Die Flechten des Kainer Doms

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Transkript:

Die Flechten des Kainer Doms Wiederbesiedelung oder Reliktvorkommen?* von Frank Bungartz Der Kainer Dam ist als Gotteshaus nicht nur eine monumentale Tauristenattraktion, sondern auch ein Refugium fur zahlreiche Tiere und Pflanzen. Neben so beruhmten Gasten wie dem Wanderfalken oder einer an die drei Meter hohen Birke, die nach dem Krieg auf dem Dam gefallt wurde, gibt es auch etliche sehr unscheinbare Gaste, die von uns kaum bemerkt werden - die Flechten. Die vergleichsweise arme Flechtenflora des Kainer Dams wurde erstmals durch Klement 1956 und 1984 durch Prinz & Follmann untersucht. Verschiedene Aspekte erscheinen bei einer erneuten Untersuchung im Jahr 1998 als besonders interessant: Bereits wahrend einer Fuhrung auf den Galerien der Fassade des Kainer Dams fielen mir etliche Arten auf, die weder von Klement noch von Prinz & Follmann erwahnt wurden. In jungster Zeit haufen sich in der Fachliteratur die Berichte uber die Wiederbesiedelung der Stadte durch Flechten (Gilbert 1992). Wahrend diese Ruckkehr der Flechten in die Stadte Naturschutzern hochwillkommen ist und Lokalpolitiker bereits eine bessere Luftqualitat feiern, stellen Denkmalschutzer fest, dab das Gestein der Baudenkmaler angegriffen wird und erwagen deshalb die Bekampfung der Flora durch Biozide. Methoden Einer kurzen, fluchtigen Inspektion der Flora wahrend einer Fuhrung am 4. Oktaber 1997 folgte Physcia caesia, MaBstab = 1 em Fatas: Frank Bungartz 14 Rheinische Heimatpflege - 36. Jahrgang - 1/99

Kolner Dam am 22. Juni 1998 eine grundliche Suche nach Flechtenthalli auf den drei unterschiedlichen Stockwerken der AuBenfassade. Zahlreiche Flechtenarten wurden bereits im Gelande angesprochen. Bei Zweifelsfallen wurde versucht, durch vorsichtiges Abschaben vom Substrat geeignetes Herbarmaterial zu sammeln. Obwohl so nur stark beschadigte Thallusproben gesammelt werden konnten, ermbglichten erganzende Notizen uber Farbe und Wuchsform in den meisten Fallen eine sichere Ansprache der Thalli. Proben von Lepraria incana wurde mittels Dunnschichtchromatographie (TLC) gepruft. Um bei Foigeuntersuchungen genau nachvollziehen zu kbnnen, wo welche Arten gefunden wurden, wurden folgende Angaben festgehalten. Fundort: - Galerie auf dem 1., 2. oder 3. Stockwerk (in 18, 25 bzw. 43 m Hbhe uber dem Domboden) - am Langhaus, Querhaus, Chor oder an den Turmen - Sud-, West-, Nord- oder Ostseite - auf Balustraden, Simsen oder Strebewerk Standort (Substrat): - auf Silikatgestein (Basaltlava, Schlaitdorfer oder Oberkirchner Sandstein, Latit, Trachyt) oder Kalkgestein (Muschelkalk) oder Holzplanken des Baugerusts - an geschutzter oder exponierter Stelle - Substrat durch Kalkstaub angereichert (HCI-Probe) ThallusgrbBe: - Durchmesser der grbbten gefundenen Thalli Ergebnisse Sowohl Klement (1956) als auch Prinz & Follmann (1984) fanden jeweils sechs Arten an der Domfassade bzw. dessen Umrandungsmauer. Drei Ar- ten - Candelariella aurelia, Lecanora dispersa 5.1. sowie Lecanora muralis - weisen beide Verbffentlichungen gemeinsam auf. Prinz & Follmann (1984) konnten Lecanora albescens, Lecidea goniophila sowie Phaeophyscia orbicularis nicht erneut nachweisen; sie weisen jedoch darauf hin, dab Klement seine Funde uberwiegend von der nicht mehr vorhandenen Umfassungsmauer nennt. Hingegen kbnnen Prinz & Follmann (1984) erstmals Lecania erysibe auf einer Bleiabdeckung sowie Lepraria incana und Candelariella coralliza auf Oberkirchner Sandstein nachweisen - Arten, die Klement (1956) nicht festgestellt hatte. Bei der vorliegenden Untersuchung konnten insgesamt 32 Arten festgestellt werden (vgl. Tabelle) Die bereits fruher nachgewiesenen Arten konnten aile erneut gefunden werden, vorausgesetzt, es handelt sich bei der von Klement (1956) genannten Lecidea goniophila um die weitaus haufigere Lecidella stigmatea. DaB es sich statt dessen um die bei Wirth (1995) und John (1990) als Synonym genannte L. anoma/oides handeln kbnnte, darf bezweifelt werden, da Funde dieser Art an anthropogenen Substraten sehr ungewbhnlich sind. So wurden im Rahmen der Revision des Herbars von Theodor Muller, der bis 1965 zahlreiche