Predigt am in der Johanneskirche; Thema: Jesus Christus, der Gekreuzigte Unsere Weisheit und unsere Kraft/ Michael Paul

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Transkript:

Predigt am 14.1.18 in der Johanneskirche; Thema: Jesus Christus, der Gekreuzigte Unsere Weisheit und unsere Kraft/ Michael Paul Pr.Text: 1.Kor.2,1-5 1 Auch ich, meine Brüder und Schwestern, als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu predigen. 2 Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, und diesen als Gekreuzigten. 3 Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern; 4 und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten der Weisheit, sondern im Erweis des Geistes und der Kraft, 5 auf dass euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft. Ihr Lieben, das war ein Paukenschlag, als vor fast zwei Jahren, am 20.März 2016, unsere renovierte Kirche der Gemeinde und der Öffentlichkeit im Gottesdienst vorgestellt wurde. Man sah in den Gesichtern beides: Freude und Enttäuschung. Einige äußerten sich entzückt über die Weite und Helligkeit des Inneren unserer Kirche. Andere sahen sich genötigt, zum Beispiel die Schmucklosigkeit zu kritisieren. An dem Inneren unserer Kirche schieden sich die Geister. Auf einen Gegenstand aber kamen alle zu sprechen. Und an diesem Gegenstand kristallisierten sich Widerstand und Lob: Das Kreuz. Den Altar finden alle schön. Aber dieses Kreuz auf dem Altar, dieses überdimensionale und doch so unsichtbare, dieses glatte und doch so widerspenstige! Ich weiß nicht, wie viele Gespräche ich mittlerweile mit Gemeindegliedern oder Besuchern unserer Kirche geführt habe. Und ich gestehe, dass ich mich auch an diesem Kreuz gestoßen habe, als der Künstler Georg Hüter es uns an einem Modell vorgestellt hat. Ich konnte nachts nicht schlafen, als ich es das erste Mal gesehen hatte. Und es ließ mich nicht mehr los. Dieses Kreuz steht nun hier im Zentrum unserer Johanneskirche. Und jeder muss sich damit auseinandersetzen, kritisch oder dankbar, verärgert oder erstaunt, ratlos oder neu ins Nachdenken gebracht.

Und ich muss mich auch immer wieder mit diesem Kreuz auseinandersetzen. Auch heute, wo ich diese Worte des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth lese. Denn auch hier dreht sich alles ums Kreuz: Denn ich, Paulus, hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, und diesen als Gekreuzigten. Fast ist es so, als würde Paulus ein Kreuz im Zentrum des Kirchenraums der Korinther aufrichten. Da steht es, groß und ganz alleine, ärgerlich karg, schmucklos, einseitig. Es gibt doch viele Dinge, die wichtig sind für den Glauben, nicht wahr, für das Leben mit Gott! Aber Paulus richtet ein Kreuz auf, sperrig und einseitig, karg und schmucklos. Nichts anderes hat da mehr Platz, auf dem Altar des Paulus, nichts anderes Bedeutung. Die ganze Konzentration auf das Kreuz, oder ein bisschen genauer: auf den Gekreuzigten. Denn das Kreuz an sich ist nichts. Nur durch den, der daran hing, hat es seine Bedeutung, nicht wahr?! Darum redet Paulus ja auch nicht vom Kreuz, sondern von Jesus Christus. Aber wer von Jesus redet, wirklich von ihm, der kann von dem Kreuz nicht schweigen. Das haben Menschen immer wieder versucht, einen Jesus ohne Kreuz zu verkünden, gewiss. Es gibt das Thomas-Evangelium. Es wurde nicht im Neuen Testament aufgenommen, weil in dieser Schrift jeder Bezug zum Leiden und Kreuz Jesu fehlt. Auch im Koran wird Jesus nicht gekreuzigt. Es "schien ihnen nur so", so sagt der Koran, es schien ihnen nur eine Kreuzigung zu sein, doch in Wirklichkeit sei niemand gekreuzigt worden, stattdessen habe Gott Jesu zu sich geholt. Und auch schon ganz in den Anfangszeiten der Kirche, 20 Jahre nach dieser Kreuzigung Jesu, fing man z.b. in Korinth damit an, das Kreuz aus dem Leben Jesu verbannen zu wollen. Jesus, das war nicht der Gekreuzigte, sondern der Herrliche, der die Christen zu besonderen Taten und zu besonderem Wissen ermächtigt. Jesus verbreitet Glanz, schenkt Kraft. Wo Menschen klug und mit Charisma reden können, da ist Jesus in ihnen. Wo Menschen besondere geistliche Erkenntnisse, tiefe theologische Verständnisse haben, da wirkt sich die Kraft Jesu bei ihnen aus. Wo Christen einen Glauben haben, der Berge versetzt, Schwachheit überwindet, Anfechtungen standhält, da ist der lebendige Christus. Warum noch von der Krippe reden, der Hilflosigkeit und Armut eines Kindes? Warum noch vom Kreuz handeln? Christus ist doch auferstanden! Zeigt sich Jesus Christus nicht im Glanz seiner Gemeinde? Ist diese begabte, von Glauben sprühende Christenschar nicht der Beweis für die Wahrheit der Sache Jesu? Und brauchen wir als Kirche nicht besonders auch begabte Prediger, die das Feuer des Glaubens entzünden, an deren zündender Botschaft, gewieften Rhetorik der lebendige Christus erkannt wird? So fing man in Korinth an, von sich selbst zu reden anstatt von Christus, von den eigenen Taten im Geist, von dem eigenen Glauben, von der eigenen Stärke! Und man begann, die Schwachen auszuschließen, die Zweifelnden und Zögerlichen, die weniger Begabten, die, die mit ihren Sünden kämpften und immer wieder strauchelten, die, die von einer Krankheit geschlagen waren und vor Schwachheit und Niedergeschlagenheit nicht mehr beten konnten. Gemeinde gespalten in Star-

