~.. DIE -- FURSTENKANZLEI DES MITTELALTERS ANFÄNGE WELTLICHER UND GEISTLICHER ZENTRALVERWALTUNG IN BAYERN Ausstellung des Bayerischen Hauptstaatsarchivs anläßiich des VI. Internationalen Kongresses für Diplomatik München, 25. Oktober-1S. Dezember 1983
ANHANG: DER EINFLUSS VON KAISER- UND PAPSTURKUNDE AUF DIE BISCHOFSURKUNDE DES 12. JAHRHUNDERTS Mit dem Aufkommen der "Privaturkunde" und dem allmählichen Verschwinden der Traditionsnotiz entstand für die Aussteller der Urkunden das Bedürfnis nach einem von Zeugen unabhängigen Beglaubigungsmittel, bis sich das Siegel als einzig notwendiges durchsetzte. Da die Unscheltbarkeit der Königs- wie auch der Papsturkunde allgemein feststand, war die Nachahmung ihrer äußeren und inneren Merkmale naheliegend. Chrismon, Elongata in der ersten Zeile, Monogramm, Benevalete und Rota werden in mehr oder weniger gelungener Weise nachgebildet. Im 12. Jahrhundert wird die Papsturkunde zum dominierenden Vorbild, dem sich auch die Königsurkunde unterwerfen muß. Von der Papsturkunde wird auch der Brauch der Unterschriftsleistung übernommen, wobei gelegentlich Eigenhändigkeit festzustellen ist (Nr. 232), meistens jedoch der Urkundenschreiber auch die Unterschriften einträgt. Daß man in der bischöflichen Kanzlei nicht immer in der Lage war, den Sinn der Vorbilder zu verstehen, zeigen z. B. die Anwendung einer verdoppelten monogrammatischen Invocatio (Nr. 232), die so weder in der Papst- noch in der Königskanzlei anzutreffen ist, oder der Formel Huius rei testes sunt (Nr.235) innerhalb der vorgeblich eigenhändigen Unterschriften. Mit der Herausbildung des modernen Territorialstaats im 13. Jahrhundert wird auch der Bischof zum Landesfürsten. Seine Urkunden - sofern sie weltliche Belange betreffen - werden nicht anders gestaltet als die anderer weltlicher Aussteller und sind bald weder in ihren äußeren noch inneren Merkmalen von diesen zu unterscheiden. L. 187
230 FÄLSCHUNG EINER BAMBER- GER BISCHOFSURKUNDE 1127 oder später Bischof Otto 1. von Bamberg berichtet über den Verfall und die von ihm veranlaßte Wiederherstellung des Klosters Banz und gewährt den dortigen Benediktinern das Recht der freien Abtwahl. Um die aus dem Eigenkirchenrecht resultierenden Ansprüche des Bamberger Bischofs an Kloster Banz abzuschütteln, hat ein unbekannter Fälscher gegen 1180 die vorliegende Urkunde anhand einer echten Vorlage angefertigt. Der Einfluß der zeitgenössischen Königsurkunde ist an der Verwendung des Chrismon, der Elongata, der Schleifenbildung bei den Oberlängen und endlieh des Monogramms erkennbar. vor dem Friedhof und einiger Äcker sowie der Pfarrei und verleiht freie Propstwahl. Den Einfluß der päpstlichen Privilegien dokumentiert am augenscheinlichsten das Benevalete-Zeichen. Aber auch das Formular ahmt vor allem in der Sanctio papsturkundliche Vorbilder nach. Der Schreiber der Urkunde, Notar Rupert, hat auch die nebenstehende Urkunde (Nr. 232) geschrieben. Or. Perg. 60 x 39,5 em mit durchgedrücktem BayHStA, St. Zeno Urk. 1. Siegel. Druck: Willibald Hauthaler - Franz Martin, Salzburger Urkundenbuch, Bd. 2, Salzburg 1916, S. 253-255 Nr.171. - MB 3, S.528. Regest: RB I, S. 140. Literatur: Martin, Urkundenwesen S. 569, 654-657. Fälschung Perg. 53 x 39 em mit gefälschtem durchgedrücktem Siegel. BayHStA, Bamberger Urk. 156. Druck: Paul Oesterreicher, Geschichte der Herrschaft Banz, 2. Teil, Bamberg 1833, S.XIV-XVII Nr.7. Literatun Hans Hirsch, Die echten und unechten Stiftungsurkunden der Abtei Banz. Ein Beitrag zur Geschichte des fränkischen Eigenklostertums (Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien, philosophisch-historische Klasse, 189. Bd., 1. Abh.), Wien 1919. 