Flechten der Eifel kartierte (Muller 1965), samtliche Belege von L. goniophila uberpruft. Bei nur einem einzigen Beleg vom "Alter FoB" bei Pelm handelt es sich tatsachlich um Lecidella anomaloides. Die ubrigen Belege wurden zu Lecidella stigmatea revidiert. Bei einem weiteren Beleg des Muller-Herbars, der von Klement uberpruft und als L. goniophila angesprochen worden war, handelt es sich indes um Sarcogyne regularis. Eine genauere Unterscheidung der Sippen der Lecanora dispersa-gruppe ist durch den Autor derzeit nicht sicher mbglich. An den Standorten * Der Beitrag ist Herrn Tom Chester gewidmet, einem leidenschaftlichen Lichenologen britischer Friedhofsflechten - Ohne das Geburtstagsgeschenk meiner Freunde, eine Fuhrung uber die Dacher des Kainer Domes, hatte ich nicht die Idee fur diese Untersuchung bekommen. Zum Dank verpflichtet bin Ich vor allem Herm Dr. Schumacher sowie Frau Dipl.-Bibliothekarin Musers von der Dombauverwaltung, die mir die Untersuchungen ermaglichten. Herm Prof. Dr. Glombitza sowie Herrn Dr. Heitmann, Universitat Bonn, danke ich fur die Maglichkeit, Lecidella-Belege aus dem Herbar von Theodor Muller einzusehen. Herr Prof. Dr. Feige und Frau Dipl. Biologin Heibel, Universitat Essen, ermaglichten mir, Belege dunnschichtchromatographisch zu untersuchen. Frau Dipl.-Biologin Heibel und Frau Privatdozentin Dr. Litterski, Universitat Greifswald, gaben wertvolle Verbesserungsvorschlage zum Manuskript. Rheinische Heimatpflege - 36. Jahrgang - 1/99 15

Kolner Dom sind sowohl Fruchtkbrper mit gekerbtem Rand und dunkler Scheibe (L. cf. crenulata), mit dickem, kreidig weibem Rand und brauner Scheibe (L. cf. dispersa s. str) sowie mit fahlgrunem Rand und hellbrauner Scheibe (L. cf. xanthostoma) vertreten. Die Ansprache der durch Prinz & Follmann (1984) erstmals auf der Bleiabdeckung nachgewiesenen Thalli als Lecania erysibe erscheint mir problematisch, da die Thalli ungewbhnlich dunkel und nur sehr schlecht ausgebildet sind. Geeignetes Herbarmaterial zur sorgfaltigen Nachbestimmung konnte nicht gesammelt werden. Die AuBenfassade des Doms kann von Galerien auf drei Stockwerken in 18, 25 bzw. 43 m begangen werden. Die erste Galerie fuhrt entlang der Dacher der Seitenschiffe des Lang- und Querhauses sowie des Chors. Sie ist oft sehr eng und nur schwer zuganglich. Ein Rundgang um den ganzen Dom war hier nicht mbglich. Die Galerie des 2. Stockwerks umrundet den gesamten Dom, obgleich sie in den Turmen z. T. nicht offen, sondern in engen Gangen verlauft. Die Galerie des 3. Stockwerks fuhrt von den Turen der Turmhallen um Langhaus, Querhaus und Chor. Der Flechtenbewuchs auf dem Dom ist sehr unterschiedlich ausgebildet. Nur an sehr wenigen Stellen wachsen uppige Mosaike, so v. a. an der Westseite des Querhauses des 3. Stockwerks. Hier ist der Schlaitdorfer Sandstein bereits stark gealtert und eingerustet. Von der Galerie zum Gerust ist eine Durchbruchstelle geschaffen worden. Eigenartig ist, dab gerade dieses Gestein von Prinz & Follmann (1984) nicht als Substrat genannt wird. Vielmehr geben sie aile ihre Funde auf Sandstein von Oberkirchner Sandstein an, der beim Bau des Doms lediglich fur die Turme verwandt wurde. Dieser Oberkirchner Sandstein erwies sich bei der vorliegenden Untersuchung als wenig bewachsen. Der wesentlich verwitterungsbestandigere Oberkirchner Sandstein kann u. U. nicht so leicht besiedelt werden wie der fur Verwitterung anfallige Schlaitdorfer Sandstein. Auch auf den alteren Gelandern an der Sudseite des Langhauses sowie der Westseite des Querhauses sind auf dem 2. Stockwerk gut ausgebildete Flechtenbestande vertreten. Hingegen ist der Bewuchs auf der Nordseite des Doms v. a. auf den unteren beiden Stockwerken auberst sparlich. Auf den Gesteinen dieser schattigen Gange wachsen uberwiegend Grunalgen und nur vereinzelt auch Flechten. Insgesamt nimmt der Bewuchs am Dom von unten nach oben zu. Die Gesteine des gesamten 1. Stockwerks sind stark veralgt und nur einzelne Thalli von Candelariella vitellina, Scoliciosporum chlorococcum oder Phaeophyscia orbicularis konnten sich hier ansiedeln. Insbesondere die Westfassade der Turme aus Oberkirchner Sandstein ist nahezu bewuchsfrei. Statt dessen ist sie