ke und Schwache, in Dazugehörige und eigentlich Nicht-richtige-Christen- Seiende, in Aushängeschilder und peinlich Versteckte, weil sie durch ihre Schwachheit, Zweifel, Unbegabtheit oder offensichtliche Sündhaftigkeit an der Sache Jesu Zweifel wecken könnten. Und sagen Sie nicht, diese Spaltung gäbe es bei uns nicht! Warum sagen mir dann Menschen: Keiner fragt danach, dass ich schon länger nicht mehr in der Gemeinde auftauche."? Warum sagen dann einige: Ich habe das Gefühl, eigentlich nicht dazuzugehören. Was macht Paulus damit, wenn er den Gekreuzigten derart in den Mittelpunkt rückt, wenn er sagt: Ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen, als allein Jesus Christus und diesen als Gekreuzigten.? Paulus bringt damit die gespaltene Gemeinde wieder zusammen, Starke und Schwache, Verzagte und Mutige. Durch die Zentrierung des Gekreuzigten sagt er ja: Ihr alle lebt nicht von Eurer Reinheit, Gläubigkeit oder Begabung. Eure Gerechtigkeit und Eure Gotteskindschaft steht nur auf einem Fundament: Dem Fundament der Liebe und Hingabe Christi. Und dieses Fundament wechselt nicht im Laufe der Zeiten. Der Gekreuzigte ist für unsere Kirche heute derselbe, der er auch damals für seine Kirche auch war. Die Kirche wächst nicht so, dass sie ihres Grundes, des Gekreuzigten, nicht mehr bedarf. 2000 Jahre Christentum: Und wir sind hier kein Bisschen weiter. Und das Selbe gilt dann natürlich auch für Dich und mich persönlich: Wir können noch so lange Christen sein und uns auf dem Weg mit Christus üben und mühen, wir werden uns nie von unserem Grund emanzipieren. Paulus drückt es einmal so aus: Ich habe (das Heil, die Gerechtigkeit) noch nicht ergriffen. Ich jage meinem Heil aber nach, weil ich von Christus ergriffen bin. Weil wir als Christen von Jesus, dem Gekreuzigten erlöst, ergriffen sind, darum jagen wir der Freiheit, dem Heil, der Liebe nach. Unser Glaube lebt von ihm, empfängt von seiner Liebe die Kraft, von seiner Hingabe die Macht. Was folgt nun für Paulus daraus? Erstens schreibt er: Als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu predigen. Mut zur Einfachheit. Ich muss mir das selbst immer wieder sagen. Ich möchte gerne originell sein, Neues sagen, Einzigartiges tun. Ich möchte mich abheben von den anderen. Kennen Sie das auch bei sich? Und nun sagt Paulus, dass er dieser Sucht widersteht, jemand Einzigartiges sein zu wollen. Ich habe hierzu die Worte von Henry Nouwen gefunden. Er war fast ein dreiviertel Jahr im Kloster und hat bei Mönchen gelebt. Und in seinem Tagebuch hat er folgendes notiert: Du kannst nicht originell sein. Wenn etwas, das du sagst, es wert ist, gesagt zu werden, so muss es seinen Ursprung im Wort Gottes und in den Worten seiner Heiligen haben Ich soll den Mönchen gleichen, den Heiligen; ich soll Jesus gleichen, soll dem himmlischen Vater gleichen Das Geheimnis der Liebe Gottes besteht darin, dass wir in dieser Gleichheit unsere Einmaligkeit entdecken. Diese Einmaligkeit hat nichts zu tun mit Besonderheiten, die wir normalerweise anbieten möchten und die

