30.07.2004. I. Allgemeine Bewertung des Empfehlungsentwurfs



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Transkript:

30.07.2004 Stellungnahme zum Empfehlungsentwurf des Unterausschusses DMP des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Anforderungen an das DMP Diabetes mellitus Typ 2 I. Allgemeine Bewertung des Empfehlungsentwurfs Im Hinblick auf die Gewichtung und systematische Einbeziehung von psychologischen Randbedingungen und verhaltensbezogenen Faktoren sowie der erhöhten Komorbidität krankheitswertiger psychischer Störungen, die auf den Krankheitsverlauf von Diabetes mellitus Typ 2 Einfluss nehmen, weist der vorliegende Empfehlungsentwurf nur eine geringfügige Weiterentwicklung im Vergleich zu den vorausgegangenen Empfehlungen des Koordinierungsausschusses auf. - Die Anforderungen an die Schulungsprogramme bleiben nach wie vor auf den Nachweis von einschlägigen Wirksamkeitsbelegen beschränkt, anstatt sie in Übereinstimmung mit dem Forschungsstand (vgl. 10, 11) inhaltlich auszudifferenzieren. - Die unter 1.7.3 neu erfolgte explizite Erwähnung der Depression greift den gesicherten Forschungsstand über die erhöhte Auftretenswahrscheinlichkeit von affektiven Störungen und deren negativen Einfluss auf den Verlauf bei Diabetes mellitus Typ 2 auf. Durch die fehlende Benennung der Relevanz von Angst- und Essstörungen sowie von maladaptiven Krankheitseinstellungen und Bewältigungsmustern wird deren hinreichend belegter negative Einfluss auf den Verlauf des Diabetes mellitus Typ 2 (vgl. 3, 9, 10) aber nicht adäquat berücksichtigt. Auch im Hinblick auf den empirischen Befund einer unzureichenden diagnostische Sensitivität für psychische Störungen in der primärärztlichen Versorgung (vgl. 12, 17,18) ist diese Auslassung bedenklich. - Weiter machen die zunehmende Verbreitung des Diabetes mellitus Typ 2 im Kindesund Jugendalter (vgl. 3) und die ggf. eingeschränkten kognitiven Voraussetzungen von Diabetes-Patienten im höheren Alter (vgl. 8) altersbezogene Differenzierungen hinsichtlich der medizinischen und psychologischen Diagnostik und der daraus abzuleitenden Behandlungsoptionen im Rahmen des DMP erforderlich, was ebenfalls nicht in den Entwurf eingegangen ist. - Dem Entwurf ist ebenfalls nicht zu entnehmen, inwiefern Änderungen an dem Datensatz der Dokumentation vorgesehen sind. Neben Alter und Geschlecht werden bisher in der Erst- und Folgedokumentation nur der Raucherstatus und die Teilnahme an einer Schulung als nicht-medizinische Variablen erfasst. Etwa vorhandene psychische Störungen und die Überweisung bzw. Inanspruchnahme einer fachpsychotherapeutischen Behandlung sind nicht zu dokumentieren. Damit kann im Rahmen der vorgesehenen Evaluation der Einfluss derartiger Variablen auf das Behandlungsergebnis nur durch aufwendige Zusatzerhebungen methodisch kontrolliert werden, was eine wissenschaftlich adäquate Bewertung der

2 Zielerreichung des DMP und eine differentielle Kosten-Nutzen-Analyse der Behandlungskomponenten erschwert bzw. aus forschungsökonomischen Gründen (finanzieller Mehraufwand für die Zusatzerhebungen) u.u. unmöglich macht. Für eine rational begründete Optimierung des DMP Diabetes mellitus Typ 2 wäre dies allerdings unerlässlich. Eine Korrektur der aufgezeigten strukturellen Defizite des Empfehlungsentwurfs erscheint dringend, wenn die zweite Generation des DMP Diabetes mellitus Typ 2 die angestrebte Qualitätsverbesserung in der Versorgung erreichen soll. Wie die Erfahrungen bei der Umsetzung der ersten Generation zeigen, werden insbesondere die in Übereinstimmung mit dem Forschungsstand unverzichtbaren psychosozialen Versorgungskomponenten entgegen den Intentionen des Verordnungsgebers im Vertragsgeschäft erheblich vernachlässigt. Dies ist nicht zuletzt auf unpräzise bzw. unzureichend differenzierte