29/SN-113/ME XXIII. GP - Stellungnahme zum Entwurf elektronisch übermittelt 1 von 7 KARL - FRANZENS - UNIVERSITÄT GRAZ Institut für Österreichisches und internationales Unternehmens- und Wirtschaftsrecht ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard SCHUMMER Vorsitzender der Curricula-Kommission Rechtswissenschaften ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Universitätsstraße 15/C4, 8010 Graz tel. ++43 316 3803575 e-mail: gerhard.schummer@uni-graz.at Betrifft: Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008 (BMJ-B16.800/003-I 6/2007) Graz, am 27.9.2007 Namens der Curricula-Kommission Rechtswissenschaften der Universität Graz danke ich herzlich für die Einladung zur Stellungnahme zum Ministerialentwurf für ein Berufsrechts- Änderungsgesetz für Rechtsanwälte und Notare 2008. Wir beschränken uns in der Stellungnahme ausschließlich auf jene Punkte, die für Universitäten von unmittelbarer Bedeutung sind. Allgemeine Vorbemerkungen: Wir begrüßen ausdrücklich, dass auch der gegenständliche Ministerialentwurf eine Mindeststudiendauer von vier Jahren bzw 240 ECTS-Anrechnungspunkten für erforderlich ansieht, um in juristischen Kernberufen tätig werden zu können. Tatsächlich kann nur eine Mindeststudiendauer in diesem Ausmaß eine umfassende juristische Basisausbildung gewährleisten. Entgegen den Ausführungen im Allgemeinen Teil der Erläuterungen sind wir allerdings der Auffassung, dass sich aus 2 Z 5 UG sehr wohl die Verpflichtung ergibt, die Curricula so zu gestalten, dass ein Zugang zu den Kernberufen gewährleistet ist. Die in 2 Z 5 UG als leitender Grundsatz angeordnete Berücksichtigung der Erfordernisse der Berufszugänge ( 2 Z 5 UG ist eine Fortschreibung des 3 Z 10 UniStG 1 ; 3 UniStG legte die Grundsätze für die Gestaltung der Studien fest. Die Gesetzesmaterialien zu 3 Z 10 UniStG erläutern diesen Grundsatz folgendermaßen: Der Hinweis auf den Zugang zu Berufen dient der Sicherstel- 1 Martha Sebök, Universitätsgesetz 2002 2 (2003) 36. 1
2 von 7 29/SN-113/ME XXIII. GP - Stellungnahme zum Entwurf elektronisch übermittelt lung der berufsvorbereitenden Gestaltung der Studien, deren Absolvierung eine unmittelbare Voraussetzung für den Zugang zu den gesetzlich geregelten Berufen darstellen (zb Medizin, Rechtwissenschaften) 2. Unserer Auffassung ist aber danach zu differenzieren, ob es sich um ein universaljuristisches Studium oder ein Spezialstudium (zb Bachelorstudium Wirtschaftsrecht ) handelt. Ein universaljuristisches Studium ist so zu gestalten, dass der Zugang zu den gesetzlich geregelten Berufen gewährleistet ist 3. Bei einem nach den Bedürfnissen des Wirtschaftslebens ausgerichteten Spezialstudium besteht diese Verpflichtung freilich nicht. ZU ART I: ÄNDERUNGEN DER RECHTSANWALTSORDNUNG: Zu 2 Abs 3 Z 1: Wir geben wie schon in unserer Stellungnahme zum Vorentwurf zu bedenken, dass bei einem in Zukunft allenfalls zulässigen 4-jährigen Bachelorstudium mit einem nachfolgenden 1-jährigen Master-Studium die Hälfte des Masterstudiums anrechenbar ist. Entscheidet sich eine Universität für die Beibehaltung des rechtswissenschaftlichen Diplomstudiums mit einem nachfolgenden Doktoratstudium, so kann nur ein kleiner Teil des Doktoratstudiums angerechnet werden. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass nach 124 Abs 15 UG ab dem Studienjahr 2009/2010 eine Zulassung zu einem Doktoratstudium, dessen Mindestdauer weniger als drei Jahre beträgt, nicht mehr erfolgen darf. Ein Doktoratstudium könnte daher nur zu einem Sechstel angerechnet werden. Es ist folglich zu überlegen, ob diese Ungleichgewichtung bei der Anrechnung der Studien gewünscht ist. 2 EB 588 BlgNR 20.GP 61. 3 Siehe Sebök 2 Z 5: Wären in einem von der Curricula-Kommission erarbeiteten Curriculum die für die Berufsvorbereitung zu einem gesetzlich geregelten Beruf erforderlichen Fächer nicht enthalten, müsste der Senat diesem die Genehmigung versagen. 2
29/SN-113/ME XXIII. GP - Stellungnahme zum Entwurf elektronisch übermittelt 3 von 7 Zu 3 Abs 1: Die Curricula-Kommission Rechtswissenschaften der Universität Graz vertritt die Auffassung, dass auch zukünftig nur ein universaljuristisches Studium eine Basisausbildung mit einer entsprechenden Breite und Tiefe gewährleisten kann, die zur Ausübung eines juristischen Kernberufes befähigt. Wir geben aber zu bedenken, dass bei einem Patchwork-Studium die Gefahr besteht, dass die erforderliche ECTS-Anrechungspunktezahl in einem Wissensgebiet durch Kumulation von Basiswissen vermittelnden Fächern erreicht werden könnte. Eine formale Prüfung, ob in mehreren Studien die nach dem Berufsrecht erforderliche ECTS- Anrechnungspunkteanzahl erreicht wurde, garantiert nicht die inhaltliche Qualität des Wissensgebietes. Außerdem ist zu bedenken, dass zwar die Bachelor- und Masterstudien an einer Universität inhaltlich abgestimmt sind und in beiden Studien daher ein Wissensgebiet entsprechend vertiefend behandelt wird. Da die Studierenden nicht gehindert sind, das Bachelorstudium an der Universität A, das Masterstudium aber an der Universität B zu absolvieren, ist nicht garantiert, dass ein Masterstudium auf einem zuvor absolvierten Bachelorstudium aufbaut. Unserer Auffassung nach sollte daher die ECTS-Anrechnungspunkteanzahl so wie es auch der Vorentwurf vorgesehen hat in einem Studium erreicht werden. Zu 3 Abs 2: Bezüglich 3 Abs 2 des Entwurfs regen wir eine Straffung der Formulierung an, um eine wiederholte Verwendung des Begriffs österreichisch zu vermeiden. Dies könnte erreicht werden, indem in 3 Abs 1 generalklauselartig hervorgehoben wird, dass sich der Schwerpunkt des Studiums auf das österreichische Recht zu beziehen hat. Vorgeschlagen wird folgende Formulierung: Das zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche rechtswissenschaftliche Studium, in dem das österreichische Recht einen besonderen Schwerpunkt bildet, ist an einer Universität abzulegen und mit einem rechtswissenschaftlichen akademischen Grad abzuschließen. Die Mindeststudiendauer hat wenigstens 4 Jahre zu betragen. Sollte unserer Anregung gefolgt werden, wäre auch die Formulierung in 2 Abs 3 Z 1 und 2 Abs 4 erster Satz zu ändern und der Begriff österreichisches Recht zu eliminieren. Weiters sollte in 3 Abs 2 Z 1 eine Trennung zwischen den Wissensgebieten Grundlagen des Rechts und Völkerrecht vorgenommen werden. Das Völkerrecht ist ein eigenes Wissensgebiet und sollte daher auch gesondert im Wissensgebietekatalog angeführt werden; 3 3
