TOURISMUS Reiches Land EINE REISE DURCH SPANIENS SÜDLICHSTE REGION Historisch Andalusiens Stolz ist seine Geschichte. Und sein Wein. Und sein Schinken. Und der Flamenco. Das Land ist so reich an Kulturschätzen wie seine THOMAS COMPAGNO Menschen an Humor. 88 Coopzeitung Nr. 7 vom 13. Februar 2018
Imposant: Die Puente Nuevo, die «Neue Brücke» von Ronda, 1793 fertiggestellt, überquert die über 100 Meter tiefe Schlucht des Guadalevín-Flusses. Foto: Getty Images; Karte: Rich Weber A ndalusien. Der südliche Zipfel Noch wichtiger als für den Skisport ist Spaniens. Eingegrenzt zwi- die Sierra Nevada für Spaniens Schinschen Kastilien, Extremadura ken, den Jamón Ibérico. Das zumindest und Portugal. Aber dieser findet José Luis Gonzáles (36), der in sei«zipfel» ist doppelt so gross wie die nem Betrieb im Dorf Trevélez rund Schweiz. Städte wie Málaga, Granada, 50 000 Keulen des exklusiven Schinkens Córdoba, Sevilla und Cádiz liegen in An- hängen hat. dalusien, auch Jerez, Motorradfreunden ein Begriff. Ebenso die Sierra Nevada, Das Geheimnis des Pata Negra ein über 3000 Meter hohes Gebirge und Den klassischen Schinken mit der BeSpaniens südlichste Skisportarena. «An zeichnung Serrano finden Liebhaber einem schönen Tag im Winter können von Rohschinken auf der ganzen Welt. die Leute aus Granada am Morgen Ski Den edelsten und teuersten Schinken alfahren gehen und am Nachmittag, nach lerdings, den Bellota-Schinken mit dem etwa eineinhalb Stunden Autofahrt, im Namen Pata Negra, den gibts nicht an jemeer baden», erzählt Nadine Wagner der Ecke. Er stammt vom iberischen (51), eine Schweizer Reiseführerin, die Schwarzhufschwein, das in seinem Leseit über 20 Jahren in Andaluben mindestens einmal wähsien lebt. Natürlich mache rend drei Monaten durch Weitere Bilder und Infos: das kein Mensch, sagt die Wälder streifen www.coopzeitung.ch/ Nadine Wagner, «aber durfte und sich dabei andalusien man könnte!». von Eicheln und Kräu- tern ernährte. Das gibt dem Fleisch und dem Fett, das zum Schinken gehört, eine sanft-weiche Konsistenz und einen besonderen, nussigen Geschmack. Die Gegend am südlichen Fuss der Sierra Nevada eignet sich vor allem wegen ihres Klimas für die Herstellung des spanischen Rohschinkens: «Nur hier, in der Albujara-Gegend auf rund 1500 Metern Meereshöhe, ist das Klima kalt und trocken genug», erklärt Gonzáles, «dass der Schinken während 14 bis 24 Monaten optimal und natürlich reifen kann.» Coop verkauft den Pata Negra übrigens unter dem Label «Fine Food». Ganz entscheidend für den Geschmack des Schinkens, sagt José Luis Gonzáles, sei das Schneiden eine Kunst, die geübt sein will. Gonzáles macht es gleich vor: Mit einem kurzen Messer bringt er zuerst einen senkrechten Schnitt an, dann schneidet er die Schwarte Coopzeitung Nr. 7 vom 13. Februar 2018 89
