von 100 auf 140 Grad Kaum gefüllt, muss die Kavität zum Entformen

Ähnliche Dokumente
Das Z-System. Partielle dynamische Temperierung im Spritzgussprozess

Veröffentlichungen am IKFF. Induktive Formtemperierung mit externem Induktor Verfahren - Eigenschaften - Einsatzgebiete

Mit Impulskühlung die Zykluszeit verkürzen?

Veröffentlichungen am IKFF. Induktive Beheizung von Spritzgießwerkzeugen - eine Übersicht. SKZ-Fachtagung Spritzgießen von Elastomeren

Verbesserung der Prozesseffizienz bei der Kunststoffverarbeitung - Neue Ventiltechnologie für die Temperierung von Spritzgießprozessen

Entwicklung eines Spritzgießwerkzeugs

Verbesserung der Prozesseffizienz bei der Kunststoffverarbeitung: Neue Ventiltechnologie für die Temperierung von Spritzgießprozessen

Qualitätssicherung beim Spritzgießen Regelung von Prozessgrößen zur Steigerung der Qualitätskonstanz

Designerrahmen mit hochwertiger Oberfläche Gemeinsames Projekt von Sanit und WITTMANN BATTENFELD ein voller Erfolg

Entwicklung und Untersuchung eines schnellen Verfahrens zur variothermen Werkzeugtemperierung mittels induktiver Erwärmung

Dynamische Formnesttemperierung Zyklische Werkzeugtemperierung. integrat evolution integrat vario cs/wh/gt

Veröffentlichungen am IKFF. Einsatzmöglichkeiten der induktiven Werkzeugtemperierung beim Spritzgießen

Präzision im Fokus. Spritzprägen bewährter Prozess, moderne Maschinentechnik

Fortschrittsmotor Werkzeug: Innovative Prozesse durch optimierte Werkzeugtechnik

Kunststoff-Zentrum in Leipzig ggmbh

Power for the Future mit einer makellosen Hülle für einen geschäumten, federleichten Kern

Miele setzt auf konturnahe Kühlung

ISK Iserlohner. Kunststoff Technologie GmbH. Perspektiven bei der Temperierung von Problemzonen im Werkzeug. Dipl.-Ing. M.

Kunststoff-Zentrum in Leipzig ggmbh

Materialeffizienz: Leichtbau mit thermoplastischem Schaum

Technologie des Spritzgießens

Herzlich Willkommen zum Fachvortrag:

Abkürzung auf dem Weg

Mehrkomponenten - Kunststoffverarbeitung

Funktionale Oberflächen dynamisch temperiert

Entwicklung der additiven Fertigung von 2004 bis 2015

SCHAUM- SPRITZGUSS- BAUTEILE (TSG)

Funktionale Mikrostrukturen auf Folien und Bauteilen

Formfüllsimulation in 3D (SIGMAsoft) für PIM Materialien

6 Fehlerbehebung Troubleshooting

Dr. Boy GmbH & Co. KG Neschener Straße 6 D Neustadt - Fernthal. Wirtschaftliche Lösungen für das Spritzgießen

Ultramid B High Speed

Eine breite Diskussion findet in der

Spritzgießen ein ideales Fertigungsverfahren

iq clamp control Schließkraft intelligent optimieren

PRESSEMITTEILUNG. CELLMOULD -Schäumtechnologie ermöglicht leichte und schlierenfreie Sichtbauteile

Matthias H. Deckert. Beitrag zur Entwicklung eines hochdynamischen variothermen Temperiersystems

Veröffentlichungen am IKFF. Anwendungsgebiete der induktiven Erwärmung im Bereich der Kunststoffverarbeitung

FGS-Workshop. Schorndorf, 17. September 2015

Kunststofftechnik. Perfekt in Form.

Lassen Sie uns miteinander reden!

Grenzen verschieben: Erweitertes Potential im Druckguss durch induktive Formerwärmung. Dr. Götz Hartmann, MAGMA und SIGMA Dr. José Feigenblum, ROCTOOL

Kosten senken durch Prozessoptimierung Innovative Temperiertechnik macht es möglich

3D Konforme Präzisionsbeschichtungen für den Korrosionsschutz effektive Werkzeugbeschichtungen

1 von :01

Energiegespräch im Wenkenhof Prozesse und Abläufe optimieren

INFRAROT PANEELE HEIZUNG STRAHLER. Die Weichen der Zukunft mit uns richtig setzen.

