen Mitarbeitern haben wir Gesundheitsstationen aufgebaut und auch viele Tuberkulose- und Kala-Azar-Erkrankte behandelt. Ich lernte die Sprache Nuer, zumindest so viel, dass ich mit meinen Mitarbeitern die wesentlichen Dinge der Arbeit besprechen konnte. Ich liebte es, jeden Morgen um 6 Uhr früh die 600 Meter lange Landepiste auf und ab zu gehen, um zu kontrollieren, ob Flugzeuge dort landen konnten. Wir hatten keine Autos, es gab auch keine im Dorf, und alles wurde mit kleinen Flugzeugen herangeschafft. Oft standen Teile der Landepiste unter Wasser, was eine Landung gefährlich machte. Sie wäre zwar möglich, ein erneuter Abflug wäre jedoch unmöglich gewesen. Jeden Morgen habe ich den Zustand der Piste und die Sicherheitslage über Funk nach Lokichoggio, dem damaligen UN-Standort für Südsudan in Kenia, berichtet. Ich blieb acht Monate, und bei meiner Abreise blieben unschätzbare Erfahrungen über das Leben und Erinnerungen über Menschen, deren Überlebenskampf nicht zu rechtfertigen ist in dieser Welt. Mit ärzte ohne grenzen können wir direkt Hilfe leisten und lautstark für Veränderungen eintreten. Das macht die Arbeit so besonders. Der nächste Nothilfe-Einsatz war eine Masern-Impfkampagne in Uganda im September 1996. Kurz danach begann ich mein Studium in Tibetologie, Journalistik und Pädagogik und im August 1997 wurden meine Zwillingstöchter geboren. Doch ärzte ohne grenzen ließ mich bis heute nicht los: Während der Semesterferien von Februar bis April 1998 ging ich zum Einsatz für eine Cholera-Epidemie erneut nach Uganda und 1999, wieder während der Semesterferien, noch mal für eine Cholera-Epidemie nach Mosambik. Doch meiner Familie wurde das zu bunt, zu Hause zu sitzen, während ich jedes Jahr im Ausland bin auch wenn es nur kurz war. Also fragten wir an, ob wir als Familie ins Projekt gehen können. Jedoch lässt sich ein Familienleben am besten mit einer Koordinationstätigkeit in der Hauptstadt des Einsatzlandes vereinbaren. Und tatsächlich, das ging: Von Juli 1999 bis Januar 2001 waren wir in Usbekistan, und ich arbeitete dort als Logistik-Koordinator. Ich hatte dafür sogar mein Studium unterbrochen. Der Beamte, der meinen Antrag genehmigte, damit ich später ohne Probleme das Studium wieder aufnehmen konnte, sagte: Wenn Sie für ärzte ohne grenzen während dieser Auszeit arbeiten gehen, bekommen Sie meine Unterschrift auf jeden Fall! Mit ärzte ohne grenzen können wir direkt Hilfe leisten und lautstark für Veränderungen eintreten. Das macht die Arbeit so besonders.

Usbekistan 2011: Andreas Bründer auf dem Rückweg von Muynak, wo ärzte ohne grenzen 1998 ein Tuberkulose-Projekt aufgebaut hat. Astrid Grabler Nach unserer Rückkehr aus Usbekistan habe ich dann mein Studium innerhalb von zwei Jahren beendet. Das wissenschaftliche Arbeiten ist spannend, doch ich konnte es kaum erwarten, erneut mit ärzte ohne grenzen im Ausland zu arbeiten. Auch meiner Lebenspartnerin und meinen Kindern gefiel ein Leben im Ausland. Ohne das volle Einverständnis der Familie und deren Flexibilität, sich auf das Leben in teilweise schwierigen Ländern einzulassen, würde ein Familieneinsatz über Jahre hinweg, auch nicht funktionieren. Die weiteren Stationen waren: zwei Jahre Logistik-Koordinator in Khartum, Sudan, dann von 2005 bis 2008 Logistik-Koordinator in Indien und seit 2008 Landeskoordinator in Usbekistan. Seit 2011 bin ich außerdem auch der Landeskoordinator für unseren Einsatz in Tadschikistan. Mein Wissen und meine Erfahrung in der humanitären Nothilfe beruht hauptsächlich auf der Praxis, die ich mir während meiner Einsätze oft auch als Autodidakt angeeignet habe. Natürlich habe ich die vielen Fortbildungskurse von ärzte ohne grenzen, auch für Manager, wahrgenommen. Doch was mir noch fehlt, ist ein Masterstudiengang in Management für Führungspersonen. Den möchte ich jetzt als Fernstudium nachmachen, da ich auch in den kommenden Jahren mit ärzte ohne grenzen in dieser Funktion arbeiten möchte. Mein Studium der Tibetologie habe ich zum Hobby gemacht, und mein Jugendwunsch, für Menschen in Not und mit Menschen anderer Kulturen zu arbeiten, wurde meine Berufswahl. Jetzt bin ich schon fast zwölf Jahre bei ärzte ohne grenzen. Mit zunehmender Erfahrung steigt auch die Verantwortung. Das ist bei ärzte ohne grenzen ganz normal. Somit ist mein Werdegang vom Logistiker über den Logistik-Koordinator zum Landes-Koordinator auch nachvollziehbar. Das Tolle am Job des Landeskoordinators ist, dass ich nah am Geschehen im Land und an unseren Aktivitäten in den Projekten bin. Ebenso arbeite ich aber auch strategisch und muss mit Politikern und anderen Offiziellen verhandeln. Usbekistan 2011: Der Landeskoordinator Andreas Bründer lebt mit seiner Frau und seinen beiden Töchter in Taschkent, von wo aus die Projekte gesteuert werden. Astrid Grabler

