Damit muss man rechnen - Schadstoffe in Brandabfällen

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Transkript:

Damit muss man rechnen - Schadstoffe in Brandabfällen Chemische Brandfolgeprodukte Entstehung, Ausbreitung und Verteilung Dipl.-Ing. Markus Klug Bei Bränden handelt es sich in der Regel um Schadensfälle, die unkontrolliert ablaufen. Zu deren weit reichenden Auswirkungen gehören unter anderem die Zerstörung bzw. Beschädigung von Gebäuden, Anlagen und vorhandenem Inventar. Eine weitere Folge ist die Verschmutzung von Luft, Boden und Gewässern mit schädlichen z.t. giftigen Substanzen. Im Verlauf eines Brandes wird aus oft unbedenklichen Stoffen eine unüberschaubare Zahl von z.t. toxischen, umweltgefährdenden und korrosiv-wirkenden Verbindungen gebildet, deren Gefahren vielfach nur schwer zu erkennen und zu bewerten sind. Zusätzlich können belastetes Löschwasser (Abb. 1) oder Chemikalien / Betriebsmittel und Flüssigkeiten schadensbedingt im Boden versickern und sogar das Grundwasser gefährden. Insbesondere zwei Brandschäden aus den vergangenen Jahren sind hier zu erwähnen. Es ist zum einen die Brandkatastrophe von Sandoz im Jahr 1986, bei der ein Lager mit hochgiftigen Agrarchemikalien verbrannte; toxische Stoffe gelangten mit dem Löschwasser in den Rhein Abbildung 1 und führten zu einem Fischsterben großen Ausmaßes. Ein weiterer Großschaden ereignete sich im September 1988 in Lengerich. Hier verbrannten etwa 800 t Kunststoffe u.a. auch PVC. Das Schlagwort Dioxine sorgte tagelang für Verunsicherung und Besorgnis. Ein Verbrennungsvorgang ist ein komplexer, chemisch - physikalischer Prozeß, der nach DIN 14011, Teil 1, folgendermaßen definiert ist:

Brennen ist eine mit Flamme und/oder Glut selbständig ablaufende exotherme Reaktion zwischen einem brennbaren Stoff und Luft oder Sauerstoff. Abbildung 2 Zunächst muss ein brennbarer Stoff auf seine Zündtemperatur erhitzt werden, damit ein Brand entsteht. Der brennbare Stoff und Sauerstoff müssen im richtigen Mengenverhältnis vorliegen, um ein selbständiges Weiterbrennen zu ermöglichen. Die Verbrennung kann durch folgendes Schema charakterisiert werden: Bei der Verbrennung kann die freiwerdende Energie für die Pyrolyse (thermische Spalten) und bei den Crackvorgängen (Thermisches Zerbrechen) wieder verbraucht werden. Dabei wird das brennbare Material in Bruchstücken (Radikalen) abgebaut. Aus diesen sogenannten Crackprodukten können in der Flamme neue Verbindungen gebildet werden. Diese chemische Reaktion in der Flamme nennt man auch De Novo-Synthese. So entstehen aus einer Vielzahl brennbarer Ausgangsstoffe durch den unkontrolliert ablaufenden Verbrennungsvorgang eine unüberschaubare Anzahl von Verbindungen, den so genannten Brandfolgeprodukten mit ihren bereits erwähnten schädlichen Wirkungen bzw. Eigenschaften. Ein Großteil dieser Verbindungen ist stofflich noch nicht vollständig identifiziert und charakterisiert. Die Bildung der verschiedenen Brandfolgeprodukte erfolgt in unterschiedlichen Temperaturbereichen bzw. Brandzonen (Abb. 3). Im Bereich von 100-300 C werden unter thermischer Einwirkung aus dem Gemisch der brennbaren Stoffe zunächst Wasser, Halogenwasserstoffe, Cyanwasserstoff bzw. Blausäure, Schwefelwasserstoff und Schwefeldioxid sowie Monomere aus den

