Das Energiespektrum der primären Höhenstrahlung

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Transkript:

Das Energiespektrum der primären Höhenstrahlung Karl-Heinz Kampert, Ralph Glasstetter, IK1/IEKP Einleitung Seit ihrer Entdeckung vor mehr als 80 Jahren hat die kosmische Strahlung den Wissenschaftlern eine Vielzahl von Rätseln präsentiert, deren Lösung uns Einblicke in die äußerst vielschichtigen Prozesse sowohl unserer eigenen Milchstraße als auch der ferner Galaxien verspricht. Wenngleich aufgrund internationaler experimenteller und theoretischer Anstrengungen bereits wichtige Erfolge verbucht werden konnten, blieben bislang aber selbst Fragen von fundamentaler Bedeutung unbeantwortet. Insbesondere bei hohen Energien ermöglicht das verfügbare Datenmaterial nur unsichere Schlußfolgerungen über den Ursprung der kosmischen Strahlung im Universum. Die Argumentationsketten und Modelle der Astrophysiker basieren hierbei lediglich auf mehr oder weniger plausiblen Annahmen. Ein Grund dafür mag der fast unvorstellbare Unterschied zwischen den bekannten und verifizierbaren Bedingungen auf der Erde und denen in kosmischen Regionen sein, wo die Teilchen so vehement beschleunigt werden. Ein Zahlenbeispiel soll dies verdeutlichen. Gegenwärtig wird unter enormen weltweiten Anstrengungen die bislang leistungsfähigste Teilchenbeschleunigeranlage Large Hadron Collider (LHC) am europäischen Kern- und Teilchenforschungszentrum CERN aufgebaut. Sie wird voraussichtlich im Jahre 2006 in Betrieb gehen und die Rekordmarke für irdisch beschleunigte Protonen auf 7 TeV (7 10 12 ev) erhöhen. Das Energiespektrum der an der Erde beobachteten kosmischen Strahlung scheint dagegen keine natürliche Obergrenze aufzuweisen. In unabhängigen Experimenten wurden schon Teilchen mit mehr als 40 millionenfach höherer Energie (3 10 20 ev) als am zukünftigen LHC beobachtet! Auch die Gesamtzahl der allein in unserer Galaxie beschleunigten Teilchen erscheint beeindruckend; in jeder Sekunde werden mehr als 10 38 Teilchen mit Energien o- berhalb der LHC Grenze erzeugt, d.h. viele Millionen mal mehr als während des LHC Betriebs. Aus einer Aneinanderreihung von Daten verschiedener Experimente kann versucht werden, das Energiespektrum der kosmischen Strahlung zu rekonstruieren. Es überdeckt einen Energiebereich von mehr als 14 Größenordnungen und erweist sich oberhalb ca. 1-10 GeV (10 9-10 ev) als ausgesprochen strukturlos. Teilchen höherer Energie stammen nahezu vollständig von außerhalb des Sonnensystems und repräsentieren damit den alleinigen Materiestrom aus fernen Bereichen der Milchstraße. Der Gesamtfluß der Teilchen fällt mit steigender Energie über viele Größenordnungen sehr steil ab und folgt in guter Näherung einem Potenzgesetz der Form J(E) de µ E g de mit einem Index g ª 2,7 [1]. Interessanterweise beobachtet man zwischen 10 15 und 10 16 ev eine markante und nahezu abrupte Änderung des Indexes von g ª 2,7 nach g ª 3,1, die als zunehmende Steilheit des Energiespektrums sichtbar wird. In der Fachliteratur wird dieses bislang unverstandene und auch nicht unumstrittene Phänomen aufgrund seines Erscheinungsbildes als Knie des Primärspektrums bezeichnet. Die physikalisch äußerst ungewöhnliche Form des Spektrums kann daher z.b. nicht durch eine niedrig liegende hochenergetische Komponente erklärt werden. Ein derart eher 1