Name: Heidi Anguria Geburtsjahr: 1958 Beruf: Kinderkrankenschwester Einsätze: 3 Einsatzländer: Uganda, Nigeria, Südsudan Positionen/Jobs bei ärzte ohne grenzen: Krankenschwester Nach meinem ersten Einsatz vor über 20 Jahren wurde ich Mutter und konnte vorerst nicht mehr ins Ausland gehen. Dennoch habe ich die ganze Zeit mehr und mehr für ärzte ohne grenzen gearbeitet. Ich habe Öffentlichkeitsarbeit gemacht, habe mehrere Tage lang Besucher durch die Ausstellung Überleben auf der Flucht geführt, die jedes Jahr in verschiedenen Städten Deutschlands gezeigt wird. Ich war bei Filmvorführungen und Veranstaltungen dabei und habe so nie den Kontakt verloren. Jetzt ist mein Sohn erwachsen und studiert in einer anderen Stadt. Somit habe ich wieder die Möglichkeit, wegzugehen. Meine ersten Einsätze in Nigeria und im Südsudan haben mich gleich wieder sehr ergriffen. Es ist wunderschön zu erleben, wie ein mangelernährtes Kind, das so schwach ist, dass es nicht einmal mehr aus eigener Kraft sitzen konnte, wieder auf dich zuläuft und lächelt. Das ist einfach sehr bewegend! In Deutschland arbeite ich als Kinderkrankenschwester in einer Klinik in Lübeck und wurde für meine letzten zwei Einsätze freigestellt. Und ich hoffe, dass das weiterhin so funktioniert, da ich mir mit zunehmendem Alter Sorgen um meinen Arbeitsplatz hier mache. An der Arbeit mit ärzte ohne grenzen schätze ich sehr viel: In einem kleinen internationalen Team zu arbeiten, den engen Kontakt mit den einheimischen Kolleginnen und Kollegen, die vielseitigen Aufgaben wie medizinische Behandlung, Aufklärung, Impfprogramme, Ausbildung. Meine Arbeit geht dabei über das rein Medizinische hinaus, was ich sehr schätze. Gleichzeitig kann ich eine sinnvolle Arbeit mit Reisen verbinden und immer wieder neue Kulturen, Länder und Menschen kennen Es ist toll zu sehen, wie wir oft mit wenig Mitteln sehr viel erreichen können. Nigeria 2010: Zehntausende Kinder unter fünf Jahren werden gegen Masern und Meningitis geimpft. MSF

Nigeria 2010: Heidi Anguria fährt bei der Impfkampagne mit ihrem Team direkt in die Dörfer. MSF lernen. Jeder Tag ist aufs Neue spannend. Was mir manchmal nicht gefällt, ist, dass wir eigentlich mehr könnten, als in den Projekten tatsächlich machbar ist. Gleichzeitig ist es toll zu sehen, wie wir oft mit wenig Mitteln sehr viel erreichen können. Besonders bewegend sind die Momente der Dankbarkeit zum Beispiel das Lächeln einer Mutter, deren Kind durch unsere Behandlung wieder gesund wird. Ich habe oft erlebt, dass die Not so viel größer ist, als bei uns in Deutschland und umso viel größer war auch die Freude der Angehörigen und Patienten. Auch wenn ich jetzt nach drei Einsätzen schon mehr Erfahrung habe, will ich keine leitende Funktion übernehmen. Ich arbeite lieber mit den Patienten, als in Meetings zu sitzen oder stundenlang am Computer Berichte zu schreiben. Dennoch übernehme ich gerne Verantwortung. An den Trainingsangeboten von ärzte ohne grenzen bin ich grundsätzlich interessiert, konnte sie aber leider nur wenig in Anspruch nehmen. Fortbildungen, die in Richtung Projekt-Management gehen, wären bei mir fehl am Platze. Denn wie gesagt: Ich brenne für die Arbeit nahe am Patienten und kann mir eine Rolle als Koordinatorin nicht vorstellen. Aber ich habe Fortbildungen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit mitgemacht, denn hier kann ich meine Leidenschaft für die Arbeit auch in Deutschland einsetzen und mit Schulklassen, Spendern oder Journalisten über unsere Hilfe sprechen. Dresden 2007: Schauspieler Axel Prahl ( Tatort ) ist Schirmherr der Freilicht- Ausstellung Überleben auf der Flucht und bekommt eine Sonderführung. Christian Frey Das nächste halbe Jahr werde ich in Lübeck in der Klinik arbeiten, um etwas für den Erhalt meines Arbeitsplatzes zu tun und mehr Geld zu verdienen. Danach möchte ich wieder in ein Projekt mit ärzte ohne grenzen gehen. Und längerfristig? Vielleicht auch nochmal ganz etwas anderes machen weit weg

Name: Jan Kanzleiter Geburtsjahr: 1973 Beruf: Informatiker Einsätze: 6 Einsatzländer: Äthiopien, Sudan, Swasiland, Simbabwe, Tschad, Demokratische Republik Kongo Positionen/Jobs bei ärzte ohne grenzen: Logistiker, Logistikkoordinator Ich kam über meine Ex-Freundin zu ärzte ohne grenzen. Sie war zu diesem Zeitpunkt mit einigen von den Mitarbeitern befreundet und hatte selbst die Idee, nach ihrer Facharztausbildung einmal mit ärzte ohne grenzen auszureisen. Die Idee fand ich spannend und so habe ich mich letztendlich selbst für einen Einsatz beworben. Meine Motivation, dies zu tun, war zum einen, dass der Zugang zu medizinischer Versorgung ein Menschenrecht ist, und dass wir als Nutznießer der wirtschaftlichen Ausbeutung des globalen Südens in der Pflicht sind, dieser Bevölkerung auch etwas zurückzugeben. Zum anderen wollte ich einer Arbeit nachgehen, in der ich einen Sinn finde und die mich dadurch mehr zufrieden stellt, als in der freien Wirtschaft Software zu entwickeln, die kein Mensch braucht. Äthiopien 2009: Bei seinem ersten Einsatz als Logistiker wollte Jan Kanzleiter die Arbeit für ärzte ohne grenzen ausprobieren es folgten fünf weitere Einsätze in drei Jahren. MSF Mein erster Einsatz war für mich ein Probelauf. Ich wollte mich selbst und ärzte ohne grenzen ausprobieren und herausfinden, ob die Arbeit zu mir passt. Es hat mir dann so viel Freude gemacht, dass ich gerne einen zweiten Einsatz machen wollte, um erneut zu überprüfen, ob es mir wirklich gefällt. Und tatsächlich war und ist es für mich sehr zufriedenstellend, Menschen einen Zugang zu lebensrettender, medizinischer Versorgung zu ermöglichen. Die Arbeit ermöglicht das Reisen an Orte, an die normale Menschen eher selten kommen. Da Reisen mir schon immer Freude gemacht hat, ist das dann natürlich perfekt.