ausgesprochen stark durch Taubenkot verschmutzt. Selbst stark nitrophytische Arten wie beispielsweise Cande/ariella coralliza kbnnen hier nicht mehr wachsen. Nur in geschutzten Nischen findet man vereinzelt dunkle Flechtenthalli (eventl. Scoliciosporum?). Calciphytische Arten kommen am Dom nur am Chor sowie in einzelnen Mbrtelfugen vor, wenn diese nicht - wie nahezu an allen Stellen ublich - durch Bleilitzen abgedichtet worden sind. Der harte Muschelkalk wird nur sehr sparlich besiedelt. Unter Umstanden erschwert auch die relativ grobporige Struktur des an Kleinfossilien reichen Gesteins die Ausbildung grbberer, zusammenhangender Flechtenlager. Auf alteren Holzplanken der Geruste konnten sich an weniger stark durch Tritt belasteten Stellen vereinzelt Thalli von Lecanora conizaeoides oder Placynthiella icmalea, an schattigen, morschen Stellen auch Micarea prasina ansiedeln. Wiederbesiedelung oder Reliktvorkommen? Alte Kirchen und Friedhbfe sind fur ihre mannigfaltige und interessante Flechtenflora beruhmt; sie stellen nicht fur Flechten auberst interessante Sekundarhabitate dar (Chester 1997). Die meisten innerstadtischen Bauwerke weisen indes oft nur noch eine sehr verarmte Flora auf. Klement (1956) betont; dab er die Flora des Kblner Doms nur sehr fluchtig untersucht hat und noch zahlreiche weitere Arten zu erwarten seien. Er bezeichnet deshalb die Vegetation sogar als "artenreich". Prinz & Follmann (1984) hingegen kommen zu dem SchluB, auf dem Dom sei eine im Vergleich mit anderen Fundorten in Kbln nur sehr artenarme Flechtenvegetation ausgebildet. Sie 16 Rheinische Heimatpflege - 36. Jahrgang - 1/99

Kainer Dom Gelander am Querhaus des Doms aus Sehlaitdorfer Sandstein mit Fleehtenhalli: a =Aearospara fuseata; e =Candelariella vitellina; I=Leeanora mural is. MaBstab = 10 em fuhren dies u. a. auch auf den Mangel an verschiedenen Kalksubstraten zuruck; als einziger kalkhaltiger Baustein wurde Muschelkalk vom Main verwandt. Dennoch ist die Vegetation auf Muschelkalk am Dom heute artenreicher als noch von Prinz & Follmann (1984) festgestellt. Ais ausgesprochen artenreich kann die Flechtenvegetation des Kainer Doms dennoch nicht bezeichnet werden, auch gelten heute keine der nachgewiesenen Arten als oder bedroht. Ais Oskar Klement 1956 seinen kurzen Artikel zur.,flechtenflorula des Kainer Domes" veraffentlichte, war es nicht Ziel seiner Arbeit eine maglichst vollstandige Erfassung der Arten vorzustellen. Vielmehr diskutierte er, inwieweit Gesteinsflechten von Luftverunreinigungen ebenso betroffen sind wie epiphytische Flechten. Anhand etlicher Arten, die er "wahrend eines fluchtigen Besuchs" am Dom sowie dessen Umfassungsmauer feststellte, kritisiert er die pauschale Feststellung, dab Flechten generell durch Luftschadstoffe geschadigt und somit aus den Stadten verdrangt wurden. So hinterfragt er damalige Untersuchungen zur Bioindikation, die in den damals stark durch S02 belasteten Innenstadten.,Flechtenwusten" und in den Stadtrandgebieten sogenannte "Kampfzonen" kartierten. Wahrend sich diese Kartierungen nur mit epiphytischen Arten beschaftigen, kann Klement am Kainer Dom also unmittelbar neben dem Emissionszentrum Hauptbahnhof - zahlreiche gesteinsbewohnende Arten feststellen. Somit stellt er die Hypothese, Flechten wurden allesamt durch saure Emissionen geschadigt, generell in Frage. Diese Diskrepanz, dab in luftbelasteten Gebieten gesteinsbewohnende Arten v. a. auf kalkhaltigen Gesteinen, Beton und Martel uberdauern, wahrend gleichzeitig die meisten epiphytischen Arten absterben, erscheint uns heute nicht mehr widerspruchlich. Aufgrund der Pufferwirkung karbonathaltiger Gesteine tolerieren zahlreiche Arten enorme Ansauerung des Substrats (Feige et al. 1980). Feige et al. (1980) pladieren deshalb dafur in stark belasteten Innenstadten auch epipetrische Arten zur Bioindikation heranzuziehen. Von einigen Arten ist auberdem bekannt, dab diese bei hoher Luftbelastung von Silikatgesteinen auf Kalkgesteine wechseln (z. B. Lecanora muralis). Insofern erscheint die Flora, die Klement (1956) vom Kainer Dom belegt. nicht ungewahnlich. Auch Prinz & Follmann (1984) bemerken, dab der Ausdruck.,Flechtenwuste" nicht korrekt ist, wenn bei einer Luftgutekartierung nur epiphytische Arten erfabt wurden. Wenn in jungster Zeit eine Wiederbesiedelung dieser.,flechtenwusten" festgestellt wird, wird haufig vernachlassigt, dab Gesteinsflechten in den untersuchten Gebieten u. U. uberdauern konnten, obgleich haufig mit verminderter Vitalitat. Bereits Klement (1956) konstatiert, dab die beobachteten Arten durch RuB stark geschwarzt waren. Andere, weniger tolerante Arten magen Rheinische Heimatpflege - 36. Jahrgang - 1/99 17