Systeme und Lösungen für den Spritzgiessprozess

Elztrip EZ 200 Wärmestrahler mit zwei Heizpaneelen für Kaufhäuser und Industriegebäude.

Herzlich Willkommen zur Präsentation

Besonderheiten 2K Spritzguss: Werkzeug

Inhaltsangabe. Verfahrensbeschreibung. 1. Einleitung. 2. Verfahrenstechnik 2.1. Warmumformnieten 2.2. Heißstempelnieten 2.3.

Designwettbewerb! Design eines zweckmäßigen und ausschließlich durch 3D-Druck herstellbaren Give Aways

Heizen mit grosser Reichweite für schnelle Raumerwärmung.

Bauteilbeschaffung vom Erstmuster zur Serie Kleinserienfertigung und 3D CT

ScHWiMMBAdBeHeiZUNG. BetÖRenDe stille... BeSteCHenDe LeIstUnG... SerieS WÄRMEPUMPEN

PRESSEINFORMATION. Fraunhofer IWU auf der EuroMold 2013: Werkzeug- und Formenbau der nächsten Generation

Leseprobe. Andreas Schötz. Abmusterung von Spritzgießwerkzeugen. Strukturierte und analytische Vorgehensweise. ISBN (Buch):

Veröffentlichungen am IKFF. Optimierter Energieeinsatz durch induktive Erwärmung von Spritzgiesswerkzeugen

3 D-Druck für industrielle Anwendungen

ENTFERNUNG VON KRATZERN

Präsentation und Diskussion der anonymisierten Messergebnis-Liste

20. internationale Messe für Kunststoff und Kautschuk K 2016 WACKER entwickelt neuen Flüssigsiliconkautschuk mit extrem hoher Shore-Härte

EOS. EOS Kurzprofil e-manufacturing Solutions

Gewerbebau mit Wohlfühlfaktor

Heizleistung bei 20 C / Thermal output at 20 C. 2-polige Zugfederklemme 2 poles spring-cage terminal IP 20. II (*) Verfügbar ab Januar 2012

Praktikum Innovative Werkstoffkunde

Veröffentlichungen am IKFF. Induktionserwärmung und Kunststoffspritzguss

16-fach seitlich anspritzen mit Nadelverschluss

STEUERN UND REGELN MIT PRIAMUS

Keramik-/Quarz-Infrarot-Strahler

3. Konstruktionselemente in Kunststoff. 3.1.Kunststofftypische Elemente Designelemente, Flächen

Kunststoffschäumen bei Pollmann

Veröffentlichungen am IKFF. Mikrospritzgießen mit induktiver Werkzeugtemperierung. Injection moulding of microstructures with inductive mould heating

Aluminium Normalien AFN

Keimbildung und Klärung von Polyethylen

Wärmebehandlung. Dienstleistungen HTMAXIMAL

Reglungstechnik Einführung Seite 1 von 10

Abschätzung der Kühlzeit beim Spritzgießen. Technische Information

Referat KÜHLKÖRPER SS09. Le, Huu Thanh Ha

Sonderdruck aus Kunststoff-Berater 9/2007 Helmut Gries: Energie sparen durch Heizen und Kühlen ein Widerspruch?

Kältemittel: Neue Studie zur Ökoeffizienz von Supermarktkälteanlagen

Wirtschaftlichkeit beim Stahl polieren erhöhen

Master Chemical. für Luft- und Raumfahrt

Kleine Dimension mit großem Potenzial KAPP NILES Callenberger Str. 52

ANLAGE, ZUM KOCHEN UND ABKÜHLEN VON PASTA

.PLATFORM LINE. Ein Spritzgieß-Werkzeug für beliebige Zahnbürstenmodelle

1 Maschinengrößen, Verfahrensparameter und konstruktive Aspekte

freeformer Kunststoffe frei formen

Selektives Lasersintern von porösen Entlüftungsstrukturen am Beispiel des Formenbaus

1 / 5. Schmelzen der Schokolade

NovoPlan. Der Beschichtungsexperte. PlanoTek Funktionsschichten. Qualität. Perfektion. Know-how. Beratung

Möglichkeiten der Beheizung des Orgelspieltisches. orgelzubehoer.de

N o /17 DIALOG. Einblicke und Ausblick

Elias. Die Heizung. Zusammenfassung Feuchtigkeit & Aufbau

AMILON. Amilon 3 FDA-konform für Lebensmittelindustrie Anwendungen: Pumpen, Kompressoren, Isolatoren

