Lauftraining für Einsteiger

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Transkript:

physiopraxis Das Fachmagazin für Physiother apie 3 März 2013 11. Jahrgang ISSN 1439-023X 61504 www.thieme.de/physiopraxis e Les be o r p Vom Wohlfühltempo zum Marathon Lauftraining für Einsteiger Effizient und evidenzbasiert Systematisch befunden in der Neuroreha Red Flags erkennen Eine Ballerina mit Hüftschmerz Rechte, Pflichten, Möglichkeiten Schwanger an der Bank Neu: praxisprofi 8-mal im Jahr Der Dreh zur Selbst ständigkeit

Das Gesunde Kinzigtal Unser derzeitiges Gesundheitssystem handelt in der Regel erst dann, wenn der Patient schon krank ist. Doch Prävention lohnt sich und funktioniert umso besser, wenn dabei Physiotherapeuten und viele andere Berufsgruppen zusammenarbeiten. Das zeigt ein Projekt der Integrierten Versorgung im Schwarzwald das Gesunde Kinzigtal. ie Gesundheit stärken und nicht nur auf Krankheiten reagieren das ist das oberste Ziel der Initiative Gesundes Kinzigtal. Dafür arbeiten im Schwarzwald südlich von Freudenstadt niedergelassene Ärzte und Kliniken zusammen, sprechen sich Fachärzte und Physio- und Ergotherapeuten ab, kooperieren Kliniken, Pflegedienste, Hausärzte und Psychotherapeuten. Des Weiteren sind Sport vereine, Fitnessclubs und Selbsthilfegruppen mit von der Partie und all das mit der Unterstützung der Krankenkassen. Denn Gesundes Kinzigtal arbeitet als Projekt der Integrierten Versorgung mit den Kranken kassen zusammen bislang mit der AOK Baden-Württemberg und der Landwirtschaft lichen Krankenkasse (LKK) Baden-Württem berg (a Gesundes Kinzigtal ). Die Liste der Krankheiten, die bei Gesundes Kinzigtal im Mittelpunkt stehen, reicht von Rückenschmerzen und Osteoporose über Depressionen, Rheuma, Herzschwäche, Diabetes bis hin zu Sehschwäche bei Kindern. Bei den Programmen zu Rückenschmerzen und Osteoporose sind acht Physiotherapeuten eingebunden. Zusammen mit mehr als 60 Ärzten und Therapeuten aus anderen Fachrichtungen bieten sie den Patienten neben den klassischen ärztlichen und therapeu tischen Behandlungen zusätzlich beispielsweise Rückenschulen, Vorträge, Ernährungskurse und Aquafitness an. Diese Angebote nutzen rund 9.000 Krankenver sicherte vom Kindergartenkind bis zur 80-jährigen Rentnerin sind alle Altersgruppen vertreten. Sie D haben sich bewusst dafür entschieden, Mitglied bei Gesundes Kinzigtal zu werden. Zu Beginn der Mitgliedschaft wird bei den Patienten untersucht, ob Krankheiten oder Risikofaktoren für Erkrankungen vorliegen, die durch die Programme von Gesundes Kinzigtal gelindert oder vermieden werden können. So wissen die Mitglieder, was sie für ihre Gesundheit tun können. Im Gesunden Kinzigtal wurden viele Ideen von Physiotherapeuten umgesetzt. Wer nicht bei der AOK oder LKK versichert ist, kann eine Mitgliedschaftserklärung als Freund unterzeichnen und muss darauf hoffen, dass auch seine Kasse einen Vertrag mit dem Projekt abschließt. Ein Freund kann zwar kostenlos an Vorträgen teilnehmen und von Vergünstigungen in Fitnessstudios profitieren, doch die speziellen Angebote von Gesundes Kinzigtal muss er selbst bezahlen. Der Sportphysiotherapeut: Eine neue Zielgruppe erschlossen > Ein Programm für Patienten mit Osteoporose hat Thomas Ruck, Sportphysiotherapeut und Masseur in Gengenbach, mitentwickelt. Gemeinsam mit anderen Physiotherapeuten und Orthopäden wollte er Stürze bei dieser Risikogruppe verhindern. Außerdem suchte ich nach einem weiteren Aufgabengebiet und wollte eine neue, langfris- tige Zielgruppe erschließen, erläutert er