Die Genese von Heil- und Mineralwässern Unterschiede und Konsequenzen für die Charakterisierung und Nutzung der Quellen

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Transkript:

Die Genese von Heil- und Mineralwässern Unterschiede und Konsequenzen für die Charakterisierung und Nutzung der Quellen von Prof. Dr.-Ing. Gert Michel 1 Prolog Vom Anfang der Balneologie bis heute ist man bestrebt, die Definition, die Einteilung und die Nomenklatur der Mineral- und Heilwässer dem jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen und insbesondere auch der balneologischen Forschung anzugleichen. Jedem schematischen Einteilungsprinzip wohnt jedoch eine gewisse Starrheit inne, welche die natürlichen Verhältnisse nie ganz richtig wiedergeben kann. Zum Wesen der Natur gehören Übergänge, die sich nur schwer in ein Schema fügen lassen. Da in der Balneologie die Güte eines Heilwassers auf seiner therapeutischen Wirkung beruht, wäre eine medizinische Einteilung nach den Heilwirkungen akzeptabel, hat sich jedoch bis heute nicht realisieren lassen. 2 Definitionen Durchgesetzt hat sich die naturwissenschaftliche Abgrenzung der Mineral- und Thermalwässer. So ist Mineralwasser ein Grundwasser mit einem höheren Gehalt an gelösten Stoffen; Thermalwasser ein Grundwasser mit einer erhöhten Temperatur. Heilwasser wird medizinisch definiert: Natürliche Heilwässer werden aus einer oder mehreren Entnahmestellen (= Heilquellen) gewonnen, die natürlich zutage treten oder künstlich erschlossen sind. Aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung, ihrer physikalischen Eigenschaften und/oder nach der balneologischen Erfahrung oder nach medizinischen Erkenntnissen haben sie nachweisbare therapeutische Wirkungen, die zur Prävention, kurativen Therapie und Rehabilitation genutzt werden (Begriffsbestimmungen 1999, S. 49). 1

3 Charakterisierung Für die Charakterisierung von Heilwasser mit einem Gehalt von mindestens 1000 mg/l gelöster Mineralstoffe werden alle Ionen einer Wasseranalyse herangezogen, deren Gehalte mindestens 20 Äquivalentprozente (meq-%) betragen, und zwar in der Reihenfolge Kationen Anionen nach abnehmenden Gehalten, zuerst die Ionen höchster, dann die Ionen niedrigster Konzentration. In der Klassifizierung werden die Kationen Natrium (Na + ), Kalium (K + ), Magnesium (Mg 2+ ), Calcium (Ca 2+ ) und die Anionen Chlorid (Cl ), Sulfat (SO 2 4 ) und Hydrogencarbonat (HCO 3 ) berücksichtigt. Nach der jeweiligen Anionen-Vormacht werden drei Hauptgruppen unterschieden: Chlorid-Wässer, Sulfat- Wässer, Hydrogencarbonat-Wässer. Ferner werden adjektivisch zu den Artbezeichnungen solche Ionen gesetzt, die zwar die 20 meq %- Grenze bei weitem nicht erreichen, medizinisch jedoch besonders wirksam sind, wenn folgende Grenzwerte erreicht oder überschritten werden: eisenhaltige Wässer 20 mg/l zweiwertiges Eisen (früher 10 mg/kg) jodhaltige Wässer 1 mg/l Iodid (I ) schwefelhaltige Wässer 1 mg/l Sulfid-Schwefel radonhaltige Wässer 666 Becquerel/l Radon (Rn) (= 18 Nano-Curie/l) fluoridhaltige Wässer 1 mg/l Fluorid (F ) 2

kohlensäurehaltige Wässer 1000 mg/l freies gelöstes Kohlenstoffdioxid (Säuerlinge) (CO 2 ) für Trinkzwecke 500 mg/l CO 2 für Badezwecke. Eine Heilquelle wird als Therme bezeichnet, wenn am Austrittsort die Temperatur mehr als 20 C beträgt. Wässer, die in 1 Liter Wasser mindestens 14 g gelöstes Kochsalz (5,5 g Na + und 8,5 g CI ) enthalten, können konventionell die Bezeichnung Sole führen. 4 Ursprung des Wassers Die Mineralisation eines Grundwassers bzw. Heilwassers/Mineralwassers steht in kausalem Zusammenhang mit der geologischen Geschichte des jeweiligen Gebietes, insbesondere mit dem lithologischen Aufbau des Untergrundes. Das Wasser als Lösungsmittel der gelösten festen Bestandteile und als Träger der Temperatur ist entweder vadoser, konnater oder juveniler Herkunft. Vados (lat. Vadosus, seicht) ist gleichbedeutend mit meteorisch und besagt, dass das Wasser sehr jung ist und am allgemeinen Wasser-Kreislauf teilnimmt, wenn im Einzelfall auch in säkularen Zeitläufen und auf tiefreichenden, mitunter weiten Migrationswegen. Der Begriff Wasser-Kreislauf kommt von den sich immer wiederholenden Vorgängen und Bewegungen des Wassers oberhalb, auf und unterhalb der Erdoberfläche. Konnates Wasser (engl. connate, angeboren) ist ursprüngliches ± mineralisiertes Sedimentwässer. In seiner primären Substanz ist es das bei der Sedimentation eingeschlossene bzw. verbliebene salzige oder brackige Wasser, welches im Laufe geologischer Zeiträume diagenetisch verändert wurde. 3