231 EINFLÜSSE DER PAPST- URKUNDE 1136 April 5, Salzburg Erzbischof Konrad I. von Salzburg beurkundet die Stiftung der Propstei St. Zeno in Reichenhall unter Zuweisung des Hofes 232 UNVERSTANDENES VORBILD DER PAPSTURKUNDE 1146 November 11, Passau /1146 Dezember 20, Friesach Abb. S. 189 Erzbischof Konrad I. von Salzburg bestätigt dem Stift Formbach die vom Stifter Graf Ekbert von Pütten unrechtmäßigerweise zur Dotation des Klosters verwendeten, nun aber vom Erzbischof dem Kloster gegebenen genannten Zehnten, nachdem die Äbte das Hochstift mit anderweitigen genannten Gütern schadlos gehalten haben. Daß die Vorbilder, die Kaiser- und Papsturkunden den bischöflichen Notaren boten, nicht immer verstanden wurden, sieht man an dem hier gezeigten Beispiel: Die verdoppelte Invocatio (Chrismon und Kreuz) hat 188
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es offenbar weder in der Königs- noch in der Papstkanzlei gegeben. Sichtlich vom päpstlichen Privileg beeinflußt sind die Unterschriften - hier eigenhändig - einiger Suffraganbischöfe sowie des Erzpriesters und des Erzdiakons. Or. Perg. 49 x 28,5 ern, das durchgedrückte Siegel fehlt. BayHStA, Formbach Urk.7. Druck: Willibald Hauthaler-Franz Martin, Salzburger Urkundenbuch, Bd.2, Salzburg 1916, S.355-357 Nr.247. - MB 4, S. 133 Nr. 6. - Urkundenbuch des Landes ob der Enns, Bd. 2, Wien 1856, S. 221 Nr. 1St. Literatun Martin, Urkundenwesen S.575, 655-657, 659. 233 EINFLUSS DER PAPST- URKUNDE IN FREISING 1158, (Freising) Bischof Otto I. von Freising erneuert die Statuten des Freisinger Domkapitels und verleiht ihm einige genannte Pfründen. Neben zahlreichen Entlehnungen aus der Papsturkunde wie der Grußformel in perpetuum, der Adresse, der Dispositionsformel und der schematischen Anordnung der - nicht eigenhändigen - Unterschriften hat bei dieser Urkunde auch das Königsdiplom seinen Einfluß geltend gemacht. Neben der Apprecatio In Christo [eliciter amen, amen ist auf die Signumzeile und das darunterstehende Monogramm hinzuweisen. In der Datum-per-manus-Formel nennt sich der Diktator der Urkunde, es ist kein anderer als der Geschichtsschreiber Rahewin. Geschrieben hat das Stück der domkapitelsche Notar Berchthold, der in der ersten Kolumne der Unterschriften zu finden ist. Er hat sämtliche Unterschriften geschrieben, wobei er sich bemühte, durch Verstellen der Schrift und der Federhaltung den Anschein der Eigenhändigkeit zu erzeugen. Daß die Unterschrift des Bischofs Otto nicht eigenhändig ist, zeigt ein Vergleich mit Nr. 232. Or. Perg. 63 x 48 em mit durchgedrücktem BayHStA, Hochstift Freising Urk.34. Siegel. Druck: Karl Meichelbeck, Historia Frisingensis, Bd. 1, Augsburg 1724, S. 339f. - Alois Weißthanner, Regesten des Freisinger Bischofs Otto I. (1138-1158). In: Analeeta sacri ordinis Cisterciensis 14 (1958) S. 212-214 Nr.I72. Literatur: Ruf, Urkundenwesen S. 17-20, 24-27 und TafeI2,3. 234 DEUTLICHE NACHAHMUNG PÄPSTLICHER URKUNDEN IN AUGSBURG 1150 September 4 Bischof Walther von Augsburg bestätigt die dem Hospital HI. Kreuz von seinem Stifter Walcher und Bischof Udalrich von Augsburg gemachten Schenkungen und verfügt die Verlegung, Vergrößerung und weitere Dotierung des Hospitals unter Zustimmung des Domkapitels und Papst Eugens II. Der Augsburger Notar Rudiger, der u. a. die gezeigte Urkunde ausfertigte, hatte eine besondere Vorliebe für die Nachahmung von Papsturkunden. Das in perpetuum in der ersten Zeile ist graphisch wie in zeitgenössischen Papstprivilegien ausgeführt, die einzelnen Textabsätze werden mit verzier- 190