gewöhnliches Verhalten wird zwar auch andeutungsweise beobachtet, jedoch erst bei Energien oberhalb von etwa 10 18 ev. Das Karlsruher Luftschauerexperiment KASCADE zielt darauf ab, die Eigenschaften des Knies detailliert zu untersuchen, um so maßgeblich zur Klärung nach dem Ursprung der u ltra- h och e nergetischen (UHE) kosmischen Strahlung beizutragen. Stand des Wissens und experimenteller Ansatz Experimentelle Untersuchungen der kosmischen Strahlung im Energiebereich des Knies bei E ª 10 15-10 16 ev sind aus astrophysikalischer Sicht besonders interessant. Das gegenwärtige Standardmodell der kosmischen Strahlung nimmt an, daß die Beschleunigung der an der Erde beobachteten geladenen Teilchen durch Reflexionen an bewegten Magnetfeldern geschieht. Am vielversprechendsten ist aus vielfachen Gründen die dynamische Beschleunigung an Schockfronten, die bei Supernovaexplosionen in das interstellare Medium getrieben werden. Geladene Teilchen werden gewissermaßen im Bereich der Schockfronten gefangen und durch wiederholte Reflexionen vor und hinter dem Schock auf immer höhere Energien beschleunigt. Die Maximalenergie der Teilchen wird in diesem Modell sowohl durch die in den Plasmawolken eingeschlossenen Magnetfeldstärken als auch durch die Lebensdauer (und damit durch die geometrische Ausdehnung) der Stoßwelle begrenzt. Für expandierende Supernovahüllen erhält man in verschiedensten Modellen Werte von E max ª Z 10 14 ev (Z = Ladungszahl des beschleunigten Teilchens). Unter optimalen Bedingungen, etwa bei einer Supernovaexplosion in den Sternwind des Vorläufersterns, erhöht sich die Obergrenze auf etwa Z 10 15 ev und liegt damit recht nahe dem o.g. Knie. Das Knie wäre somit möglicherweise ein experimenteller Hinweis auf die Grenze der Schockbeschleunigung in Supernovaüberresten. Die Attraktivität dieses Modells liegt sowohl in dem natürlich zu erklärenden Potenzgesetz der Primärstrahlung als auch in der gut zu erklärenden Gesamtenergiedichte der kosmischen Strahlung in unserer Galaxie von etwa 1 ev/cm 3. Darüber hinaus werden aber auch weitere Alternativen der Teilchenbeschleunigung an verschiedensten kompakten und ausgedehnten Objekten diskutiert, auf die aus Platzgründen hier nicht näher eingegangen werden kann. Sie sind z.b. in den Referenzen [2] und [3] zusammengefaßt. Erst kürzlich wurde darauf hingewiesen, daß das Energiespektrum der kosmischen Strahlung an der Erde als durchaus nicht repräsentativ für unsere Milchstraße angesehen werde könne, falls wir uns inmitten einer expandierenden Supernovaschale, d.h. inmitten eines gerade aktiven Beschleunigers befänden [4]. Abschließend bleibt anzumerken, daß die Form des beobachteten Energiespektrums an der Erde nicht nur allein von den Eigenschaften des Beschleunigers, sondern maßgeblich auch durch die Propagation und Diffusion der Teilchen in unserer Galaxie bestimmt werden. Auch hier werden zunehmende Teilchenzahlverluste am Rande der Milchstraße mit zunehmender Energie erwartet, so daß oberhalb 5 10 17 ev ein allmählicher Übergang von galaktischer zu extragalaktischer Strahlung stattfinden sollte. Neben den genannten astrophysikalischen Erklärungsversuchen des Knies kann auch eine teilchenphysikalische Ursache derzeit noch nicht völlig ausge- 2