Und es ist auch sehr auf- und anregend, auf Menschen anderer Kulturen zu treffen, mit diesen und für diese Menschen zu arbeiten und in intensiven Kontakt zu treten. Zudem ermöglicht die Arbeit mit ärzte ohne grenzen das Reisen an Orte, an die normale Menschen aus Deutschland eher selten kommen. Da Reisen mir schon immer Freude gemacht hat, ist das natürlich perfekt. Ich habe nach der Schule und einer Ausbildung als Schriftsetzer in Berlin Informatik studiert. Nach dem Studium arbeitete ich als Software-Entwickler. Für meine ersten vier Einsätze habe ich jeweils von meinem Arbeitgeber eine Auszeit gewährt bekommen. Mit der Entscheidung, längere Einsätze als Logistikkoordinator zu machen, war dies nicht mehr möglich. Seitdem versuche ich, die Zeiten zwischen meinen Einsätzen mit Honorarverträgen zu überbrücken, was bisher auch ganz gut ging. Ich plane noch weitere Einsätze mit ärzte ohne grenzen und würde mich gerne in Richtung Projektkoordinator oder gar Landeskoordinator weiterentwickeln. Ich habe bisher drei verschiedene Trainings mit ärzte ohne grenzen gemacht. Das Logistical Technical Training in Uganda, den Logistic Management Course in Holland und einen Französisch-Intensivkurs in Belgien. Während meiner Einsätze habe ich tolle und interessante Menschen kennengelernt, mit denen ich inzwischen auch Freundschaften pflege. Aber natürlich gab es in den Teams auch Menschen, die mir vom ersten Moment an auf die Nerven gingen. Es ist dann manchmal etwas kompliziert, damit so umzugehen, dass nicht das komplette Team in Mitleidenschaft gezogen wird. Äthiopien 2009: Jan Kanzleiter und sein nationaler Logistik-Kollege Muluken sind mit einer mobilen Klinik per Boot im Grenzgebiet zum Sudan unterwegs. Simone Fiedler Bei einem Einsatz gab es einen Raubüberfall auf eines unserer Projekte. Damals war es großes Glück, dass die Mitarbeiter der PSCU* mehr oder weniger zufällig vor Ort waren und die betroffenen Mitarbeiter dabei unterstützen konnten, das Erlebte zu verarbeiten. Auch die Freundinnen und Freunde zu Hause sind mir natürlich sehr wichtig und eine Stütze. Ich versuche, während der Einsätze die Kontakte weiter zu pflegen. Das Internet ist dabei ein tolles Hilfsmittel. Zwischen den Einsätzen versuche ich dann meist all das aufzuholen, was ich während der Zeit verpasst habe das ist natürlich nicht immer möglich. Zum Glück konnte ich aber auch neue Kontakte knüpfen und bin mittlerweile weltweit vernetzt. Klar finde ich auch das irgendwie klasse. Viele Freundschaften zu Hause haben die lange Abwesenheit überstanden, andere aber auch nicht, und das ist etwas, was mich manchmal traurig stimmt und auch meine zukünftigen Entscheidungen für oder gegen weitere Einsätze mit ärzte ohne grenzen beeinflussen wird. *Die Psycho Social Care Unit (PSCU) ist ein Team aus Therapeuten, das den Mitarbeitern während und nach ihren Einsätzen Unterstützung anbietet. Tschad 2011: Jan Kanzleiter muss eine Düne überqueren, um ein Ernährungsprojekt in Noukou zu besichtigen. Jessica Jonkers

Name: Turid Piening Geburtsjahr: 1974 Beruf: Ärztin Einsätze: 4 Einsatzländer: Demokratische Republik Kongo, Äthiopien, Somalia Positionen/Jobs bei ärzte ohne grenzen: Ärztin, medizinische Teamleiterin, medizinische Koordinatorin, Medical Advisor im Berliner Büro Von Anfang an war für mich die Arbeit mit ärzte ohne grenzen keine einmalige oder kurzfristige Entscheidung. So richtig verstanden hat mich in meinem Umfeld niemand, als ich im Jahr 2006 meine Stelle als Assistenzärztin an der Uniklinik in Berlin kündigte, um im Ausland in der humanitären Hilfe zu arbeiten. Ich habe eine sichere Stelle und die Perspektive auf eine akademische Karriere in der pädiatrischen Infektiologie und HIV-Forschung aufgegeben, um einen alten Traum zu verwirklichen. Humanitäre Arbeit hat mich schon immer interessiert. Auch während meines Studiums war ich im Rahmen meiner Famulaturen in Südafrika und Nepal. Die Uni-Karriere war zwar interessant, aber in dieser Arbeit kam der Mensch zu kurz, es ging vielmehr um Publikationen und immer spezialisiertere Themen. Über einen kleinen Umweg mit einer anderen Organisation kam ich schließlich 2007 zu ärzte ohne grenzen. Hier habe ich ziemlich genau das gefunden, was auch mir wichtig ist: Dass alle Entscheidungen jeweils zum Wohle des Patienten gefällt werden und sonst keine politischen oder andere Interessen eine Rolle spielen. Bis heute bin ich von der unabhängigen, neutralen und unparteiischen humanitären Arbeit von ärzte ohne grenzen überzeugt. Mein erster Einsatz in Bukavu in der Demokratischen Republik Kongo hat mir gezeigt, dass ein Einsatz als Ärztin mit ärzte ohne grenzen über die Arbeit mit den Patienten weit hinausgeht. Die Organisation, die Zusammenarbeit mit den staatlichen Partnern: All das war für mich auch sehr spannend. Als in einem anderen Projekt im gleichen Land eine Stelle als Leiterin des medizinischen Teams frei wurde, habe ich mich einfach mal ausprobiert und gemerkt, dass mir das Koordinieren und Planen viel Spaß macht. Somalia 2010 MSF Von Anfang an war für mich die Arbeit mit ärzte ohne grenzen keine einmalige oder kurzfristige Entscheidung. Ich wollte perspektivisch in der Organisation weiterkommen. Schon in der Demokratischen Republik Kongo reizte mich die Position der medizinischen Landeskoordinatorin, doch zuerst wollte ich

