Tödlicher Leinenunfall an Bord des CMS MAERSK KURE im Hafen von Bremerhaven am 6. Februar 2016

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Transkript:

Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur Untersuchungsbericht 43/16 Sehr schwerer Seeunfall Tödlicher Leinenunfall an Bord des CMS MAERSK KURE im Hafen von Bremerhaven am 6. Februar 2016 3. Februar 2017

Die Untersuchung wurde in Übereinstimmung mit dem Gesetz zur Verbesserung der Sicherheit der Seefahrt durch die Untersuchung von Seeunfällen und anderen Vorkommnissen (Seesicherheits-Untersuchungs-Gesetz-SUG) vom 16. Juni 2002, zuletzt geändert durch Art. 16 Abs. 22 des Gesetzes v. 19.10.2013, BGBl. I S. 3836 durchgeführt. Danach ist das alleinige Ziel der Untersuchung die Verhütung künftiger Unfälle und Störungen. Die Untersuchung dient nicht der Feststellung des Verschuldens, der Haftung oder von Ansprüchen ( 9 Abs. 2 SUG). Der vorliegende Bericht soll nicht in Gerichtsverfahren oder Verfahren der seeamtlichen Untersuchung verwendet werden. Auf 34 Absatz 4 SUG wird hingewiesen. Bei der Auslegung des Untersuchungsberichtes ist die deutsche Fassung maßgebend. Herausgeber: Bernhard-Nocht-Str. 78 20359 Hamburg Direktor: Volker Schellhammer Tel.: +49 40 31908300 Fax.: +49 40 31908340 posteingang-bsu@bsh.de www.bsu-bund.de Seite 2 von 26

Inhaltsverzeichnis 1 ZUSAMMENFASSUNG... 5 2 FAKTEN... 6 2.1 Foto... 6 2.2 Schiffsdaten... 6 2.3 Reisedaten... 7 2.4 Angaben zum Seeunfall oder Vorkommnis im Seeverkehr... 7 2.5 Einschaltung der Behörden an Land und Notfallmaßnahmen... 10 3 UNFALLHERGANG UND UNTERSUCHUNG... 11 3.1 Unfallhergang... 11 3.2 Untersuchung... 13 3.2.1 Voyage Data Recorder... 15 3.2.2 Prüfung der Festmacherleine... 15 4 AUSWERTUNG... 23 4.1 Medizinisch... 23 4.2 Festmacherleine... 23 4.3 Bereits durchgeführte Maßnahmen... 23 5 SCHLUSSFOLGERUNGEN... 24 5.1 Erste-Hilfe-Maßnahmen... 24 5.2 Kontrollen von Festmacherleinen... 24 6 SICHERHEITSEMPFEHLUNGEN... 25 6.1 Schiffsbesatzungen... 25 6.2 Reederei... 25 6.3 Wissenschaftliche maritime Einrichtungen und Seilhersteller, BG- Verkehr und Bundesministerium für Verkehr... 25 7 QUELLENANGABEN... 26 Seite 3 von 26

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Schiffsfoto... 6 Abbildung 2: Seekartenausschnitt mit Unfallposition... 8 Abbildung 3: Seekarte mit Unfallposition... 9 Abbildung 4: schematische Darstellung der Leinenführung Vorschiff... 11 Abbildung 5: Blick auf die gebrochene Leine... 13 Abbildung 6: Bruchstelle der Leine... 13 Abbildung 7: Blick über das Vorschiff vom Standort des Chiefmate aus... 14 Abbildung 8: Winde der gerissenen Leine... 14 Abbildung 9: Kardeele des Bruchs ausgelegt nach ihrer Schlagrichtung... 16 Abbildung 10: die beiden Enden des Bruchs... 18 Abbildung 11: allgemein schlechter Zustand der Leine... 19 Abbildung 12: teilweise schwere Abnutzung... 19 Abbildung 13: schwerer Strangschaden... 20 Abbildung 14: Innenstrangabrieb durch regelmäßige Abnutzung... 20 Abbildung 15: Farbabrieb von einer Klüse... 21 Abbildung 16: Detailaufnahme des Bruchs... 21 Seite 4 von 26

