Merkblatt über. die Hämorrhagische Virus-Septikämie. (VHS, Forellenseuche, Egtved-Krankheit)

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Transkript:

Bundesamt für Veterinärwesen Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft Merkblatt über die Hämorrhagische Virus-Septikämie (VHS, Forellenseuche, Egtved-Krankheit) Bern, November 1997 1

Die VHS ist eine Virusinfektion. Sie befällt vorwiegend Salmoniden (Forellenartige), und unter ihnen gilt die Regenbogenforelle als besonders anfällig. Der Erreger der Krankheit (ein Rhabdovirus) wurde erstmalig Ende der vierziger Jahre in einer Teichwirtschaft in der Nähe des dänisch-jütländischen Dorfes Egtved isoliert und ist heute über ganz Europa verbreitet. Während der ersten ca. 15 Jahre fiel die Seuche dadurch auf, dass besonders Fische in Portionsgrösse erkrankten, mit Verlusten von bis zu 80%. Heute, nach über 40-jähriger Seuchengeschichte und Durchseuchung ganzer Gebiete, werden Verluste aller Altersklassen beobachtet. Die Verlustraten sind allgemein zurückgegangen und erreichen 10-50% und nur selten noch höhere Werte. Es können auch Hechte, Aeschen und Felchen an VHS erkranken. Sie scheinen, wie die Bachforelle, eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegen VHS zu haben; müssen in verseuchten Gebieten aber immer als Virusreservoir und damit als mögliche Ueberträger der Krankheit angesehen werden. Die Krankheit lässt sich generell in drei verschiedene Verlausformen einteilen: 1. Die akute Form Die Fische stehen apathisch an den Teich- oder Beckenrändern, und es treten hohe Verluste innerhalb weniger Tage auf. Mässige Dunkelfärbung der Fische, Augenvorfall, sehr blasse, oft von punktförmigen Blutungen durchsetzte Kiemen sowie Blutergüsse im Gewebe um die Augen und an den Flossenansätzen sind die häufigsten äusseren Veränderungen. Die Leber ist oft lehmfarben gescheckt und durchsetzt von kleinflächigen Blutungen. Punktförmige Blutergüsse können im Fettgewebe der Leibeshöhle und des Darmes wie in der Schwimmblase beobachtet werden. Besonders typisch sind auch stippchenförmige Blutungen in der Muskulatur. Oft kommt es auch zu Flüssigkeitsansammlung in der Leibeshöhle. 2. Die subakute oder "chronische" Form Sie folgt oft der oben genannten. Die Verlustraten sinken. Dunkelfärbung und Augenvorfall werden ausgeprägter. Die Kiemen sind grauweiss und manchmal durchsetzt von punktförmigen Blutungen. Die Leber kann sehr blass oder gräulichlehmfarben sein. Die Blutungen in der Muskulatur und in den inneren Organen werden seltener. Die Fische führen plötzlich drehförmige Schwimmbewegungen um die Körperlängsachse aus. 2

3. Die "nervöse" Form Sie wird durch geringe Verluste gekennzeichnet. Die blitzartig spiraligen Schwimmbewegungen nehmen zu. Die Fische zeigen aber sonst kaum mehr die oben genannten VHS-Symptome. Die Symptome können aber häufig fehlen; ihre Uebergänge können fliessend sein oder in neuen Kombinationen auftreten. Die VHS-Ausbrüche treten eher gehäuft im Frühjahr oder Herbst bei Wassertemperaturänderungen auf. Besonders kritisch ist der Wendepunkt um die 9 bis 12 C. Sie ist selten bei Wassertemperaturen über 15 C. Die VHS kann durch erkrankte Fische sowie latente Virusträger (Fische, die das Virus beherbergen, aber nicht erkrankt sind), Eier, infiziertes Wasser, fischraubende Vögel, Geräte, Behälter sowie Transportmittel aller Art verschleppt werden. Oft bleibt auch die Krankheit längere Zeit, bis zu einem Jahr oder mehr, latent in einer Fischzucht vorhanden. Das heisst, es gibt weder Anzeichen von VHS, noch Verluste, obwohl das Virus in der Fischzucht vorhanden ist. Kommt es aber zu einem Stress durch Ueberfütterung, Sortierung, Transport, extreme Temperaturschwankungen usw., kann die Krankheit aufflammen und hohe Verluste verursachen. Eine latente Verseuchung kann auch die oft beobachteten plötzlichen VHS-Ausbrüche bei neueingesetzten, aus virusfreien Anlagen stammenden Fischen erklären. Das VHS-Virus ist wärme- und säureempfindlich. Besonders warme Sommer können die Krankheit in seit langer Zeit verseuchten Anlagen zumindest klinisch zum Verschwinden bringen. Mit verbleibenden Virus-Trägern muss aber gerechnet werden. An VHS eingegangene Fische müssen unschädlich beseitigt werden durch Verbrennen bzw. Abtransport in einen Tierkörperverwertungsbetrieb (nicht eingraben!). Wie alle andern Virusinfektionen unserer Süsswasser-Nutzfische kann VHS nicht mit Medikamenten behandelt werden. Impfstoffe sind bis heute noch nicht 3

praxisreif und deren Einsatz zudem in der Schweiz verboten (Ar. 283, Tierseuchenverordnung, 27. Juni 1995). Gegen die Verbreitung dieser verlustreichen Seuche hilft nur: a) strenge Bestandesisolierung (Einzäunung, Schutz gegen fischfressende Vögel und b) Desinfektions- und Vorbeugungsmassnahmen für Personen und Gerätschaften, nur desinfizierte (mit Jodophor) Eier einlegen; keine Fische oder nur aus kontrollierten Beständen zukaufen usw., sowie c) rechtzeitige Erkennung durch eindeutigen Erregernachweis im Labor (Isolierung und Identifizierung des Virus). VHS ist gemäss Tierseuchenverordnung vom 27. Juni 1995 eine anzeigepflichtige Seuche. Der Kantonstierarzt verhängt eine einfache Sperre 1. Grades (Abgabe von Fischen in andere Anlagen oder Gewässer sowie das Einbringen von Fischen in den verseuchten Bestand ist verboten), und ordnet die unverzügliche Tötung bzw. Schlachtung der Fische sowie die Reinigung und Desinfektion der ganzen Anlage an. Universität Bern Nationale Fischuntersuchungsstelle Institut für Tierpathologie Länggassstrasse 122 3012 B e r n gez. Dr. T. Wahli (Tel. 031/ 631 24 65; Fax. 031/ 631 26 11) 4

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