Juveniles Wasser (lat. Juvenilis, jugendlich frisch) ist Wasser, das aus großen Tiefen stammt und erstmalig in den Wasserkreislauf gelangt und seine Mineralien letztlich aus Magma-Herden mitbringt. Sehr viele Heilwässer sind vadoser Entstehung (Abb. 1). Das neu gebildete Grundwasser bewegt sich unter natürlichen Voraussehungen bergab, bis es im weiteren Verlauf von unten her die Erdoberfläche erreicht, dort einen Vorfluter speist oder in einer Quelle zutage tritt. Dieser Idealfall trifft jedoch meist nur für oberflächennahe unterirdische Fließvorgänge zu. Der geologische Untergrund ist fast nirgends homogen aufgebaut. Grundwasser-führende (in der Abb. 1 punktiert) und Grundwasser-hemmende Schichten (in der Abb. 1 gestrichelt) wechseln, die Fließvorgänge werden komplizierter und oft auch langsamer; die Stromlinien werden an den Grenzflächen gebrochen. Daraus resultiert die Theorie der Grundwasser-Fließsysteme. Jedes Fließsystem einer Heilquelle/Mineralquelle ist der Gesteinskörper mit seinen Poren-, Kluft- und Karsthohlräumen und den sich darin bildenden und bewegenden Wasser- und/oder Gas-Vorkommen. Eine Heilquelle/Mineralquelle kann aus mehreren Fließsystemen gespeist werden. Diese Vorstellungen sind in die Neufassung der Richtlinien für Heilquellenschutzgebiete (LAWA 1998) eingeflossen. 5 Beispiel für ein Grundwasser-Fließsystem Am Beispiel von Bad Pyrmont wird das Gesagte veranschaulicht (Rogge 2001). Nach exakter Erfassung der speziellen geologischen und hydrogeologischen Verhältnisse und theoretischer Modellvorstellungen kann ein regionales, dreidimensionales Grundwasser- Fließsystem angenommen werden, das sich über das gesamte Pyrmonter Gewölbe erstreckt und das sich grob aufteilt in (Abb. 2); höher gelegene Grundwasserneubildungsgebiete (recharge areas), verbindende Übergangszonen (transit zones), und orographisch tiefer gelegene Abflußgebiete (discharge areas). 4

Die Bergumrahmung bildet im wesentlichen das Grundwasser-Neubildungsgebiet; der Talkessel und insbesondere die Flußniederung stellen das Abflußgebiet dar. Die Grundwasser-Strömungslinien zeigen die Richtung und die Intensität der Grundwasser- Bewegung an. Im Bereich der Bergumrahmung überwiegt eine vertikale Komponente mit absteigender Fließrichtung, in einem Übergangsbereich herrscht horizontale Fließrichtung vor, in der Emmer-Niederung steigt das Wasser auf. Während dieser Passage wird das Wasser mineralisiert, und es tritt auf den tektonisch zerrütteten Bereichen in Heilquellen zutage, oder es wurde in relativ geringen Teufen erbohrt. 6 Geogenese der Inhaltsstoffe Der römische Naturforscher und Admiral Plinius der Ältere (23 79 n. Chr.) hat die Kausalität zwischen dem geologischen Substrat und der chemischen Beschaffenheit des Wassers kurz und prägnant so formuliert: Tales sunt aquae, qualis terra per quam fluunt. Ins Deutsche übertragen heißt dies ungefähr: Die Wässer sind nämlich genau so beschaffen wie der Untergrund, durch welchen sie fließen. Von den bekannten 92 natürlichen chemischen Elementen kommen jedoch nur etwa ein Viertel als Inhaltsstoffe der Heilwässer/Mineralwässer vor. Die Abbildung 3 veranschaulicht die Wechselbeziehungen zwischen dem geologischen Bau, der Gesteinsbeschaffenheit und dem Charakter der sich bildenden Heilwässer. Das Wasser findet Mittel und Wege, Minerale zu lösen und aufzunehmen, wobei der Faktor Zeit eine wesentliche Rolle spielt. Das Wasser findet den Kontakt zu den Mineralien der Gesteine über Risse, Klüfte und Spalten, und nur wenn solche vorhanden sind, kann die Geogenese der Inhaltsstoffe beginnen. Die physikalisch-chemischen Wechselbeziehungen sind sehr vielfältig und müssen bei der Bewertung einer Heilquelle mit berücksichtigt werden. In Kalkgesteinen herrschen Ca-HCO 3 -Wässer vor, in Dolomitgesteinen sind es Ca-Mg- HCO 3 -Wässer. Zur Auflösung dieser Karbonate ist die Anwesenheit von Kohlenstoff- 5