3D-Laser im Überblick

Transkript:

Hochgeschwindigkeits-Werkzeugtemperierung. Bei der Herstellung von Mikroteilen, von Formteilen mit mikro- und nanostrukturierten Oberflächen und von optischen Bauteilen kommt es, soll die Produktion wirtschaftlich sein, u. a. auf die thermische Geschwindigkeit im Werkzeug an. Mit Werkzeugeinsätzen aus einem keramischen Material ist die dynamische Temperierung der Kavitäten nachweisbar schneller und wirtschaftlicher als mit anderen Temperiersystemen. In drei Sekunden Rapid Heating Ceramics lassen sich als Heizelemente oder Heiz- Kühlelemente einfach, oft auch nachträglich, in Werkzeuge und Werkzeugelemente integrieren von 100 auf 140 Grad KU104053 ERWIN BÜRKLE AUGUST BURR U. A. U m sehr fein strukturierte Oberflächen präzise abzuformen, erfordert die Verarbeitung beispielsweise von PC und PMMA zum Zeitpunkt der Formfüllung in der Kavität eine Oberflächentemperatur knapp oberhalb der Glastemperatur [1, 2]. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Schmelze eine für die Abformung zu hohe Viskosität aufweist. Vergleich der Temperiersysteme Heizenergie 30 Wh 25 20 1,5 1,0 0,5 Induktion RHC Wasser 0 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 s 100 Aufheizzeit Kaum gefüllt, muss die Kavität zum Entformen der Spritzlinge jedoch wieder abgekühlt werden. Je nach Material kann die Temperaturdifferenz dabei mehr als 60 K betragen. Problematisch ist für die Verarbeiter in diesem Zusammenhang, dass sie einerseits hohe Werkzeugwandtemperaturen und andererseits schnelle Temperaturwechsel benötigen. Läuft der Prozess in thermischen Grenzbereichen ab, riskieren sie Qualitätseinbußen. Oder die Zykluszeiten sind wegen ausgeprägter Heiz- und IR-Strahler Bild 1. Die Grafik zeigt, welche Aufheizzeit und Heizenergie verschiedene Temperiersysteme benötigen, um eine 16 cm 2 große Kavitätenoberfläche von 65 auf 125 C zu erwärmen (Bilder außer (4): PIK) Kühlphasen unverhältnismäßig lang, sodass die Wirtschaftlichkeit der Produktion infrage gestellt ist. Wünschenswert ist folglich ein hochdynamisches variothermes Temperiersystem, das die Kavitätsoberfläche in kürzester Zeit punktgenau temperiert. Ideal wäre es, wenn für das Aufheizen der Kavitätenoberfläche die Maschinennebenzeit (Werkzeug öffnen, Formteil entnehmen, Werkzeug schließen) ausreichte. Werkzeugtemperierung in der Praxis Um Werkzeuge zu temperieren, setzt die Industrie verschiedene (hinlänglich bekannte) Verfahren ein: flüssige Medien als Wärmeträger (Wasser, Öl), Induktionsheizungen (intern oder extern), Infrarot-Wärmestrahler, Widerstandsheizelemente (Dickschichtheizungen, Heizpatronen). Etabliert sind Temperiersysteme mit flüssigen Wärmeträgermedien wie Wasser oder Öl. Nachteilig ist deren vergleichsweise schlechter Wirkungsgrad, verursacht durch Leitungsverluste, und die un- 210 Carl Hanser Verlag, München Kunststoffe 10/2007