seine berufliche Motivation. Die Projektvorarbeit machte ihm Spaß, vor allem weil Ruck sich dabei von den Ärzten ernst genommen fühlte. Vieles, was wir Physiotherapeuten vorgeschlagen haben, wurde auch übernommen, erinnert er sich. Nach wie vor ist Ruck zufrieden mit dem Programm: Die Teilnehmer seiner Osteoporose-Gruppe werden ihm von den Orthopäden geschickt, er absolviert mit ihnen ein Training zur Sturzprophylaxe mit Konzentrations-, Gleichgewichts-, Kraft- und Ausdauer übungen, und nach einem halben Jahr unter suchen die Ärzte die Patienten erneut. Mit hervorragenden Ergebnissen: Viele Teilnehmer, die früher regelmäßig gestürzt sind, berichten, dass sie zwar gestolpert seien, sich aber selbst wieder auffangen konnten. Zusätzlich war das Osteoporose-Programm für die Praxis von Thomas Ruck eine tolle Werbung. Immer mehr Patienten machen mit, da mittlerweile Freunde und Bekannte der ursprünglichen Teilnehmer bei Ruck anfragen auch solche, die in einer anderen Kasse ver sichert sind und die Kosten von Anfang an selbst tragen müssen. Rund 80 Prozent der ursprünglichen Patienten zahlen heute selbst, da Gesundes Kinzigtal die Kosten für das Programm nur für eine Initialphase von zwei Jahren und als Anstoß für die Eigeninitiative übernimmt. Wir haben eine Gruppe nach der anderen gegründet, weil es den Teilnehmern so viel Spaß macht und sie in den Gruppen zusammenbleiben wollen, erzählt Ruck. Aber nicht nur finanziell hat Ruck von Gesundes physiopraxis 3/13 10 Heute investieren, morgen profitieren

11 Gesundes Kinzigtal physiopraxis 3/13 Abb.: A. Schnurer; T. Ruck Ein Projekt der Integrierten Versorgung >> Das Ziel der Integrierten Versorgung ist es, die in Deutschland übliche strikte Trennung zwischen ambulanter Versorgung beim Hausarzt oder beim Physiotherapeuten und der stationären Versorgung in Kliniken oder Pflegeheimen aufzuheben. Dazu schließen Krankenkassen Verträge mit allen Beteiligten. Diese sollen zusammenarbeiten und an einem Strang ziehen wie bei Gesundes Kinzigtal. Für die Krankenkassen kann dies finanzielle Vorteile bringen, indem zum Beispiel Doppeluntersuchungen und unnötige Medikamentengaben vermieden werden. Die Patienten profitieren von geringeren Wartezeiten und einer mit allen beteiligten Berufsgruppen abgestimmten Behandlung. >> Das Gesunde Kinzigtal existiert seit 2005. 2006 hat die Geschäftsstelle Verträge mit der AOK BadenWürttemberg, 2007 mit der LKK Baden-Württemberg geschlossen. Zu Anfang wurde es als Modell projekt von den Krankenkassen finanziell gefördert. Seit 2007 muss sich das Projekt selbst tragen, das heißt, die Geschäftsstelle erhält nur dann finanzielle Mittel von den Kassen, wenn diese durch das Projekt Geld sparen konnten. Sie bekommt einen festgelegten Anteil dieser Einsparungen an den Versorgungskosten. >> Aktuell sind rund 9.000 der über 30.000 im Kinzigtal wohnenden AOK- und LKK-Versicherten als Teilnehmer bei Gesundes Kinzigtal einge schrieben. Um diese Teilnehmer zu betreuen und die im Rahmen des Projekts laufenden Programme zu unterstützen, arbeiten 16 fest angestellte Mitarbeiter in der Haslacher Geschäftsstelle. Mit von der Partie sind außerdem derzeit rund 60 Ärzte und Psychotherapeuten, acht Physiotherapeuten, eine Musik therapeutin, sieben Kliniken und Krankenhäuser, elf Pflegeheime, fünf ambulante Pflege dienste, ein sozialtherapeu tischer Dienst, sechs Fitnessstudios und 33 Vereine. Starke Muskeln feste Knochen: Die OsteoporoseGruppe von Sportphysiotherapeut Thomas Ruck kommt bei den Mitgliedern von Gesundes Kinzigtal sehr gut an.

