«Sexting ist normal, aber dumm»

Ähnliche Dokumente
Chancen und Risiken im Internet. lic. phil. Martin Hermida

Medienkompetenz und Datenschutz für Kinder und Jugendliche. - Ein Wohnzimmer-Vortrag -

Aussagen von Frauen mit einer Behinderung (avanti donne) anlässlich eines Kurses zum Thema Sexualität und Behinderung

Handyprofis ein medienpädagogisches Angebot für Kinder, Jugendliche und Erwachsene

Safer Surfing-Tipps für Kinder und Jugendliche

nfragen Mädche Wie vertraulich arbeitet Allerleirauh? Du brauchst also deinen Namen nicht zu nennen, wenn du dich an uns wendest.

Schütze deine Privatsphäre!

Berid über die Scheidung ihrer Eltern

Elternabend der Schulen Geissenstein & Steinhof, Luzern 26. Mai 2011

EXECUTIVE SUMMARY. P.ZR p2.T / BIMEZ - Eltern Seite 1

Jubiläum 15 Jahre Mädchenpower in Graubünden vom 30. Mai 2013 an der Pädagogischen Hochschule Graubünden Ansprache von Martin Jäger, Regierungsrat

Hilfe - Wie kann ich selbstbewusster auftreten?

Für Kinder ab 9 Jahren. Deine Eltern lassen sich scheiden. Wie geht es weiter?

Istockphoto. WWF-Jugendumfrage 2016: So habt ihr geantwortet.

Dissertationsvorhaben Begegnung, Bildung und Beratung für Familien im Stadtteil - eine exemplarisch- empirische Untersuchung-

Die Kinderrechte sind wichtig für Kinder in Österreich und auf der ganzen Welt.

Veranstaltungen Beratungsstelle Marburg

HERAUSFORDERUNGEN IN DER ERZIEHUNG Herbst/ Winter 2016

Pressekonferenz Studie»Kinder und Jugend 3.0«

Alkohol-Quiz. Ablauf. Oberthema Idee / Ziele. Zeit Methode Material. Alter Lehrplan 21

Meine. Übereinkommen über die Rechte des Kindes Jahre

Inhalt des Vortrages:

Unterrichtsreihe: Liebe und Partnerschaft

Online-Befragung Website Deutsches Jugendinstitut e.v.

Erweiterung des Nachtlebens in den digitalen Raum

JAMES- Studie. So nutzen Jugendliche digitale Medien

Was sind Soziale Netzwerke? Stelle dazu selbstständig Überlegungen an!

Sie durften nicht Oma zu ihr sagen. Auf keinen Fall! Meine Mutter hasste das Wort Oma.

Unterrichtsplanung - UE Cyber-Mobbing - UE: 50 Min

DSBU Umfrage zur Mediennutzung

1 / 12 ICH UND DIE FREMDSPRACHEN. Fragebogen für die Schülerinnen und Schüler der 5. Klasse (Luxemburg) Februar - März 2007

Themen neu 2/Lektion 3 Unterhaltung & Fernsehen Sprechübung KT sprechen mit Hilfe dieser Strukturen über Ihre Interessen und Desinteressen.

Unterrichtseinheit über Kinderarbeit in der Türkei

Nachholbildung Art. 32 BBV. Einstufungstest Deutsch Kauffrau/Kaufmann E-/B-Profil Nullserie Name. Vorname. Prüfungsdatum. Note.

Jugend, Aktivitäten, Medien Erhebung Schweiz 2010

PREMIERE Sackgasse Cybermobbing?

- Beste Freundin von Angela. - Freundin von David. - Bester Freund von Henry. - Freund von Louisa

VORWORT 11. Was passiert, wenn man sich verliebt? Woher kommen die Schmetterlinge im Bauch? 13. Wie finde ich ein Mädchen, das mich liebt?

Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit den Themen Datenschutz, Chatten, Umgang im Internet und Glaubwürdigkeit von Internetseiten auseinander.

6. Das ist doch Waschmaschine, das ist ein Geschirrspüler. a). keine, b). nicht, c).kein, d). nichts

Wie alt bist du? Wie alt sind Sie? älter. Was bist du? Was sind Sie? Hast du ein eigenes Handy?

