Sankt Martin der»gotteskrieger«

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ihrer Hingabe: Mir geschehe nach deinem Wort, ließ sie sich von Gott bis zum Rand füllen und wurde voll der Gnade.

Öffne mir Augen und Ohren. Herr,öffne meine Augen, dass ich die Not der anderen sehe; öffne meine Ohren, dass ich ihren Schrei höre;

Transkript:

Das Fries von Bert Gerresheim über dem Eingangsportal der Kirche Alt St. Martin zeigt die Vita des heiligen Martin Sankt Martin der»gotteskriegermein Herr, es ist ein harter Kampf, den wir in Deinem Dienste in diesem Dasein führen. Nun aber habe ich genug gestritten. Wenn Du aber gebietest, weiterhin für Deine Sache im Felde zu stehen, so soll die nachlassende Kraft des Alters kein Hindernis sein. Ich werde die Mis sion, die Du mir anvertraust, treu erfüllen. Solange Du befiehlst, werde ich streiten. Und so willkommen dem Veteranen nach erfüllter Dienstzeit die Entlassung ist, so bleibt mein Geist doch Sieger über die Jahre, unnachgiebig gegen über dem Alter.«Disziplin und Pflichterfüllung Der diese Worte im Jahre 397 sprach, war Bischof von Tours schon zu Leb zeiten eine Legende. Schon sein Name ein Programm: Martinus,»dem Kriegsgott Mars gehörend«ein Krieger. Disziplin und Pflichterfüllung kennzeichnen diesen Mann, der sich nicht aus reli giösem Überschwang entschlossen hat, in den Dienst Christi zu treten. 316/317 kam er in Sabaria, der Hauptstadt der römischen Provinz Pannonien heute Szombathely in Westungarn zur Welt. Von dort wurde sein Vater, ein römischer Offizier, als Militärtribun nach Pavia versetzt. In Pavia trat Martin mit 15 Jahren in die Armee ein; denn für Söhne von Berufssoldaten war der Fahneneid in diesem Alter obligatorisch. Martin diente in einer Eliteeinheit, der berittenen kaiser lichen Leibgarde (scholares alae), die weiße Mäntel trugen. Während seiner Dienstzeit bereitete sich Martin drei Jahre lang auf die Taufe vor. Er war bei seinen Kameraden beliebt, aber nicht, weil er andere durch raue Soldatenmanieren beeindruckte, sondern wegen seiner Hilfsbereitschaft und Bescheidenheit.»Obwohl er in Christus noch nicht wiedergeboren war«, berichtet sein Biograf Sulpicius Severus (um 420),»ließ sein edles Wirken darauf schließen, dass er vor der Taufe stehe. Er half bei schwerer Arbeit mit, unter stützte Arme, speiste Hungernde, kleidete Nackte. Von seinem Kriegersold behielt er nur das für sich, was er für seinen täglichen Unterhalt brauchte. Er gab sich zufrieden mit einem einzigen Diener als Begleitung. Indes vertauschte er sehr oft die Rollen: Der Herr bediente seinen Diener. Er zog ihm nämlich meist selbst die Schuhe aus und reinigte sie. Sie aßen miteinander, wobei Martinus des Öfteren dem anderen aufwartete.«als Soldat scheint Martin keine schlechte Figur gemacht zu haben; denn schon nach kurzer Dienstzeit erhielt er die Beförderung zum Offizier. Um 334 war der 18-jährige Gardeoffizier in Amiens stationiert. Seit den Tagen Cäsars hatte Amiens neben Châlons und Reims strategische Bedeutung. Deshalb lag dort auch eine Reitertruppe (equites