dioxid (Kohlensäure) notwendig. Wässer, die im Kontakt mit Steinsalz-Lagern oder - Strukturen stehen, sind in der Regel hochprozentige Solen, welche mehr oder weniger verdünnt als sonstige Chlorid-Wässer verbreitet sind. Grundwässer, welche klüftige Gipsführende Gesteine durchströmen, reichern sich mit Calcium und Sulfat-Ionen an. Hinzu tritt in vielen Fällen der Einfluß juvenilen Kohlenstoffdioxids (CO 2 ), welches entweder magmatischen Ursprungs ist, oder aus dem Erdmantel aufsteigt (abyssisch) oder an tiefen Magmaherden durch Frittung von Karbonat-Gesteinen freigesetzt wird. Säuerlinge entstehen, wenn CO 2 mit dem Grundwasser in Kontakt kommt. Bei bestimmten Druck- und Temperaturverhältnissen wird es im Wasser gelöst, und es verschiebt dessen ph-wert in den sauren Bereich. Dadurch erhöht sich das Löslichkeitsvermögen für die durchströmten Gesteine und es bilden sich höher mineralisierte Wässer. Mischungen der verschiedenen reinen Typen untereinander bedingen dann letztlich die Vielfalt der Heil- und Mineralwässer. Nicht ohne Grund wird in jeder Heilquelle ein einzigartiges Individuum gesehen. Zu ihrer Erhaltung und Bewahrung wird ein sinnvoller und vernünftig zu händelnder Heilquellenschutz bemüht (LAWA 1998). 6

Ein weiteres Quellengas ist das Radon, welches im östlichen Erzgebirge (Schlema) und hier in Bad Brambach eine signifikante Rolle spielt (auf Abb. 3 nicht berücksichtigt). Das radioaktive Edelgas Radon Rn-222 ist innerhalb der Uran-Radium-Zerfallsreihe das gasförmige Folgeprodukt des Radiums Ra-226. Radon ist sehr kurzlebig, es zerfällt bereits in 3,82 Tagen. Der Radon-Gehalt der Wässer, die Radium-frei sind, und das ist die Mehrzahl, wird beim Durchströmen geologisch sehr alter kristalliner Gesteine im Kontakt mit Uran-haltigen Kluftmineralien aufgenommen. Je langsamer das Wasser an den tapetenähnlichen Kluftbestegen vorbei strömt, desto höher ist der Radon-Gehalt, die Ergiebigkeit entsprechend gering und umgekehrt. Die Schwefelwasserstoff (H 2 S) enthaltenden Schwefel-Wässer entstehen entweder im Zusammenhang mit vulkanischer und postvulkanischer Tätigkeit oder durch Reduktion von Sulfaten der Porenlösungen in Sedimenten. Die Genese von H 2 S setzt das Vorhandensein von Sulfaten, von organischer Substanz und Sulfat-reduzierenden Bakterien der Gattung Desulvofibrio in einem Sauerstoff-freien Wasser voraus. So gehören die Schwefel-Quellen zu den empfindlichsten Heilquellen, weil schon der geringste anthropogene Eingriff dieses System zerstören kann. 7 Konsequenzen Ein Kurort bzw. Heilbad ist so gut wie seine Quellen und wie seine Ärzte. Die Ärzte sind austauschbar, die Heilquellen nicht. Evidence based medicine heißt das Motto. Die Heilquellen als Sonderfälle des Grundwassers sind an ganz bestimmte geologische Strukturen gebunden (Michel 1997). Wie zahlreiche archäologische Funde bezeugen, siedelte der vor- und frühgeschichtliche Mensch bevorzugt dort wo Wässer mit heilenden Eigenschaften aus der Erde quollen. Schon bald war ihm bewusst geworden, dass diese Heilquellen durch Nachlässigkeit, Unverstand oder Eigennutz nicht gefährdet werden durften. Die Heilquellen sind vor Gefahren zu bewahren, ihnen ist ein Schutz im Sinne von beschützen vor Störfaktoren verschiedener Art zu gewähren. Dies wußten schon die Altgriechen und die Römer, und sie handelten entsprechend. Für Thales aus Milet (etwa 625 545 v. Chr.) war das Wasser die Archae, der Urgrund, die Urkraft des Lebens. 7