1 Zusammenfassung Von Rotterdam kommend erreichte das unter griechischer Flagge fahrende Containerschiff MAERSK KURE in der Nacht zum 6. Februar 2016 den Containerterminal von Bremerhaven. Die Schiffsführung wurde ab 01:40 Uhr 1 durch einen Lotsen beraten. Zur Unterstützung des Anlegemanövers wurde vorn und achtern jeweils ein Schlepper festgemacht. Nachdem vorn und achtern jeweils die Spring und zwei Vorleinen an Land waren, wurden die Schlepper losgeworfen. Dann sollte vorn die zweite Spring an Land gebracht werden. Ein Matrose hatte bereits die Wurfleine an das Auge der zweiten Spring befestigt und begann, die Leine durch eine Klüse an der Steuerbordseite hinunter zu geben. Dafür musste er direkt neben der bereits ausgebrachten Springleine stehen. Plötzlich brach diese Leine und traf den Matrosen, so dass er auf der Stelle zusammen brach. Die anwesenden Besatzungsmitglieder zogen ihn aus dem Gefahrenbereich der Leinen, informierten die Brücke und begannen mit Wiederbelebungsmaßnahmen. Später wurde der Verletzte auf einer schiffseigenen Trage die Gangway hinunter an die Pier transportiert, wo die Besatzung des gerufenen Rettungswagens die weitere medizinische Betreuung übernahm. Trotz aller Bemühungen verstarb der Matrose auf dem Weg ins Krankenhaus. 1 Alle Uhrzeiten im Bericht sind, soweit nicht anders angegeben, Ortszeiten = UTC +1 h = MEZ. Seite 5 von 26

2 FAKTEN 2.1 Foto Hasenpusch Production Abbildung 1: Schiffsfoto 2.2 Schiffsdaten Schiffsname: MAERSK KURE Schiffstyp: Containerschiff Nationalität/Flagge: Griechenland Heimathafen: Piraeus IMO-Nummer: 9085522 Unterscheidungssignal: SVQT Reederei: Costamare Shipping Co. S.A. Baujahr: 1996 Bauwerft: Odense Staalskibs Lindo Klassifikationsgesellschaft: Lloyds Register Länge ü.a.: 318,24 m Breite ü.a.: 42,8 m Bruttoraumzahl: 81488 Tragfähigkeit: 84900 t Tiefgang maximal: 14,0 m Maschinenleistung: 54840 kw Hauptmaschine: Mitsui Eng. & Shipbuilding C. Ltd. - Japan (12K90MC) Geschwindigkeit: 25 kn Seite 6 von 26

2.3 Reisedaten Abfahrtshafen: Rotterdam Anlaufhafen: Le Havre Art der Fahrt: Berufsschifffahrt International Angaben zur Ladung: Container Besatzung: 23 Tiefgang zum Unfallzeitpunkt: 12,2 m Lotse an Bord: Ja Kanalsteurer: Nein Anzahl der Passagiere: 0 2.4 Angaben zum Seeunfall oder Vorkommnis im Seeverkehr Art des Seeunfalls: Datum/Uhrzeit: Ort: Breite/Länge: Fahrtabschnitt: Platz an Bord: Folgen (für Mensch, Schiff, Ladung und Umwelt sowie sonstige Folgen): Sehr schwerer Seeunfall + Personenunfall 06.02.2016 / 02:45 Uhr Bremerhaven, Stromkaje φ 53 34,826'N λ 008 31,98'E Anlegen Back Seemann verstarb Seite 7 von 26

Ausschnitt aus Seekarte INT 1457, BSH Unfallposition Abbildung 2: Seekartenausschnitt mit Unfallposition Seite 8 von 26