Somalia 2010: Drei Jahre lang koordinierte Turid Piening einen der schwierigsten Einsätze in der jüngeren Geschichte der Organisation. MSF noch mehr praktische Erfahrungen sammeln. Ich ging zu einem weiteren Einsatz als Ärztin nach Äthiopien und bewarb mich dann für die medizinische Koordination der Nothilfe-Einsätze in Somalia. Somalia ist einer der kompliziertesten Einsatzländer und wird aus Sicherheitsgründen vom Nachbarland Kenia aus koordiniert. Fast drei Jahre lang lebte ich in der Hauptstadt Nairobi und reiste von dort häufig nach Somalia. Es war eine intensive und spannende Zeit. Vor allem aber habe ich festgestellt, dass dieser Job genau das Richtige für mich war. Ich kannte die Perspektive der Ärzte, konnte medizinischen Rat geben und gleichzeitig das Projekt in wichtigen strategischen Fragen mitgestalten. In den drei Jahren hat sich auch privat für mich einiges geändert: Ich glaube ich bin die einzige Ärztin, die während ihres Aufenthalts für ärzte ohne grenzen ein Kind bekommen hat. Meine Tochter kam im zweiten Jahr meines Einsatzes zur Welt. Nach zwei Monaten Pause habe ich wieder gearbeitet; mein Mann, der mir nach Nairobi gefolgt war, hat mich dabei tatkräftig unterstützt und mir den Rücken freigehalten. Mittlerweile bin ich nach vier Einsätzen und sechs Jahren im field wieder in meiner alten Heimat Berlin. Als Medical Advisor arbeite ich im Berliner Büro und bin ich für die medizinischen Fragen der von Deutschland aus gesteuerten Projekte verantwortlich. Nebenbei studiere ich International Health. Es ist schön, nach so langer Zeit wieder nach Hause zurückkehren zu können, seine eigene Haustür aufzuschließen und in seiner eigenen Küche zu essen. Nie die Wurzeln nach Hause zu verlieren, war mir immer wichtig. Meine Wohnung habe ich deswegen zum Beispiel auch nie gekündigt, sondern nur untervermietet. In meiner Position habe ich jedoch das Glück, regelmäßig in die Projekte reisen zu können und so den Kontakt zur Arbeit in den Projekten nicht zu verlieren denn diese Arbeit direkt am Patienten ist für mich nach wie vor das Besondere an der Arbeit für ärzte ohne grenzen.

Name: Anna Eschweiler Geburtsjahr: 1981 Beruf: Apothekerin Einsätze: 2 Einsatzländer: Demokratischen Republik Kongo, Südsudan Positionen/Jobs bei ärzte ohne grenzen: Apothekerin, Beraterin (Medical Supply Support Advisor) im Büro in Amsterdam Bevor ich 2010 das erste Mal mit ärzte ohne grenzen im Einsatz war, arbeitete ich bereits für andere NGOs im Ausland, unter anderem für Apotheker ohne Grenzen. ärzte ohne grenzen hat mich gefragt, ob ich an einer Mitarbeit interessiert sei. Ich kannte die Organisation nur vom Namen und von der Arbeit vor Ort in den Ländern, in denen ich gearbeitet hatte. Nach kurzem Überlegen habe ich mich für die Arbeit bei ärzte ohne grenzen entschieden, da für mich klar war, dass ich weiter in diesem Bereich bleiben möchte und ärzte ohne grenzen eine der größten medizinischen NGOs ist. Ich versprach mir ein breiteres Spektrum der Arbeit, mehr Professionalität und bessere Entwicklungsmöglichkeiten. Gleich bei meinem ersten Einsatz in der Demokratischen Republik Kongo merkte ich, dass es eine gute und richtige Entscheidung war, zu ärzte ohne grenzen zu kommen. Besonders gefallen haben mir die Vielfältigkeit in dem Projekt und die Möglichkeit, wirklich etwas zu verändern und zu bewegen. Die Arbeit mit ärzte ohne grenzen ist ausnahmslos vielfältig, unvorhersehbar und abwechslungsreich. Sie fordert mich auf vielen Gebieten heraus und passt zu einem spontanen und unkonventionellen Leben. Sie gibt mir die Möglichkeit, viele verschiedene Menschen kennenzulernen und sie als Kollegen und Patienten in verschiedenen Ländern und Kulturen zu erleben. Die Frage nach dem Sinn meiner Arbeit hat sich noch nicht gestellt, was ich als sehr gutes Zeichen ansehe. Im Team hatte ich viele sehr schöne und außergewöhnliche Momente, die für die Abwesenheit von Freunden aus der Heimat entschädigen. Natürlich trifft man schon mal auf Leute, die ganz und gar nicht auf der eigenen Wellenlänge sind, aber das ist bei Südsudan 2012: Die internationalen Mitarbeiter arbeiten vor Ort eng mit lokalen Kollegen zusammen. MSF