Vorgaben auf der Verordnungsebene hinsichtlich der psychosozialen Versorgungskomponenten und deren erforderliche Vernetzung mit der medizinischen Behandlung zurückzuführen. Mit den folgenden detaillierten Korrekturvorschlägen soll diesen Defiziten abgeholfen werden. II. Detailvorschläge zur Optimierung des Empfehlungsentwurfs Zu 1.3.1 Therapieziele Neueinfügung e. Vermeidung negativer psychosozialer Konsequenzen der Erkrankung Die Einfügung dieses 5. Therapieziels trägt dem Sachverhalt Rechnung, dass eine Erkrankung an Diabetes mellitus Typ 2 mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer krankheitswertigen psychischen Störung verbunden ist bzw. ein erhöhtes Risiko für Arbeitsund Berufs-unfähigkeit (vgl. 9,10) nach sich zieht. Die Vermeidung derartiger Konsequenzen ist in erster Linie für den Betroffenen, aber auch angesichts der damit verbundenen gesamtgesellschaftlichen Krankheitsfolgekosten von erheblicher Bedeutung (vgl. 16). Die explizite Benennung dieses Therapieziels sollte deshalb für das DMP Diabetes mellitus Typ 2 selbstverständlich sein. Die explizite Aufnahme dieses Therapieziels wird zudem die unerlässliche interdisziplinäre Vernetzung der medizinischen Behandlung mit psychologischpsychotherapeutischen Versorgungskomponenten fördern. Zu 1.4 Basistherapie Neueinfügung 1.4.1 Selbstmanagementschulung Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 erhalten Zugang zu einer Selbstmanagementschulung. Bei der Schulung müssen die motivationalen und kognitiven Voraussetzungen der Patienten, der Stand der Erkrankung und die dafür erforderliche Behandlung, spezielle Problemsituationen und die Prognose der Behandlung berücksichtigt werden. Entsprechend dem Wissensstand sowie den Bedürfnissen der Patienten ist eine Grund-, Aufbau-, Wiederholungs- oder problemspezifische Schulung anzubieten.

3 Die unter 1.4.1 bis 1.4.4 (alte Nummerierung) aufgeführten Schulungsinhalte sind zweifellos von Bedeutung für das DMP. Sie lassen aber das zentrale Ziel einer Selbstmanagementschulung außer acht, den Patienten die Überzeugung zu vermitteln, dass sie befähigt und in der Lage sind, durch die Anpassung ihres Lebensstils bzw. ihre Lebensgestaltung positiv und dauerhaft auf den Krankheitsverlauf einwirken zu können (vgl. 9,10). Dazu reicht eine auf Wissensvermittlung und Selbstbeobachtung angelegte Schulungsdidaktik, wie sie unter 1.4.1 bis 1.4.4 (alte Nummerierung) angelegt ist, nicht aus (vgl. 11). Notwendig ist dagegen ein patientenzentriertes Vorgehen, bei dem die persönlichen Voraussetzungen der Patienten und deren aktuelle Lebenssituation ebenso mit einzubeziehen sind wie deren aktive Beteiligung bei der Entwicklung von adaptiven einstellungs- und verhaltensbezogenen Veränderungszielen. Methodisch stützt sich dieses Vorgehen auf evidenzbasierte Techniken der Verhaltensmodifikation bzw. Verhaltenstherapie, die auch eine aktive Unterstützung bei dem Transfer der Schulungsinhalte in den Lebensalltag der Patienten ermöglichen (vgl. 11). Aufgrund ihrer übergeordneten Bedeutung sollte eine solche Selbstmanagementschulung als vorrangige Basistherapie in den Empfehlungen aufgeführt werden. Da die motivationalen Anforderungen für ein effektives Selbstmanagement in Abhängigkeit von den kognitiven Voraussetzungen der Patienten, deren Lebensalter und zwischenzeitlich eintretenden kritischen Lebensereignissen sowie dem Stadium der Diabeteserkrankung variieren können (vgl. 3,8,9), sind im Rahmen des DMP entsprechend differenzierte Selbstmanagementschulungsangebote vorzuhalten, die eine Mehrfachinanspruchnahme von Seiten der Patienten ermöglichen. Weiter ist in Abhängigkeit vom Lebensalter der Patienten eine Beteiligungsmöglichkeit der Erziehungsberechtigten (vgl. DMP Diabetes mellitus Typ 1) bzw. von Familienangehörigen oder Betreuungspersonen