Unfallposition Abbildung 3: Seekarte mit Unfallposition Seite 9 von 26

2.5 Einschaltung der Behörden an Land und Notfallmaßnahmen Beteiligte Stellen: Wasserschutzpolizei Bremerhaven, Krankenhaus Eingesetzte Mittel: Krankenwagen mit Notarzt Ergriffene Maßnahmen: Wiederbelebungsversuche und Transport zum Krankenhaus Ergebnisse: Seemann erlag trotz aller Maßnahmen seinen schweren Verletzungen. Seite 10 von 26

3 UNFALLHERGANG UND UNTERSUCHUNG Das unter griechischer Flagge fahrende Containerschiff MAERSK KURE erreichte, von Rotterdam kommend, in der Nacht zum 6. Februar 2016 den Containerterminal von Bremerhaven. Die Wetterbedingungen waren gut. Der Wind wehte aus Südwest mit 3 Bft, es herrschte ablaufendes Wasser. Die Schiffsführung wurde ab 01:40 Uhr durch einen Lotsen beraten. Die Steuerbordseite der MAERSK KURE sollte Landseite werden. 3.1 Unfallhergang Zur Unterstützung des Anlegemanövers wurden zwei Schlepper festgemacht. Der Schlepper SVITZER MARKEN mittels einer Leine durch die vordere Mittelklüse und der Schlepper GEESTE durch die achtere Mittelklüse. Mit Hilfe der Hauptmaschine sowie des Heck- und Bugstrahlers der MAERSK KURE und der beiden Schlepper wurde das Containerschiff an die Pier manövriert. Als erstes gingen die vordere und achtere Springleine an Land. Als das Schiff schließlich seine endgültige Position erreicht hatte, wurden auch die Vor- und Achterleinen herausgegeben. Nachdem achtern zwei Achterleinen sowie eine Springleine und vorn drei Vorleinen sowie eine Springleine fest waren, wurden die Schlepper gestoppt und los geworfen, um auf den Manöverstationen der MAERSK KURE Freiraum für das Festmachen der letzten Leinen zu schaffen. Nach dem Lösen der Schleppverbindungen lag die MAERSK KURE weiterhin bewegungslos an den Fendern der Stromkaje. Auf der vorderen Manöverstation befanden sich der 1. Nautische Offizier (Chiefmate), der Bootsmann, zwei Matrosen, ein Lehrling und ein nautischer Praktikant. Der Chiefmate koordinierte die Arbeiten vom Laufsteg, nahe der Mittelklüse, aus. Der nautische Praktikant stand beobachtend daneben. Abbildung 4: schematische Darstellung der Leinenführung Vorschiff Seite 11 von 26

Der Bootsmann, ein Matrose und der Lehrling hatten gerade die Schleppleine zum Schlepper hinunter gelassen und begaben sich zur Steuerbordseite, um dort die zweite Spring an Land zu geben. Der zweite Matrose hatte dort bereits die Wurfleine an das Auge der zweiten Spring befestigt und begann, die Leine durch eine Klüse an der Steuerbordseite hinunter zu geben. Dafür musste er direkt neben der bereits ausgebrachten Springleine stehen. Zum Unfallzeitpunkt befand sich demnach niemand an den Kontrollständen der Winden. Alle Zeugen sagten aus, dass sie nicht gesehen hätten, was geschah. Lediglich ein knallendes Geräusch wäre zu hören gewesen, als die bereits ausgebrachte Spring gegen 02:45 Uhr brach. Offensichtlich traf sie den Matrosen, der direkt neben ihr arbeitete. Er lag regungslos an Deck. Eine äußere Verletzung konnten die Anwesenden anfangs nicht feststellen. Der Chiefmate prüfte sofort den Puls des Matrosen und begann mit Wiederbelebungsmaßnahmen. Gleichzeitig informierte er über UKW den Kapitän. Das Brechen der Vorspring wurde dem Lotsen von den Festmachern über UKW mitgeteilt. Dieser gab daraufhin sofort die Anweisung an den Schlepper GEESTE, mittschiffs voll zu drücken, um eine Bewegung des Schiffes zu vermeiden. Anschließend informierte der Lotse Bremerhaven Ports über den Personenunfall und bestellte so einen Notarzt. Die Besatzungsmitglieder auf dem Vorschiff zogen den Verletzten inzwischen aus dem Gefahrenbereich der Leinen und setzten die Wiederbelebungsmaßnahmen fort, bis eine Trage herangeschafft worden war. Auf dieser Trage fixiert, wurde der Matrose über die Gangway an die Pier getragen. Dort übernahm die Besatzung des Rettungswagens gegen 03:05 Uhr die weitere medizinische Versorgung. Trotz aller Maßnahmen verstarb der Matrose auf dem Weg ins Krankenhaus. Seite 12 von 26