4 von 7 29/SN-113/ME XXIII. GP - Stellungnahme zum Entwurf elektronisch übermittelt Abs 2 wäre daher um eine Zahl zu erweitern. Völkerrecht könnte als Z 9 eingefügt werden, der Arbeitsaufwand hiefür sollte mit (zumindest) 5 ECTS-Anrechnungspunkten festgelegt werden. Für die Grundlagen des Rechts erscheinen 15 ECTS-Anrechnungspunkte als Untergrenze ausreichend. Wie schon in unserer Stellungnahme zum Vorentwurf ausgeführt sind wir weiterhin der Auffassung, dass Kenntnisse über die Wissensgebiete Finanzwissenschaften und Volkswirtschaftslehre für die Ausübung des Berufes des Anwalts oder Notars nicht unbedingt erforderlich. Bezüglich des Wissensgebietes Betriebswirtschaftslehre wäre vorstellbar, es mit 3 ECTS-Anrechnungspunkten im Katalog des 3 Abs 2 aufzunehmen. Die in 3 Abs 2 festgelegte doppelte Schranke (150 und 200 ECTS-Anrechnungspunkte) erscheint überflüssig. Da es sich ohnedies um ein rechtswissenschaftliches Studium handeln muss, ist es unserer Auffassung nach ausreichend, wenn der Arbeitsaufwand für die in 3 Abs 2 angeführten Wissensgebiete mit 200 ECTS-Anrechnungspunkten festgelegt wird. Zu 3 Abs 3: Dieser Absatz ist entbehrlich, weil die Frage der Anrechenbarkeit von Prüfungen, die an einer anderen in- oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung abgelegt wurden, in 78 UG geregelt ist. Es handelt sich dabei um rein studienrechtliche Fragen, die im Berufsrecht keiner Regelung bedürfen. Zu 3 Abs 4: Das Wort österreichisches kann gestrichen werden, wenn in 3 Abs 1 generalklauselartig hervorgehoben wird, dass das österreichische Recht einen besonderen Schwerpunkt im Studium bilden muss. Zu 3 Abs 5: Wir begrüßen diese Bestimmung (vgl bereits den Bescheid des Studiendirektors der KFUG, vertreten durch die Studiendekanin der Rechtswissenschaftlichen Fakultät vom 4.12.2006, GZ 31/35/Be ex 2005/06 sowie die Berufungsentscheidung des Senates der KFUG vom 28.6.2007, GZ 39/4/52 ex 2006/07), schlagen aber eine geänderte Formulierung vor. Gemeint ist wohl, dass ein in einem anderen Mitgliedstaat der EU bzw in einem anderen Mitgliedstaat 4
29/SN-113/ME XXIII. GP - Stellungnahme zum Entwurf elektronisch übermittelt 5 von 7 des EWR bzw der schweizerischen Eidgenossenschaft von welchem Staatsangehörigen auch immer abgelegtes und mit einem rechtswissenschaftlichen akademischen Grad abgeschlossenes Studium nur bei Gleichwertigkeit den Erfordernissen nach 3 Abs 1 entspricht. Im Allgemeinen Teil der Erläuterungen zu diesem Absatz ist auf eine Unrichtigkeit hinzuweisen. Auf der dritten Seite findet sich im Zusammenhang mit der Nostrifizierung folgender Satz: Gegen die Entscheidung der in Angelegenheiten der Nostrifizierung regelmäßig zuständigen Studienkommission ist aber (jedenfalls derzeit) nur die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig, der die Entscheidung nur kassieren, nicht aber nach eigener inhaltlicher Prüfung entscheiden kann. Wir weisen darauf hin, dass nach 90 Abs 3 UG die Nostrifizierung vom für studienrechtliche Angelegenheiten zuständigen Organ mit Bescheid auszusprechen ist. Als zweite Instanz in studienrechtlichen Angelegenheiten fungiert der Senat ( 25 Abs 1 Z 12 UG). ZU ART II: ÄNDERUNGEN DER NOTARIATSORDNUNG: Unsere Vorschläge und Anregungen zu 3 RAO gelten sinngemäß auch für die entsprechenden Bestimmungen der NO. ZU ART III: ÄNDERUNG DES BERUFSPRÜFUNGS-ANRECHNUNGSGESETZES Die in 5 Abs 3 leg cit angeordnete Bestellung der Prüfungskommissäre aus dem Kreis der Universitätsprofessoren durch die Rektorenkonferenz erscheint praxisfremd. Weiters ist zu bedenken, dass bei der Bestellung überwiegend Organe von Universitäten ohne Rechtswissenschaftliche Fakultäten mitwirken, sodass auch die fachliche Kompetenz der Rektorenkonferenz