catafractarii Ambianensis). In diesen Lebensabschnitt fällt das Ereignis, das bis heute das Andenken an Martin wach hält. Die älteste Quelle erwähnt nirgends, dass der spätere Heilige bei der Mantelteilung auf einem Pferd gesessen habe. Künstler aus späterer Zeit benutzten diese antike Bildvorlage, die den»heldenhaften Soldaten«präsentiert, und verfremdeten sie zugleich: Der Reiter raubt hier nicht mehr mit seiner Waffe das Leben, sondern rettet durch die Mantelteilung einen Notleidenden vor dem sicheren Tod. Welch ein Gegensatz zu den schwarz vermummten»gotteskriegern«, die gegenwärtig die Zeitungsspalten und Nachrichtensendungen beherrschen! Bert Gerresheim: Hl. Martin bei der Mantelteilung, Ausschnitt aus dem Fries an der Kirche Alt St. Martin In der Nacht, die auf die Mantel teilung folgte, erschien Jesus Christus dem Martin im Traum. Zu den ihn umgebenden Engeln sprach er:»martinus, der noch nicht getauft ist, hat mich mit diesem Mantel bekleidet!«(vgl. Mt 5,36). Martin verstand diese Vision als eine erneute Aufforderung, sich taufen zu lassen und den Militärdienst zu quittieren. Ich bin ein Soldat Christi Im Heerlager bei Worms die Germanen waren erneut in Gallien ein gefallen kam es zu der entscheidenden Begegnung zwischen Kaiser Julian»dem Abtrünnigen«und dem christlichen Gardeoffizier. Wie üblich rief der Imperator vor dem Kampfeinsatz seine Soldaten einzeln zu sich, um ihnen eine Prämie (donativum) zu übergeben. Kurz entschlossen nutzte Martin die Gelegenheit, um seine Bitte um Entlassung aus dem Militärdienst vorzutragen:

»Bis heute habe ich dir als Soldat gedient; erlaube, dass ich in Zukunft für Gott streite. Deine Prämie möge annehmen, wer kämpfen will. Ich bin ein Soldat Christi. Mir ist es nicht erlaubt, mit der Waffe zu kämpfen!«der Kaiser vermutete dahinter nichts als Feigheit vor dem Feind. Martin entgegnete:»ich werde morgen unbewaffnet vor die Schlachtreihe treten und im Namen des Herrn Jesus unter dem Schutz des Kreuzes, ohne Schild und Helm, sicher durch die Reihen der Feinde gehen.«bevor es dazu kam, sandten die Germanen eine Botschaft und ergaben sich dem Kaiser. Kriegsdienst verweigerer aus christlichem Geist Martin Kriegsdienstverweigerer aus christlichem Geist: das Gegenteil zu den»gotteskriegern«unserer Tage, die im Namen Allahs für ein blutiges Paradies kämpfen! Nach seiner Entlassung aus dem Militär dienst suchte Martin Bischof Hilarius v. Poitiers auf, einen großen Theologen seiner Zeit, um seinen Glauben zu vertiefen. Der Bischof wollte ihn zum Priester weihen, aber Martin hielt sich für unwürdig und stimmte zunächst nur der niederen Weihe zum Exorzisten zu. Danach kehrte er in seine Heimat zurück, um seine Eltern für Christus zu gewinnen, was ihm aber nur bei seiner Mutter gelang. Inzwischen hatte sich der Arianismus in Pannonien ausgebreitet. Der Priester Arius lehrte, dass Christus nicht Gottes Sohn, sondern Gottes vornehmstes Geschöpf sei und als Wort Gottes Bindeglied zwischen Gott und der Welt. Diese Irrlehre fand großen Anklang bei den germanischen Stämmen und am Hof des Kaisers. Von den Arianern verfolgt zog sich Martin als Einsiedler auf die Insel Gallinaria an der Riviera zurück. Auch Bischof Hilarius war vom Kaiser in die Verbannung geschickt worden. Nach seiner Rückkehr in seine Bischofsstadt gründete Martin um 360 im nahegelegenen Ligugé ein Kloster. Schon bald fanden sich Gleich gesinnte ein. Der Mönch des 4. Jahrhunderts suchte die innere Einheit und gab deshalb seine Selbstbestimmung auf. Er kehrte sich von der»welt«, von Besitz, Wissen und Macht ab und wandte sich stattdessen ausschließlich Gott zu. Bei manchen Mönchen kam diese Verweigerungshaltung auch äußerlich zum Vorschein: verfilzte Haare, ungepflegter Bart, abgerissene Kleidung, barfuß gehen selbst im Winter. Einige Laien und mehrere Bischöfe, die zur Einsetzung des neuen Bischofs von Tours eingeladen waren, widersetzten sich und meinten, eine derart verächtliche Persönlichkeit wie Martin, ein Mensch von solch erbärmlichem Aussehen mit armseligen Kleidern und ungepflegtem Haar sei der bischöflichen Würde nicht wert. Aber das Volk von Tours (und die sagenhaften Gänse) hatten anders entschieden. Sie schickten einen vornehmen Bürger namens Rusticius los. Ihm gelang es, den sich sträubenden Martin unter dem Vorwand, seine Frau sei krank und brauche geistlichen Beistand, aus der Reserve und der klösterlichen Abgeschiedenheit zu locken. Doch Martin wollte keinesfalls sein Leben als Mönch aufgeben. Macht auszuüben und Verwaltungsarbeit, die mit seinem Amt verbunden waren, wies er weit von sich.