3.2 Untersuchung Die Wasserschutzpolizei traf gegen 02:55 Uhr ein und begann mit den ersten Untersuchungen vor Ort. Es wurden Zeugenaussagen aufgenommen und Fotos gemacht. Schließlich wurde veranlasst, dass von der gebrochenen Leine beide Seiten des Bruchs vom Rest der Leine abgeschnitten wurden, um die Bruchstelle später untersuchen lassen zu können. gebrochene Leine Position des Verunfallten Abbildung 5: Blick auf die gebrochene Leine Gegen 05:30 Uhr informierte die WSP Bremerhaven telefonisch die Rufbereitschaft der. Der Seeunfalluntersucher der erreichte daraufhin gegen 13:00 Uhr die MAERSK KURE und begann seinerseits mit der Untersuchung. Unter anderem wurden auch die Aufzeichnungen des Schiffsdatenschreibers (Voyage Data Recorder / VDR) sichergestellt. Abbildung 6: Bruchstelle der Leine Seite 13 von 26

Position des Verunfallten Abbildung 7: Blick über das Vorschiff vom Standort des Chiefmate aus Abbildung 8: Winde der gerissenen Leine Seite 14 von 26

3.2.1 Voyage Data Recorder An Bord des MS MAERSK KURE befand sich ein VDR vom Typ M4 der Firma Consilium. Die sichergestellten Daten wurden ausgewertet und zeigten zweifelsfrei, dass sich das Schiff zum Unfallzeitpunkt nicht bewegt hat. Zusätzlich waren über die Audioaufzeichnungen der Brücke keine Kommandos zu hören, die eine Bewegung des Schiffes forderten. 3.2.2 Prüfung der Festmacherleine Ein Seil ist ein aus zusammengedrehten Natur- oder Kunstfasern oder Drähten bestehendes längliches, biegeschlaffes, elastisches Element, das meist zur Übertragung von Zugkräften, aber auch zu einer Vielzahl anderer Zwecke verwendet wird. In den aus mehreren Kardeelen bestehenden Seilen verbinden sich Festigkeit und Flexibilität zu einer Einheit. 2 Als Band werden Filamente bezeichnet, die aus mehreren Einzelfilamenten bestehen. Filament ist die internationale Bezeichnung für Textilfasern sehr großer, endloser Länge bei der Chemiefaserherstellung. Ein Garn bezeichnet ein linienförmiges textiles Gebilde aus mehreren miteinander verdrehten Fasern bzw. Filamenten (z.b. Garn bestehend aus 2 Bändern). Aus mindestens zwei zusammengedrehten Garnen besteht ein Zwirn, als linienförmiges textiles Gebilde. Die Litze ist das Zwischenprodukt in der Seilherstellung, welches man erhält, wenn ein oder mehrere Fäden (Garne oder Zwirne) verdreht werden, bevor sie zum endgültigen Seil geschlagen werden. 3 Es gibt verschiedene Seilkonstruktionen. Die in diesem Fall angewendete Konstruktion wird geschlagen genannt und meint Seile, die durch das Zusammendrehen von zwei oder mehr Bestandteilen umeinander, zur Erzielung eines Wendels um die Achse des zu erstellenden geschlagenen Produktes, hergestellt werden. Dieses Verdrillen wird schlagen genannt, um es vom Flechten zu unterscheiden. Die Schlagrichtung, mit der Litzen und Seile verdrillt werden, kann linksdrehend (gegen den Uhrzeigersinn) oder rechtsdrehend (im Uhrzeigersinn) sein. Man spricht dabei von einem S-Schlag bzw. Z-Schlag. Ein kleines s oder z dient der Kennzeichnung der Schlagrichtung der Litzen, Großbuchstaben kennzeichnen die Schlagrichtung des Seiles. Gleichschlagseile sind Seile, bei denen die Verdrillung der einzelnen Litzen und deren Verdrillung untereinander in derselben Drehrichtung erfolgt. Die Litzen bleiben dadurch zueinander verschiebbar. Dadurch wird das Seil geschmeidig und damit biegsam. Beim Biegen eines Seiles müsste eigentlich eine Seite gedehnt und die andere Seite gestaucht werden, die Verdrillung ermöglicht aber, dass durch Bewegung der Litzen die Stauchung gleichzeitig die Dehnung ausgleicht, dieselbe 2 Quelle: Wikipedia vom 29.11.16 zum Thema Seil 3 Quelle: Homepage der Fa. Gleistein Seite 15 von 26