Kunststoffpolymeren abgespalten. Dabei werden die brennbaren Stoffe - auch als Brandlast bezeichnet - teilweise abgebaut. Diesen Vorgang bezeichnet man als Pyrolyse oder trockene Destillation. So entsteht beispielsweise Chlorwasserstoff aus PVC-haltigen Materialien wie Kabelisolierungen, Kunststoff-Fußbodenbelägen und Kunststoff-Fenstern. Blausäure bildet sich bei der Zersetzung von stickstoffhaltigen Kunststoffen wie Polyamiden, Polyurethanen oder Naturprodukten wie Wolle; Schwefelwasserstoff und Schwefeldioxid entstehen u.a. aus gummihaltigen Werkstoffen. Bei ansteigender Temperatur im Bereich von 300-400 C werden aus den organischen Verbindungen Bruchstücke abgespalten. Hier kommt es u.a. zur Bildung von Methan, Ethanol, und Formaldehyd. Abbildung 3 Im Temperaturbereich zwischen 500 und 600 C findet ein weiterer Abbau organischer Substanzen statt. Hier entstehen durch Crackung vor allem Kohlenwasserstoffe mittlerer Kettenlänge (C 7 - C 10 ), Aromaten (Benzol), halogenhaltige Aromaten und Phenole. In Konkurrenz zu diesen Abbauprozessen, bei denen die Brandlast thermisch zersetzt wird, finden im Temperaturbereich von 400-700 C zahlreiche Neubildungsreaktionen statt, bei denen neue Produkte entstehen. Hier entstehen u.a. Verbindungen wie die Polycyclischen Aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK, PAH) und die Polyhalogenierten Dibenzodioxine und Dibenzofurane (PHDD/PHDF). Bei einem idealen Brandverlauf mit genügend Sauerstoffzufuhr verbrennt ein Großteil

dieser Verbindungen bei Temperaturen > 800 C zu Kohlendioxid, Kohlenmonoxid, Wasser, Stickoxiden usw. Unter Sauerstoffmangelbedingungen, wie sie bei einem Schwelbrand vorliegen, verlassen diese z.t. hochtoxischen Verbindungen gemeinsam mit den Rauchgasen den unmittelbaren Brandbereich, gelangen ins Freie oder kondensieren beim Abkühlen auf den Gebäude- und Inventaroberflächen. Die thermisch mehr oder weniger zerstörten Ausgangsstoffe bleiben als sogenannte Brandrückstände im unmittelbaren Schadenbereich zurück. Hauptverteilungswege für Verbrennungsprodukte und Brandrückstände sind der Luft- und der Wasserpfad. Die gebildeten gasförmigen, flüssigen und festen Verbrennungsprodukte verlassen größtenteils die heiße Flammenzone als Bestandteile der abströmenden Rauchgase. Durch Abbildung 4 Verdünnung Verteilung Luftströmungen (Wind) und Konvektion (Thermik) können sie dann in ihrer Umgebung verteilt und durch das weitere Vermischen mit Umgebungsluft verdünnt werden. Beim Abkühlen der Rauchgase kommt es zur Ausscheidung von Rußpartikeln und Rauchkondensat auf den Gebäude- und Inventaroberflächen auf der Schadenstelle und ihrer Umgebung. Diese Rauchgasniederschläge und Rauchkondensate enthalten ebenso wie die Rauchgase eine Vielzahl toxischer Verbindungen, wie Polycyclische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), polyhalogenierte Biphenyle und polyhalogenierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane (PHDD/PHDF). Darüber hinaus werden auch hohe Anteile an flüchtigen Aromaten wie Abbildung 5 Benzol, Halogenbenzole und Phenole vorgefunden. Da diese Verbindungen in der

Regel an Rußpartikel adsorbiert bzw. kondensiert sind, ist ihre Mobilität erheblich eingeschränkt. Im Gegensatz zu den Brandgasen, deren Ausbreitung hauptsächlich über den Luftpfad erfolgt, können die auf der Brandstelle verbliebenen Brandrückstände (Abb. 5) über den Wasserpfad in die Umgebung transportiert werden. Insbesondere eingesetztes Löschwasser kann zu ihrer Auslaugung führen. Schadstoffe können so in die Abwasserkanalisation gelangen oder auf einem nicht befestigten Untergrund im Boden versickern und möglicherweise das Grundwasser belasten. Die Brandrückstände bestehen im Wesentlichen aus Zersetzungsprodukten und Resten der brennbaren Ausgangsstoffe und können neben Schlacke und Asche eine große Zahl giftiger Stoffe und Zwischenprodukte enthalten. Hier finden sich auch zahlreiche Metall- und Schwermetalloxide. Zum Schluss sei hier aber noch auf die nicht brandfolgebedingten Schad- bzw. Gefahrstoffe verwiesen. So können durch die Zerstörung der baulichen Strukturen Stoffe wie z.b. Asbest (Asbestzementprodukte -Dach und Fassadenplatten -Abb.6-, Rohre, Wand-/ Bodenfliesen) oder auch mineralfaserhaltige Dämm und Isoliermaterialien (Abb.7) freigesetzt werden. Diese Produkte können aufgrund ihrer chemischen Zuordnung nicht als typische Brandfolgeprodukte eingestuft werden. Sie sind jedoch bei der späteren Durchführung der Gefährdungsbeurteilung zur Beseitigung des Brandschaden -Brandschadensanierung- von großer Bedeutung. Abbildung 6 Abbildung 7