der Mann saß. Eine alte deutsche Waffe aus dem 1. Weltkrieg, eines jener Souvenirs, das die Kriegsteilnehmer mit nach Hause brachten. Aber es gab ein Detail, das den ersten Eindruck des Brigadiers, es habe sich um Selbstmord gehandelt, widerlegte: Die rechte Hand des Toten schwebte nicht, wie es hätte sein müssen, über der zu Boden gefallenen Waffe, sondern lag auf dem Schreibtisch und hielt ein Blatt Papier fest, auf dem zu lesen war:»ich habe entdeckt.«dieser Punkt hinter dem Wort»entdeckt«flammte im Kopf des Brigadiers auf wie ein Blitz und verwandelte die nicht sonderlich genaue Konstruktion eines Selbstmordes für einen flüchtigen Augenblick in die dahinter liegende Szenerie eines Mordes. Der Mann hatte zu schreiben begonnen»ich habe entdeckt«, so wie er dem Präsidium
mitgeteilt hatte, er habe etwas in seinem Haus entdeckt, das zu entdecken er nicht erwartet hatte. Er hatte zu beschreiben begonnen, was er entdeckt hatte, da er zweifelte, daß die Polizei rechtzeitig käme oder vielleicht, weil er sich in der Einsamkeit und Stille zu fürchten begann. Aber dann hatte es an der Tür geklopft. Die Polizei, dachte er, doch es war der Mörder. Vielleicht hatte er sich als Polizist ausgegeben, der Mann hatte ihn hereingebeten, sich wieder an den Schreibtisch gesetzt und zu erzählen begonnen, was er entdeckt hatte. Die Pistole lag vermutlich auf dem Tisch. In seiner wachsenden Furcht war sie ihm wieder eingefallen, und er hatte sie aus ihrem Versteck geholt. Der Brigadier glaubte nicht, daß der Mörder sich mit einer derart alten Waffe ausgerüstet hätte, aber als er sie auf
dem Tisch liegen sah, hatte er sich wahrscheinlich nach ihr erkundigt, sich überzeugt, daß sie funktionierte, sie plötzlich auf den Kopf des anderen gerichtet und geschossen. Danach der grandiose Einfall, den Punkt zu machen nach dem»ich habe entdeckt«:»ich habe entdeckt, daß das Leben nicht wert ist, gelebt zu werden«,»ich habe entdeckt, was die einzige und letzte Wahrheit ist«,»ich habe entdeckt«,»ich habe entdeckt«: Das Alles und das Nichts. Es ergab keinen Sinn, aber vom Standpunkt des Mörders aus betrachtet, war es dennoch kein Fehler. Für die These des Selbstmords, die sich natürlich aufdrängen würde (dessen war der Brigadier gewiß), ließen sich aus dem Punkt existenzielle und philosophische Erwägungen herleiten und das vor allem, wenn die Person des Getöteten irgendwelche
Anhaltspunkte dafür bot. Auf dem Schreibtisch befanden sich ein Schlüsselbund, ein altes Tintenfaß aus Zinn und die Fotografie einer großen, gutgelaunten Gesellschaft, die man vor mindestens fünfzig Jahren vielleicht sogar draußen im Garten aufgenommen hatte, als um das Haus schattenspendende Bäume in schöner Harmonie standen, wo jetzt nur Gestrüpp wucherte und Reisig herumlag. Neben dem Blatt mit dem»ich habe entdeckt«, der verschlossene Füllfederhalter: Eine Raffinesse des Mörders (der Brigadier wurde immer sicherer, daß es sich um einen Mord handelte), um den Eindruck zu erzeugen, der Mann habe mit jenem Punkt auch hinter sein Leben einen Schlußpunkt setzen wollen. An den Wänden des Zimmers standen Regale,
in denen sich fast keine Bücher mehr befanden. Die verbliebenen Bände waren jahrgangsweise gebundene juristische Zeitschriften, landwirtschaftliche Nachschlagewerke und Einzelhefte einer Zeitschrift mit dem Titel»Natur und Kunst«. Ferner gab es einige alte Wälzer, die aufeinander lagen und auf deren Rücken der Brigadier das Wort CALEPINUS las. Er hatte stets geglaubt, ein CALEPINUS sei ein Büchlein, das man in der Tasche trug, ein Notizbuch, ein Handbuch, und es kam ihm komisch vor, die Bezeichnung auf jenen Wälzern zu finden, deren jeder mindestens zehn Kilo wog. Die Sorge, ja keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, obwohl er nicht daran glaubte, überwog seine Neugier, einen dieser Bände aufzuschlagen, und aus derselben Sorge durchstreifte er, gefolgt von