Predigt zu Mt 10,26-33 von Eckart Link 17.11.2011, 06:08 Predigt zu Mt 10,26-33 Liebe Gemeinde! Ich lese uns den Predigttext für diesen Reformationstag aus Matthäus 10,26b-3: Jesus sprach zu seinen Jüngern: 26 Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird. 27 Was ich euch sage in der Finsternis, das redet im Licht; und was euch gesagt wird in das Ohr, das predigt auf den Dächern. 28 Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele nicht töten können; fürchtet euch aber viel mehr vor dem, der Leib und Seele verderben kann in der Hölle. 29 Kauft man nicht zwei Sperlinge für einen Groschen? Dennoch fällt keiner von ihnen auf die Erde ohne euren Vater. 30 Nun aber sind auch eure Haare auf dem Haupt alle gezählt. 31 Darum fürchtet euch nicht; ihr seid besser als viele Sperlinge. 32 Wer nun mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater. 33 Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater. Bekenntnis zu Jesus ohne Menschenfurcht! So könnte man diesen Predigttext überschreiben.
Dreimal kommt es vor: fürchtet euch oder fürchtet euch nicht und zwar im Zusammenhang des Bekenntnisses zu Jesus vor den Menschen. In der evangelischen Kirche hat das furchtlose Bekenntnis einen Namen, ein Datum und einen Ort. Auf dem Reichstag zu Worms werden am 18.04.1521 die unvergesslichen Worte Luthers veröffentlicht: Hie steh ich, ich kan nicht anderst, Got helffe mir Amen. Luther blieb auch im Angesicht des mit der Reichsacht drohenden Todes Jesus treu. Er fürchtete Gott mehr als die Menschen. In diesem Moment überließ er sich wirklich ganz Gott. Solch ein Moment des Bekennens ist ein Augenblick der höchsten Freiheit von Menschen und allem, was sie mir antun können und zugleich ein Augenblick höchster Abhängigkeit von Gott. Wahrscheinlich hatte diese Szene, die in unzähligen Bildern festgehalten wurde, eine so enorme Wirkungsgeschichte, weil sie an Jesus selber erinnert. Er stand auch vor dem Gericht der damals religiösen und weltlichen Herrscherschicht und blieb einfach nur seinem Gott treu. Bekenntnis zu Jesus ohne Menschenfurcht! Unser Text macht uns auf eine Sünde in der Christenheit und auch in uns aufmerksam, zumindest merke ich sie immer in mir: Es ist die Sünde der Menschengefälligkeit und Menschenfurcht. Was ist das letzte Motiv meines Redens, Benehmens und Handelns? Oft ist unser Reden und Handeln davon geprägt, nicht das Ansehen bei Menschen zu verlieren, sondern bei ihnen gut anzukommen. So bücken wir uns vor Menschen, kriechen vor ihnen in unwürdiger Weise und lassen uns zu Handlungen verleiten, die wir innerlich nicht verantworten können. Der Hintergrund des Bekenntnismutes von Luther war seine grundsätzliche Lebenshaltung. Er fühlte sich als ein Mensch, der immer vor Gott steht. Coram deo! Vor ihm hatte er sich zu verantworten! Zuerst war es ihm eine Plage, eine große Last, die er nicht tragen konnte. Aber dann sah er in Jesus den Erlöser und von da an, war das Stehen vor Gott Inbegriff der Freiheit, der Liebe und Ehrfurcht zugleich: Du sollst Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen!