Die Kathedralmoschee, die Mezquita-Catedral von Córdoba, ist eine der grössten Sakralbauten der Erde. Der Metropol Parasol, das neue Wahrzeichen Sevillas, gilt als grösste Holzkonstruktion der Welt. Sie führte zu öffentlichen Kontroversen. Stück für Stück weg und legt sie zur Seite. Man braucht sie später wieder, um den angeschnittenen Schinken zu bedecken. So hält er am besten. Dann nimmt Gonzáles ein langes Messer und führt es von vorne Richtung Bauch, um möglichst dünne Scheiben abzuschneiden. «Die Scheiben sollen nicht zu gross werden, ein bis zwei Finger lang sind ausreichend.» Bleiben sie nachher am senkrecht gehaltenen Servierbrett haften, ist der Schinken optimal. Für den spanischen Schinken werden übrigens die Hinter- und die Vorderbeine der Schweine verwendet. Der einzige Unterschied: An den Hinterläufen ist mehr Schinken dran. Die «Neue Brücke» von Ronda 170 Kilometer Luftlinie oder dreieinhalb Autostunden westlich von Trevélez liegt die Kleinstadt Ronda, deren Hauptattraktion die Neue Brücke ist, die Puente Nuevo. So neu, wie sie klingt, ist sie al- 90 Coopzeitung Nr. 7 vom 13. Februar 2018 Der Schinken reift bis 24 Monate bei trockenem, kaltem Klima. José Luis Gonzáles (36), Schinkenproduzent lerdings nicht. Sie wurde nach 42 Jahren Bauzeit 1793 fertiggestellt und überquert die enge, über 100 Meter tiefe Schlucht des Guadalevín-Flusses. Puente Nuevo heisst sie, weil es noch zwei ältere, niedrigere Brücken gibt, die die Schlucht weiter unten an flacheren Stellen überqueren. Im Bogen der Puente Nuevo liess sich einst ihr Baumeister eine Wohnung einbauen. Später sei dort das Gefängnis für die gefassten Bandoleros, die Wegelagerer, gewesen, José Luis Gonzáles demonstriert, wie der spanische Rohschinken geschnitten wird.
TOURISMUS ANDALUSIEN: GUT ZU WISSEN Ronda: Maurisch geprägte Altstadt. erzählt der Stadtführer Juan Ruíz (59). Zuletzt beherbergte der Brückenbogen ein Restaurant. Das Problem war, witzelt Ruíz, dass die Banditen geblieben seien. «Man spürte es an den Preisen.» Moschee mit geklauten Säulen In etwas mehr als zwei Stunden ist man mit dem Auto in Córdoba, 120 Kilometer weiter im Norden und etwa in der Mitte Andalusiens. Córdobas Wahrzeichen ist die sogenannte Moscheenkathedrale. «Es gibt auf der Welt grössere Kathedralen und schönere Moscheen», sagt Stadtführer Miguel Muñoz (49), aber keine hinterlasse bei den Besucherinnen und Besuchern tiefere Eindrücke als die Moscheenkathedrale von Córdoba. Er sollte recht behalten. Das Sakralgebäude verblüfft tatsächlich. Wer es betritt, wähnt sich in einer Moschee. Hunderte von Säulen machen die Symmetrie des Baus offensichtlich. Sobald die Besu- cher ein paar Schritte weiter in die Moschee hinein machen, finden sie sich urplötzlich in einer Kathedrale wieder. 1236 eroberten die Christen die einstige Hauptstadt des Kalifats Córdoba zurück und weihten die Moschee gleich zur Kirche. 300 Jahre später, im 16. Jahrhundert, entstand dann mitten in der Moschee eine Kathedrale. Die ursprüngliche Moschee stand auf über 1000 Säulen. Von diesen 1000 Säulen stehen heute noch 856, die restlichen mussten für die Kathedrale weichen. Frevel der Christen damals? Oder Rettung der Moschee als Teil der Kathedrale? «Die Antwort ist Ihre persönliche Meinung», sagt Muñoz. Die 1000 Säulen wurden von den Muslimen, die in Córdoba seit dem Jahr 755 herrschten, im Übrigen nicht extra angefertigt. «Man nahm Säulen von andern Gebäuden, die kaputt waren», erzählt Stadtführer Muñoz, «oder man fand sie sonstwo. Viele hat man gefunden, bevor Fotos: Getty Images, Fotolia, Alamy, Thomas Compagno Das Örtchen Trevélez in der Sierra Nevada liegt auf 1500 Metern über Meer. Hier sind die klimatischen Bedingungen ideal für einen der besten Rohschinken der Welt. Bekannt ist die Puente Nuevo über die 100 Meter tiefe Schlucht. Granada: 240 000 Einwohner, davon 60 000 Studenten. 