1 Richard Eberle Station 3 Großmühle Gunz
2 Richard Eberle Wir stehen nun vor der Villa Gunz, dem einzig verbliebenen Gebäude der Kunstmühle Gunz Wolfurt. Ausgangspunkt dieses ehemaligen Betriebs war wieder die Hundsmühle. Der uns schon bekannte Mechaniker Josef Anton Dür errichtete hier, direkt am Ausgang des Rickenbachtobels, im Sommer 1852 eine neue, damals modernst ausgestattete Mahlmühle für Getreide. Mit den Investitionen in seine Betriebsausbauten hatte er sich aber finanziell übernommen und musste daher einen Teil seines Betriebes verkaufen. So trat er um 1856 das Eigentumsrecht an der Mühle an seine Schwester Christina und deren Mann, den aus Bildstein stammenden Josef Gunz, ab. Josef Gunz wohnte mit seiner Familie im Obergeschoss der Mühle. Elf seiner Kinder starben, die fünf überlebenden mussten hart arbeiten, denn auch ihre Mutter starb früh. Gemeinsam mit den vier heranwachsenden Söhnen Josef, Lorenz, Plazidus und Christian erweiterte Gunz den Betrieb ständig. Neben einer Getreide- und Maismühle betrieben sie so ab den 1880er Jahren auch einen Lohr-, einen Knochen- und einen Gerstenstampf und sogar eine Malzkaffee-Rösterei, die sie aber 1893 wegen der Konkurrenz durch Kathreiners Malzkaffee wieder aufgaben. Das Wasserrad hatte hier schon 1884 ausgedient. Zur Verbesserung der Energieversorgung baute der Nachbar und Schwager Josef Anton Dür eine Wasserturbine. Nun benötigten die Gunz-Brüder aber eine Wasserleitung zur Druckerhöhung. Als sie hörten, dass die Stahl-Abwasserrohre, die beim
3 Richard Eberle Arlbergbahn-Tunnelbau verwendet worden waren, zum Schrottpreis verkauft würden, schlugen sie zu. Sie kauften einen großen Posten dieser Rohre, um 5 statt den Neuwert von 80 Gulden. Monatelang reparierten sie die arg beschädigten, genieteten Eisenrohre. Bei 30 cm Durchmesser, 6 m Länge und 4 mm Wandstärke eine Schwerarbeit. Und das Verlegen bis weit ins Tobel hinein dauerte weitere vier Monate. Schließlich stand der Mühle danach aber ein um ein Vielfaches höheres Energieangebot zur Verfügung.
4 Richard Eberle Unter den vier Söhnen von Josef Gunz, die alle technisch begabt waren, stach Plazidus Gunz besonders hervor. Er hatte zwar schlechte Schulnoten, galt aber als ausgezeichneter Schreiner, Schlosser, Schmied, Mühlemacher und Dreher. Diese handwerklichen Fähigkeiten hatte er sich in der benachbarten Mechanikerwerkstätte seines Onkels angeeignet. Nach seinem Militärdienst widmete sich dieser Plazidus dem weiteren technischen Ausbau der Mühle. Schon 1890 schafften die Brüder Gunz bei der Firma Rüsch in Dornbirn eine größere Turbine an. Und 1896 schließlich installierte Plazidus Gunz eine Dynamomaschine und erzeugte damit als erster in Wolfurt seinen eigenen elektrischen Strom. 1890 erwarben die Brüder Gunz eine alte Mühle bei St.Peter in Bludenz, bauten diese mit günstig beschafften gebrauchten Einrichtungen aus z.b. die Turbine aus dem Betrieb von Samuel Jenny in Lauterach-Lerchenau - und eröffneten schon 1891 ihren zweiten Betrieb, die Kunstmühle Gunz, Bludenz. Christian und Plazidus übersiedelten dorthin während Josef und Lorenz den Wolfurter Betrieb leiteten. Nach der Elektrifizierung der beiden Mühlen entwickelte Plazidus Gunz eine gewagte Idee. Mit der Wasserkraft der Schwarzach wollte er die Gemeinden Wolfurt und Schwarzach elektrifizieren. Er ließ Pläne für ein E-Werk und ein Orts-Stromnetz ausarbeiten und sicherte sich die Wasserrechte an der Schwarzach, die er von den dortigen Wetzsteinfabrikanten per Kauf erwarb. Schon 1897 erhielt er die Baugenehmigung. Doch Schwarzacher Anrainer verhinderten über zwei Jahre den Bau. Schließlich verkaufte Gunz Rechte,
5 Richard Eberle Grund und Pläne an den Elektropionier Albert Loacker, der es 1900 baute. So erhielten die zwei Gemeinden als erste in Vorarlberg eine kommunale, fast flächendeckende Stromversorgung für Privathaushalte. Das wiederum war Auslöser eines rasanten gewerblichen Aufschwungs die Verfügbarkeit von Strom machte unser Dorf zu einem Eldorado der Stickereiwirtschaft. Dazu kommen wir aber später. Der Wirtschaftliche Erfolg der Kunstmühle Gunz zeigt sich schließlich auch an der 1913 errichteten Villa, die heute noch von den Nachkommen der Müllerfamilie Gunz bewohnt wird. Beide Standorte Bludenz und Wolfurt wurden in den Zwischenkriegsjahren und den frühen 1940er Jahren weiter ausgebaut. Hier in Wolfurt endete die Geschichte der Mühle im Jahre 1976. Sie wurde durch einen Großbrand bis auf die Grundmauern zerstört. Nur die Druckrohrleitung und das kleine E-Werk wurden noch bis vor 10 Jahren betrieben. Wegstrecke zu Klöppelspitzenfabrik Paul Schwarz 150 m
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