schlossen werden. Da sich die Energien der kosmischen Teilchen um Größenordnungen oberhalb des von Beschleunigerdaten bekannten Bereichs bewegen, ist prinzipiell auch eine Änderung der zugrunde liegenden Wechselwirkung nicht auszuschließen. Es gehört zu den unangenehmen Zufällen, daß sich gerade Messungen in dem interessanten Energiebereich des Knies als äußerst schwierig erweisen. Bis zu E- nergien von etwa 5 10 14 ev basiert das experimentelle Datenmaterial in erster Linie auf Detektoren, welche auf hochfliegenden Ballons, Satelliten oder dem Space Shuttle installiert wurden. Durch die direkte Beobachtung der Primärteilchen oberhalb, bzw. am oberen Rand der Atmosphäre erzielen diese Experimente eine hohe Präzision und ermöglichen neben der Energiebestimmung pro Nukleon auch eine zuverlässige Ladungs- und z.t. sogar Massenbestimmung. Da der integrale Teilchenfluß mit jeder Dekade der Energie um etwa zwei Dekaden fällt, sinkt der Teilchenfluß jedoch schon unterhalb des Knies auf derart geringe Werte, daß Meßmethoden dieser Art nicht mehr durchführbar erscheinen. Mit gegenwärtigen Techniken ist man daher auf großflächige erdgebundene Nachweistechniken angewiesen. Man mißt ausgedehnte Luftschauer, d.h. Kaskaden von Sekundärteilchen, die ein einzelnes hochenergetisches Primärteilchen in der Atmosphäre erzeugt. In diesen indirekten Messungen wirkt die Atmosphäre also gleichsam als Kalorimeter. Monte Carlo Simulationen [5] zeigen, daß bei einer Primärenergie von 10 15 ev am Erdboden noch etwa 1 Million Sekundärteilchen auf einer Fläche von ca. 100 m Durchmesser nachweisbar sind. Es genügt daher, sich auf statistische Stichproben zu beschränken, indem einzelne kleinflächige Detektoren auf einem zusammenhängenden Gebiet am Erdboden verteilt werden. Man nutzt dabei den Vergrößerungseffekt der Atmosphäre aus, d.h. auch Primärteilchen, die in ihrer Trajektorie nicht auf eine Detektorstation treffen, können in Form des ausgedehnten Luftschauers verlustfrei nachgewiesen werden. Die effektive Nachweisfläche einer Luftschaueranlage kann somit die instrumentierte Detektorfläche um das mehr als 100-fache übertreffen. KASCADE gehört zu dieser Klasse von Experimenten. Vereinfacht ausgedrückt, wird hierbei die Energiebestimmung des Primärteilchens auf eine Teilchenzahlmessung am Erdboden zurückgeführt. Luftschauersimulationen Abbildung 1 zeigt exemplarisch zur Veranschaulichung die mit dem CORSIKA- Modell [5] simulierte Longitudinalentwicklung von Proton- und Eiseninduzierten Luftschauern in der Erdatmosphäre. Die Energie der Projektile beträgt jeweils 10 15 ev. Sukzessive hadronische und elektromagnetische Wechselwirkungen sowie Zerfälle instabiler Teilchen erzeugen schließlich die drei Hauptkomponenten des am Erdboden nachweisbaren Luftschauers; Hadronen, Myonen, sowie Elektronen und Photonen. Jede dieser drei Komponenten wird vom KASCADE Experiment selektiv erfaßt. 3

Höhe über N.N. [km] Teilchenzahl 10 7 10 6 20 15 12 10 8 6 Gammas 5 4 3 2 1 10 5 Elektronen Myonen 10 4 Hadronen 10 3 10 2 Proton Eisen 10 15 ev, 0 o 0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000 atmosphärische Tiefe (g/cm 2 ) Abbildung 1: Longitudinalentwicklung vertikaler 10 15 ev p- und Fe-induzierter Luftschauer (durchgezogene, bzw. gestrichelte Linien). Die einzelnen Kurven zeigen jeweils Mittelwerte über 10 Ereignisse der Entwicklung verschiedener Komponenten eines Luftschauers. Die Energieschwellen der betrachteten Teilchen betragen: E e ±,g 3 MeV, E µ 100 MeV, E h 100 MeV. Man erkennt anhand der Monte Carlo Simulation weiterhin, daß die elektromagnetische Komponente (e ±, g; im folgenden zur Vereinfachung unter dem Begriff Elektronen zusammengefaßt) ihr Teilchenzahlmaximum in der oberen Atmosphäre (ca. 5 km Höhe) erreicht, um zum Erdoden hin etwa exponentiell abzunehmen. Das Maximum 56 Fe-induzierter Luftschauer