Kainer Dam _ tatsachlich erst kurzlich, aufgrund des SOz-Ruckgangs wieder eingewandert sein. Ein Vergleich der verschiedenen Untersuchungen erweist sich als schwierig. Bei den vorhergehenden Untersuchungen wurde nicht prazise dokumentiert, wo die einzelnen Arten aufgefunden wurden. Prinz & Follmann (1984) weisen darauf hin, dab die Umfassungsmauer des Domhugels - an welcher Klement (1956) die meisten Arten feststellen konnte - inzwischen nicht mehr existiert. Zwar betont Klement, dab er "eine ziemliche Anzahl von Gesteinsflechten, sowohl am Dome selbst, mehr noch auf und an seiner Umfassungsmauer... " festgestellt hat, doch unterscheidet er nicht, wo genau er welche Arten erfabt hat. Obwohl Prinz & Follmann (1984) angeben, welche Arten sie auf den verschiedenen Bausteinen des Domgebaudes gefunden haben, beschreiben auch sie die untersuchten Fundorte nur vage. Vergleichende Aussagen werden auch erschwert durch die GroBe und Komplexitat des Domes. An der reichlich verzierten Fassade ist nur ein Bruchteil der Flechtenstandorte frei zuganglich. Die unscheinbaren Krustenflechten konnen somit leicht ubersehen werden und - wie bereits Klement (1956) feststellt - bei weitem nicht aile Arten erfabt werden. Allein aufgrund des Vergleichs der Untersuchungen zu beurteilen, ob die beobachteten Thalli Reliktvorkommen darstellen oder eher auf Wiederbesiedelung zuruckzufuhren sind, ware recht spekulativ. Die Interpretation der jungsten Erfassung wird jedoch erleichtert, wenn auch die ThallusgroBe der einzelnen Arten berucksichtigt wird. Krustenflechten sind sehr langsamwuchsig. Pro Jahr werden oft nur wenige Millimeter Thalluszuwachs erreicht. Somit ist der bis zu 10 cm grobe Thallus von Acarospora fuscata als Reliktvorkommen zu deuten, auch wenn er in den vorhergehenden Arbeiten nicht nachgewiesen wurde. Weiterhin ist Lecanora muralis mit Sicherheit eine Art, die in der Vergangenheit die hohe SOz-Belastung uberdauern konnte. Klement (1956) nennt einen Thallus von etwa 3 cm Durchmesser, Prinz & Follmann (1984) konnten die Art ebenfalls feststellen. Heute erreichen einzelne Thalli bereits 10 cm Durchmesser. Dies durfte einem betrachtlichen Alter von ca. 30 Jahren entsprechen [zum Vergleich: Feige et al. (1980) errechneten das Alter eines Thallus von Lecanora muralis in der Innenstadt von Koln mit ca. 6,3 cm auf 19 Jahre]. Obwohl also einzelne Arten in der Vergangenheit eine hohe SOz-Belastung uberdauern konnten, ist es doch unumstritten, dab die hohe Luftbelastung auch die Flechtenvegetation des Doms stark beeintrachtigt hat. Bis heute sind Vorkommen der extrem luftbelastungsresistenten Arten Lecanora conizaeoides und Sco/iciosporum ch/orococcum ein deutliches Indiz fur die massive Veranderung innerstadtischer Flechtenvegetation durch Luftbelastung. Beide Arten sind charakteristische Epiphyten stark saurer Borken und waren ursprunglich sehr. Wah rend die meisten ubrigen Flechtenarten mit Zunahme der SOz-Belastung seit Beginn der industriellen Revolution bis in die siebziger Jahre extrem zuruckgingen, konnten Lecanora conizaeoides und Sco/iciosporum ch/orococcum Standorte besiedeln, auf denen die ubrigen Arten aufgrund zunehmender Versauerung abstarben. So bildeten sie schlieblich zusammen mit Grunalgen die dominierende Epiphytenvegetation der Ballungsraume. Erst seit kurzem werden bei der Ausbreitung dieser luftbelastungsresistenten Arten erste Anzeichen einer Trendwende beobachtet (Wirth 1993) Das Wiedereinwanderungsverhalten empfindlicherer Arten ist indes recht unterschiedlich. Wahrend "zone-skippers" sich schnell ausbreiten und ursprunglich klar begrenzte Belastungszonen "uberspringen", "trodeln" Nachzugler C.zonedawdlers") hinterher, u. U. da sie uber weniger effektive Verbreitungsmechanismen verfugen (Gilbert 1992). Klassische Modelle der Bioindikation mittels Flechtenkartierungen werden deshalb zunehmend in Frage gestellt, da sie zwangslaufig eher historische Level der Luftschadstoffbelastungen wiedergeben (Seaward 1975, 1976, 1980, 1982, Henderson-Sellers & Seaward 1979, Scholler, 1993). Aktuelle Werte von Immisionsbelastungen zeigen, dab insbesondere die fur die Flechten so verheerenden S02-Immissionen drastisch zuruckgegangen sind (Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen, 1994). 18 Rheinische Heimatpflege - 36. Jahrgang - 1/99