Aristoteles der Stagirit (384/83 322 v. Chr.), dem wir die Überlieferung der Philosophie des Thales verdanken, sah im Wasser das Prinzip des Seienden. Das Wasser war heilig, und keiner wagte, es zu verschmutzen. Im Mittelalter gingen derartig tiefe Empfindungen für das Wasser im allgemeinen verloren, und für das Heilwasser schlummerten sie nur in wenigen Enklaven, wie zahlreiche aufwendige Badenfahrten bezeugen (J. F. Poggio, 1380 1459, Michel de Montaigne 1533 1592; u. a.). Paracelsus (1493 1541) war der erste, welcher eine naturphilosophische Erklärung für die Wirkung der Mineralwässer suchte: Die Heilquellen seyndt die natürlichen composita Gottes, sie seyndt vollkommener an togend und craft als alles andere. Von dieser positiven Einstellung ist heute wenig übrig geblieben. Wir kennen in Deutschland den rechtlichen Heilquellenschutz seit Mitte des 17. Jahrhunderts, nachweislich zuerst 1661 in Warmbad Wolkenstein. Heute sind in allen Wassergesetzen der Länder Heilquellen-Paragraphen zu finden. Die Ausweisung von Gebieten zum Schutz der Heilquellen wird sehr aufwendig betrieben, nur für die Heilquellen selbst wird wenig getan. Es soll Kurdirektoren geben, die nicht wissen, wo ihre Heilquellen liegen und auch nicht wissen, zu was die Heilquellen gut sein sollen. Die Pflege und Erhaltung der Heilquellen, dazu gehören auch ständige Kontrollmessungen, sei ohnehin zu aufwendig. Wir sollten die Entwicklung aber optimistisch sehen. Unser 1. Europa-Kongress Kurort und Umwelt ist ein guter Ansatz für eine Wende im Denken und im Handeln. Die Heilquellen sind die Wurzeln der Heilbäder. Dies ist den Menschen und unter ihnen besonders den Politikern immer wieder ins Bewusstsein zu bringen: Seit Jahrhunderten haben die Heilbäder und Kurorte zur Heilung und zu einer besseren Leistungsfähigkeit vieler Kranker und Erschöpfter beigetragen. Nach reichen Erfahrungen bewährten sich die Bäder bei der Behandlung zahlreicher chronischer Krankheiten (Dr. med. Christoph Kirschner im Deutschen Bäderkalender 1995). 8

Die Heilbäder müssen in die Offensive gehen. Sie müssen sich zu ihrem wertvollsten Gut, den Heilquellen bekennen. In ihrer Werbung sollten sie die tragende Rolle der natürlichen Heilwässer betonen. Beispielsweise könnte dies in den Kurorten auch durch interessant ausgeschilderte Quellen-Pfade geschehen. Die Neugier über das Phänomen Wasser ist zu wecken. Eine Rückbesinnung auf die positiven Erfahrungen unserer Vorfahren ist notwendig, und es gilt die negativen Einflüsse unserer Gesundheitspolitiker abzumildern. Dann kann es auch eine Renaissance der Heilbäder geben und der Heilquellenschutz erfüllt wieder seinen Zweck. 9

8 Literatur Begriffsbestimmungen Qualitätsstandards für die Prädikatisierung von Kurorten, Erholungsorten und Heilbrunnen (1999). 11. Aufl., 82 S.; Bonn (Deutscher Heilbäderverband e. V. & Deutscher Tourismusverband e. V.). Heath, R. C. (1988): Einführung in die Grundwasserhydrologie (United States Geological Survey Water Supply Paper, 2220); München (R. Oldenbourg). Länderarbeitsgemeinschaft Wasser [LAWA] (1998): Richtlinien für Heilquellenschutzgebiete. 3. Aufl., 1 Abb.; Kulturbuchverlag Berlin GmbH, [ISBN 3-88961-217-2]. Michel, G. (1997): Mineral- und Thermalwässer. Allgemeine Balneogeologie. Lehrbuch der Hydrogeologie, Band 7: XII+ 398 S., 104 Abb., 72 Tab.; Berlin, Stuttgart (Borntraeger). Rogge, A. (2001): Geologie und Hydrogeologie im Raum Bad Pyrmont unter besonderer Berücksichtigung des Quellensystems. Geologische Beiträge Hannover, Band 3: 73 S., 39 Abb., 10 Tab.; Hannover. [Rezension HuK, 55/2002, S. 31]. Abbildungsunterschriften Abb. 1 Zusammenhänge in Grundwasser-Fließsystemen. Die gestrichelten Linien geben den Verlauf der Fließbahnen und die Verweildauer des Grundwassers im Untergrund an (nach Heath 1988) Abb. 2 Das Grundwasser-Fließsystem im Raum Bad Pyrmont (Rogge 2001) Abb. 3 Entstehung verschiedener Mineralwasser-Typen (Michel 1997) 10