liegt infolge der 56- fach geringeren Energie der Nukleonen und damit der geringeren Energie der Sekundärteilchen einige km höher in der Atmosphäre, so daß entsprechend die elektromagnetische Komponente am Boden bereits stärker abgeklungen ist. Die Anzahl der Myonen sinkt dagegen jenseits des Maximums nur sehr geringfügig. Hier wirkt sich der Abschirmungseffekt der Atmosphäre weit weniger aus. Ihre am Erdboden beobachtete Gesamtzahl erscheint zudem in Fe-induzierten Luftschauern nur leicht gegenüber p-induzierten Schauern erhöht. Auch dieser Effekt läßt sich gut aus den Eigenschaften der Hochenergiewechselwirkungen und aus den Zerfallskinematiken der instabilen Teilchen erklären. Myonen sind daher sehr gut zur (massenunabhängigen) Energiebestimmung der Primärteilchen geeignet. Elektronen dagegen können in Verbindung mit Myonen benutzt wer- 4

Protonen N e ~ E o 1.27 Elektronen Eisen N e ~ E o 1.32 5 6 7 log (Primärenergie [GeV]) Myonenzahl log(n e ) 6.5 6 5.5 5 4.5 4 3.5 3 Eisen N µ ~ E o 0.92 Myonen Protonen N µ ~ E o 0.96 5 6 7 log (Primärenergie [GeV]) Abbildung 2: Simulierter Zusammenhang zwischen der Primärenergie und den bei KASCADE beobachteten Elektronen- und Myonenzahlen für p- und Fe-induzierte Luftschauer. In den CORSIKA-Simulationen wurde ein Zenitwinkel von 22 angenommen. den, um Aussagen über die Masse des Primärteilchens zu treffen [6]. Hadronen verhalten sich ähnlich [7] und können ebenfalls zur Massenanalyse herangezogen werden. Abbildung 2 zeigt die jeweiligen Zusammenhänge in Abhängigkeit der Primärenergie. Lateralverteilungen der Elektronen und Myonen am Erdboden Der instrumentelle Aufbau der KASCADE Array-Stationen [8] ermöglicht eine weitgehende Unterscheidung zwischen Elektronen und Myonen eines Luftschauers. Zunächst wird aus den jeweiligen Signalhöhen in den Szintillationsdetektoren einer Station die Anzahl der (minimal ionisierenden) Elektronen bzw. Myonen pro Detektor bestimmt. In der Nähe des Schauerzentrums (d < 40 m) können jedoch sehr hochenergetische Elektronen und Photonen einen Signaluntergrund in den Myon-Detektoren verursachen. Die Signale der darüberliegenden Elektron-Gamma Detektoren unterliegen andererseits im Bereich d < 10 m einer Beeinflussung durch Paarproduktionsprozesse hochenergetischer Photonen. Zur Begrenzung der dadurch notwendigen Korrekturen werden in der Datenanalyse lediglich die Elektron- und Myon-Detektorstationen oberhalb der genannten Minimalabstände vom Schauerzentrum betrachtet. Nach Bestimmung des Schauerzentrums und der Schauerrichtung können schließlich in jedem Ereignis die jeweiligen Teilchenzahldichten in Abhängigkeit vom Abstand zum Schauerzentrum untersucht werden. Abbildung 3 zeigt das Ergebnis einer solchen Analyse. Um die lateralen Abhängigkeiten mit geringen statistischen Fehlern bis zu großen Abständen untersuchen zu können, wurden die aus jeweils 10 4 Ereignissen bestimmten Mittelwerte dargestellt. Der Zenitwinkel der betrachteten Schauer wurde zudem auf 18 q 26 eingeschränkt, um störende Effekte durch unterschiedliche effektive 5