Könntet ihr zwei Süßen jetzt bitte mit dem Interview anfangen?

Ergebnisse der Umfrage Kinder und Medien Elternumfrage

Bildungsketten-Materialsammlung

Nicht ohne mein Handy! Mobil?

Mit Fragen in die Tiefe finden

n Einfacher Sprache nternetsucht bei Kindern und ugendlichen: nformation und Hilfen für Familien.

Jugendliche & Alkohol Ratgeber für Eltern

Mobbing an der Schule wegen der sexuellen Identität

Wer kriegt den Johannes?

1. Aktuelle Situation (Tagesablauf, Zusammenleben, etc

Notaufnahmegruppe für Jugendliche NAG. Schlossmatt Kompetenzzentrum Jugend und Familie

Mathematik II. Kantonale Vergleichsarbeit 2014/ Klasse Primarschule. Prüfungsnummer: Datum der Durchführung: 14.

Klasse 3. Klasse 4. Inhaltsverzeichnis

Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen. Dr. phil. Eveline Hipeli Am 22. August 2014 UZH, Familien und neue Medien

KINDERSTUDIE 2016 IP ÖSTERREICH

Liebe Konfirmandengruppe, liebe Eltern, liebe Paten, liebe Verwandte, liebe Gemeinde,

Vortrag und Diskussion mit Frank Winter

Medienverhalten der Jugendlichen Computer, Laptop, Tablet-PC

Du musst aber großen Durst haben!

Kinderrecht. Eine Broschüre der Stadtjugendpflege Trier in Zusammenarbeit mit dem triki-büro. auf Information

Die Kindesanhörung. Es geht um dich deine Meinung ist gefragt. Für Kinder ab 5 Jahren

Inhalt. BvD e.v., Stand Juni 2014 Materialien für Lehrer / Eltern: Unsere 7 Tipps aus dem Vortrag

Besuch der Wirtschaftsschule in Senden. Impulsreferat "Jugend im Netz" Zielgruppe Jahrgangsstufen 7 mit 11. am 14. Mai 2012

Sexualität in den Medien - Einfluss auf Kinder und Jugendliche

Unterrichtsreihe: Liebe und Partnerschaft

Transkript:

«Sexting ist normal, aber dumm» Sexting scheint zum Alltag zu gehören. Ist das wirklich so? Das Programm Jugend und Medien sprach mit Betroffenen über das Thema Internet und Sexualität einem Jugendlichen, der Mutter eines 15-jährigen Mädchens und einem Jugendbeauftragten. Jugendlicher, 16-jährig, Region Zug (J): Welche Rolle spielt für dich das Internet beim Thema Sexualität? J: Internet finde ich grundsätzlich sehr wichtig. Ich unter-halte mich mit meinen Kollegen und Freunden ja nur noch darüber Whatsapp, Facebook, Instagram etc. Ohne Internet würde nichts mehr laufen. Aber konkret zum Thema Sexualität? Also, was die Mädchen genau tun, weiss ich natürlich nicht, aber wir Jungs schauen Pornos an, ja. Wenn du Fragen hast, an wen richtest du dich? J: Ich frage meine Eltern. Dann gibt es hier in Zug eine super FFZ, eine Frauenzentrale*, da kann man anrufen und Fragen stellen. Oder etwa auch bei 147 (Pro Juventute). Mutter einer 15-jährigen Tochter, Region Zürich (M): Welche Rolle spielt für Ihre Tochter das Internet beim Thema Sexualität? M: Eine geringe Rolle. Es ist nicht das Medium, über welches sich meine Tochter und ihre Kolleginnen über Sexualität austauschen. Sie informieren sich aber durchaus im Internet. Etwa haben sie schon mal einen Blog besucht, auf dem Jugendliche Fragen zu Sexualität stellen. Und haben interessiert die schlauen Antworten diskutiert. Sprechen Sie mit Ihrer Tochter über Sexualität und Internet? M: Ja, immer wenn es sich ergibt. Kürzlich kam im Fernsehen ein Beitrag über den Pornokonsum von Buben. Darüber und über die verzerrten Rollenbilder in Pornos haben wir dann diskutiert. * Fachstelle Sexualberatung der Frauenzentrale Zug