Südsudan 2011: Als flying pharmacist brachte Anna Eschweiler Medikamente auch in die entlegensten Regionen. MSF jedem Job der Fall. Im Projekt arbeitet und lebt man zusammen, was sehr intensiv sein kann. Man muss sich auf Einschränkungen einstellen. Allerdings denke ich, dass dies eher zu mehr Toleranz und Flexibilität führt, als zu Problemen. In Zukunft kann ich mir gut vorstellen, mehr Verantwortung in den Projekten zu übernehmen. Während meines letzten Einsatzes hatte ich bereits Aufgaben Aufgaben im Team der Landes-Koordination übernommen. Dort geht es weniger um all die dringenden Aufgaben, die täglich anfallen, sondern vielmehr um den großen Überblick, um Strategien und langfristige Verbesserungen. Dies kann ich mir für meine Zukunft mit ärzte ohne grenzen sehr gut vorstellen. Vom klassischen Berufsbild der Apothekerin entferne ich mich immer mehr. Neben meinen medizinischen habe ich auch viele logistische Aufgaben. Mein Werdegang passt sich eher meiner Arbeit an. So habe ich zum Beispiel einen Kurs in Tropenmedizin belegt, den ich mit Hilfe von ärzte ohne grenzen finanziert habe. Zudem bilde ich mich über Bücher und Gespräche mit Experten laufend selbstständig weiter. Langfristig kann ich mir gut vorstellen, einen Master zum Beispiel in Public Health zu machen. In meinem jetzigen Job im Büro in Amsterdam arbeite ich daran, die Versorgung mit medizinischem Material und mit Medikamenten in den Projekten zu verbessern. Ich versuche, dabei für mich herauszufinden, ob meine Zukunft eher im Projekt oder hier in der Zentrale liegt. Die Arbeit im Büro beinhaltet auch zahlreiche Projektbesuche und einen intensiven Kontakt mit den Mitarbeitern vor Ort, was mir besonders gut gefällt. Zudem habe ich das Gefühl, mich in die größere Planung mit einzubringen und neue Ideen anstoßen zu können. Ganz sicher werde ich in Amsterdam vieles dazulernen, die Arbeit in den internationalen Teams macht Spaß und ist spannend. Daher mache ich mir im Moment keine großen Gedanken darüber, wie lange ich in Amsterdam bleiben sollte. Die Arbeit mit ärzte ohne grenzen ist ausnahmslos vielfältig, unvorhersehbar und abwechslungsreich.

Name: Clausjörg Walter Geburtsjahr: 1948 Beruf: Chirurg, Gutachter Einsätze: 4 Einsatzländer: Jemen, Demokratischen Republik Kongo, Irak Positionen/Jobs bei ärzte ohne grenzen: Chirurg, Peer Network* Eigentlich hatte ich ja ein erfülltes Chirurgenleben, habe viel gelernt, gesehen und an großen Kliniken operiert, war Assistent, Oberarzt, Chefarzt... Was hatte es mir gegeben? Viel Befriedigung im Umgang mit Patienten, ein erfülltes Berufsleben, ein glückliches Familienleben,... oder? Da war aber doch noch etwas, was ich mit meinem Leben anfangen wollte. Immer dem Beruf verbunden, politisch interessiert aber niemals aktiv, dennoch das Brennende für viele Ungerechtigkeiten in der Welt im Bewusstsein. Was hatte ich gelernt? Chirurg zu sein, sonst nichts. Aber damit kann ich doch auch etwas tun waren nicht zwei meiner Freunde bereits mehrmals mit ärzte ohne grenzen unterwegs gewesen? Es war einer der Gründe, warum ich mich mit 55 Jahren entschloss, die Klinik zu verlassen und als Gutachter zu arbeiten, wodurch ich wesentlich flexibler war. Es dauerte noch ein wenig, dann begann ich mich tatsächlich bei ärzte ohne grenzen zu bewerben und konnte meinen ersten Einsatz im Jemen verwirklichen, einen kurzen Einsatz während meiner Ferien. Es war sehr aufregend: ich arbeitete zusammen mit einer japanischen Anästhesistin, die ebenfalls zum ersten Mal dabei war. Ein kleines Krankenhaus, mit nur 30 Betten in Zelten, aber ich spürte die unglaubliche Dankbarkeit der Menschen, dass wir da waren und helfen konnten, wo sonst niemand half. Überraschende Aufgaben: Blasensteine operieren, schwere Verletzungen mit einfachsten Mitteln behandeln. Ich war so dankbar, dass ich meine lange klinische Erfahrung einsetzen konnte, eben auch ohne all die Mittel, die mir zu Hause wie selbstverständlich zur Verfügung stehen. Auch in den anderen Einsätzen musste ich kreativ und flexibel sein, nicht alle Probleme konnte ich lösen - auch das war eine (fast) neue Erfahrung. Es blieb natürlich nicht bei diesem Einsatz. Im folgenden Jahr verbrachte ich fünf Wochen im Kongo, in einem großen Projekt mit vielen internationalen Kollegen aus allen Ländern der Welt: Ältere wie ich, aber auch junge Menschen der Facebook-Generation, die einen ganz anderen Lebensweg eingeschlagen hatten. Tief berührend war es für mich, bei aller Verschiedenheit zu spüren, dass wir ein gemeinsames Ziel haben, wie unterschiedlich auch die Aufgaben waren. Ebenso berührend war die Zusammenarbeit mit den einheimischen Ärzten und Schwestern, die ihr Leben in dieser nicht zur Ruhe kommenden Kriegsregion gestalten müssen, dort leben, lieben und arbeiten. Ich empfand große Demut und war im nächsten Jahr bereits wieder dort tätig und im folgenden Jahr im Irak. Bedrückend war zu erleben, unter welchen Gefahren die Menschen leben müssen, und wie dankbar sie sind, dass ärzte ohne grenzen dort geblieben ist. Ich nehme jedes Mal so sehr viel mit mir: die Zusammenarbeit und das Zusammenleben mit den anderen Expats (internationalen Mitarbeitern) aus allen Kontinenten, das Erlebnis, mit Menschen in diesen geschundenen Regionen der Welt zu leben und vielleicht ein wenig geben zu können aus so reichen, Ich spürte die unglaubliche Dankbarkeit, dass wir da waren und helfen konnten, wo sonst niemand half.