Teilchen / m 2 10 1 NKG Parametrisierung Elektronen 10-1 Greisen Parametrisierung Myonen 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 Abstand zum Schauerzentrum (m) Abbildung 3: Experimentell bestimmte Lateralverteilungen der Elektronen (oben) und Myonen (unten). Die Linien zeigen Parametrisierungen an die Daten. Verwendet wurden nur Luftschauer im Zenitwinkelbreich 18 q 26 mit einer integrierten Myonzahl im Radiusbereich 40 m r 200 m zwischen 6300 N µ 8900. Atmosphärendicken zu minimieren. Es zeigt sich, daß die Teilchendichten mit zunehmenden Abstand vom Schauerzentrum rasch absinken. Elektronen zeigen zudem eine wesentlich steilere Lateralverteilung als Myonen. Zur Quantifizierung dieses Effektes und zur nachfolgenden radialen Integration der Kurven werden geeignete Parametrisierungen an die Verteilungen angepaßt. Aus Diffusionsrechnungen elektromagnetisch wechselwirkender Teilchen in der Atmosphäre wurde die nach ihren Autoren benannte NKG-Funktion [9] abgeleitet und auch hier erfolgreich zur Beschreibung der Elektronendaten verwendet (obere Kurve in Abb. 3). Es wird hierbei lediglich ein Parameter zur Absolutnormierung und ein zweiter zur Beschreibung der Steilheit der Verteilung verwendet. Der letztgenannte Parameter wird traditionell als das Alter eines Luftschauers bezeichnet, d.h. er stellt ein Maß dafür dar, wie weit das Beobachtungsniveau und das Maximum des Luftschauers auseinander liegen. Nach den zuvor angestellten Überlegungen ist damit auch eine Aussage möglich, ob der jeweilige Schauer in seiner Struktur eher einem Fe- oder p-induzierten Schauer ähnelt. Dies stellt neben dem schon genannten Elektron-zu-Myon Verhältnis eine weitere Variable zur Massenanalyse dar [6]. Zur Beschreibung der Lateralverteilungen der Myonen wird eine gegenüber der NKG-Funktion vereinfachte Parametrisierung verwendet (Greisen- Funktion, siehe untere Kurve in Abb. 3) und bei der vorliegenden Analyse lediglich ein Normierungsparameter an die Daten angepaßt. Die Integration dieser Funktion im Radiusbereich 40 m r 200 m liefert schließlich die Myonenzahl 6

N µ des Luftschauers. (Der hochgestellte Strich soll hierbei andeuten, daß es sich bei dieser Zahl nicht um eine Abschätzung der Gesamtmyonzahl handelt, wie sie aus einer analytischen Integration zwischen 0 r hervorginge.) Die Parametrisierungen können nun verwendet werden, um jeden nachgewiesenen Luftschauer gemäß seiner Elektron- und Myonzahl zu klassifizieren. Die Sortierung nach der Myonzahl wurde in Abb. 3 bereits verwendet, um nur Schauer etwa gleicher Primärenergie zusammenzufassen. Die experimentellen Daten der Myonen- und Elektronenmessung bestätigen eindrucksvoll die Eignung der gewählten Parametrisierungen. Die aus den Integrationen hervorgehenden Schauergrößen N e und N µ sind daher nur mit geringen systematischen Fehlern behaftet. Monte Carlo Simulationen, in denen die wahren Elektron- und Myon-Schauergrößen bekannt sind, bestätigen dies und zeigen, daß die systematischen Unsicherheiten der hier vorgestellten Methode einen Wert von 5-10% nicht überschreiten. In analoger Weise kann aus den beobachteten Luftschauern die Gesamtzahl der Hadronen am Erdboden bestimmt werden. Hierzu werden Ereignisse selektiert, deren Zentrum sich im Bereich des Hadronen-Kalorimeters befindet. Die geringere Fläche des Kalorimeters gegenüber dem Array bedingt naturgemäß eine starke Reduktion der verfügbaren Datenstatistik. Dennoch konnten bereits erste interessante Informationen aus den hadronischen Observablen abgeleitet werden. Sie werden in einem gesonderten Beitrag dieser Ausgabe [7] ausführlich diskutiert. Schauergrößenspektren Die am Erdboden beobachteten Teilchenzahlen (Elektronen, Myonen und Hadronen) können mit den im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Techniken nahezu unmittelbar und frei von Modellannahmen aus den experimentellen Daten bestimmt werden. Ihre jeweiligen