Kinzigtal profitiert, auch die Zusammenarbeit mit Ärzten und anderen Therapeuten verbesserte sich deutlich, sodass seine Arbeitszufriedenheit stieg. Die Patientin: Von Rot auf Orange bei Osteoporose > Adelinde Lehmann ist eine Teilnehmerin beim Osteoporose-Programm von Thomas Ruck. Die heute 77-Jährige wurde 2009 von ihrem Orthopäden auf das Programm aufmerksam gemacht. Damals zeigten Untersuchungen, dass sie unter stark fortgeschrittener Osteoporose litt. Das Osteoporose-Messgerät meines Arztes stand auf Rot, erinnert sich Lehmann. Daraufhin entschloss sich die rüstige Seniorin, der Osteoporose-Gruppe beizutreten. Seither geht sie einmal pro Woche für 45 Minuten in eine von Rucks Präventionsgruppen. Zu Beginn zahlte Adelinde Lehmann den Eigenanteil in Höhe von fünf Euro pro Stunde, von denen ihr Gesundes Kinzigtal 2,50 Euro nach Einsenden ihrer gesammelten Teilnahmebestätigungen zurückerstattete. Seit 2011 übernimmt sie die gesamte Teilnahmegebühr selbst. Man hat ja etwas davon, sagt Lehmann. Man übt und treibt gezielt Sport. Zudem fühlt sie sich in den Gruppen sehr wohl. Auch aus medizinischer Sicht hat sich das Training für die aktive Rentnerin gelohnt: Vom roten Bereich am Messgerät des Orthopäden ist sie mittlerweile in den orangefarbenen gerutscht ihr Knochenbruchrisiko ist gesunken. Der Orthopäde: Es ist wichtig, Feindbilder abzubauen > Der Orthopäde Dr. Arthur Feyrer, der Adelinde Lehmann den OsteoporoseKurs empfohlen hat, war bereits bei der Ärztevereinigung Medizinisches Qualitätsnetz Kinzigtal, dem Vorläufer von Gesundes Kinzigtal, aktiv. Für ihn ist bei diesen Projekten entscheidend, dass die Patienten medizinisch besser betreut werden. Durch die gemein samen Leitlinien sind alle wissenschaftlich auf dem neuesten Stand. Feyrer schätzt auch die enge Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten. Die Sturzprophylaxe, wie sie Thomas Ruck anbietet, findet der Orthopäde sehr wichtig: Weniger Stürze bedeuten weniger Knochenbrüche, geringere Kosten für die Kassen und eine bessere Gesundheit der Patienten. Da sich Ärzte und Physiotherapeuten durch die Projekttreffen zur Ausarbeitung des Programms persönlich kennengelernt haben, wurde es leichter, sich untereinander abzu- Ursprünglich und hochmodern: In der ländlichen Idylle des Kinzigtals hat sich ein zukunftsfähiges Medizinnetzwerk etabliert. stimmen: Es ist eine neue Kollegialität und Offenheit zwischen den Berufsgruppen entstanden, erzählt Feyrer. Auch das Verhältnis zu den Vertretern der Krankenkassen sei besser geworden, seit alle regelmäßig an einem Tisch sitzen. Es ist wichtig, Feindbilder abzubauen, meint der Orthopäde. Und das gelingt bei Gesundes Kinzigtal sehr gut, denn schließlich stehe der Patient im Mittelpunkt. Durch gemeinsame Leitlinien sind alle wissenschaftlich auf dem neuesten Stand. Die Mitarbeiterin: Ein einzigartiges Netzwerk > Das sieht auch Ulrike Oesterle so. Die Physiotherapeutin arbeitet seit 2011 in der Geschäftsstelle von Gesundes Kinzigtal für das Projekt. Durch ihr Fernstudium Gesundheits- und Sozialwirtschaft interessierte sie sich für Fragen der Unternehmenssteuerung im Gesundheitswesen. So übernahm sie als Praktikantin in der