SPRITZGIESSEN zureichende Dynamik bei Temperaturwechseln. So kann eine Temperaturerhöhung von 60 auf 130 C durchaus bis zu 15 s dauern. Bei Verwendung von Wasser ist zudem der zur Verfügung stehende Temperaturbereich eingeschränkt. Mit speziellen drucküberlagerten Temperiergeräten lassen sich lediglich maximale Wassertemperaturen von 160 bis 200 C erreichen. Induktionsheizungen machen die erwünschte Dynamik der Heizleistung verfügbar. Einschränkungen ergeben sich jedoch beim homogenen Erwärmen von Werkzeugen mit nicht planen Formteilgeometrien sowie bei der Integration der Induktoren im Werkzeuginneren. Ein weiterer Nachteil: Sie sind teuer. Infrarotstrahler heizen die Kavitätenoberfläche bei geöffnetem Werkzeug von außen mit Wärmestrahlen auf. Dabei Variothermes Verfahren Nachdruck- und Restkühlzeit obere Werkzeugwandtemperatur Aufheizphase Aufheizphase Zyklusstart 1 6 1 untere Werkzeugwandtemperatur Regelung oberer Sollwert Regelung unterer Sollwert Werkzeug offen Werkzeug geschlossen Zykluszeit reduziert jedoch der niedrige Emissionsfaktor der meist spiegelnd polierten Stahloberflächen den Wirkungsgrad drastisch. Die Baugröße und, damit verbunden, die begrenzte flächenbezogene Leistungsdichte der Strahler schränken zudem die Aufheizdynamik und die maximal erreichbare Temperatur stark ein. Gegenüber einer Wassertemperierung sind Infrarotstrahler deutlich träger. Konventionellen Widerstandsheizungen fehlt bislang eine ausreichende Dynamik, da die flächenbezogene Heizleistung dieser Systeme zu gering ist. Sie lassen sich außerdem nur bedingt komplexen Konturen anpassen, d.h. die Wärmeabgabe erfolgt mehr oder weniger ungerichtet. Insbesondere wenn schnelle Temperaturwechsel erforderlich sind, eignen sich die beschriebenen Temperierverfah- V Zyklusstart Maschinennebenzeiten 2 3 4 5 Maschinennebenzeiten 2 3 4 5 Abkühlphase Bild 2. Verlauf der Werkzeugwandtemperatur während eines variothermen Spritzgießprozesses: (1) Start Heizen, (2) obere eingestellte Werkzeugwandtemperatur erreicht, (3) Start Spritzgießzyklus, (4) Start Einspritzen, (5) Start Kühlen, (6) untere eingestellte Werkzeugwandtemperatur erreicht Bild 3. Unterschiedliche Abformungsqualitäten bei Werkzeugwandtemperaturen von 100 C (links) und 140 C (rechts) Kunststoffe 10/2007 211