Häufigkeitsverteilungen werden als Schauergrößenspektren bezeichnet. Im Gegensatz zur Mehrzahl früherer Luftschauerexperimente ermöglicht KASCADE eine selektive Messung dieser Verteilungen, ohne (detektorspezifisch) über alle Teilchensorten zu integrieren. Dieser Vorteil erweist sich in den Analysen als außerordentlich gewinnbringend, denn erst das gemeinsame Studium dieser Verteilungen gewährt wichtige Einblicke in das Energie- und Massenspektrum der Primärstrahlung. Abbildung 4 zeigt die Schauergrößenverteilungen der rekonstruierten Elektronen und Myonen. Die Form dieser Verteilungen ändert sich mit dem Zenitwinkel, d.h. mit der effektiven Atmosphärendicke. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden daher an dieser Stelle nur Schauer im Winkelbereich zwischen 18 q 25 diskutiert. Da selbst in einer doppelt-logarithmischen Darstellung beide Verteilungen durch einen sehr steilen Verlauf geprägt sind, wurden sie zur Hervorhebung möglicher Strukturen mit einem Faktor N k i multipliziert. In beiden Schauergrößenverteilungen beobachtet man einen ausgeprägten Knick und ein Potenzgesetz mit den angegebenen Indizes oberhalb und unterhalb der jeweiligen Knickpositionen. Dieses Verhalten kann unmittelbar mit dem o.g. Knie des Primärspektrums assoziiert werden. 7

differentieller Fluß log(dj/dn e N e 2.5 ) [m -2 s -1 sr -1 ] differentieller Fluß log(dj/dn µ N µ 3.0 ) [m -2 s -1 sr -1 ] 1.8 1.6 1.4 1.2 1 0.8 2.8 2.7 2.6 2.5 2.4 2.3 e =-2.45± 0.02 N e,knie =5.65± 0.03 e =-2.97± 0.03 4.5 5 5.5 6 6.5 Elektronenzahl log(n e ) µ = -3.01± 0.06 N µ,knie =4.48± 0.04 µ = -3.31± 0.04 2.2 4 4.2 4.4 4.6 4.8 5 5.2 5.4 Myonenzahl log(n µ ) Abbildung 4: Rekonstruiertes Schauergrößenspektrum der Elektronen und Myonen im Zenitwinkelbereich 18 q 25. Zur Hervorhebung der Knie-Struktur wurden die Verteilungen jeweils mit N 2.5 e bzw. mit N 3.0 µ multipliziert. Die aus den Daten bestimmten Indizes des Potenzgesetzes vor und hinter dem Knie sind angegeben. Wie lassen sich die Ergebnisse interpretieren und quantitativ beschreiben? Die Beantwortung dieser Fragen erfordert nur wenige mathematische Umformungen; Abbildung 2 liefert für die Bedingungen des KASCADE Experiments (und für o.g. Zenitwinkelschnitte) folgende Beziehungen zwischen der Primärenergie E und der jeweiligen Teilchenzahl N i : log(n i ) µ a i log(e) 8

mit i = e, µ und a e ª1.30, bzw. a µ ª0.94. Die Parameter zeigen zudem eine nur geringe Abhängigkeit von der Masse des Primärteilchens. Ein Potenzgesetz des Primärspektrums J(E) de µ E -g de überträgt sich daher unmittelbar auf die jeweiligen Schauergrößenspektren: J(N i ) dn i µ N i -gi dn i wobei folgender Zusammenhang besteht: g i = (g+1)/a i 1. Die beobachtete Verteilung der Elektronenzahlen erscheint somit flacher und die der Myonenzahlen geringfügig steiler als das Primärenergiespektrum. Bevor aus dem Zusammenhang dieser Größen der spektrale Index des Primärspektrums bestimmt werden kann, muß zunächst noch der Einfluß der Primärteilchenmasse näher betrachtet werden. Vorläufige Analyse des primären Energiespektrums Die Bestimmung des primären Energiespektrums aus den zuvor diskutierten Schauergrößenverteilungen erfordert neben der Kenntnis der Kalibrationsbeziehungen aus Abb. 2 prinzipiell auch Annahmen über die Massenzusammensetzung der Strahlung selbst. Die Kalibrationsbeziehungen beinhalten vor allem Unsicherheiten der in den Luftschauersimulationen verwendeten hadronischen Wechselwirkungsmodelle. Sie werden im Artikel [5] dieses Heftes diskutiert. Wie weiter oben dargestellt, beinhaltet das experimentell bestimmte Elektron-zu- Myon Verhältnis eines Luftschauers aber gerade Informationen über die gesuchte Masse des Primärteilchens. Im folgenden soll daher ein einfacher und direkter Weg skizziert werden, der zugleich zum Energiespektrum und zur mittleren Masse der Primärteilchen führt. Hierzu wird vereinfachend angenommen, daß sich das Massenspektrum der Primärteilchen lediglich aus Protonen (A=1) und Eisenkernen (A=56) entsprechender Häufigkeit zusammensetzt. Unter dieser Voraussetzung kann man nun die Energie-Schauergrößenbeziehungen aus Abb. 2 verwenden, um unter Annahme einer jeweils reinen Proton- bzw. Eisenzusammensetzung aus den beobachteten Elektronen und Myonenzahlen eine obere und untere Abschätzung des Primärspektrums zu gewinnen. Das Ergebnis einer solchen Studie ist in Abb. 5 dargestellt. Myonen (gestrichelte Linien) liefern unter diesen Annahmen ein relativ schmales Unsicherheitsband in der berechneten Primärenergieverteilung. Elektronen dagegen (durchgezogene Linien) erweisen sich als sehr empfindlich auf die Masse des Primärteilchens und erzeugen ein entsprechend breites Band. Experimente, in denen allein diese Information zur Verfügung steht, können daher den Fluß der Primärteilchen lediglich bis auf einen Faktor 5 genau festlegen. Die Ausnutzung der Tatsache, daß das wahre Primärenergiespektrum bei geeignet gewählter Elementzusammensetzung sowohl das Elektronen- als auch das Myonenzahlspektrum erklären muß, schränkt nun den experimentell zugelassenen Konsistenzbereich und damit das primäre Energiespektrum auf das schmale grau unterlegte Überlappgebiet ein. 9

[m -2 s -1 sr -1 GeV 1.5 ] 10 5 10 4 N µ,p differentieller Teilchenfluß dj/de 0 E 0 2.5 10 3 10 2 N µ,fe 1 2.85 "Knie" 2 3.15 N e,fe N e,p 10 10 5 10 6 10 7 10 8 Primärenergie E 0 [GeV] Abbildung 6: Primärenergiespektrum der kosmischen Strahlung. Das graue Band beschreibt den gemeinsamen Konsistenzbereich, der sich aus den Elektronen- bzw. Myonen- Schauergrößenspektren unter der Annahme einer reinen Protonen- und Eisen- Zusammensetzung ergibt. Unterhalb einer Energie von etwa 4 10 15 ev wird der Überlappbereich im wesentlichen durch die Protonenkurven eingegrenzt und deutet damit insbesondere in der Nähe des Knies auf eine leichte Zusammensetzung hin. Oberhalb dieser Energie erfordert eine konsistente Beschreibung dagegen einen zunehmenden Anteil schwerer Kerne in der Massenhäufigkeitsverteilung der kosmischen Strahlung. Diskussion der Ergebnisse und Ausblick Das KASCADE Experiment ermöglicht seit etwa einem Jahr die Beobachtung der kosmischen Strahlung im Energiebereich zwischen 10 14 ev E 10 17 ev. Schon während dieser vergleichsweise kurzen Meßphase konnten erste interessante Beobachtungen gemacht werden, von denen nur wenige in diesem Artikel beschrieben wurden. Erstmals werden sowohl die elektromagnetische, myonische und hadronische Luftschauerkomponente simultan beobachtet. Die experimentellen Daten gestatten eine zuverlässige und nahezu modellunabhängige Bestimmung der jeweili- 10

