Ein Jahr geht zu Ende. Ich weiß nicht wie es Ihnen geht, mir kommt es immer so vor als sei dieses Jahr schneller vorüber gegangen als das vorherige. Jedes Jahrzehnt scheint kürzer als das zurückliegende. Wie angefüllt mit neuen Erfahrungen ist das Leben in den ersten zehn Jahren. Zum ersten mal im Kindergarten, der erste Schultag, der erste Schulwechsel. Wann habe ich endlich wieder Geburtstag wann ist endlich wieder Weihnachten, denken die Kinder und können es gar nicht erwarten. Später warten die Jugendlichen, dass sie möglichst bald erwachsen werden und selbst entscheiden können. Und dann im jungen Erwachsenenalter fallen die Entscheidungen, die das ganze spätere Leben bestimmen. Womit verdiene ich meinen Lebensunterhalt, mit welchem Partner, welcher Partnerin gründe ich eine Familie. Der Raum der scheinbar unendlichen Möglichkeiten, der Platz für Träume vom ganz großen Erfolg vom großen Durchbruch weicht allmählich der Realität, weicht dem Alltag. Der Lebensunterhalt muss jetzt wirklich verdient werden, und mit den eigenen Kindern wächst die Verantwortung. Spätestens jetzt, wird sie spürbar, die Beschleunigung der Zeit. Kaum sind die Kinder ihren Windeln entwachsen, schicken sie sich an selbst erwachsen zu werden und das Haus schon wieder zu verlassen. Die Einschulung und die Konfirmation sind schon kleine Abschiede von den eigenen Kindern. Im Einschulungsgottesdienst und bei der Einsegnung können wir das spüren, da ist neben Stolz der Eltern auch ein Stück Traurigkeit. Die Schöne Zeit, als die Kinder noch klein waren, als sie noch wirklich Kinder waren, sie ist vorbei und kommt nicht mehr zurück. Wenn ich auf mein eigenes Leben zurückschaue, dann kommt es mir so vor, als sei das letzte Jahrzehnt schneller vorbeigegangen als die davor. Und das nächste, das zwischen 50 und 60 ist im kommenden Jahr auch schon wieder zur Hälfte um. Je älter wir werden, desto deutlicher wird uns: Unsere Zeit ist begrenzt. Ein Beispiel dafür ist die Eintagsfliege, was eine kurze Lebensdauer, nur ein Tag! 1
Aber betrachten wir unser Leben in der Erdgeschichte. Da sind Milliarden Jahre vergangen in denen es kein Leben und schon gar kein menschliches Leben auf der Erde gab. Vergleicht man die Erdgeschichte mit einer Uhr die 24 Stunden läuft, dann gibt es das Leben erst seid 5 Minuten vor Mitternacht, das menschliche Leben erst seid einer Minute vor Mitternacht und die Zivilisation, so wie wir sie kennen besteht erst seid einigen Sekunden. Eine kleine Geschichte kann uns das veranschaulichen: Stellen sie sich folgende Szene vor. Ein Mann sitzt vor seinem Aquarium und schaut den Fischen bei ihrem Treiben zu. Das Aquarium ist sein Hobby, er liebt seine Fische. Fasziniert beobachtet er, wie ein Fisch geboren wird, ein Guppy, wunderschön mit schillernden Farben. Der winzige Fisch ist so schön, das unser Aquariumsbesitzer beschließt seinem neuen Guppy einen Namen zu geben, er nennt ihn Manfred. Kaum ist das geschehen, schwimmt ein anderer großer Fisch daher und schwup hat er Manfred verschluckt. Noch viel kürzer als unsere Eintagsfliege hat dieser Guppy gelebt. Es waren nur wenige Sekunden. Niemand hätte das bemerkt, wäre da nicht unser Aquariumsbesitzer gewesen, der eben diesem Guppy den Namen Manfred gegeben hatte. Was lehrt uns das? Sollten wir in Zukunft vermeiden unseren Haustieren Namen zu geben, damit wir nicht um sie trauern müssen? Ist an dieser Geschichte irgendetwas tröstliches? Ich meine ja: Ich möchte es einmal so sagen: Wir sollten uns selbst nicht für zu wichtig nehmen. Nicht, das der Aquariumsbesitzer dem Fisch den Namen Manfred gibt ist entscheidend, etwa in der Weise: Oh, was bin ich für ein toller Fisch, weil mein Aquariumsbesitzer mir den Namen Manfred gegeben hat, viel toller, viel besser als die anderen Fische, die einfach nur Guppys sind 2
Sondern viel wichtiger ist: Wo kommt der kleine Guppy her und wo geht er wieder hin? Er kommt, so möchte ich sagen, aus einem viel größeren Ganzen und geht da auch wieder hin. In diesem größeren Ganzen sind wir alle miteinander verwoben, die Menschen, die Tiere, die Erde, der ganze Kosmos. Paulus hat das einmal so ausgedrückt: der ganze Kosmos, die ganze belebte Natur, die seufzt sie stöhnt, sie atmet. Er schreibt: Im Römerbrief im 8. Kapitel: Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung mit uns seufzt und sich ängstet. Im ganzen 8. Kapitel, geht es um die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens, des Lebens im Fleisch, wie Paulus das nennt. Die Schöpfung seufzt mit uns und ängstigt sich: Damals wie heute war das Leben der