Litze, die gestaucht würde, wird gleichzeitig an anderer Stelle gedehnt. Gleichschlagseile werden beispielsweise für Zugseile und Förderseile von Seilbahnen verwendet. Bei Kreuzschlagseilen sind die Verdrillungen der Litzenbündel in sich und zueinander verschieden. Das Seil ist somit in sich ausgefacht, da durch die Reibung der Litzen zueinander eine Art Fachwerk entsteht. Das Seil ist somit flexibel, aber trotzdem steifer. Dickere Seile (Trossen/Festmacherleinen) bestehen wiederum aus mehreren dünneren Seilen, die miteinander verdrillt werden und in dieser Funktion Kardeele heißen. Die Schlagrichtung der Kardeele und des gesamten Seils sind einander entgegengesetzt, was ein Aufdrehen des Seiles verhindert. Im Quadratgeflecht bilden acht Litzen einen näherungsweise quadratischen Querschnitt. Es ist sehr robust und griffig, dabei leicht spleißbar. Die hier zu untersuchende Leine bestand aus Polypropylen, deren hochfeste Fasern stehen für ausgezeichnetes Handling und hohe elastische Dehnung (Reck). Eine solche Leine ist sehr leicht, schwimmfähig, nimmt kein Wasser auf, ist chemisch beständig gegenüber den meisten Säuren und Laugen, verfügt über eine hohe UV- Beständigkeit, ist abriebfest und temperaturbeständig. S-Schlag- Kardeele Z-Schlag- Kardeele Abbildung 9: Kardeele des Bruchs ausgelegt nach ihrer Schlagrichtung Wenn eine derartige Leine durch eine starke Biegung belastet wird, spannt sich die eine Hälfte der Kardeele, während die andere Hälfte Lose bekommt. Die unter Zug stehenden Kardeele werden als erstes brechen. Charakteristisch sind hier kurze Seite 16 von 26