gen Schauergrößenspektren und einen erstmaligen Nachweis des Knies in jeder dieser Observablen. Es wurde ein einfaches Verfahren vorgestellt, um aus diesen Kurven das Primärenergiespektrum der kosmischen Strahlung abzuleiten. Der Teilchenfluß i m Bereich des Knies bei etwa 4 10 15 ev erweist sich in guter Übereinstimmung mit anderen Experimenten. Die spektralen Indizes ergeben sich aus dieser vorläufigen Analyse zu g ª 2.9 unterhalb und ª 3.2 oberhalb des Knies. Das Spektrum verläuft damit etwas steiler als erwartet. Oberhalb des Knies wird eine geringfügige Zunahme der mittleren Masse des Primärteilchens beobachtet. Dieser Effekt beeinflußt zwar den Verlauf der Schauergrößenspektren, kann aber als alleinige Ursache für die beobachteten Knie-Strukturen ausgeschlossen werden. Ebenso erscheint eine Ursache in einer möglichen Änderung der hadronischen Wechselwirkung bei Energien im Knie-Bereich aufgrund der experimentellen Daten sehr unwahrscheinlich. In Modellen, dagegen, die auf eine magnetische Bindung und Beschleunigung geladener Teilchen in astrophysikalischen Objekten beruhen, werden beide beobachteten Effekte auf natürliche Weise erwartet; an der Grenze der magnetischen Rigidität (Verhältnis aus Impuls und Ladung) sollten Teilchen hoher Ladungszahl relativ angereichert werden und zugleich die Gesamtverlustrate insbesondere der leichten Teilchen zunehmen. Die experimentellen Aussagen zur Massenzusammensetzung bleiben aber bis zu diesem Zeitpunkt konträr; gegenwärtig wird von verschiedenen Experimenten mit unterschiedlichen physikalischen Observablen und entspechenden Analysetechniken nahezu das gesamte Massenspektrum zwischen Protonen und Eisen jenseits des Knies abgedeckt. Bis zur endgültigen Klärung dieser Fragen sind noch weitere Studien notwendig. Hierzu gehören u.a. ausführliche Untersuchungen von Luftschauersimulationen mit verschiedenen hadronischen Wechselwirkungsmodellen, von denen ggf. einige aufgrund inkonsistenter Beschreibungen der Daten verworfen werden müssen. Damit zusammenhängend können systematische Unsicherheiten der Primär-Energiekalibration abgeleitet werden. Störende Einflüsse der natürlichen Schauerfluktuationen am Erdboden können darüberhinaus durch simultane Verwendung möglichst vieler Schauerparameter auf ein Minimum begrenzt werden. Die hierzu notwendigen komplexen Analysemethoden werden zur Zeit entwickelt. Eine weitere interessante Hypothese wurde in Ref. [4] diskutiert. Hier wird argumentiert, daß unsere lokale kosmische Region z.zt. von einer Supernova- Explosionswolke durchlaufen wird. Hierdurch bedingt sollten ausgeprägte Strukturen im Primärteilchenfluß in der Nähe des Knies auftreten. Die bislang verfügbare Statistik der KASCADE Daten erlaubt noch keine klare Stellungnahme zu diesem möglichen sehr spektakulären Phänomen. Die hohe Datenrate und stabile Kalibration der Detektoren wird diese Situation jedoch schon in naher Zukunft ändern. Die aktuellen und z.t. noch vorläufigen Ergebnisse des KASCADE Experiments lassen aber schon jetzt das große astrophysikalische Potential des neuen Observatoriums erahnen. 11

Literaturhinweise [1] G. Schatz, Physik der Höhenstrahlung, in dieser Ausgabe (Abb. 1) [2] L.O. Drury, Rep. Prog. Phys. 154 (1983) 973 [3] R.D. Blandford, D. Eichler, Phys. Rep. 154 (1987) 1 [4] A.D. Erlykin, A.W. Wolfendale, Astropart. Phys. 7 (1997) 1, und Astropart. Phys. 7 (1997) 203 [5] J. Knapp, Luftschauer-Simulationsrechnungen mit CORSIKA, in dieser Ausgabe [6] H. Rebel, Die chemische Zusammensetzung der kosmischen Strahlung, in dieser Ausgabe [7] J. Engler, Messung der Hadronen im Kern ausgedehnter Luftschauer, in dieser Ausgabe [8] H.O. Klages, Das Karlsruher Luftschauerexperiment KASCADE, in dieser Ausgabe [9] K. Greisen, Progress in Cosmic Ray Physics 3, North Holland Publ., 1956, K. Kamata, J. Nishimura, Prog. Theor. Phys. Suppl. 6 (1958) 93 12