Jemen 2009: Der Chirurg Clausjörg Walter bei der Nachsorge eines Patienten im Al Talh Krankenhaus. MSF bequemen Umständen heraus, in denen wir das Glück haben, leben zu dürfen. Inzwischen bin ich auch im Peer-Network* tätig, d.h. wir rufen alle, die im Projekt waren, einige Wochen nach ihrem Einsatz privat an und hören zu, welche Eindrücke bleiben und welche Probleme nach dem Einsatz aufgetreten sind. Im nächsten Jahr werde ich meine reguläre Arbeit vorzeitig beenden, um längere Einsätze machen zu können, es war immer viel zu kurz. *Das Peer Network setzt sich aus Mitarbeitern zusammen, die selbst bereits in Einsätzen waren. Diese speziell geschulten Kollegen rufen Projektmitarbeiter nach ihrer Rückkehr an und bieten in vertraulichen Gesprächen die Möglichkeit, über positive und negative Erfahrungen zu sprechen, die sich manchmal den Familien oder Freunden nur schwer vermitteln lassen. Jemen 2009 MSF

Name: Rita Malich Geburtsjahr: 1959 Beruf: Soziologin/Sozialpsychologin Einsätze: 7 Einsatzländer: Südsudan, Somalia, Sri Lanka, Indien, Haiti, Niger Positionen/Jobs bei ärzte ohne grenzen: Projektkoordinatorin, Finanzkoordinatorin Ich habe schon vor meinem ersten Einsatz mit ärzte ohne grenzen für einige Jahre in der Entwicklungszusammenarbeit gearbeitet. Als Soziologin und Sozialpsychologin habe ich mich schon immer für die Arbeit im Ausland interessiert. Der Kontakt mit Menschen aus anderen Kulturen war für mich immer spannend, lehrreich und sehr bereichernd. 2006 war ich wieder Single und so dachte ich, ich könnte auch wieder im Ausland arbeiten. Bei meinen Internetrecherchen stieß ich auf ärzte ohne grenzen. Damals wurden Projektkoordinatoren gesucht. Da ich im Projektmanagement Erfahrungen hatte, bewarb ich mich. Nach dem Vorstellungsgespräch nahm ich an einer Fortbildung teil, in der ich ärzte ohne grenzen kennenlernte und meine Kenntnisse als Projektmanagerin vertiefen konnte. Ich möchte nur für eine Organisation arbeiten, bei der ich mir treu bleiben und bei der ich meine Sichtweisen und Moralvorstellungen mit meinen beruflichen Tätigkeiten in Einklang bringen kann. Und ärzte ohne grenzen ist für mich eine solche Organisation, trotz oder gerade wegen all der Widersprüche, die es dennoch gibt. Ich schätze die Offenheit bei ärzte ohne grenzen, die mir immer den Raum gab, meine Vorstellungen und Meinungen einzubringen. Auch wenn ich sie nicht immer umsetzten konnte. Mein erster Einsatz war im Süden des Sudan nach dem Krieg, in einem Basisgesundheitsprogramm: eine Buschklinik mit einem ambulanten und einem stationären Bereich sowie drei Außenposten. Wir waren nur per Flugzeug erreichbar. Die Gegend wäre etwas für Afrika-Romantiker gewesen. Die Menschen und ihre Kultur waren faszinierend, es gab viel Natur, kein Beton und kein Plastik. Und auch mein Leben dort war sehr einfach: Abends saß das Team aus drei einheimischen und vier internationalen Mitarbeitern am Lagerfeuer, und nur wenn die Laptop-Batterien (die mit unserer kleinen Solaranlage geladen werden konnten) es mitmachten, konnten wir auch mal eine DVD anschauen. Der Anfang war für mich schwierig, da ich mich mit den medizinischen Aspekten der Arbeit erst vertraut machen musste. Doch auch das ging dank hilfsbereiter Krankenschwestern und Ärzte schnell vorüber. In anderen Bereichen wiederum konnte ich mit meinem Wissen auch die medizinische Seite unterstützen, zum Beispiel beim Erstellen von Statistiken. Und manchmal kann ein Ich schätze die Offenheit bei ärzte ohne grenzen, die mir immer den Raum gab, meine Vorstellungen und Meinungen einzubringen.