Menschen auch von Angst geprägt: Die Menschen hofften damals auf die Wiederkunft Christil, der sie von allen Leiden erlösen sollte. Eine Stelle in der Bibel erzählt davon, das die Wiederkunft Christi geschehen soll in der Zeit, in der die ersten Jünger Jesu noch am Leben sind. Die Erfahrung aber zeigte, das die Generation, die Jesus noch persönlich gekannt hatte, am aussterben war. Einige der berühmtesten Apostel waren bereits verstorben, andere schon sehr alt. Paulus wird nicht müde, der Gemeinde im Rom zu erklären, das nicht das Leben im Fleisch, wie er es ausdrückt, das entscheidende ist, sondern das Leben im Geist. Er schreibt: 14 Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. 16 Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind. 17 Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi 3
Dieser Hinweis auf den Geist, macht deutlich, das wir und mit uns die ganze Schöpfung in diesem viel größeren Zusammenhang stehen. Ich möchte es noch mal an dem Guppy verdeutlichen: Der Mann vor dem Aquarium betrachtet nur einen winzigen Augenblick im Leben dieses kleinen Fisches: Den Augenblick in dem er geboren wird und den Augenblick wenn er gefressen wird unmittelbar danach. Dieser kleine Fisch und wir selbst, sind Teil eines viel größeren Ganzen. Paulus würde es das Leben im Geist nennen. Es beginnt lange bevor wir geboren werden und es hört nicht auf wenn unser Leben auf der Erde zu Ende geht. Wir sind und bleiben Gottes Kinder. Wir sind und bleiben Teil seiner Schöpfung, genauso wie alles andere, was lebt. Dass wir zu dieser Familie Gottes gehören, ist viel wichtiger als dass wir Manfred oder irgendwie sonst heißen. Nicht unsere Leistungen sind entscheidend, nicht unser guter Namen, sondern dass wir zu einer Familie gehören, das wir Gottes Kinder sind. Wir waren schon die Kinder Gottes, lange bevor wir das Licht auf dieser Welt erblickt haben. Und wir bleiben Gottes Kinder, wenn unsere irdische Uhr abgelaufen ist. Wir waren sind und bleiben aufgehoben in Gottes Hand. Das ist die Botschaft von der Gotteskindschaft und dem Leben im Geist. Wenn wir uns in unserem Bewusstsein diesem Leben im Geist öffnen, dann kann uns das auch hier schon auf Erden schon so manche Angst nehmen. Wenn wir aus dieser umfassenden Perspektive auf unser Leben blicken, aus der Perspektive Gottes, der die ganze Schöpfung, Milliarden von Jahren und unendliche Räume im Kosmos im Blick hat, dann scheint die Zeit stehen zu bleiben. Das ist ungefähr so, wie wenn wir auf einen Gletscher blicken. Das Eis scheint zu ruhen genauso wie die Felsen, die rings um aufragen. Wir wissen, das sich beides, das Eis, wie auch die Felsen sich bewegen in der Zeit. Das Eis fließt zu Tal wie ein Fluss nur langsamer, für unser Auge nicht erkennbar, und die Berge türmen sich immer noch auf und werden gleichzeitig von der Witterung abgetragen. 4
Das wünsche ich ihnen, das sie mit diesem Blick der Ruhe, der auch Augen für das Schöne hat auf ihr eigenes Leben und auf das Leben ihrer Mitmenschen schauen können. Wir sind alle in einem großen Strom unterwegs, wie ein großer Fluss der ruhig dahin fließt. Es kommt nicht darauf an möglichst schnell irgendwo anzukommen, mit der Strömung kommen wir alle an. Und wenn die Sonne uns als kleine Tröpfchen verdunsten lässt, kommen wir mit dem nächsten Regen wieder zurück in den großen Fluss. Oder wie Paulus es sagen würde: Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind und bleiben Gottes Kinder. Liebe Gemeinde, Es ist gut am Ende eines Jahres einen Augenblick innezuhalten, nachzudenken und zur Ruhe zu kommen. Vielleicht können sie etwas mitnehmen aus diesem Gottesdienst, das sie innerlich ruhiger macht. Etwas, was sie besser davor schützt im neuen Jahr wieder in innere Unruhe und ängstliche Betriebsamkeit zu verfallen. Wir sind und bleiben Gottes Kinder, wir leben hier auf der Erde und die ganze Schöpfung seufzt mit uns, aber dieses Leben ist nur ein kleiner Ausschnitt der großen Schöpfung Gottes in der wir aufgehoben sind und aufgehoben bleiben. Das gilt auch für die, von denen wir im zurückliegenden Jahr Abschied nehmen mussten. Das gilt für die Kinder und Jugendlichen, die wir auf ihrem Weg ins Leben begleiten und das gilt für uns selbst, die wir oft ängstlich und traurig und kleinmütig sind: Der Geist Gottes kann uns Mut schenken und aufrichten: Noch einmal die Worte des Apostel Paulus: (Römer 8) 14 Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. 16 Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind. 17 Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, Amen 5