Die Martinsstatue von Horst Kretteck (1929 2000) aus der Kirche Alt St. Martin. Der aus der Gemeinde stammende Künstler hat sie 1994/95 aus Lindenholz angefertigt. Zunächst wohnte er in einer Zelle direkt an der Kirche von Tours.»Indes, er konnte die Belästigung durch die häufigen Besuche nicht ertragen«, schreibt sein Biograf Sulpicius.»Deshalb erbaute er sich etwa 2 Meilen (= 3 km) außerhalb der Stadt ein Klöster lein (Marmoutiers). Dieser Ort war so verborgen und abgelegen, dass es den Heiligen nicht nach der Einsamkeit der Wüste verlangte. Auf der einen Seite war der Ort abgeschlossen von einer jähen, hohen Felswand; die freiblei bende Ebene umgrenzte die Loire mit einer kleinen Krümmung; nur auf einem, dazu noch recht engem Wege konnte man dorthin gelangen. Martinus hatte eine roh gezimmerte Zelle, ebenso auch viele seiner Brüder. Manche hatten den Fels des überhängenden Berges ausgehöhlt und sich so eine Wohnstätte geschaffen. Es waren ihrer gegen 80 Jünger.«Bischof sein und als Asket leben: Das stieß bei der Oberschicht auf Verwunderung und Unverständnis. Sulpicius, selbst Mönch, gießt seinen Spott aus über die Kleriker,»die vor Stolz fast platzten, weil sie die höheren Weihen empfangen hatten; die reiche Kleider aus weichen Stoffen trugen, unter den vergoldeten Decken luxuriös möblierter Paläste wohnten und in prunkvollen, von schäumenden Rössern gezogenen Karossen reisten.«

Martin lehnte jeden Luxus ab Martin lehnte jeden Luxus ab und ging meistens zu Fuß. Zahlreiche Missions reisen führten ihn über die eigene Diö zese hinaus bis in das Gebiet der mitt leren Loire, nach Vienne und Paris, wo er einen Leprakranken heilte. Die Getauften suchte er im Glauben zu stärken und die Nichtchristen von Jesus Christus zu überzeugen. Seine Wortgewalt, seinen Wundertaten und seine Kraft zu heilen kamen ihm dabei zustatten. Martins Missionsmethode ging in die Geschichte ein. Unerbittlich zerstörte er heidnische Tempel und keltische Baumheiligtümer, gewann die Herzen durch seine Predigt und errichtete gleichzeitig Kirchen und Einsiedeleien, wo zuvor heidnische Kultstätten bestanden hatten. Geschickt verstand er es, heidnische Kulte, Feste und Bräuche christlich umzuformen. Gerühmt wird auch sein Sinn für Gerechtigkeit. In einer Zeit, in der zur Abschreckung auch bei kleineren Vergehen drakonische Strafen verhängt wurden, sorgte er durch persönlichen Einsatz für Strafmilderung. So verbrachte er eine ganze Winternacht vor dem Tor einer Burg, hinter der zwei Kleinkriminelle festgesetzt waren und auf ihre Hinrichtung warteten. Der Altar der Schneiderzunft von St. Lambertus in der Düsseldorfer Altstadt

