verstehen 6. erweiterte Auflage Bewegungsapparat & Rheuma Rheumatoide Arthritis Expertengeprüft



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GESUNDHEITSRATGEBER Bewegungsapparat & Rheuma Euro 4,95 verstehen Rheumatoide Arthritis 6. erweiterte Auflage Knorpel Knochenerosion entzündete Gelenkinnenhaut Meniskus verkleinerter Gelenkspalt Gesundes Gelenk UNABHÄNGIG UNABHÄNGIG Expertengeprüft UNABHÄNGIG Rheumatoide Arthritis Früherkennung Aktuelle Therapiemöglichkeiten Von Betroffenen & Selbsthilfegruppen empfohlen

Bewegungsapparat & Rheuma verstehen SEITE EDITORIAL 5, 7 LEBEN MIT RHEUMA 8 ENTZÜNDLICH-RHEUMATISCHE ERKRANKUNGEN 20 RHEUMATOIDE ARTHRITIS (CHRONISCHE POLYARTHRITIS) 21 JUVENILE IDIOPATHISCHE ARTHRITIS (JIA) 27 MORBUS BECHTEREW (SPONDYLOARTHRITIS) 32 PSORIASIS-ARTHRITIS 38 GICHT 43 MEDIKAMENTÖSE THERAPIE 46 BIOSIMILARS: ERGÄNZUNG DER MEDIKAMENTÖSEN OPTIONEN 54 NICHT-MEDIKAMENTÖSE THERAPIE 56 REGELMÄSSIGE KONTROLLEN UND THERAPIEANPASSUNG 62 2 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015

INHALT SEITE VERSCHLEISSRHEUMATISMUS 64 ARTHROSE 65 OSTEOPOROSE 71 WEICHTEILRHEUMATISMUS 76 FIBROMYALGIE 77 POLYMYALGIA RHEUMATICA (PMR) 80 SLE 83 SYSTEMISCHER LUPUS ERYTHEMATODES 84 SCHMERZ: URSACHE UND THERAPIE 88 HILFE AUS DER APOTHEKE 96 BEWEGUNG & SPORT 108 IMPFUNGEN 112 SELBSTTESTS 95, 111 SELBSTHILFEGRUPPEN 118 IMPRESSUM: Herausgeber und Medieninhaber: MedMedia Verlags- und Mediaservice GesmbH, 1070 Wien Seidengasse 9 / Top 1.1. Projektleitung: Alexandra Hindler. Redaktion: Mag. Nicole Gerfertz. Layout und Grafik: creativedirector.cc lachmair gmbh. Lektorat: Mag. Andrea Crevato. Druck: Ferdinand Berger & Söhne GmbH, 3580 Horn. Fotos: shutterstock.com, fotolia.com Die gesetzliche Offenlegung gemäß 25 MedienG finden Sie unter www.medmedia.at/home/impressum. Alle Texte in Bewegungsapparat & Rheuma verstehen wurden nach bestem Wissen recherchiert. Irrtümer sind vorbehalten. Trotz sorgfältiger Prüfung übernehmen Verlag und Medieninhaber keine Haftung für drucktechnische und inhaltliche Fehler. Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird jeweils nur die männliche Form der Bezeichnung von Personen ( z.b. der Patient ) verwendet, damit ist aber sowohl die weibliche als auch die männliche Form gemeint. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt, verwertet oder verbreitet werden. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 3

MITWIRKENDE WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT DIESER AUSGABE: Prim. Dr. Gabriele Eberl, MBA Ärztliche Direktorin des Klinikums Malcherhof Baden, Baden bei Wien Univ.-Prof. Dr. Winfried Graninger Leiter der Klinischen Abteilung für Rheumatologie, LKH-Universitätsklinikum Graz Prim. Univ.-Prof. Dr. Ludwig Erlacher Leiter der 2. Medizinischen Abteilung, SMZ-Süd, Wien Prim. Prof. Dr. Günter Höfle Leiter der Abteilung für Innere Medizin, LKH Hohenems MITWIRKENDE DIESER AUSGABE: Dr. Georg Rüdiger Barisani Facharzt für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie Leiter der Abteilung für Unfallchirurgie, Sanatorium Hera, Wien Univ.-Prof. Dr. Hans Peter Dimai Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Knochen und Mineralstoffwechsel Vizerektor für Studium und Lehre Universitätsklinik für Innere Medizin, Klinische Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel, Medizinische Universität Graz Univ.-Doz. Dr. Johann Gruber Universitätsklinik für Innere Medizin VI, Rheumatologie, Innsbruck Prim. Univ.-Prof. Dr. Burkhard Gustorff, DEAA Vorstand der Abteilungen für Anästhesie, Intensiv- und Schmerzmedizin, Wilhelminenspital der Stadt Wien Univ.-Doz. Dr. Ursula Hollenstein Vorstand Reisemedizinisches Zentrum Traveldoc, Wien Prim. Univ.-Doz. Dr. Christian Huemer Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, LKH Bregenz Prim. Priv.-Doz. Dr. Burkhard Leeb Vorstand der 2. Medizinischen Abteilung, Niederösterreichisches Kompetenzzentrum für Rheumatologie, Landesklinikum Stockerau Prim. Dr. Monika Mustak-Blagusz Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie SKA-RZ Gröbming, Pensionsversicherungsanstalt Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Quittan, MSc Vorstand des Instituts für Physikalische Medizin und Rehabilitation, SMZ-Süd und SMZ-Floridsdorf, Wien OÄ Dr. Andrea Studnicka-Benke Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie Universitätsklinik für Innere Medizin III, Salzburg Prim. Univ.-Prof. Dr. Franz Trautinger Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten, Universitätsklinikum St. Pölten, Karl-Landsteiner-Universität für Gesundheitswissenschaften OÄ Dr. Maria-Christina Walter 2. Medizinische Abteilung, SMZ-Süd, Wien Wir danken allen Mitwirkenden und dem wissenschaftlichen Beirat für die Unterstützung und den Einsatz. Erstellt in Kooperation mit dem 4 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015