ten Versalien eingeleitet. In der fast wörtlich kurialen Mustern nachgebildeten Poenformel werden die ct- und st-ligaturen entsprechend weit auseinandergezogen. Den Schluß des Kontextes bildet das dreimalige Amen. Als Quelle für diese Übernahmen kurialer Kanzleigepflogenheiten vermutet man unter anderem das Privileg Coelestins II. für das Domkapitel Augsburg von 1143 November 26 (BayHStA, Domkapitel Augsburg Urk.9). Auffällig ist die verkehrte Befestigung des Siegels, wodurch das Siegelbild nur von der Rückseite der Urkunde her zu sehen ist. Man ist versucht, an eine Funktion des Siegels als Ausweis zu denken, indem der Bote die gefaltete Urkunde mit dem sichtbaren Siegel vorzeigte. Or. Perg. 68 x 48 em mit durchgedrücktem der Rückseite. BayHStA, Augsburg-Hl.Kreuz Urk. 1/1. Druck: MB 33a, S.30-33 Nr. 32. Regest: RB 4, S. 735. Siegel auf Literatur: Feist - Helleiner, Urkundenwesen S. 57f., 62,82. diese kaum mehr gemäß den Regeln der Papstkanzlei verwendet. So steht das in perpetuum nicht am Ende der ersten Zeile, sondern mitten in der zweiten. Ein Monogramm oder Benevalete fehlt, dafür ist der Unterschrift des Erzbischofs die Andeutung einer Rota vorangesetzt. Diese Unterschrift dürfte von anderer Hand sein, während Kontext und die drei Kolumnen der Zeugenunterschriften von einer Hand herrühren. Die Einflechtung der Formel Huius rei testes sunt am Beginn der dritten Unterschriftenreihe bezeugt ebenfalls, daß der Schreiber der Urkunde die Bedeutung der kurialen Vorbilder nicht mehr verstand. Or. Perg. 58,5 x 38,5 em mit Siegel des Domkapitels an hellgrün-weißen Seidenfäden, auf das Siegel des Erzbischofs weisen nur noeh die violettgelbgrünen Seidenfäden hin. BayHStA, Au a. Inn Urk, 11. Druck: Willibald Hauthaler-Franz Martin, Salzburger Urkundenbuch. Bd.3, Salzburg 1918, S.59-61 Nr.580. - MB1, 5.223 Nr.9 bzw. 5.66-68 Nr.6. Regest: RB 2, S. 12. Literarur: Martin, Urkundenwesen 5. 739. 235 NACHLASSENDER EINFLUSS 236 ANPASSUNG DER BISCHOFS- DER PAPSTURKUNDE? URKUNDE AN DIE WELTLI- 1204 Mai 22, Salzburg CHE GESCHÄFTSURKUNDE 1276 September 12, (Freising) Erzbischof Eberhard II. beurkundet die zusammen mit dem Dompropst und Dom- Bischof Konrad II. von Freising beurkundet dechant als päpstliche Schiedsrichter ge- und bestätigt den Verkauf von Besitz in fällte Entscheidung des Streites zwischen Beigarten durch seinen Truchseß Sighard den Pröpsten von Gars und Au wegen der an das Prämonstratenserstift Schaftlarn, Kirche zu Piirten. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts Das gezeigte Stück enthält zwar zahlreiche entwickeln sowohl die geistlichen wie die 191 Elemente der Papsturkunde, doch werden weltlichen Kanzleien einen einheitlichen
gemeinsamen Typ der Geschäftsurkunde, wie er schon anhand der Darstellung der bayerischen Herzogskanzlei vorgestellt werden konnte. Der Schreiber des vorliegenden Stückes hat allerdings noch nicht die ansonsten übliche kursive Schrift übernommen. Vom Formular her sind bis auf die Indiktionsangabe in der Datierung keine Unterschiede zu den Geschäftsurkunden weltlicher Aussteller festzustellen. Or. Perg. 12,5 x23 em, das Siegel fehlt. BayHStA, Schäftlarn Urk. 11. Druck: MB 8, S. 533f. Nr.22. - Alois Weißthanner, Die Urkunden und Urbare des Klosters Schäftlarn (QE N.F. Bd. 10/2), München 1957, S.40f. Nr.36. Regest: RB 3, S. 292 (zu 1267). Literatur: Ruf, Urkundenwesen S. 75f. - Weißthanner (wie oben). Schluß der Datierung von der zeitgenössischen Herzogsurkunde ein wenig verschieden war, sind im 14. Jahrhundert auch die letzten derartigen Unterschiede verschwunden. Der Bischof urkundet - von Angelegenheiten des geistlichen Gerichts und innerkirchlichen Beurkundungen wie Ablässen usw. abgesehen - wie ein weltlicher Fürst. Bemerkenswert ist bei dem gezeigten Stück das sehr schöne Siegel mit der besonderen Legende des konfirmierten Elekten. Or. Perg. 16 x 25,5 em mit Siegel an Pressel. BayHStA, Kurbayem Urk. 12941. 237 BISCHÖFLICHE URKUNDE DES 14. JAHRHUNDERTS 1350 Juni 13, München Der erwählte und vom Papst bestätigte Bischof Albert von Freising verpflichtet sich gegenüber Herzog Ludwig dem Brandenburger und seinen Brüdern Ludwig dem Römer und Otto, im Falle von Auseinandersetzungen mit ihren Brüdern Stephan, Wilhelm und Albrecht ihnen sofort Hilfe zu leisten, wenn Pfalzgraf Ruprecht oder Herzog Konrad von T eck dies von ihm verlangen. Während die Freisinger Bischofsurkunde des 13. Jahrhunderts wenigstens noch _durch die Nennung der Indiktion am 192