Martin war darum besorgt, nicht bloß die Christen, sondern auch die Häretiker zu befreien Im Umgang mit»ketzern«verhielt er sich ganz anders als heutige»gotteskrieger«. Sulpicius schreibt:»martinus war in seiner Liebe ängstlich darum besorgt, nicht bloß die Christen, die bei dieser Gelegenheit zu leiden hatten, sondern auch die Häretiker zu befreien.«dazu sollte er bald Gelegenheit haben. Priszillian, ein vermögender und gebildeter spanischer Laie, nahm seine Bekehrung in der Taufe sehr ernst und lebte danach streng asketisch. Seine zahlreichen Anhänger wählten ihn zum Bischof von Avila. Doch die Gegner unter seinen Mitbischöfen bezichtigten ihn der Ketzerei. Priszillian gelang es nicht, durch eine Bischofssynode rehabilitiert zu werden. Deshalb wandte er sich an den Kaiser. Martin hatte immer davor gewarnt, in Glaubensfragen ein weltliches Gericht anzurufen. Dennoch setzte er sich beim Kaiser für Priszillian ein. Kaiser Maximus, ein gewalttätiger Mann, bildete sich viel auf seinen Sieg im Bürgerkrieg ein, an dessen Ende er seinen Vorgänger Gratian hatte erdrosseln lassen. Die Bischöfe, die er an seinen Hof zog, sollten seiner Autorität Glanz verleihen und seine Untaten vergessen machen. Nur Martin schlug seine wiederholten Einladungen aus mit der Begründung:»Ich kann mich nicht mit einem an den Tisch setzen, der zwei Kaiser beraubt hat: den einen des Thrones, den anderen des Lebens.«Um Priszillians Leben zu retten, suchte Martin den Kaiser auf und erhielt die Zusicherung, dank seiner Fürsprache würden zwei hohe Beamte Gratians aus der Haft entlassen und Priszillian bliebe eine blutige Strafe erspart. Aber kaum hatte Martin die kaiserliche Residenz in Trier verlassen, ergriff Maximus die Gelegenheit, sich dem oströmischen Kaiser Theodosius als»verteidiger des wahren Glaubens«zu empfehlen, und ließ Priszillian mit sechs seiner Anhänger enthaupten. In der westlichen Christenheit rief diese Hinrichtung Bestürzung und Entrüstung hervor. Zum ersten Mal war in einem Fall vermeintlicher Ketzerei ein Todesurteil ergangen und sogar vollstreckt worden. Martin litt schwer darunter. Fortan mied er konsequent jeden Kontakt zu den Bischöfen, die die Hinrichtung Priszillians betrieben oder ihr zugestimmt hatten. Kurz vor seinem Tod machte sich Martin noch ins 44 km entfernte Candes auf, um einen Streit unter den Klerikern zu schlichten. Er starb am 9. November 397. Sulpicius berichtet:»zur Leichenfeier strömte eine unglaublich große Menschenmenge zusammen. Die ganze Stadt eilte der Leiche entgegen; von den Höfen und Ortschaften waren alle herbeigekommen, viele auch aus benachbarten Städten. Wie groß war die allgemeine Trauer, und wie klagten erst die betrübten Mönche! Es sollen gegen 2000 an jenem Tag zusammengekommen sein, der erlesene Ehrenkranz (vgl. Phil 4,1).«Sulpicius Severus schließt seinen Bestattungsbericht mit den Worten:»Glaube es mir, Martinus wird nicht von uns weichen; nein, er wird nicht von uns weichen: er wird bei uns sein, wenn wir von ihm reden; er wird zugegen sein, wenn wir beten.«

Dass die Menschen diese Botschaft über Jahrhunderte verstanden haben, zeigt der Altar der Schneiderzunft von St. Lambertus in der Altstadt. Oben auf dem hölzernen Rahmen des Altarbildes ist der hl. Martin auf einem Pferd dargestellt, wie er gerade seinen Mantel teilt. Doch nirgendwo ist der Bettler zu sehen. Vielleicht kommt dem Betrachter vor diesem Bild die plötzliche Erkenntnis, dass auch er selbst ein»bettler«ist. Pfr. Volkhard Stormberg Die Martinsfigur oben auf dem Altar der Schneiderzunft von St. Lambertus in der Düsseldorfer Altstadt