zusammengepresste Enden. Anschließend werden erst die bisher losen Kardeele brechen. Diese erzeugen dann langgezogene Enden. In diesem Fall zeigen alle Kardeele ähnliche Bruchmuster. Daher kann davon ausgegangen werden, dass der Bruch nicht aufgrund einer Biegebelastung der Leine entstand. Nach Angaben der Reederei wurde die gebrochene Leine im Dezember 2007 neu beschafft und im Schiff eingelagert. Da gleichzeitig ein Wechsel des Schiffseigentümers stattfand, seien Unterlagen nicht mehr auffindbar. Es gibt aber zwei Fotos, welche die Winde mit unterschiedlichen Leinen zeigen. Das eine ist vom Oktober 2012 mit einer weißen Leine auf der Winde. Das zweite Foto ist im Mai 2013 gemacht worden und zeigt dieselbe Winde mit der heutigen roten Leine. Dies bedeutet, dass die gebrochene Leine in diesem Zeitraum eingewechselt und seitdem genutzt wurde. Demzufolge wurde die Leine ca. 5 Jahre gelagert, bevor sie dann ca. 3 Jahre genutzt wurde. Die beauftragte die Firma Tension Technology International Ltd. (TTI) 4 mit der Begutachtung des sichergestellten Leinenbruchs. Das Gutachten fließt in diesen Bericht mit ein. Es handelte sich um eine 8-kardelige Polypropylen-Leine des norwegischen Herstellers Timm A/S mit einem Durchmesser von 72 mm und einer ursprünglichen Belastbarkeit von 869 kn. Jedes einzelne Kardeel bestand aus 75 Garnen, die so aufgebaut waren, dass 36% der Belastung durch die äußeren Lagen getragen wurden. Wenn die Leine also äußerlich beschädigt wird, verliert sie bis zu 36% ihrer Belastbarkeit. Für die Untersuchung standen die beiden abgetrennten Teilstücke des Bruches zur Verfügung. Ein Teilstück war ca. 5,50 m lang, das andere 6,50 m (siehe Abbildung 10). Die Leine zeigte generell, wie in Abbildung 11, deutliche äußere Schäden. Teilweise war die Abnutzung auch schon sehr stark fortgeschritten, wie die Abbildungen 12 und 13 darstellen. 4 Weltweit wurde kein anderes Unternehmen gefunden, dass sich dermaßen auf die Untersuchung von Festmacherleinen spezialisiert hat. In ähnlichen Seeunfall-Untersuchungen wurde bereits erfolgreich zusammengearbeitet (siehe Az.: 302-07 Northern Faith). Seite 17 von 26

Abbildung 10: die beiden Enden des Bruchs Seite 18 von 26

Abbildung 11: allgemein schlechter Zustand der Leine Abbildung 12: teilweise schwere Abnutzung Seite 19 von 26

Abbildung 13: schwerer Strangschaden Reste des inneren Abriebs eines Kardeels Abbildung 14: Innenstrangabrieb durch regelmäßige Abnutzung Seite 20 von 26

Abbildung 15: Farbabrieb von einer Klüse Dehnungsbruch Zeichen von Quetschung Abbildung 16: Detailaufnahme des Bruchs Seite 21 von 26

Die Leine wurde entsprechend der Richtlinien des Cordage Institut begutachtet. 5 Der Verschleiß der gebrochenen Leine wird als mäßig bis schwer beurteilt. Die folgende tabellarische Aufstellung listet die Ergebnisse und die empfohlenen Maßnahmen (entsprechend der Richtlinie) auf: A.) Beschreibung der Schäden Leine zeigt moderate bis starke Abnutzung. Es gibt keine genaue Benutzungshistorie oder Aufzeichnungen. Die Seilspezifikation ist verfügbar. Einige schwere Strangschäden sind offensichtlich. Die Gefahr von Verletzungen oder Sachschäden besteht, wenn die Leine genutzt wird und dabei bricht. B.) Überbelastung Aufzeichnungen von Überbelastungen der Leine sind nicht vorhanden. Da es sich hierbei um eine Festmacherleine handelt, ist es naheliegend, dass die Leine im Laufe der Zeit belastet wurde. Verschleiß ist offensichtlich feststellbar, wie auch Inner-Strang-Abrieb. Einige Stränge sind gebrochen. C.) Regelmäßige Zugbelastung Leine zeigt moderaten Inner-Strang-Abrieb. Es gibt deutliche Beweise für einen zyklischen Verschleiß. D.) Äußerer Verschleiß Das Äußere der Stränge/Kardeele ist sehr abgenutzt, einige Garne sind sogar gerissen. Eine fortgesetzte Verwendung kann gefährlich sein. E.) Schnitte Es sind keine Einschnitte zu finden. Empfohlene Aktion Erneuern der Leine Erneuerung der Leine sollte erwogen werden, mindestens sollte die Leine aber nicht mehr in der jetzigen Funktion genutzt werden. Erneuerung der Leine sollte erwogen werden, mindestens sollte die Leine aber nicht mehr in der jetzigen Funktion genutzt werden. Erneuern der Leine Keine Aktion erforderlich F.) Gezogene Fäden / lose Stränge Die allgemeine Struktur der Leine ist ohne Befund. Keine Aktion erforderlich Zusammenfassend gesagt, sollte eine Festmacherleine in diesem abgenutzten Zustand sofort erneuert werden. 5 Cordage Institute Guideline CI 1401-15 Recommended Safety Practices for Use of Fiber Rope October 2015, 994 Old Eagle School Rd., Suite 1019, Wayne, PA 19087-1866; www.cordageinstitute.com Seite 22 von 26