Indien 2010: Auch offizielle Anlässe wie die Jubiläumsfeier des Kala-Azar-Projektes gehören zu den Aufgaben von Projektkoordinatorin Rita Malich. MSF Nicht-Mediziner mit seinen dummen Fragen sogar für mehr Klarheit sorgen. Schon nach meinem ersten Einsatz habe ich mich mit ärzte ohne grenzen und den wichtigsten Grundsätzen stark identifiziert und mir war klar, dass ich weiter für diese Organisation arbeiten möchte. Schwierig fand ich zunächst noch die Vertragsunsicherheiten, doch auch das konnte ich später besser nachvollziehen: ärzte ohne grenzen ist eine Freiwilligenorganisation. Das sollte man wissen und verinnerlichen. Es folgten Einsätze in Somalia, Sri Lanka, Indien, Haiti und Niger. Kein Einsatz ist wie der andere, da sich die Projekte auch inhaltlich sehr unterscheiden: Basisgesundheitsversorgung, Behandlung von Cholera, Chirurgie, vernachlässigte Krankheiten, Mangelernährung... Die Arbeit im Projekt war jedes Mal eine Herausforderung auf verschiedenen Ebenen. Die jeweils unterschiedliche Situation der Menschen im Projektumfeld, die medizinische Arbeit selbst und die Dynamik im internationalen Team sorgen immer für ein interessantes, wenn auch nicht immer einfaches Leben. Hier in Deutschland habe ich meine Familie: Brüder, Schwägerinnen, Mutter, Freunde und meine Wohnung. Hier ist sozusagen meine Basis, mein Zuhause. Auch wenn dieses Zuhause im Ausland nur im Kopf erreichbar war, hat es mir sehr geholfen, mit schwierigen Situationen in den Einsatzländern klar zu kommen. Für mich war es wichtig, zwischen den Einsätzen hier zu sein, hier anzudocken, bei Familie und Freunden. Vor zwei Monaten habe ich ein Pflegekind aufgenommen. Die Kleine fordert mich nun jeden Tag und das ist auch eine tolle, wunderschöne Aufgabe. Zwar finde ich es schade, dass ich zurzeit nicht für ärzte ohne grenzen arbeiten kann, außer mal hier und da einen Vortrag zu halten oder einen Messestand zu betreuen, aber mein Herz schlägt immer noch für ärzte ohne grenzen.

Name: David Treviño Geburtsjahr: 1970 Beruf: ausgebildet als Architekt Einsätze: 15 Einsatzländer: Georgien, Tansania, Ruanda, Guatemala, Sierra Leone, Mexiko, Kenia, Indien, Pakistan, Honduras, Albanien, Kolumbien, Costa Rica, Tschad, Indonesien Positionen/Jobs bei ärzte ohne grenzen: Logistiker, Logistikkoordinator, Landeskoordinator, Logistic Advisor im Büro in Barcelona und Berlin Ich kannte die Organisation ärzte ohne grenzen schon lange, doch war ich immer davon ausgegangen, dass nur Ärzte dort arbeiteten. Deshalb war es für mich nie eine Option, mich dort zu bewerben, obwohl ich schon länger darüber nachgedacht hatte, im Umfeld der humanitären Hilfe zu arbeiten schon bevor ich an der Universität mein Architekturstudium begann. Ich erfuhr dann eher durch Zufall, dass ärzte ohne grenzen auch Menschen aus anderen Berufsfeldern sucht. Ich komme aus Barcelona, und da es dort auch ein Büro von ärzte ohne grenzen gibt, schaute ich dort einfach mal vorbei. Das war vor fast 20 Jahren und damals war es ein sehr kleines Büro in einer Wohnung in der Innenstadt. Bereits vier Tage nach diesem Vorstellungsgespräch befand ich mich ich auf dem Weg nach Georgien zu meinem ersten Einsatz. Im Osten des Landes sollte ich als Logistiker ein Projekt aufbauen. Das war im September 1993. Nur wenige Tage nach meiner Ankunft löste eine Kette von Ereignissen den georgischen Bürgerkrieg aus. Mein Projekt wurde abgebrochen, und nachdem ich dem Logistiker in der Hauptstadt eine Weile geholfen hatte, kehrte ich nach Hause zurück. Es war eine frustrierende Situation für mich, aber trotz der kurzen Zeit vor Ort war mir klar: Das ist genau das, was du tun willst. Als ärzte ohne grenzen mir einen zweiten Einsatz in Tansania anbot, um mit burundischen Flüchtlingen zu arbeiten, musste ich nicht lange nachdenken. Es klingt vielleicht seltsam, aber diese Arbeit holt das Beste aus mir heraus, ich durfte großartige Menschen kennenlernen und schloss Freundschaften, bei denen ich wusste, sie würden für immer halten. Die Arbeit mit ärzte ohne grenzen ist sehr intensiv. Viele engagierte Menschen kommen zusammen, um allen Widrigkeiten zum Trotz das Unmögliche möglich zu machen. Wir tun alles Notwendige, um Menschen, die alles verloren haben, medizinisch zu versorgen. Ich habe viele Dinge gelernt, und egal, wie lange ich diese Arbeit schon mache, gibt es immer wieder Neues, was mich herausfordert. Und ich treffe immer wieder neue Leute, die mich inspirieren. Im Projekt fühle ich mich in der Position als Logistiker am wohlsten. Man hat große Verantwortung: zum Beispiel für die Lieferung von Waren, einschließlich der Arzneimittel. Alles hängt von meinem guten Management ab. Gleichzeitig gehören zu meinen Aufgaben alle technischen Aspekte des Projekts, die nicht nur die tägliche Arbeit erleichtern, sondern auch das Leben in meist schwierigen Kontexten organisieren. Es ist eine solche Vielfalt an Aufgaben, dass ein Tag eigentlich nie wie der andere ist. Ständig jongliert man mit mehreren Bällen gleichzeitig und ich habe eine Weile gebraucht, um die Kunst des Prioritätensetzens richtig zu lernen. Mit jedem neuen Projekt wuchs ich mehr und mehr in die Organisation hinein, und 1998 arbeitete ich in der Einsatzzentrale im Büro in Barcelona: Ich unterstütze von dort aus einen Noteinsatz in Guinea Bissau. Danach habe ich noch einige kurze Noteinsätze Diese Arbeit holt das Beste aus mir heraus, ich durfte großartige Menschen kennenlernen und schloss Freundschaften, bei denen ich wusste, sie würden für immer halten.