bezweifelt werden darf. Zu Art XVII: In-Kraft-Treten, Übergangsbestimmungen und Vollziehung Gemäß 7 ist unter anderem 3 des Art I sowie 6a des Art II erst auf rechtswissenschaftliche Studien anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2007 begonnen werden. Die neuen Bestimmungen kommen daher bereits mit Beginn des Sommersemesters 2008 zum Tragen. Die Erläuterungen führen dazu aus, dass Studenten, die die Ausbildung zu einem der klassischen Rechtsberufe anstreben, [ ] bereits zu Beginn des Studiums Klarheit darüber erlangen 5
6 von 7 29/SN-113/ME XXIII. GP - Stellungnahme zum Entwurf elektronisch übermittelt können sollen, ob das von ihnen gewählte Studium den Anforderungen des 3a RAO bzw 6a NO entspricht. Dies kann unserer Auffassung nach nur erreicht werden, wenn die Pflichtstunden in einem Curriculum die Kriterien des 3 Abs 2 RAO nf bzw 6a Abs 2 NO nf erfüllen. Dies wäre etwa beim gegenwärtig geltenden Studienplan in Graz nicht der Fall, weil zb in den Fächern Unternehmensrecht und Zivilverfahrensrecht weniger ECTS- Anrechnungspunkte vorgeschrieben sind als in den genannten Bestimmungen der RAO bzw NO. Die Studierenden, die in einem juristischen Kernberuf tätig sein wollen, müssten mittels Belegung entsprechender Wahlfächer den individuellen Nachweis über die angemessenen Kenntnisse aus dem Fächerkanon des 3 Abs 2 RAO nf bzw 6a NO nf erbringen. Es kann unserer Auffassung nach den Studierenden nicht zugemutet werden, in Eigenverantwortung ihre Wahlfächer, freien Wahlfächer und Wahlpflichtkurse so zu wählen, dass die Zugangsvoraussetzungen zum Beruf des Rechtsanwaltes oder Notars erfüllt werden. Abgesehen vom hohen Verwaltungsaufwand bei der individuellen Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen ist zu bedenken, dass viele Studierende am Beginn und im Verlauf des Studiums noch nicht wissen, ob sie später einen klassischen Rechtsberuf ausüben wollen. AbsolventInnen, die sich zb erst im Laufe des Gerichtsprakikums dazu entschließen, sollen nicht durch Defizite aus dem bereits abgeschlossenen Studium gehindert sein, diesen Beruf auch zu ergreifen. Daher sollte das Curriculum unserer Auffassung nach die Erfordernisse des 3 Abs 2 RAO nf bzw 6a NO nf erfüllen, sodass alle StudienanfängerInnen tatsächlich Gewissheit haben, dass die Absolvierung des Studiums den Zugang zu den juristischen Kernberufen ermöglicht. Bei der Änderung des bestehenden Studienplans sind Verfahrensabläufe und Fristen einzuhalten. Eine Umstellung der Curricula bis zum Beginn des SS 2008 ist ausgeschlossen. Weiters geben wir zu bedenken, dass voraussichtlich für das erste Halbjahr 2008 eine Novelle des UG zu erwarten ist, die für die Gestaltung neuer Studienpläne nach dem Bologna-Modell von essentieller Bedeutung sein dürfte. Daher erscheint eine Änderung bestehender Curricula vor In- Kraft-Treten der UG-Novelle 2008 nicht sinnvoll. Unserer Auffassung nach sollte 3 des Art I und 6a des Art II gemeinsam mit den neuen Bestimmungen über das Doktoratstudium ( 54 Abs 4 UG ivm 124 Abs 15 UG) erst mit Beginn des Studienjahres 2009/2010 in Kraft treten. 6
29/SN-113/ME XXIII. GP - Stellungnahme zum Entwurf elektronisch übermittelt 7 von 7 Namens der Curricula-Kommission ersuche ich höflich um Berücksichtigung unserer Vorschläge bzw Anregungen und verbleibe mit freundlichen Grüßen ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Schummer 7