kompakt wirtschaftlich leistungsstark ren nur in eingeschränktem Maße für eine wirtschaftliche Fertigung [3]. Ausschlaggebend für diese Beurteilung sind sowohl die erreichbare Dynamik als auch die benötigte Heizenergie (Bild 1). Bei der Werkzeugkühlung ist die Verfahrensvielfalt vergleichsweise übersichtlich. Weit verbreitet und aus Kostengründen bevorzugt sind mit Wasser arbeitende Systeme. Teurere und aufwendigere Systeme, die einen Phasenwechsel des Kühlmediums (z. B. CO 2 oder Freon) nutzen, sind eher selten. Verfahrenstechnische Aspekte Für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit spielt die Zykluszeit beim Spritzgießen eine entscheidende Rolle. Daher liegt es nahe, die Einzelzeiten, die sich zur Gesamtzykluszeit addieren, so weit wie möglich zu verkürzen, ohne die Formteilqualität zu beeinträchtigen. Das ist schon beim Standard-Spritzgießen kompliziert genug, zumal sich die Verarbeiter mehr und mehr in Grenzbereiche vorwagen müssen. Bei der variothermen Verfahrenstechnik kommt als zusätzliche Variable die Aufheizzeit hinzu (Bild 2). Dennoch kann diese Technik aus verschiedenen Gründen zweckmäßig sein, etwa um Mikro- oder Nanostrukturen präzise abzuformen (z. B. strukturierte, funktionalisierte Grenzflächen oder Labon-a-chip-Systeme), optische Teile herzustellen, bei denen es auf Konturtreue und hervorragende Oberflächenbeschaffenheit ankommt (z. B. dickwandige Linsen), in Verbindung mit Sonderverfahren Vernetzungsreaktionen anzustoßen, oder die Temperatur an der Angussbuchse gezielt zu steuern (z. B. um einen thermischen Verschluss zu provozieren). Damit sich nur wenige Nanometer tiefe Strukturen bei Oberflächen-Entspiegelungen sind es 70 bis 100 nm in einem isotherm temperierten Spritzgießwerkzeug zufriedenstellend abbilden lassen, müsste ein Werkzeug in den Bereich der Glasübergangstemperatur der zu verarbeitenden Formmasse erwärmt werden. In diesem Temperaturbereich stimmt zwar die Abbildungsqualität, eine Entformung ist, wenn überhaupt, aber erst nach einer vergleichsweise langen Kühlzeit möglich (Bild 3). Daher versuchen es Verarbeiter vereinzelt mit einem Kompromiss, indem sie die Werkzeugtemperatur materialspezifisch absenken dies bringt nur einen geringen Kühlzeitgewinn, kann jedoch die Bild 4. Werkzeugeinsatz für die Herstellung optischer Linsen mit Keramik-Heizelement (gelb), Kühlkreis (rot) direkt hinter der Heizung und Stammformtemperierung (blau) (Bild: gwk) Abbildungsgenauigkeit verschlechtern. Eine weitere Absenkung der Werkzeugtemperatur verkürzt die Kühlzeit zwar signifikant, allerdings auf Kosten der Abformungsqualität. Elektrisch leitfähige Keramik für Werkzeugeinsätze Die genannten Rahmenbedingungen wurden bereits vor einigen Jahren im Rahmen eines Verbundprojekts am Polymer-Institut Kunststofftechnik (PIK) der Hochschule Heilbronn bestätigt [2]. Danach ist für die Abbildung von Nanostrukturen, die übrigens drei- bis fünfmal kleiner sind als jene auf einer DVD, eine hochdynamische variotherme Werkzeugtemperierung erforderlich [4]. Das System soll jedoch nicht nur das Werkzeug vor dem Einspritzen der Schmelze aufheizen, sondern in der anschließenden Nachdruckphase das Temperaturniveau senken, um ein schnelles Erstarren des Kunststoffs zu ermöglichen. Weitergehende Überlegungen verfolgten das Ziel, eine kavitätsnahe Temperierung zu konzipieren, um sowohl den Aufheiz- wie auch den Kühlvorgang in den kritischen Bereichen, d. h. in zuvor definierten Werkzeugsegmenten, zu lokalisieren. In Zusammenarbeit haben das PIK, die Krauss Maffei GmbH, München, und weitere industrielle Partner eine elektrisch leitfähige Hochleistungskeramik so weit optimiert, dass sie sich als Basismaterial für variotherme Werkzeugeinsätze eignet. Dieses, mittlerweile als Rapid Heating Ceramics (RHC) bezeichnete, Material lässt sich konturgenau und vergleichsweise dicht unter der Kavitätenoberfläche einsetzen, um nur die prozessrelevanten Werkzeugbereiche zu temperieren. Wirkungsgrad und Energiedichte ermöglichen dabei ein Prozessfenster mit 212 Carl Hanser Verlag, München Kunststoffe 10/2007