wie künstliche Silberkugeln an einem Weihnachtsbaum glitzern, sondern sie stammen vollständig aus unserer zutiefst personalen und intimen Beziehung zu Gott. Soweit Nouwen! Einmaligkeit durch Abhängigkeit. Einmaligkeit durch Vertrauen und Hingabe an Gott. Einmaligkeit durch das immer wieder zu Stehen-Kommen vor diesem kargen Kreuz. Einmaligkeit durch Bleiben, durch Zurückkommen, durch öffnen der Hände, der Herzen. Wo sind die unter uns, die das wagen, auf eigene Weisheiten zu verzichten und sich der Weisheit Gottes im Gekreuzigten zu öffnen? Die zweite Folge daraus, dass Paulus den Gekreuzigten ins Zentrum rückt: Paulus schreibt: Ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und in großem Zittern. Der Apostel hat die Erfahrung gemacht, dass es einem nicht nur Freunde macht, wenn man Jesus, den Gekreuzigten, in die Mitte seines Lebens stellt. Auch in Korinth hat man ihn ja dafür bitterböse kritisiert, seine Rhetorik und sein schwaches Auftreten bemängelt. Ist es heute leichter in dieser Welt und in unserer Kirche auf dem Fundament Jesu Christi, des Gekreuzigten, zu bleiben? Glauben Sie, es geht reibungslos ab, wenn Sie sich in Ihrem Leben auf dieses Fundament stellen, wenn Sie sich zu dem Gekreuzigten bekennen, der für Sie gestorben und auferstanden ist? Da kommen die Begabten und Starken und sagen: Dass Gott mit mir ist, erkenne ich an meinen Begabungen oder an dem Segen in meinem Leben oder an meinem Erfolg oder meinem guten Leben. Da fragte mich eine Frau: Warum brauchen wir Jesus? Ich antwortete: Weil wir von Sünde, Lieblosigkeit, Egozentrismus befreit werden müssen! Ich habe keine Sünde!, sagte die Frau. Ich stehe mit meinem Gott auf Du und Du, brauche keinen, der für mich trägt, mich versöhnt, mich befreit. Ich bin frei. Später begegnete ich den Kindern dieser Frau und die sagte zu mir: Wir leiden sehr unter der Selbstgerechtigkeit unserer Mutter. Ich verstehe es sehr gut, wenn Paulus sagt: Ich war bei Euch in Furcht und großem Zittern. Wo Menschen sich wie Paulus auf diesen Gekreuzigten einlassen, werden sie, ob sie es wollen oder nicht, zu einem Stachel für ihre Umwelt, denn sie konfrontieren Menschen mit ihrem eigenen Sein. Und die dritte Folge daraus, dass Paulus den Gekreuzigten ins Zentrum rückt. Paulus schreibt: Mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten der Weisheit, sondern im Erweis des Geistes und der Kraft. Vielleicht müssen wir zuerst loslassen, unserem Wissen, unserem Können, unserer Moral entkleidet werden, damit wir wieder geist- und kraftvoll wirken können. Vom Papst Franziskus las ich gestern eindrucksvolle Worte: Als Jesus hört, wie sicher sich Petrus ist, sagt er: Dreimal wirst du mich verleugnen. Aber ich werde für dich beten. Petrus hat Jesus verleugnet, er ist in eine schwere Krise geraten. Und dann haben sie ihn zum Papst gemacht. Wirklich hilfreich so deute ich den Papst können wir nicht sein, solange wir

überzeugt sind von uns selbst, solange wir auf unsere eigenen Weisheiten, unsere Theologien, Philosophien und rhetorischen Fertigkeiten bauen. Wirklich hilfreich können wir erst sein, wenn wir wissen, wer wir sind, Menschen, die von Gottes Liebe leben, Menschen, die Vergebung ihrer Sünden brauchen. Wirklich hilfreich können wir nur sein, wenn wir nicht mehr unsere eigenen Weisheiten kundtun, aus unseren Kräften schöpfen, sondern wenn wir den ins Zentrum unseres Lebens und Redens stellen, der für uns den Himmel verlassen hat und Mensch wurde, der sein Leben hingab für uns. So formuliert es Paulus an anderer Stelle sehr missverständlich: Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark. Damit meint er nicht, dass menschliche Schwachheit an sich ein Wert ist. Damit meint er vielmehr, dass wir dort, wo wir aufhören, selber glänzen zu wollen, es selber machen zu wollen, und endlich anfangen, den in den Mittelpunkt unseres Redens und Lebens zu stellen, der für uns gestorben und auferstanden ist, - dass wir dort wirklich hilfreich sein können, weil dort Gott selbst anfängt zu wirken und seine Kraft zu erweisen. Ist das nicht wunderbar, Ihr Lieben. Im Zentrum unserer Johanneskirche steht dieses riesige Kreuz, karg, schmucklos. Man hat mir schon vorgeschlagen, etwas an die Wände zu hängen, zu malen, damit der Altarraum nicht so kahl aussieht. Heilige vielleicht? Ein Bild von Luther wurde vorgeschlagen? Nein, Ihr Lieben, wir sollten das Kreuz hier aufgerichtet sein lassen, karg und schmucklos, anstößig einseitig. Es kann uns eine Ermahnung und Ermutigung sein: Manchmal müssen wir das viele Beiwerk wegräumen, damit Gottes Kraft wieder zu leuchten beginnt. Amen.