bei Patienten im höheren Lebensalter vorzusehen (vgl. 3,8). Eine effiziente Durchführung von Selbstmanagementprogrammen setzt eingehende Kenntnisse und Erfahrungen in der Verhaltensmodifikation und Psychodiabetologie voraus. Neben der Anforderung einschlägiger Wirksamkeitsbelege für derartige Schulungsprogramme sollten daher auch entsprechende Qualifikationsvoraussetzungen für die Leiter der Schulungen im Rahmen des DMP festgelegt werden (vgl. 11). Zu 1.5 Blutglucosesenkende Therapie Bei den hier aufgeführten Wirkstoffen zur blutglucosesenkenden Behandlung blieb unberücksichtigt, dass z.t. noch keine Zulassungen für Kinder und Jugendliche vorliegen. Zu 1.7.1.1.1 Arterielle Hypertonie bei Diabetes mellitus Typ 2: Definition und Diagnosestellung Bei Kindern und Jugendlichen sind die Hypertoniekriterien durch altersbezogene Werte (Altersperzentile) zu ersetzen (vgl. 3). Zu 1.7.1.1.3.4 Medikamentöse Maßnahmen bei Hypertonie Bei Kindern und Jugendlichen ist zu berücksichtigen, dass nicht alle aufgeführten Antihypetensiva für Kinder und Jugendliche zugelassen sind (vgl. 3). Auch im Hinblick auf junge Frauen mit Kinderwunsch sollte vermerkt werden, dass hier eine Kontraindikation besteht. Zu 1.7.2.3 Diabetische Retinopathie

4 Bei Kindern und Jugendlichen ist das augenärztliche Retinopathiescreening auch ohne pathologischen Netzhautbefund jährlich durchzuführen (vgl. 3). Neueinfügung nach 1.7.2.5: 1.7.2.6 Krankheitswertige psychische Störungen Diabetiker können als Reaktion auf den Erkrankungsverlauf eine krankheitswertige psychische Störung entwickeln. Insbesondere im Hinblick auf depressive Störungen, Angstund Essstörungen ist mit nachteiligen Konsequenzen für die Diabetesbehandlung zu rechnen. Zur Frühidentifikation von psychischen Auffälligkeiten ist vom DMP-Arzt im jährlichen Abstand ein standardisiertes psychometrisches Screening bei Erwachsenen mit dem Patient Health Questionnaire (deutsche Version) durchzuführen. Wird dabei ein Referenzwert für eine klinisch relevante Auffälligkeit erreicht, ist dem Patienten zu empfehlen, eine differential-diagnostische Abklärung bei einem Psychotherapeuten vorzunehmen. Bei Kindern und Jugendlichen ist ein jährliches psychometrisches Screening auf der Grundlage der Child Behavior Checklist (CBCL; deutsche Version) vorzunehmen. Wird dabei eine klinisch relevante Auffälligkeit festgestellt, ist dem Patienten bzw. den Erziehungsberechtigten zu empfehlen, eine differentialdiagnostische Abklärung bei einem Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten durchzuführen. Zur Überprüfung einer Demenzdiagnose bei Patienten im höheren Lebensalter ist ein jährliches Screening des mentalen Status vorzusehen. Unter den im Abschnitt 1.7.1 aufgeführten Begleit- und Folgekrankheiten werden keine krankheitswertigen psychischen Störungen aufgeführt. Insbesondere im Hinblick auf depressive Störungen liegt belastbare Evidenz vor, dass bei Diabetes Typ 2-Erkrankungen mit einer erhöhten Auftretenswahrscheinlichkeit und mit negativen Folgen für den Verlauf der Diabeteserkrankung zu rechnen ist (vgl. 2,4,6). Bei Angst- und Essstörungen ist die Befundlage hinsichtlich einer erhöhten Komorbidität bei Diabetes mellitus Typ 2 gegenwärtig noch nicht gefestigt, die negativen Konsequenzen dieser psychischen Störungen für ein effektives Selbstmanagement sind jedoch hinreichend belegt (vgl. 1,7,10), so dass ihre Erwähnung als relevante Begleiterkrankung gerechtfertigt ist. Aus psychiatrischer Sicht ist die hohe Komorbidität von Demenz und Diabetes zu berücksichtigen, die ggf. ein Verständnis der behandlungsrelevanten DMP-Vorgaben behindert und die Einbeziehung von Angehörigen oder Pflegepersonal in die Behandlung erforderlich macht (vgl. 8). Eine Reihe von empirischen Untersuchungen kommen übereinstimmend zum Ergebnis, dass