SPRITZGIESSEN Temperaturen von bis zu 500 C. Die für die Kühlung benötigten Temperierkanäle können direkt in der Keramik verlegt werden. Als Heizelement hat der neu entwickelte Hochleistungswerkstoff folgende Vorteile: Die konturangepasste Geometrie bewirkt eine schnelle, dynamische Temperierung der Werkzeuge und Werkzeugelemente. Die hohe flächenbezogene Heizleistung ermöglicht einen hohen Wirkungsgrad. Aufgrund seiner Härte und der sich daraus ergebenden hohen Druck- und Verschleißfestigkeit kann er als indirekte Beheizung konturnah eingesetzt werden. Das Material lässt sich zwar nur schwer spanabhebend bearbeiten, doch Erodieren, Schleifen und Polieren erwiesen sich als gangbare Bearbeitungsmethoden. Die Integration in Werkzeuge und Werkzeugelemente auch in bereits bestehende Werkzeugkonzepte ist vergleichsweise einfach. formgebende und zugleich heizende Werkzeugwand einzusetzen. Untersuchungen bestätigten, dass sich die Aufheizdynamik infolge der eliminierten Wärmeleitungsverluste gegenüber der indirekten Beheizung deutlich verbessert. Schnelle Temperaturwechsel und geregelte Werkzeugkühlung 350 C 300 Formteildicke variotherm isotherm Massetemperatur 250 200 150 100 50 0 10 20 30 40 50 60 s 70 Abkühlzeit Temperaturverlauf an der Werkzeugwand (idealisiert) 3 2 1 0-1 mm -3 Formteildicke Bild 5. Abkühlvorgang in der Formteilmitte eines Polycarbonat-Teils, links bei variothermer, rechts bei isothermer Prozessführung Eine Variante, mit der auch bereits bestehende Werkzeuge nachgerüstet werden können, ist die Integration als indirektes Heizelement unmittelbar unterhalb der Kavität. Vorausgesetzt, das Werkzeug selbst ist steif genug ausgelegt, kann der Abstand zwischen Heizelement und formgebender Werkzeugwand auf 2 mm reduziert werden, um eine maximale Temperierdynamik zu erreichen. Interessant ist die Möglichkeit, das keramische Material aufgrund seiner Härte und guten Polierfähigkeit direkt als In weiteren Versuchsreihen wurden RHC- Heiz-Kühleinsätze mit einem isothermen Temperierkonzept verglichen. Die Werkzeugeinsätze mit dem integrierten Kühlsystem lieferte die gwk Gesellschaft Wärme Kältetechnik mbh, Kierspe. Unter anderem kam ein Werkzeugeinsatz für eine Linse aus Polycarbonat mit einer maximalen Wanddicke von 6 mm zum Einsatz (Bild 4). Der isotherme Prozess verlief mit einer konstanten Werkzeugwandtemperatur von 100 C, während im variothermen Prozess die obere Werkzeugwandtemperatur 140 C und die untere 60 C betrug (Bild 5). Das Aufheizen wurde in die Maschinennebenzeiten verlegt. In Verbindung mit dem Kühlsystem wurde die Zyklus- bzw. Kühlzeit so um mehr als 20 % verkürzt (Bild 6). Der Temperaturverlauf innerhalb des Formteils hängt u. a. von den Werkzeugwandtemperaturen ab. Die mit 295 C verarbeitete Formmasse trifft im variothermen Prozess auf eine gegenüber dem isothermen Prozess um 40 C heißere Kavitätenwand. Deshalb ist die Abkühlgeschwindigkeit zu Beginn der Abkühlphase geringer. Dies ist aus kunststoff- V Kunststoffe 10/2007 213