4 AUSWERTUNG 4.1 Medizinisch Der Chiefmate und sein Team auf dem Vorschiff haben sehr schnell reagiert, indem sie den Kapitän auf der Brücke informierten und mit Erste-Hilfe-Maßnahmen am Verletzten begannen. Es stellt sich aber die Frage, ob es für den Verletzten nicht besser gewesen wäre, ihn liegen zu lassen und den Transport vom Schiff herunter dem Rettungsdienst zu überlassen. Gerade bei Unkenntnis der inneren Verletzungen und mit der Gewissheit, dass sich das Schiff an der Pier befindet und ein medizinisches Notfallteam zeitnah eintreffen wird, wäre es nicht notwendig gewesen, den Verletzten mit Bordmitteln an Land zu bringen. Negative Auswirkungen dieses Handeln wurden nicht nachgewiesen. Die geht selbstverständlich davon aus, dass alle beteiligten Besatzungsmitglieder nur das Beste für den Verletzten wollten und die besondere Situation alle unter Stress stellte. 4.2 Festmacherleine Grundsätzlich muss festgehalten werden, dass es weltweit keine verbindlichen Vorgaben für die Kontrolle von Festmacherleinen gibt. Allerdings werden vom Cordage Institut Richtlinien herausgegeben, deren Umsetzung dringend zu empfehlen ist. Die Untersuchung der gebrochenen Leine durch renommierte Experten auf der Grundlage der o.g. Richtlinien führte zu dem Ergebnis, dass allein die äußeren Schäden an der Leine so deutlich waren, dass auch die Schiffsbesatzung sie hätte erkennen müssen. Die Leine hätte längst ausgetauscht werden müssen und so wäre dieser Unfall sehr wahrscheinlich vermieden worden. Da in diesem besonderen Fall die Leine erst jahrelang gelagert wurde, muss erwähnt werden, dass es keine Empfehlungen dafür gibt, wie lange eine Leine - ohne Nutzung - gelagert werden kann. Die Hersteller solcher Polypropylenleinen betonen lediglich, dass eine Leine im Trockenen und ohne Sonnenlicht aufbewahrt werden sollte. 4.3 Bereits durchgeführte Maßnahmen Auf Anfrage der teilte die Reederei mit, dass die gebrochene Leine umgehend durch eine neue Leine ersetzt wurde. Des Weiteren wurde ausgeführt, dass das Cordage Institut eine Interessenvertretung industrieller Leinenhersteller ist, deren Richtlinien nicht verbindlich sind. An Bord der MAERSK KURE wurde der - ebenfalls unverbindliche - Code of Safe Working Practices for Merchant Seafarers (2015) 6 umgesetzt. Dieser ist zwar sehr umfangreich, geht aber gerade im Punkt 18.2 und 18.33 nicht so tief in die Einzelheiten der Kontrolle von Leinen, wie es die Richtlinie des Cordage Institut vorschlägt. Insbesondere wird hier nicht die Dokumentation der Leinenkontrollen gefordert. Deshalb führte die Reederei als schriftlichen Nachweis verschiedene Dokumente von Hafenstaatenkontrollen des Jahres 2015 an. Diese belegten indirekt, dass auch die Festmacherleinen ohne negativen Befund gewesen seien. 6 Veröffentlicht von United Kingdom Maritime and Coastguard Agencies (MCA) Seite 23 von 26