die diagnostische Sensitivität in der primärärztlichen Versorgung für die frühzeitige Identifikation von psychischen Störungen unzureichend ist (vgl. 12,17,18). Ein routinemäßiges psychometrisches Screening mit Hilfe des Patient Health Questionnaire führt zu einer erheblich verbesserten Identifikationsrate (vgl. 13,14). Die Bearbeitung des PHQ durch den Patienten ist einfach und wenig zeitaufwendig (ca. 10 Min), die standardisierte Auswertung kann von einer Praxishelferin des Arztes durchgeführt werden. Aufgrund festgelegter Referenzwerte ist die Fallidentifikation einfach und zuverlässig vorzunehmen. Die Überprüfung des Diagnoseverdachts und die daraus abzuleitenden Behandlungsempfehlungen setzen allerdings eine fachpsychotherapeutische Qualifikation voraus. Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen wirken sich ebenfalls nachteilig auf die Diabetesbehandlung aus (vgl. 3). Auch bei dieser Altersgruppe ist deshalb ein routinemäßiges jährliches Screening indiziert. Mit Hilfe der Child Behavior-Checklist ist eine

5 zuverlässige und ökonomische Erfassung von internalisierenden und externalisierenden Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen möglich, die sowohl aus Eltern- als auch aus Sicht des jugendlichen Patienten erfasst werden können (vgl. 5). Eine fachgerechte differentialdiagnostische Abklärung und Indikationsstellung für psychologisch-psychotherapeutische Interventionsoptionen setzt allerdings eine einschlägige psychotherapeutische Qualifikation voraus. Zu 1.7.3 Psychische, psychosomatische und psychosoziale Betreuung Die Formulierungen unter 1.7.3 heben allein auf das klinische Urteil des DMP-Arztes und dessen Einschätzung hinsichtlich der Eignung von psychotherapeutischen, psychiatrischen und/oder verhaltensmedizinischen Maßnahmen ab. Wie im vorigen Abschnitt ausgeführt, bestehen erhebliche empirisch gestützte Zweifel, dass damit im Rahmen des DMP Diabetes mellitus Typ 2 eine ausreichende Versorgung sichergestellt werden kann. Falls die Ergänzungsvorschläge unter 1.7.2.6 und 1.8.2 übernommen werden, sollte der Abschnitt 1.7.3 deshalb entfallen. Zu 1.8.1 Koordinierender Arzt Einfügung nach dem 2. Absatz: Bei Kindern und Jugendlichen erfolgt die Koordination unter 16 Jahren grundsätzlich, unter 21 Jahren fakultativ durch einen diabetologisch qualifizierten Pädiater/pädiatrische Einrichtung. Übernimmt in Einzelfällen die Koordination ein Hausarzt, ist eine enge Kooperation mit einer diabetologisch qualifizierten pädiatrischen Einrichtung erforderlich, die bei Kindern und Jugendlichen im Alter unter 16 Jahren grundsätzlich, unter 21 Jahren fakultativ eine entsprechende Überweisung erforderlich macht. Im Hinblick auf die fachspezifischen Besonderheiten im Kindes- und Jugendalter erscheint analog zu den Empfehlungen des Koordinierungsausschusses zum DMP Diabetes mellitus Typ 1 eine entsprechende Formulierung erforderlich (vgl. 3). Zu 1.8.2 Überweisung vom koordinierenden Arzt zum jeweils qualifizierten Facharzt / Einrichtung Einfügung in Abs. 1 nach dem 5. Spiegelstrich: - beim Vorliegen einer diagnostizierten psychischen Störung bzw. bei einer im Rahmen des psychometrischen Screenings erfassten psychischen Auffälligkeit zum ärztlichen oder Psychologischen Psychotherapeuten bzw. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. - beim Vorliegen eines Demenzverdachts zu einem Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Einfügung in Abs. 2 nach dem 4. Spiegelstrich: - beim Vorliegen von maladaptiven Krankheitsbewältigungsmustern bzw. von psychologischen oder Verhaltensfaktoren, die sich nachteilig auf die medizinische Behandlung und das Selbstmanagement der Erkrankung auswirken zum ärztlichen oder Psychologischen Psychotherapeuten bzw. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten.

