Alexandre Dumas der Jüngere. Die Kameliendame. Anaconda

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Transkript:

Alexandre Dumas der Jüngere Die Kameliendame Anaconda

Titel der französischen Originalausgabe: La dame aux camélias (Paris 1848). Der deutsche Text folgt der Ausgabe Die Kameliendame. Roman von Alexander Dumas-Sohn. Vollständige Ausgabe. Berlin: A. Weichert [1913]. Keine Angabe des Übersetzers. Orthografie und Interpunktion wurden auf neue Rechtschreibung umgestellt, deutsche Schreibweisen französischer Namen zurückverwandelt. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar. 2017 Anaconda Verlag GmbH, Köln Alle Rechte vorbehalten. Umschlagmotiv: Ruth Addinall,»Camellia«(1998), Private Collection / Bridgeman Images Umschlaggestaltung: www.katjaholst.de Satz und Layout: Andreas Paqué, www.paque.de Printed in Czech Republic 2017 ISBN 978-3-7306-0550-9 www.anacondaverlag.de info@anacondaverlag.de

Erster Teil Ich bin der Meinung, dass man erst nach langer Beobachtung der Menschen imstande ist, Charaktere zu schaffen, gleich wie man erst durch anhaltendes Studium befähigt wird, eine Sprache zu sprechen. Ich habe noch nicht das Alter erreicht, wo man erfindet, und begnüge mich daher mit dem Erzählen von Tatsachen. Die folgende Geschichte ist durchaus wahr, ich habe nur die Namen der daran teilnehmenden Personen verändert, denn alle, mit Ausnahme der Heldin dieser Erzählung, leben noch. Überdies gibt es in Paris Personen, welche Zeugen der hier gesammelten Tatsachen waren und dieselben bestätigen könnten, wenn mein Zeugnis nicht genügte; ich allein aber wurde durch besondere Verhältnisse in den Stand gesetzt, diese Geschichte zu schreiben, denn ich allein wurde mit den Einzelheiten so vertraut, um eine genaue, verständliche und vollständige Erzählung geben zu können. I. 5

Diese Einzelheiten kamen auf folgende Art zu meiner Kenntnis. Am 12. März 1843 las ich in der Rue Lafitte einen großen gelben Anschlagzettel, welcher die Anzeige eines Verkaufs von Möbeln und Luxusartikeln enthielt. Dieser Verkauf sollte»infolge eines Todesfalls«stattfinden. Die verstorbene Person wurde nicht genannt, aber die Versteigerung des Nachlasses sollte am 16. in der Rue d Antin von zwölf bis fünf Uhr nachmittags stattfinden. Am 13. und 14., hieß es auf dem Anschlagzettel, könne man die Wohnung besuchen, in welcher sich die Möbel, Gemälde und alle zu versteigernden Gegenstände befanden. Ich war stets ein Liebhaber von Merkwürdigkeiten, ich nahm mir also vor, diese Gelegenheit zu benützen, um dieselben zu sehen und vielleicht etwas davon zu kaufen. Am folgenden Tag begab ich mich in das bezeichnete Haus der Rue d Antin. Am Haustor sah ich zwei noch größere Anschlagzettel, welche über die bevorstehende Versteigerung noch genauere Auskunft gaben als jener, den ich in der Rue Lafitte gesehen hatte. Der Hausmeister sagte mir auf meine Anfrage, dass die zu verkaufenden Gegenstände im ersten Stock zu sehen wären und dass die Wohnung offen sei. Es war noch früh, und dennoch waren schon Besucher und sogar Besucherinnen da, welche, obgleich in Samt gekleidet und in Kaschmir gehüllt, den vor ihren Augen ausgebreiteten Luxus dennoch mit Bewunderung betrachteten. 6

In der Folge begriff ich diese Verwunderung und dieses Erstaunen; denn bei genauer Beobachtung dieses Luxus, der nicht immer von völlig tadellosem Geschmack war, erriet ich bald, wer diese Gemächer bewohnt haben müsse. Überdies erkannte ich in den drei oder vier Besucherinnen, deren elegante Coupés vor dem Haus hielten, galante Damen, die in der großen Welt ziemliches Aufsehen machten; ich wusste mir daher ihr Erstaunen und Lächeln zu erklären, sooft ihnen ein Gegenstand von großem Wert vorkam. Kurz, es unterlag keinem Zweifel, dass ich in der Wohnung einer durch ihren Luxus bekannten femme entretenue * war. Wenn es etwas gibt, was galante Frauenzimmer zu sehen wünschen, so sind es die Wohnungen dieser Rivalinnen, deren Equipagen täglich an den ihrigen vorüberrollen, die, gleich ihnen, ihre Logen in der Oper und im italienischen Theater haben und ihre Schönheit, ihre Brillanten und Skandale ohne Erröten zur Schau tragen. Die Bewohnerin der Prunkgemächer, in denen ich mich befand, war tot; es konnten daher die tugendhaftesten Frauen bis in ihr Zimmer dringen. Der Tod hatte diese glänzende Kloake gereinigt, und überdies konnten sich diese Damen wenn sie wirklich einer Entschuldigung bedurften damit entschuldigen, dass sie zu einer öffentlichen Versteigerung kamen, ohne zu wissen, wem die Sachen gehört hatten. Sie hatten die Anschlagzettel gelesen, sie wollten sehen, was in dem Verzeichnis aufge- * Mätresse, Kurtisane 7

führt war; dabei aber konnten sie mitten unter allen diesen Wunderdingen ungehindert die Spuren jenes koketten Lebens aufsuchen, von welchem sie ohne Zweifel gar seltsame Dinge gehört hatten. Unglücklicherweise waren diese Geheimnisse mit der Göttin zu Grabe gegangen, und viele Damen vermochten mit dem besten Willen nur zu erforschen, was nach dem Ableben der schönen Sünderin zu verkaufen war, aber nichts von dem, was bei Lebzeiten der Letzteren feil gewesen war. Es gab übrigens gar viel zu kaufen. Der mit Korduanleder tapezierte Speisesaal hatte zwei prächtige Schränke aus der Zeit Heinrichs des Vierten, in denen silbernes und vergoldetes Tafelzeug glänzte. Große gestickte Vorhänge verschleierten die Fenster, und Sessel von dem gleichen Stoff umgaben einen kunstvoll geschnitzten Tisch von Eichenholz. In dem mit großgeblümtem Stoff ausgeschlagenen Schlafzimmer stand auf einer Erhöhung ein prachtvolles Bett, auf Karyatiden ruhend, welche Faune und Bacchantinnen darstellten. Auf den platten Säulen dieses Bettes waren Wasserkannen angebracht mit Weinranken verschlungen, aus denen Liebesgötter hervorlugten. Die Bettvorhänge waren von demselben Stoff wie die Tapeten, und die Fußdecke bestand aus der schönsten Spitzenstickerei. Nach diesem Heiligtum zu urteilen musste die Göttin schön gewesen sein; gewiss war, dass die Priester den Altar geschmückt hatten. 8