Kainer Dom.,. o D.. 0. 0.. e«%zltllll t1> '. It> o'.. '0 o. o. 0 Trachyt und Latit Drachenfels ~ Stenzelberg. Wolkenburg. ~ Berkum Sandstein I...::'..:I Schlandorf 1.. ~ ~ ~I Oberkirchen Kalkstein 1'}'~~:~;i~1 Main-Muschelkalk Ix..~: :~ Savoni~res, Caen u. a. Basaltlava.. Mayen, Niedermendig m~;1londorf Die Gesteine des Kainer Doms (nach einem Plakatentwurf von Arnold Wolff) Rheinische Heimatpflege - 36. Jahrgang - 1/99 19

Kainer Dom _ Candelariella vitellina; f = zitronengelbe Form flavovirella; v = tiefgelbe Normalform; MaBstab = 3 mm Zahlreiche der weder von Klement (1956) noch von Prinz & Follmann (1984) am Kainer Dom nachgewiesenen Arten kannten sich also durchaus in den letzten 13 Jahren hier wieder angesiedelt haben. Gerade bei den Flechtenlagern, die nicht durch einen eindeutigen Rand begrenzt werden oder durch die Fusion mehrerer Einzelthalli entstehen, kann nicht von der Thallusausdehnung auf das Alter der Flechten geschlossen werden. DaB diese an sich recht haufigen Arten allesamt in der Vergangenheit ubersehen worden sind, ist unwahrscheinlich, jedoch nicht auszuschlieben. Obgleich somit nicht eindeutig geklart werden kann, welche der Arten im einzelnen wiedereingewandert sind und welche Reliktvorkommen darstellen, darf dennoch angenommen werden, dab der Flechtenbewuchs des Doms insgesamt zugenommen hat. Vorausgesetzt, dab Wachstum und Reproduktion nicht langer durch S02-Belastung gehemmt werden, konnten sich somit sowohl Arten erneut ansiedeln als auch bisher ubersehene Thalli an GroBe zunehmen und sich vor Ort vermehren. Wahrend saure Emissionen deutlich abnehmen und in zahlreichen Ballungsraumen heute fur Neuansiedelungen kaum mehr von Bedeutung sein durften, kommt inzwischen der Eutrophierung der Landschaft insgesamt eine hohe Bedeutung zu (Brown 1992). Durch die zunehmende Eutrophierung wird somit zum einen die Ansauerung der Standorte gemabigt, andererseits vermagen zahlreiche, an nahrstoffarme Standorte angepabte Arten nicht wieder einzuwandern. Diese inzwischen sehr en Arten, die bereits auf wenige, noch weitgehend unbelastete Standorte zuruckgedrangt worden sind, werden sich auch aufgrund des Ruckgangs der S02-Belastung nicht erneut etablieren kannen. Vielmehr ist mit zunehmender Eutrophierung zu erwarten, dab sie selbst in ihren Refugien von gerade jenen nitrophytischen Arten verdrangt werden, die unsere Stadte zur Zeit wiederbesiedeln. Vor einer verfruhten Euphorie uber die Ruckkehr der Flechten in unsere Stadte mub deshalb gewarnt werden. Verwitterung: Schutz oder Beeintrachtigung durch Flechten? 1st es fur die Bausubstanz des Gebaudes problematisch, wenn der Flechtenbewuchs am Kainer Dom zunimmt7 Die schwarze Farbe des Doms, die bis heute weitgehend auf RuBpartikel und Blaualgenbewuchs zuruckzufuhren ist, mag mit Zunahme des Flechtenbewuchses ein wenig aufgelockert werden, doch wird die helle Grundfarbe der meisten Gesteine weiterhin uberdeckt bleiben. Stellten saure Immissionen in der Vergangenheit ein Hauptagens atmospharisch-chemischer Verwitterung dar, magen durch die Zunahme des Bewuchses auch biogene Einflusse zunehmen. Leider ist trotz mannigfaltiger Publikationen (vgl. Piervittori et al. 1994, 1996, 1998) bis heute die Rolle der Flechten als Gesteinsverwitterer nicht 20 Rheinische Heimatpflege - 36. Jahrgang - 1/99