Womit hast du gute Erfahrungen gemacht? J: Wir haben mit der Schule die Frauenzentrale (FFZ) besucht. Bei Fragen kann man da wie gesagt anrufen oder man vereinbart einen Termin und geht vorbei. Hast du selber schon unangenehme Erfahrungen gemacht? J: Nein. Aber in der Nachbargemeinde wurde ein Mädchen fertiggemacht. Von ihr gingen Nacktbilder rum und es hiess dann sofort, sie sei eine Schlampe. Bis es in Mobbing ausartete. Die Bilder wurden recht weit verschickt. Weisst du, wie es dazu kam? J: Nein. Aber ich finde es dumm, Nacktbilder von sich zu verschicken, denn man weiss nie, was damit geschieht. Was bedeutet denn schon das Versprechen «Ich zeige es niemandem, schicke es niemandem»? Vertrauen ist ein schwieriger Begriff. Auch dieses Mädchen hat das Bild ursprünglich ja nur ihrem Freund geschickt. Aber sobald Schluss war, wurde das Bild benutzt. Ist Sexting wirklich so weit verbreitet unter euch Jungen? J: Teilweise eben schon. Jeder hat eigentlich schon von einem Fall gehört. Welche Fragen beschäftigen Ihre Tochter? M: Aktuell das Thema Verhütung. Vor allem nach einem Artikel in der Zeitung zum Tod einer jungen Frau wegen der Pille. Im Lager haben die Mädchen untereinander auch den Pornokonsum der Buben diskutiert. Das beschäftigt Mädchen und mach ihnen auch Angst. Mit welchen Fragen kommt Ihre Tochter zu Ihnen? M: Sie fragt mich wie gesagt über Verhütung aus. Und stellt die Standardfrage, die wohl alle Töchter ihren Müttern stellen: Wann hattest du zum ersten Mal Sex? Aber sie würde mich nie fragen, wie ist das gewesen. Sie holt sich bei mir Fakten. Meine Tochter akzeptiert meine Lebenserfahrung, ich darf aber nicht Schlaumeier spielen. Als Mutter einer Jugendlichen muss man sich vom Glauben verabschieden, dass man die erste Ansprechpartnerin ist. Jetzt zählen die Kolleginnen. Mami ist nicht die Benchmark. Wie informieren Sie sich zum Thema? M: Ich informiere mich eigentlich gar nicht. Ich versuche aufmerksam und offen zu sein und Themen aufzugreifen, wenn sie sich ergeben.

Was möchtest du Erwachsenen, Eltern mit auf den Weg geben? J: Wir probieren alles früher aus Alkohol, Rauchen, Sex. Ich finde Eltern sollten auch informiert sein und sich aufklären. Womit haben Sie gute Erfahrungen gemacht? M: Es hat sich bewährt, das Thema nicht wie ein heisses Eisen anzupacken, sondern als ein Thema unter vielen, das zum Leben gehört. Man macht es Kindern nur schwer, wenn man selber Mühe mit dem Thema hat. Worin sehen Sie die grösste Herausforderung? M: Das unaufrichtige Bild, mit dem wir konfrontiert sind und das wir pflegen. Wir Erwachsenen etwa tun so, als ob alles perfekt wäre und behaupten: Wir haben mehrmals pro Woche Sex, ist doch klar. Auch wenn das gar nicht stimmt. Wir gehen also selber schon total unaufrichtig mit dem Thema um. Eine Herausforderung ist auch der Druck aufs Aussehen nur wer schön ist, ist begehrlich und geeignet, Sexualität zu haben. Diese Vermischung von Äusserlichkeit, Persönlichkeit und Sexualität, das ist nicht einfach für junge Erwachsene. Wurde Ihre Tochter schon mit Sexting konfrontiert? M: Sie hat schon davon gehört. Und sie findet: Wer so war tut ist doof.