So beginnt Luthers Erklärung zum ersten Gebot im Katechismus. Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst nicht andere Götter haben neben mir. Was heißt das? Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen. Aus Erfahrung geboren ist dieser Satz! Und so weist uns der Gedenktag der Reformation auf etwas, was letztlich immer die entscheidende Frage für jeden Christen und auch für die Kirche war! Stehe ich, steht die Kirche innerlich vor Gott oder vor den Menschen? Ich stelle mir das oft bildlich vor. Ich stehe vor Gottes Thron in seinem Licht und da erscheinen die Dinge meines Lebens in einem anderen, in einem klareren Licht. Deswegen ist das Gebet so wichtig: vor Gott. Deswegen ist die Bibel so wichtig: ich stehe im Lesen Seines Wortes vor Ihm. Deshalb ist der Gottesdienst so wichtig: ich stehe vor Gott! Es ist eine Not der Christenheit, dass es nicht wenige Christen gibt, die beten nie oder selten, die lesen nie oder selten in der Bibel, die gehen nie oder selten zum Gottesdienst. Und wenn ich nachfrage, entpuppt sich der Glaube als ein für möglich halten, dass da etwas Höheres ist. Wundert es da einen, dass da die Freude des Glaubens fehlt, der Trost auch angesichts größten Leides, die Demut im Umgang mit Menschen und auch dass das Gewissen falsch gepolt ist und dass etwas für biblisch gehalten wird, was vielleicht human ist, aber nicht göttlich? Denn wenn ich nie in meinem Herzen vor Gott stehe, dann stehe ich vor anderen: vor meinem Ich, vor Menschen, vor der Psychologie, der Demokratie, die auch nicht göttlicher ist als ein Kaiser. Und dann wird automatisch zum Kriterium, was Menschen wollen und was ich will. Und so verkommt die sogenannte evangelische Freiheit für viele Protestanten zum bloßen Egoismus: Ich kann machen, was ich will. Und das in allen Varianten: intellektuell kann ich gut erklären, warum für mich bestimmte Dinge gerade nicht gelten, die Gott aber sehr wohl wichtig sind. Persönlich betroffen kann ich beschreiben, warum Gottes bewahrende Gebote für mich nicht gelten und Schuld auf einmal nicht mehr Schuld ist, sondern nur eine Variante persönlicher Lebensplanung.
Für Luther bedeutete Freiheit und für Jesus übrigens auch: ich stehe vor Gott! Und das ist höchste Freiheit, aber auch das: hier zählt letztlich nur Gehorsam. Das wir auf das hören und dem folgen, was Gott sagt. Darin besteht unsere Freiheit, so paradox das für unsere menschlichen Ohren auch klingen mag. Und wer vor Gott steht, der wird erfahren, dass das zu Gott Stehen im Kontakt mit Menschen Widerspruch erfährt. Manchmal auch in der eigenen Kirche! Nicht unwesentlich ist, dass Jesus sagt: wer mich bekennt nicht wer sich zu einer Kirche bekennt. Es ist nur die Kirche würdig Kirche Jesu zu sein, die vor Ihm steht Und gerade wir Evangelischen sollten wissen, dass die Wahrheit nicht durch Mehrheit zu ersetzen ist! Es hat sich ja so eingeschlichen, dass gemeint wird, dass eine moderne Kirche, eine solche Kirche ist, die auf den modernen Menschen eingeht. Dass ist an sich nicht falsch. Luther selbst hat den Satz geprägt: wir sollen dem Volk aufs Maul schauen, damit unser Reden verständlicher wird. Aber aufs Maul schauen heißt nicht nach dem Munde reden. Die Mehrheit war noch nie Garant für den Willen Gottes. Entschuldigen sie, wenn ich es einmal so sage: Es gibt dieses unerträgliche Argument: Das kann heute kein Mensch mehr nachvollziehen! Das ist für einen Christen gar kein Argument. Coram deo! Es ist noch nicht etwas wahr, weil es immer so war, aber auch nicht weil es modern ist, sondern allein, wenn es von Jesus abgelauscht wurde. Zumindest für Christen. Kirche heißt auf deutsch: die Herausgerufenen. Herausgerufen aus der Welt und ihren Ansichten zum Gehorsam Jesus gegenüber: Wer mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater. Die Folge seines Mutes war, dass Luther bekanntlich auf der Wartburg untertauchen musste. Auf einmal hatte er wirklich nur noch den Thüringer Wald, das hebräische AT und die griechische Bibel und Gott. Dort geplagt von Anfechtungen allein vor Gott tat er sein größtes Werk: die Bibelübersetzung.
Vielleicht ist es so, dass Menschen, die wirklich aus dem Stehen vor Gott heraus Bekennen, einsam werden, auch heute noch im Extremfall das Leben lassen, oder nur Anerkennung verlieren. Aber was ihnen bleibt ist Gott und damit alles, was sie brauchen. Und manchmal wächst auf diesem Gehorsam Jesus gegenüber mehr als wir uns träumen lassen. Wie bei Abraham, der Gott gehorsam war und bei dem in Erfüllung ging. In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden. Wo ist unser Mut gefordert? Wo bläst uns der Wind ins Gesicht, weil wir bei Jesus stehen? Wo ist unser nächster Gehorsamschritt an der Reihe? Gott weiß um all unsere Herausforderungen und wo wir Ihm folgen, da fließt sein Segen. Amen. Powered by TCPDF (www.tcpdf.org)