Kolner Dom Candelariella vitellina; MaBstab = 5 mm eindeutig geklart. Unbestritten ist ihr EinfluB auf die Asthetik des Steins. Oft kbnnen sich lediglich Biologen oder Naturschutzer uber die "hablichen Flecke" freuen - Grund genug, dab Denkmalschutzer sie mechanisch oder durch Biozide entfernen? Die Besiedelung der verschiedenen Bausteine des Doms ist, wie z. T bereits ausgefuhrt, sehr unterschiedlich. Die harte, verwitterungsbestandige Basaltlava, aus der am Dom heute hauptsachlich das Strebewerk besteht, ist ein Substrat, dab eher besiedelt wird als die sehr sauren Latite und Trachyte, doch ist der relativ weiche, verwitterungsanfallige Schlaitdorfer Sandstein am dichtesten bewachsen. Der vergleichsweise verwitterungsbestandige Oberkirchner Sandstein ist hingegen kaum von Flechten bedeckt. Diese unterschiedliche Besiedelung der Gesteine labt jedoch nicht zwangslaufig den SchluB zu, dab die Flechten als eine Hauptursache der Verwitterung anzusehen sind. Obgleich es naheliegend erscheint, dab weiche Gesteine eher besiedelt werden kbnnen als harte, ist damit noch keine Aussage uber den Beitrag der Besiedelung zur Verwitterung gemacht. Tatsachlich sind die haufig angefuhrten Grunde fur eine Beseitigung des Bewuchses nicht sehr stichhaltig. In zahlreichen Publikationen (z B. Edwards & Seaward 1997) wird davon ausgegangen, dab die Auflockerung des Gesteinsverbandes durch Flechtenhyphen mabgeblich zu dessen Erosion beitragt. Da eine mechanische Beseitigung gleichzeitig die bereits angewitterte Gesteinskruste entfernt, wird haufig eine biozide Behandlung vorgenommen, welche den Bewuchs gesteinsschonender entfernt (Koestler & Salvadori 1996) Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dab auch diese biozide Entfernung der Flechtenthalli die Erosion der Gesteinsoberflachen erhbht. Obgleich Flechten die auberste Kruste des Gesteinsverbandes zwangslaufig auflockern, um auf diesem lebensfeindlichen Substrat siedeln zu kbnnen, ware es fatal, wenn die Thalli dann mit dem Substrat herabfallen. So wurde standig neuer Freiraum fur die Besiedelung durch andere Flechten entstehen und insbesondere langsamwuchsige Krustenflechten kbnnten sich kaum ansiedeln. Es ist deshalb fraglich, ob sich eine stark gesteinszerstbrende Wirkung einzelner Flechtenarten evolutiv hat entwikkeln kbnnen. Vielmehr wird das feine Hyphengeflecht, welches den Stein durchdringt, diesen zugleich auch zusammenhalten. Unter Umstanden ist das Gestein durch den Bewuchs somit besser gegen Witterungseinflusse geschutzt, als wenn es dem Wetter unmittelbar ausgesetzt ware. Wah rend unter natlirlichen Wachstumsbedingungen biogene Erosion hauptsachlich durch naturliches Absterben der Thalli aufgrund von Alterung erfolgt, kbnnte die Anwendung von Bioziden diesen ProzeB beschleunigen. Um eine allgemeine Umweltbelastung gering zu halten, werden heute kurzle- Rheinische Heimatpflege - 36. Jahrgang - 1/99 21

Kainer Dam x5 Candelariella viteflina x 10 Lecanora muralis x 5 Zeichnungen der am Kolner Dam nachgewiesenen Flechten Zeichnungen: Claire Dalby, Chester. Entnommen aus: Tom Chester, The Saxicolous Chuchyard Lichens of Lowland England, British Wildlife vol. 8, Nr. 3 bige Biozide bevorzugt eingesetzt. Diese kurzlebigen Chemikalien verhindern nur vorubergehend eine Wiederansiedelung. Es Zusammenfassung nachgewiesen werden, von denen 24 Arten erstmals gefunden wurden. _ Samtliche Arten, die bereits zuvor von Klement (1956) sowie Prinz & Follmann (1984) vom Kainer Dom nachgewiesen worden waren, konnten erneut bestatigt werden. Bei der von Klement (1956) als Lecidea goniophila Bei einer Untersuchung der Flechtenflora der Fassade des Kainer Doms konnten insgesamt 32 Arten angesprochenen Art wird vermutet, dab es sich um Lecidella stigmatea und nicht um L. anomaloides handelt. Die Oberprufung der Thalli auf den Bleiabdeckungen, die von Prinz & Follmann (1984) als Lecania erysibe bezeichnet wurden, war nicht maglich, da vor Ort kein geeignetes Material gesammelt werden konnte. Die vergleichsweise hohe Anzahl von Neufunden deutet auf eine Wiederbesiedelung des Domes aufgrund des Ruckgangs der SOz-Luftbelastung hin. Gleichzeitig konnten andere Flechtenarten die hohe Luftbelastung in der Vergangenheit uberdauern. Der EinfluB der Flechten auf die biogene Verwitterung wird diskutiert. Obgleich Flechtenhyphen nachweislich die obersten Gesteinsschichten angreifen, ist es dennoch denkbar, dab sie gleichzeitig eine Schutzschicht gegen die Witterung darstellen. ist zu