Nicolas Perelyguine, Jugendbeauftragter Renens (NP): Welche sexuellen Darstellungen treffen Jugendliche im Internet an? NP: Sie begegnen häufig Bildern, die nicht der Realität entsprechen. Bildern, die sie mit sich selber vergleichen und sich dann fragen: Entspricht das der Realität? Bin ich normal? Welche Rolle spielt bei Jugendlichen das Internet beim Thema Sexualität? NP: Es spielt eine positive und eine negative Rolle. Negativ sind die unrealistischen Bilder und Filme. Positiv ist, dass Jugendliche schnell differenzierte, gute Informationen finden. Auf tchau.ch etwa können sie anonym ihre Sorgen teilen und erhalten Antworten. Und dank dem Internet spricht man über Missbrauch das war früher weniger oder gar nicht der Fall. Mit welchen Fragen kommen Jugendliche zu Ihnen? NP: Ihre Fragen betreffen selten die Sexualität direkt. Jugendliche wollen aber durchaus darüber diskutieren, wie es ist, eine Freundin zu haben. Oder sie wollen mehr erfahren über die Beziehung zwischen Buben und Mädchen generell. Gibt es Unterschiede zwischen Buben und Mädchen? NP: Im Alter von 15/16 sind Mädchen oft reifer. Wir haben einmal einen Präventionsabend mit Spezialisten organisiert, da merkte man das gut. Die Buben stellten eher technische Fragen und die Mädchen eher zu Beziehungen. Was geben Sie Jugendlichen zum Thema mit auf den Weg? NP: Wir verweisen Jugendliche an die richtigen Fachpersonen. Und dieses Jahr haben wir ein Peer-Education-Projekt** lanciert das Projekt «Web-Radio par les jeunes». Während einer Woche produziert und sendet eine Gruppe Jugendlicher täglich ein Radioprogramm übers Internet. Die Jugendlichen regen die Zuhörerinnen und Zuhörer dazu an, sich in die Debatte rund ums Thema moderne Medien einzubringen. Womit haben Sie in Ihrer Arbeit gute Erfahrungen gemacht? NP: Das Echo auf das Peer-Education- Projekt war sehr gut. Bewährt haben sich auch informelle Nachtessen, zu denen wir Jugendliche regelmässig einladen. Während dem Essen führen wir ein Spiel durch: Die Jugendlichen erhalten Fragen zu

unterschiedlichen Themen mit einer Auswahl an möglichen Antworten. Sie müssen sich dann in Gruppen für eine richtige Antwort entscheiden. Das Spiel hat eine unterhaltende Seite, gibt den Jugendlichen aber auch die Möglichkeiten, Themen zu diskutieren. Zur Sexualität lautet eine Frage etwa: Was ist ein Pornofilm? a) Er dient der Erregung. b) Er ist eine Anleitung, um die sexuelle Realität kennenzulernen. c) Er vermittelt ein positives Bild von Sexualität. d) Er soll zu sexuellen Praktiken ermutigen. Ist Sexting ein Thema? NP: Anlässlich der erwähnten Radiowoche gab es eine Debatte zum Thema «Sexting». Da lautete die Einstiegsfrage: Wie viele von euch waren schon von Sexting betroffen? Und alle haben sich gemeldet! Sie hatten zwar nicht selber Bilder erstellt oder verschickt, aber restlos alle hatten schon solche Bilder auf ihr Handy erhalten! ** Peer-Education bezeichnet das Weitergeben von Wissen von Jugendlichen an Jugendliche in Sinne eines informellen Informations- und Erfahrungsaustauschs unter Gleichaltrigen. Mehr Informationen zum Thema Internet und Sexualität in den Rubriken Pornografie, sexuelle Übergriffe und Sexting Jugend und Medien ist das nationale Programm zur Förderung von Medienkompetenzen. Es verfolgt das Ziel, dass Kinder und Jugendliche sicher und verantwortungsvoll mit digitalen Medien umgehen. Eltern, Lehr- und Fachpersonen bietet das Programm Informationen, Unterstützung und Tipps für eine sinnvolle Begleitung von Kindern und Jugendlichen. http://www.jugendundmedien.ch