Indien 2001: David Treviño bereitet einen mobilen Wassertank für die Befüllung vor. Nach einem Erdbeben benötigen Tausende Menschen sauberes Trinkwasser. MSF gemacht. Doch dann merkte ich, dass ich einen klaren Lebensmittelpunkt brauche vor allem wegen meiner Familie. Also habe ich mich für einen festen Job in der Einsatzzentrale beworben. Im Jahr 2000 ging ich nach Berlin, wo meine Frau lebt. Und da ärzte ohne grenzen ein internationaler Arbeitgeber ist, bewarb ich mich im Berliner Büro und hatte Glück. Heute arbeite ich dort als Logistischer Berater. Die Stelle ist toll: Sie erlaubt mir, das Beste aus beiden Welten zu verbinden: Auf der einen Seite habe ich eine feste Basis in Deutschland, wo meine Familie lebt und auf der anderen Seite reise ich weiterhin immer wieder zu Projektbesuchen und bleibe nahe am Geschehen. Die Projekte vom Büro aus zu unterstützen, ist herausfordernder, als es klingt. Der Abstand zu den Einsatzländern und die sich ständig ändernde Realität vor Ort macht es schwierig, aber es ist möglich. Darüber hinaus ermöglicht mir diese Position eine Art Vogelperspektive, einen Überblick über die vielen Projekte, die ärzte ohne grenzen betreibt, was sehr interessant ist. Ich bin sehr zufrieden mit meinem Job, doch wenn mir jemand im Jahr 1993 in Barcelona erzählt hätte, dass ich 20 Jahre später für ärzte ohne grenzen als fester Mitarbeiter arbeiten würde, ich hätte ihm nicht eine Sekunde geglaubt.

Name: Gudrun Jellinghaus Geburtsjahr: 1943 Beruf: Anästhesistin (im Ruhestand) Einsätze: 14 Einsatzländer: Sri Lanka, Elfenbeinküste, Liberia, Sierra Leone, Zentralafrikanische Republik, Demokratische Republik Kongo, Papua-Neuguinea, Sudan Positionen/Jobs bei ärzte ohne grenzen: Anästhesistin 1973 war ich auf einem Kongress, auf dem sich auch ärzte ohne grenzen vorstellte. Ich war sofort überzeugt, dass ich mit dieser Organisation arbeiten möchte, weil sie genau meinen Vorstellungen entsprach. Doch ich war beruflich und familiär zu sehr eingespannt, um ins Ausland zu gehen. Ich arbeitete in einem Krankenhaus in Wuppertal als Anästhesistin, wurde Oberärztin und leitete dann die Anästhesie. Und so vergingen fast 30 Jahre von meinem ersten Kontakt mit ärzte ohne grenzen bis zu meinem ersten Einsatz. Erst als ich in den Ruhestand ging, war ich so weit. 2001 war ich zum ersten Mal sechs Monate lang in Sri Lanka im Einsatz. Seitdem war ich 14 Mal für ärzte ohne grenzen unterwegs. Manchmal ein paar Wochen, doch immer wieder auch etliche Monate. Ich hatte ausreichend Berufserfahrung, war fit, frei und wollte noch etwas Sinnvolles in meinem Leben tun. Die meisten meiner Einsätze machte ich in Konfliktgebieten, in denen Operationen, die wir durchführen, über Leben oder Tod des Patienten entscheiden. Mein Beruf wird hier auf das Wesentliche zurückgeführt, das macht die Arbeit für mich sehr befriedigend. Neben Papua Neuguinea 2012: Ein Mitarbeiter klärt die Menschen über die Folgen sexueller Gewalt und die Behandlungsmöglichkeiten bei ärzte ohne grenzen auf. Basia Asztabska

Demokratische Republik Kongo 2012: Nach einem Gewaltausbruch fliehen die Menschen in die umliegenden Wälder. MSF der Arbeit direkt am Patienten macht mir die Fort- und Weiterbildung der einheimischen Kolleginnen und Kollegen großen Spaß. Ich habe immer wieder erlebt, wie nach einem langen Arbeitstag die Frage kam: Wir hatten heute noch keinen Unterricht, können wir noch ein wenig zusammen lernen? Und dann setzten wir uns bis spät abends zusammen und diskutierten uns die Köpfe und Herzen heiß. Mein Alter und meine Erfahrungen kommen mir da sehr zugute. Was ich bei all meinen Einsätzen ebenfalls sehr schätze, ist die Arbeit mit Menschen aller Altersstufen aus unterschiedlichen Ländern. Meist profitieren wir voneinander und haben auch viel Spaß. Ich habe eine sehr entspannte Rolle, da ich im Gegensatz zu den jüngeren Mitarbeitern nicht mehr an meine Karriere denken muss. Meine grauen Haare sind in vielen Ländern auch dann von großem Vorteil, wenn es darum geht, mit Autoritäten vor Ort zu diskutieren, um die Interessen der Patienten oder Mitarbeiter zu vertreten. Dank meines Alters durfte ich manches Mal kritische Meinungen äußern, die selbst die etwas jüngeren Projektverantwortlichen nicht zu sagen gewagt hätten. Ich wurde schon öfter gefragt, ob ich nicht auch administrative Aufgaben im Projekt übernehmen wolle. Dies und jede Projektkoordination habe ich abgelehnt. Ich möchte direkt am Patienten arbeiten, immer in engem Kontakt mit den jeweiligen einheimischen Kolleginnen und Kollegen stehen. So bin ich auch ganz nah dran an der Kultur der Menschen, an ihren Sichtweisen und Erlebnissen. Zwischen meinen Einsätzen zurück erzähle ich in Deutschland dann meinen Enkelkindern von dem Leben der Kinder, die ich in Afrika und Asien behandelt habe. Diese Abwechslung zwischen der Arbeit in den Projekten und dem familiären Leben hier in Deutschland genieße ich sehr. Leider stoße ich jetzt, mit fast 70 Jahren, auch an Grenzen. Doch noch bin ich gesund und plane schon meinen nächsten Einsatz. Mein Beruf wird hier auf das Wesentliche zurückgeführt, das macht die Arbeit für mich sehr befriedigend.