befurchten, dab wiederholte Anwendungen standig neue Erosionsflachen bereits gelockerten Gesteins schaffen, welche dann um so schneller abwittern. Eine flachendeckende Anwendung von Bioziden an Gebauden von der GraBe des Kainer Doms kannte sich daruber hinaus verheerend fur das gesamte Kainer Stadtakosystem auswirken. Obwohl die haufigen Flechtenarten auf unseren Bauwerken nicht notwendigerweise geschutzt werden mussen, sollten wir uns uberlegen, ob sie nicht auch eine Bereicherung unserer tristen GroBstadte darstellen. Die "hablichen Flecken", die manche muhsam zu entfernen versuchen, magen bei naherer Betrachtung nicht nur eine eigene Asthetik besitzen, sie kannten sogar von Nutzen sein. 22 Rheinische Heimatpflege - 36. Jahrgang - 1/99

Kainer Dom Leeanora muralis; MaBstab = 1 em L1TERATUR BROWN, D.H. (1992) Impact of agriculture on bryophytes and lichens. In: Bates, J.W. & Farmer, A.M.: Bryophytes and lichens in a changing environment. Oxford (Oxford University Press) p. 260-283. CHESTER, 1. (1997): 'And some fell on stony ground.. The saxicolous churchyard lichens of lowland England. British Wildlife 8 (3): 161-172. EDWARDS, H.G.M. & SEAWARD, M.R.D. (1997): FT-Raman spectroscopy of Dirina massiliensis f. sorediata encrustations growing on diverse substrata. Lichenologist 29(1) 83-90. FEIGE, G. B., KREMER, B. P, WEISSIG, E. (1980): Flechtenwachstum in der GroBstadt. Ein Beitrag zur Stadtakologie am Beispiel von Kaln. Rheinische Heimatpflege N.F. 17: 110-113. GILBERT, O.L. (1992): Lichen reinvasion with declining air pollution. In: Bates, J.w. & Farmer, A.M.: Bryophytes and lichens in a changing environment Oxford (Oxford University Press) p. 159-177. HENDERSON-SELLERS, A. & SEAWARD, M.R.D. (1979): Monitoring lichen reinvasion of ameliorating environments. Environmental pollution 19: 207-213. JOHN, V. (1990): Atlas der Flechten in Rheinland-Pfalz. Beitrage zur Landespflege in Rheinland-Pfalz 13(1): 275 S. KLEMENT, O. (1956): Zur Flechtenflorula des Kainer Doms. Decheniana 109 (1): 87-90. KOESTLER, R.J & SAVADORI, 0 (1996): Methods of evaluating biocides for the conservation of porous building materials. Science and Technology of Cultural Heritage 5: 63-68. Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen (LUA) (1994): Luftqualitat in NRW. TEMES-Jahresberichte 1992, 1993, 1994. Kontinuierliche LuftgOtemessungen. Essen. MULLER, 1. (1965): Die Flechten der Eifel mit BerOcksichtigung der angrenzenden Ardennen und der Kainer Bucht. Decheniana Beihefte 12: 72 S. PIERVITIORI, R; SALVADORI, O. & LACCISAGLlA, A. (1994): Literature on lichens and biodeterioration of stonework I. Lichenologist 26 (2) 171-192. PIERVITIORI, R.; SALVADORI, O. & LACCISAGLlA, A. (1996): Literature on lichens and biodeterioration of stonework II. Lichenologist 28 (5): 471-483. PIERVITIORI, R.; SALVADORI, O. & ISOCRONO, D. (1998): Literature on lichens and biodeterioration of stonework III. Lichenologist 30 (3): 263-277. PRINZ, M. & FOLLMANN, G. (1984): Gesteinsbewohnende Krustenflechten auf dem Kainer Dom. Flora Colonia 1: 32-35. SCHOLLER, H. (1993): Zur Problematik von Bioindikator Modellen am Beispiel der Flechten. Natur u. Mus. 123 (10) 292-314 SEAWARD, M.R.D. (1975): Performance of Lecanora muralis in an urban environment. In: Brown, D.H.; Hawksworth, D.L. & Bailey, R.H.: Lichenology: Progress and Problems. London (Academic Press) p. 323-357. SEAWARD, M.R.D. (1976): Lichens in air polluted environments: multivariate analysis of the factors involved. In: Karenlampi, L.: Proceedings of the Kuoipo meeting on plant damages caused by air pollution. Kuoipo (University of Kuoipo) p. 57-63. SEAWARD, M.R.D. (1980): The use of lichens as bioindicators of ameliorating environments. In: Schubert, R. & Schuh, J.: Bioindikation auf der Ebene der Individuen. Halle-Wittenberg (Martin-Luther-Universitat) p. 17-23. SEAWARD, M.R.D. (1982): Lichen ecology of changing urban environments. In: Bornkamm, J.A.L & Seaward, M.R.D. Urban ecology: 2nd European ecological symposium. Oxford (Blackwell Scientific Publications) p. 181 189. WIRTH, V. (1995): Flechtenflora: Bestimmung und akologische Kennzeichnung der Flechten SOdwestdeutschlands und angrenzender Gebiete.Stuttgart 661 S. WIRTH, V. (1993): Trendwende bei der Ausbreitung der anthropogen gefarderten Flechte Lecanora conizaeoides? Phytocoenologia 23: 625-636. Rheinische Heimatpflege - 36. Jahrgang - 1/99 23