6 Die vorgeschlagenen Einfügungen stellen eine notwendige Präzisierung der Ausführungen unter 1.7.3 (Text Empfehlungsentwurf) dar. Dadurch wird sichergestellt, dass die im Rahmen des DMP Diabetes mellitus Typ 2 erforderliche interdisziplinäre Kooperation auch auf der Vertragsebene und damit auf der Versorgungsebene angemessene Berücksichtigung findet, wie dies von evidenzbasierten Leitlinien zur psychosozialen Versorgung bei Diabeteserkrankungen gefordert wird (vgl. 3,10). Beim Vorliegen einer Diagnose bzw. Verdachtsdiagnose ist zur Vermeidung einer Chronifizierung der psychischen Störung und deren negative Konsequenzen für die Diabetesbehandlung eine Überweisung zu einem Fachpsychotherapeuten unabdingbar, bei der Identifikation von maladaptiven Krankheitsbewältigungsmuster oder sonstiger sich auf die Diabetesbehandlung nachteilig auswirkender psychologischer Faktoren sollte in der Regel eine entsprechende Überweisung erfolgen. Zu 4.2 Schulungen der Versicherten Einfügung nach dem 3. Absatz: Bei der Antragstellung ist die vorgesehene Qualifikation der Schulungsleiter darzulegen. Daraus muss hervorgehen, dass hinreichende Kenntnisse und Erfahrungen in Techniken der Verhaltensmodifikation und in der Psychodiabetologie vorliegen. Die Effektivität von Schulungsprogrammen wird nicht allein durch die Programmkomponenten, sondern gleichermaßen durch die Qualifikation des Personenkreises bestimmt, der die Schulungen durchführen wird (vgl. 11). Aus Gründen der Strukturqualität der Schulungsdurchführung sind deshalb die genannten Qualifikationsnachweise für die Leiter der Schulungsprogramme unerlässlich. Zu 6. Dokumentation In die Erst- und Folgedokumentation ist das Vorliegen einer psychischen Störung und die Überweisung zu einer fachpsychotherapeutischen Behandlung als obligatorischer Bestandteil aufzunehmen. Wird dieser Empfehlung nicht gefolgt, ist eine methodisch hinreichende Kontrolle des Einflusses von psychischen Störungen auf den Verlauf der Diabeteserkrankung im Rahmen des DMP und des differentiellen Beitrags einer psychotherapeutischen Behandlung im Rahmen der vorgesehenen Evaluation nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Damit wäre die wissenschaftliche Aussagekraft der Evaluationsstudien und die für zukünftige Optimierungen abzuleitenden Schlussfolgerungen gravierend beeinträchtigt. Vor dem Hintergrund der belastbaren Evidenz hinsichtlich der Relevanz psychischer Störungen und maladaptiver Bewältigungsmuster für den Verlauf chronischer Erkrankungen wäre ein solches methodisches Defizit auch in gesundheitsökonomischer Hinsicht nur schwer zu rechtfertigen.

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