Geschäftsstelle Aufgaben wie die Evaluation der Kurse, die Vorbereitung und Planung einer Ausstellung und die Gestaltung von Flyern und Broschüren. Heute ist sie in der Geschäftsstelle in Teilzeit fest angestellt und unter anderem für die Zusammen arbeit mit den Vereinen zuständig. Denn Gesundes Kinzigtal kooperiert mit den unterschiedlich sten Vereinen von der Seniorenwander gruppe bis zur Tai-Chi-Schule. Gesundheit entsteht ja nicht nur aus der puren Bewegung, sondern auch aus dem Miteinander, meint die Physiotherapeutin. Des Weiteren unterstützt Oesterle Präventionsprojekte: Im neuen Schulfach Gesundheit und Soziales gestaltet sie beispielsweise Module zu Prävention und Bewegung, in denen die Jugend lichen Informationen über Berufsbilder im Gesundheitswesen, über den Zusammenhang von Bewegung und Gesundheit sowie zur Prävention von Krankheiten erhalten. Zudem entwickelt sie Präventionsprogramme für Kinder, die zwar noch nicht therapeutisch behandelt werden müssen, im normalen Sportverein aber untergehen würden. Bewegung und Prävention liegen der Therapeutin am Herzen: Die Patienten müssen verstehen, dass sie selbst etwas für sich tun müssen. Ulrike Oesterle glaubt, dass die Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen, wie sie Gesundes Kinzigtal ermöglicht, nicht nur für Patienten viele Vorteile hat. Auch die einzelnen Berufsgruppen profitieren davon besonders Physiotherapeuten: Sie können sich zum Beispiel mit Kollegen und Ärzten austauschen, sich Räumlichkeiten teilen und sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und auf entsprechende Anfrage der Patienten gegenseitig empfehlen. Ich bin von dem Grundgedanken von Gesundes Kinzigtal, ein einzigartiges Netzwerk aus verschiedensten Akteuren zu bilden, überzeugt, lautet Oesterles Fazit. Die Zahlen: Projektteilnehmer leben im Durchschnitt länger > Dass sich das Miteinander im Projekt lohnt, zeigen auch erste statistische Erhebungen: So gab es 2009 im Kinzigtal etwa 39 Prozent weniger Krankenhausfälle physiopraxis 3/13 Abb.: Gutach 12

durch psychische Erkrankungen als im rest lichen Bundesgebiet. So kostete im Projektgebiet 2009 ein Patient mit psychischer Krankheit über 1.000 Euro weniger als 2005. Bei Teilnehmern des Programms Starkes Herz waren nach zwei Jahren neun Prozent mehr herzschwache Patienten am Leben als unter den Nichtteilnehmern. AOK-Versicherte im Kinzigtal mit Osteoporose erlitten 2008 acht Prozent weniger Frakturen als AOK-Versicherte aus der baden-württembergischen Vergleichsgruppe. Neueste Untersuchungen vom November 2012 ergaben sogar, dass die Projektteilnehmer im Durchschnitt 1,4 Jahre länger leben als Nichtteilnehmer. die Ärzte spannend, und so stellten sie das Projekt gemeinsam der AOK und LKK vor. Die Kassen fanden das Projekt interessant, waren aber auch ein wenig überrascht, dass ihnen jemand ein so umfassendes Konzept anbot und dazu noch mit einem sehr unternehmerischen Ansatz, erzählt Hildebrandt. Von 2006 bis Mitte 2007 förderten die AOK und die LKK Gesundes Kinzigtal als Modellprojekt. Seit 2007 wird es ausschließlich auf Erfolgs basis weitergeführt und abgerechnet. Die Krankenkassen verrechnen die Kosten, die sie bei den Kinzigtaler