Kainer Dam _ Tabelle: 1998 am Kainer Dam nachgewiesene Flechtenarten Art Acarospora fuscata Buellia aethalea Caloplaca citrina Ca/op/aca crenulatella Caloplaca holocarpa Cande/ariella aurelia Candelariella coralliza Fundort Galerie des 3. Stockwerks, Querhaus, Westseite Galerie des 3. Stockwerks, Querhaus, Westseite 2. Stockwerk, Langhaus, Sudseite 2. Stockwerk, Langhaus 2. Stockwerk, Langhaus, Sudseite 3. Stockwerk, Char, aile Expositionen 3. Stockwerk, Chor Galerie des 3. Stockwerks, Querhaus, Westseite Candelariella vitellina Galerien aller Stockwerke Candelariella vitellina f. Hypogymnia physodes cf. Lecania erysibe Lecanora albescens Lecanora conizaeoides flavovirella Galerie des 2. Stockwerks, Langhaus, Nordseite Galerie des 3. Stockwerks, Langhaus, Sudseite Bleiabdeckung (Fugendichtung, Bleidacher) 3. Stockwerk, Char Galerien aller Stockwerke Lecanora dispersa 5.1. Lecanora muralis Lecanora polytropa Lecidella carpathica Lecidella stigmatea Lepraria incana Micarea prasina Phaeophysia orbicularis Physcia adscendens Physcia caesia Physcia tenella Placynthiella icmalea Polysporina simplex Scoliciosporum chlorococcum 2. Stockwerk, Langhaus, Sudseite 3. Stockwerk, Chor, aile Expositionen Galerien aller Stockwerke 2. Stockwerk, Langhaus, Sudseite 3. Stockwerk, Querhaus, Westseite Galerie des 3. Stackwerks, Querhaus, Westseite 3. Stockwerk, Char Galerien aller Stockwerke 3. Stockwerk 1. Stockwerk, Langhaus, Sudseite 2. Stockwerk, Char, Ostseite 3. Stackwerk, Langhaus, Sudseite 3. Stackwerk, Sudseite des Langhauses u. Westseite des Querhauses 2. Stockwerk, Ostseite des Querhauses 3. Stockwerk, Sudseite des Langhauses u. Westseite des Querhauses 3. Stockwerk Galerie des 3. Stockwerks, Querhaus, Westseite Galerien aller Stockwerke Scoliciosporum umbrinum Galerien aller Stockwerke Trapelia coarctata Trapelia involuta Trapelia placodioides Verrucaria nigrescens Xanthoria calcicola 3. Stackwerk, Sudseite des Langhauses u. Westseite des Querhauses 2. Stockwerk, Langhaus, Sudseite 3. Stockwerk, Langhaus, Sudseite 2. Stackwerk, Langhaus, Sudseite 3. Stockwerk, Char 3. Stockwerk, Chor 24 Rheinische Heimatpflege - 36. Jahrgang - 1/99

Kainer Dam Standort (Substrat) Strebewerk aus Sehlaitdorfer Sandstein Ballustrade aus Sehlaitdorfer Sandstein auf Martel an MeBpunkt auf Basaltgelander auf Martel an MeBpunkt auf Basaltgelander auf Martel an MeBpunkt auf Basaltgelander auf Musehelkalk (Main) auf Musehelkalk (Main) an allen kalkfreien Bausteinen, aueh auf Holzplanken der Baugeruste Balustrade aus Basaltlava Balustrade aus Basaltlava an witterungsgesehutzten Stellen auf Musehelkalk (Main) an allen kalkfreien Bausteinen, aueh auf Holzplanken der Baugeruste auf Martel an MeBpunkt auf Basaltgelander auf Museheldalk (Main) an allen Bausteinen Balustrade aus Basaltlava Strebewerk aus Sehlaitdorfer Sandstein auf Musehelkalk (Main) an gesehutzten unberegneten Standorten Holzplanken der Baugeruste Gesimse aus Traehyt des Draehenfelses Musehelkalk (Main) Balustrade aus Basaltlava Holzplanken der Baugeruste Strebewerk aus Sehlaitdorfer Sandstein an allen kalkfreien Bausteinen, aueh auf Holzplanken der Baugeruste an allen kalkfreien Bausteinen, aueh auf Holzplanken der Baugeruste Balustrade aus Basaltlava Balustrade aus Basaltlava auf Musehelkalk (Main) auf Musehelkalk (Main) maximaie ThallusgroBe 1 Thallus a 10 em Durehmesser 1 Thalilus a 2 em Durehmesser Einzelthalli in den ausgedehnten Lagern nieht abgrenzbar Einzelthalli in den ausgedehnten Lagern nieht abgrenzbar <1 em <2 em <1 em <1em max. 10 em Durehmesser 5 em Durehmesser <1 em <0,5 em 3 em <0,5 em max. 2 em Durehmesser wenige mm kleine Thalli max. 2 em Durehmesser max. 3 em Durehmesser 3 em Durehmesser Haufigkeit haufig haufig sehr haufig ( ausgedehnte Lager) sehr haufig, insbesondere an der Nordseite des 2. Stoekwerks haufig sehr sehr haufig sehr haufig, insbesondere an der Nordseite des 2. Stoekwerks haufig, insbesondere an der Nordseite des 2. Stoekwerks Rheinische Heimatpflege - 36. Jahrgang - 1/99 2S