technischer Sicht ein Vorteil, denn das anfangs langsamere Abkühlen der Schmelze ist stressfreier und qualitätsfördernd. Das Formteil weist später geringere innere Spannungen und nur einen minimalen Verzug auf. Im weiteren Verlauf der Kühlphase bleibt die Werkzeugwandtemperatur beim isothermen Prozess konstant bei 100 C, was den Abkühlprozess deutlich verlangsamt. Beim variothermen Prozess hingegen wird die Kavität bis zur unteren Solltemperatur gekühlt. Somit ist die durchschnittliche Werkzeugwandtemperatur während eines Zyklus beim variothermen Verfahren niedriger als die entsprechende Durchschnittstemperatur beim isothermen Prozess, was schlussendlich zu einer Kühlzeitverkürzung führt. Um neben einer dynamischen Aufheizung entsprechend kurze Kühlzeiten realisieren zu können, ist ein effizientes Kühlsystem, beispielsweise auf Basis flüssiger und/oder gasförmiger Medien, notwendig. Diese können während der Kühlphasen durch konturangepasste Temperierkanäle innerhalb des Formeinsatzes oder durch direkt in die Keramik eingebrachte Temperierkanäle geleitet werden. Allein durch das Einbringen kavitätsnaher Kühlkanäle vergrößert sich die Wärmeaustauschfläche im Vergleich zur konventionellen Bohrtechnik um das bis zu Dreifache, sodass die Kühlzeit sich um 30 % und mehr verkürzt. Auch die so erzielten indirekten Energieeinsparungen sind erheblich. Voraussetzung ist allerdings, dass die nun ideal im Werkzeug angeordneten Temperierkanäle mit Temperiermedium der richtigen Temperatur und Menge versorgt werden. Dazu sollte die Regelung von Heizung und Kühlung in einem System verknüpft sein [5].Aber auch die Ansteuerung der Heizelemente über gängige und in vielen Maschinen bereits vorhandene Heißkanalregelgeräte ermöglicht eine kostengünstige Integration in die bereits vorhandene Infrastruktur. Fazit Rapid Heating Ceramics (RHC) ermöglichen aufgrund der kavitätsnahen Position der Heizelemente und der damit verbundenen geringen prozessrelevanten Werkzeugmasse lediglich der Bereich der formgebenden Kavitätenoberfläche wird temperiert eine hochdynamische und energieeffiziente Temperierung von Werkzeugen und Werkzeugelementen. Der Hochleistungswerkstoff weist gegenüber den im Werkzeugbau verwendeten gängigen Stahlsorten einen höheren E-Modul Massetemperatur in Formteilmitte 300 C 260 240 220 200 180 160 140 120 100 80 0 Entformungstemperatur und eine höhere Druckfestigkeit sowie eine sehr hohe Abriebfestigkeit und eine hohe Temperaturbeständigkeit auf. RHC-Rohlinge lassen sich beliebig schleifen, erodieren und polieren, weshalb sie sich als Heizelemente oder als Heiz-Kühlelemente einfach, oft auch nachträglich, in Werkzeuge und Werkzeugelemente integrieren lassen. Ihre Vorteile neben der deutlichen Energieeinsparung sind vielfältig: Durch das vergleichsweise schnelle Erreichen eines quasistationären thermischen Gleichgewichts im Werkzeug reduziert sich der Anfahrausschuss. Die kurzen Aufheizzeiten und die reduzierten Kühlzeiten gestatten schnelle zyklische Temperaturprofile (variotherme Verfahrenstechnik), was die Zykluszeiten auch gegenüber den bekannten variothermen Temperierverfahren signifikant reduziert. Mit RHC lässt sich die gesamte Kavitätsoberfläche gleichmäßig erwärmen; dies verbessert die Qualität der Formteile erheblich. Der Einsatz von Heizelementen aus dem neuen Material kann dazu beitragen, feinste Oberflächenstrukturen besser abzuformen, Dünnwandteile leichter zu füllen und sichtbare Bindenähte und Fließlinien zu reduzieren. Und schließlich bietet die Möglichkeit der freien Gestaltung der Heizelemente ein großes, derzeit noch ungeahntes Potenzial für die Kunststoffverarbeitung, beispielsweise bei der Verarbeitung reaktiver Systeme und vernetzender Formmassen wie Duroplaste und Elastomere oder bei der Mehrkomponententechnik mit Hart-Weich-Verbindungen. Abkühlzeit isotherme Prozessführung variotherme Prozessführung Kühlzeitverkürzung 10 20 30 40 50 60 70 s 80 Bild 6. Abkühlkurven bei iso- und variothermer Prozessführung, jeweils in der Formteilmitte LITERATUR 1 Hetschel, M.: Abformung von Nanostrukturen im Spritzgießverfahren zur Erzeugung von Antireflexoberflächen. Dissertation, Technische Universität Berlin 2005 2 Burr, A.; Müller, A. K.; Hetschel, M.: Im Abformen kleinster Strukturen ganz groß. Kunststoffberater 48 (2003) 10, S. 50 52 3 Müller, A. K.: Werkzeug- und Prozesstechnik zur Abformung von Nanostrukturen auf Kunststoffsubstraten im Spritzgießverfahren. Dissertation, Technische Universität Ilmenau 2006 4 Burr, A.; Müller, A.; Hetschel, M.: Die Motte als Vorbild. Plastverarbeiter 54 (2003) 9, S. 66-67 5 Interne Information der gwk Gesellschaft Wärme Kältetechnik mbh, Kierspe DIE AUTOREN DR.-ING. ERWIN BÜRKLE, geb. 1942, ist Leiter Vorentwicklung, neue Technologien und Prozesstechnik Spritzgießen der Krauss Maffei GmbH, München. PROF. DR.-ING. AUGUST BURR, geb. 1949, leitet seit 1988 das Polymer-Institut Kunststofftechnik (PIK) an der Hochschule Heilbronn. DR.-ING. ANDREAS K. MÜLLER, geb. 1975, ist seit 2001 wissenschaftlicher Mitarbeiter am PIK. DIPL.-ING. (FH) MICHAEL KÜBLER, geb. 1980, ist seit 2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter am PIK. SUMMARY KUNSTSTOFFE INTERNATIONAL In Three Seconds from 100 to 140 C HIGH-SPEED MOLD HEATING. In the production of certain items, profitability depends in part on thermal speed in the mold. This applies to micro parts, molded parts with micro- and nanostructured surfaces and optical components. Dynamic cavity heating is demonstrably faster and more efficient when mold inserts made from ceramics are used, rather than other heating systems. NOTE: You can read the complete article in our magazine Kunststoffe international or by entering the document number PE104053 on our website at www.kunststoffe-international.com 214 Carl Hanser Verlag, München Kunststoffe 10/2007