Projektteilnehmern einsparen, nach einem vorgegebenen Schlüssel mit den eigenen Einnahmen und stecken einen Teil Die Krankenkasse: Eine abschließende Bewertung noch nicht möglich > Jürgen Die Krankenkassen waren von dem umfassenden Projektkonzept überrascht. Graf, Projektverantwortlicher bei der AOK Baden-Württemberg, bewertet Gesundes Kinzigtal so: Nach allem, was wir bisher wissen, wird das Modellprojekt von den Beteiligten sehr gut angenommen. Das ist erfreulich und entspricht unseren Erwartungen. Doch der AOK geht es laut Graf nicht in erster Linie darum, Kosten zu sparen: Es ist ein zentrales Anliegen der AOK Baden-Württemberg, die Zusammenarbeit aller Beteiligten im Gesundheitswesen zu verbessern, Präven tionsmaßnahmen zu fördern und die ambulante Versorgung in regionaler Verantwortung dauerhaft zu stärken. Eine abschließ ende Bewertung des Projektes sei bis jetzt jedoch noch nicht möglich. Dies liege unter anderem an der Einführung des Gesundheitsfonds und des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs, der die Krite rien für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit verändert habe. Aussagekräftige Trends könne man erst nach einer längeren Beobachtungsphase ableiten. Diese will die AOK Gesundes Kinzigtal gewähren der aktuelle Vertrag läuft bis 2015, damit die Vertragspartner bis dahin Planungssicherheit haben. physiopraxis 3/13 Der Geschäftsführer: Es rechnet sich > Gespannt auf die neuesten Zahlen von 2012 ist auch Helmut Hildebrandt, der Geschäftsführer von Gesundes Kinzigtal GmbH. Als Vorstand der GmbH ist er für die wirtschaftliche Seite und die Gesamtkonzeption des Projekts sowie für die Verhandlungen mit den Krankenkassen zuständig. Als er sein Konzept 2004 dem Kinzigtaler Ärztenetzwerk vorstellte, fanden es davon in das Projekt und somit in die Gesundheitsförderung für die Bevölkerung. Die AOK und die LKK unterstützen Gesundes Kinzigtal zu Beginn mit einer Anschubfinanzierung, die Mitte 2007 endete. Seitdem finanziert sich das Modell allein. Nach Angaben Hildebrandts konnte in einer wissenschaftlichen Vergleichsanalyse bereits für die ersten zwei Jahre nach der Einschreibung der Versicherten festgestellt werden, dass die Kosten der AOK für die Kinzigtaler Projektteilnehmer gegenüber Nichtmitgliedern um etwa 150 Euro pro Person und pro Jahr gesunken sind. Das ist ein gewaltiger Betrag, wenn man von durchschnittlichen Gesundheitskosten von etwa 2.300 bis 2.400 Euro pro Versichertem und Jahr ausgeht, sagt Hildebrandt. Dass das Projekt verschiedenen Studien zufolge auch aus medizinischer Sicht erfolgreich ist, bestätigt Hildebrandt. Die positiven Ergebnisse führt der ausgebildete Apotheker auf die erhöhte Achtsamkeit von Patienten, Ärzten und Therapeuten und auf die Motivierung zu mehr körperlicher Bewegung zurück: Unser derzeitiges Gesundheitswesen ist ja eher ein Krankheitswesen, so Hildebrandt. Doch ich bin überzeugt, dass der Gesundheitszustand von Patienten stark von deren Bewegungsmustern abhängt. Wir können die Gesundheit also verbessern, indem wir Bewegung in den Alltag einbeziehen und das schafft Gesundes Kinzigtal. Stephanie Hügler Infos zur physiopraxis: www.thieme.de/physiopraxis