1492 als letzter muslimischer Herrschaftssitz durch die Christen zurückerobert. Berühmt ist vor allem die muslimische Festung, die Alhambra. Córdoba: Das Juwel der Stadt ist die einmalige Mezquita-Catedral, die Moscheenkathedrale. Córdoba war Hauptstadt der römischen Provinz Córdoba und später des Kalifats Córdoba, das rund zwei Drittel der iberischen Halbinsel umfasste. Sevilla: Sevilla besitzt neben Venedig und Genua eine der grössten Altstädte Europas. Weil der Guadalquivir-Fluss bis Sevilla befahrbar war und ist, wurde der Handel mit Amerika von Sevilla aus verwaltet. Flamenco: Bezeichnung für eine Art von Musik und Tanz aus Andalusien. Er vereint Einflüsse unterschiedlicher Kulturen und gehört seit 2010 zum immateriellen Kulturerbe. Wein: Andalusien ist bekannt für süssen oder etwas herben Malaga und für Weissweine aus der Traubensorte Pedro Ximenez. In Jerez wird er aufgrund des Klimas süsser. Die Engländer nennen ihn Sherry, weil sie Jerez nicht aussprechen konnten. Schinken: Der typische spanische Rohschinken, der «Pata Negra», stammt vom iberischen Schwarzhufschwein. Er reift zuerst zwei Wochen in Meersalz, dann wird er gewaschen und getrocknet. Tapas: Die kleinen Häppchen, die Tapas, sind inzwischen auch bei uns gang und gäbe. Warum die Spanier sie erfunden haben, ist unklar. Eine Theorie besagt, dass man das Glas früher mit einem Stück Schinken oder Käse zugedeckt hat, damit die Insekten nicht reinfallen. «Tapar» heisst zudecken. Coopzeitung Nr. 7 vom 13. Februar 2018 91
TOURISMUS Foto: Thomas Compagno Blick von der Alhambra auf den Albaicín, das älteste Stadtviertel Granadas. der andere sie vermisst hat», meint Muñoz mit einem Augenzwinkern. «Das heisst, man klaute sie zusammen.» Die grösste Kathedrale Spaniens und die drittgrösste der Welt steht in Sevilla. Auch sie wurde auf dem Fundament ei ner Moschee erbaut, der Glockenturm, die Giralda, wurde auf das bestehende Minarett draufgesetzt. Von Sevilla aus regelte Spanien den Handelsverkehr mit Amerika, was der Stadt grosse Einnahmen bescherte. Ein Reichtum, den man Sevilla noch heute ansieht. Rund um den Königspalast wachsen viele Bäume in akkurat angelegten Gärten, darunter, wie in vielen Städten Spaniens, Bitterorangen-Bäume. Die sehen zwar hübsch aus, ihre Früchte sind jedoch ungeniessbar ausser, man verarbeitet sie zu Bitterorangenmarmelade. Die schmeckt den Spaniern zwar auch nicht, aber dafür haben sie eine elegante Lösung gefunden: Sie exportieren die für sie grauslige Ware nach England, denn die Briten stehen auf den bitter-süssen Brotaufstrich. «Das ist unsere Rache für Gibraltar», sagen die Spanier dazu, wenn man Stadtführer Manuel Pineda (58) glauben mag. l Der Autor reiste auf Einladung von Vögele Reisen nach Andalusien. Vögele Reisen bietet eine 8-tägige Andalusien-Rundreise ab 1545 Franken an. Reisedaten 2018 unter: www.coopzeitung.ch/andalusien ANZEIGE