5 SCHLUSSFOLGERUNGEN 5.1 Erste-Hilfe-Maßnahmen Verletzte Personen sollten so wenig wie möglich bewegt werden, und wenn, dann möglichst erst nach Rücksprache mit einem Arzt. Selbstverständlich müssen Verletzte aus einem unmittelbaren Gefahrenbereich so schnell wie möglich herausgeholt werden. Wenn es sich aber anbietet, sollten medizinisch geschulte Helfer den Transport übernehmen. 5.2 Kontrollen von Festmacherleinen Wenn die hier untersuchte Festmacherleine regelmäßig, möglichst nach den Richtlinien des Cordage Institute, kontrolliert worden wäre, hätte sie deutlich vor dem Unfall ausgetauscht werden müssen. Diese Kontrollen sollen alle 6 Monate durchgeführt werden. Dazu muss die Besatzung entsprechend ausgebildet und trainiert sein. Bei dem geringsten Zweifel ist eine Leine zu erneuern. Unabhängig vom besichtigten Zustand sollte eine genutzte Leine spätestens alle 5 Jahre ausgetauscht werden. Für gelagerte - ungenutzte - Leinen gibt es keine Vorgaben oder Empfehlungen. Seite 24 von 26

6 SICHERHEITSEMPFEHLUNGEN Die folgenden Sicherheitsempfehlungen stellen keine Vermutung hinsichtlich Schuld oder Haftung dar. 6.1 Schiffsbesatzungen Die empfiehlt Schiffsbesatzungen, verletzte Personen so wenig wie möglich zu bewegen, und wenn doch erforderlich, dann möglichst erst nach Rücksprache mit einem Arzt. 6.2 Reederei Die empfiehlt der Reederei, Ihre Schiffsbesatzungen dahingehend zu schulen, dass sie die Festmacherleinen regelmäßig prüfen, dieses dokumentieren und im Zweifelsfall einen Austausch veranlassen. 6.3 Wissenschaftliche maritime Einrichtungen und Seilhersteller, BG-Verkehr und Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur Die empfiehlt (wie schon im Bericht 302-07) maritimen wissenschaftlichen Einrichtungen und Seilherstellern, die Entwicklung von Leinen und/oder Systemen weiter voran zu treiben, die es der Schiffsführung ermöglichen, die noch vorhandene Belastbarkeit einer Leine praktikabel feststellen zu können. Die empfiehlt der BG-Verkehr, weiterhin die Entwicklung derartiger Systeme zu begleiten, um ggf. Richtlinien zu aktualisieren. Dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird empfohlen, die Forschung und Entwicklung solcher Systeme zu fördern. Seite 25 von 26

7 QUELLENANGABEN Ermittlungen Wasserschutzpolizei (WSP) Bremerhaven Schriftliche Erklärungen/Stellungnahmen - Schiffsführung - Reederei - Klassifikationsgesellschaft Zeugenaussagen Gutachten von Tension Technology International Ltd. (TTI) Fachbeitrag von Gleistein GmbH Seekarten und Schiffsdaten Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) Amtliches Wettergutachten Deutscher Wetterdienst (DWD) Unterlagen Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft (BG Verkehr) - Unfallverhütungsvorschriften (UVV-See) - Richtlinien und Merkblätter - Schiffsakten Seite 26 von 26