EDITORIAL Prim. Univ.-Prof. Dr. Ludwig Erlacher, Wien Harald Eisenberger Sehr geehrte Leserinnen und Leser! Hiermit dürfen wir Ihnen bereits die 6. überarbeitete und aktualisierte Neuauflage des Patientenratgebers Rheuma verstehen präsentieren. Wie auch in den früheren Auflagen wurden die Texte wieder gemeinsam von Experten und Medizinjournalisten erstellt. Sie finden in diesem Ratgeber umfassende Informationen zu den unterschiedlichen rheumatischen Erkrankungen. Diese wurden klar strukturiert und verständlich aufbereitet. Der bewährte Frage-Antwort-Modus hilft Ihnen dabei, möglichst leicht genau jene Antworten zu finden, die für Sie wichtig sind. Betroffene können so meine langjährige Erfahrung als Facharzt für Rheumatologie sehr davon profitieren, mehr über ihre Erkrankung zu wissen. Dies gilt besonders bei chronischen Erkrankungen, beispielsweise in Bezug auf den alltäglichen Umgang mit der Krankheit etc. Wichtig dabei ist natürlich immer die Absprache mit den behandelnden Ärzten. Gemeinsames Ziel von Arzt und Patient ist es, die Lebensqualität des Betroffenen wieder herzustellen bzw. zu erhalten und Gelenkentzündungen rechtzeitig zu behandeln und so Gelenkzerstörungen zu verhindern. Dieser Ratgeber soll Ihnen daher auch eine Hilfestellung anbieten für die Gespräche mit Ihrem Arzt, damit Sie gemeinsam die für Sie am besten geeignete Therapie festlegen können. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre und alles Gute für die Zukunft! Prim. Univ.-Prof. Dr. Ludwig Erlacher Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 5

WERBEEINSCHALTUNGEN Entgeltliche Einschaltungen dieser Ausgabe: SEITE KWIZDA KRÄUTERGROSSHANDEL 17 ATEIA SPF30 ALPIN GESICHTS- UND LIPPENSOFTGEL 63 ALPINAMED MOBILITÄTSKAPSELN FORTE 99 DR. PEITHNER KG: ZEEL, SALBE UND TABLETTEN 101 DR. BÖHM TEUFELSKRALLE 600 MG FILMTABLETTEN 103 DOLO-MENTHONEURIN-GEL 104/105 MOBIFLEX CLASSIC UND CARE 120 6 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015

EDITORIAL Mag. pharm. Dr. Christian Müller-Uri, Vizepräsident der Österreichischen Apothekerkammer Sehr geehrte Leserinnen und Leser! Die Serie Gesundheit verstehen erfreut sich bei den Apothekenkundinnen und -kunden großer Beliebtheit. So liegt der Ratgeber Rheuma verstehen hiermit nun bereits in der 6. überarbeiteten und erweiterten Auflage vor. Zum ersten Mal wurde auch ein Kapitel zum Thema Impfungen hinzugefügt. Gerade chronisch kranke Menschen haben oftmals viele Fragen und sind auf der Suche nach zuverlässigen und kompetenten Informationen. Hier will der Gesundheitsratgeber Rheuma verstehen leicht verständlich und jedenfalls auch wissenschaftlich fundiert Antworten zur Verfügung stellen. Der wissenschaftliche Beirat, mit dessen Unterstützung die Texte erarbeitet wurden, stellt sicher, dass die Inhalte auf dem neuesten Stand der Medizin sind. Es werden die wichtigsten Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, wie z.b. rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Morbus Bechterew, Gicht sowie Arthrose und Osteoporose, umfassend und übersichtlich erläutert. Neben Therapieoptionen enthält dieser Ratgeber auch Tipps für den Umgang mit der Erkrankung. Ein eigenes Kapitel Hilfe aus der Apotheke bietet einen Überblick über das unterstützende Angebot, das die Apothekerinnen und Apotheker für Sie bereithalten. Ich wünsche Ihnen eine informative Lektüre! Mag. pharm. Dr. Christian Müller-Uri, Vizepräsident der Österreichischen Apothekerkammer Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 7

LEBEN MIT RHEUMA Früherkennung ist bei rheumatischen Erkrankungen von großer Bedeutung, um entsprechend behandeln zu können. Denn mit einer konsequenten Therapie sind die Erkrankungen gut in den Griff zu bekommen!

Leben mit Rheuma Rheuma was ist das eigentlich? Der Begriff Rheuma kann übersetzt werden mit Schmerzen im Bewegungsapparat. Unter diesem Begriff fasst man alle Schmerzen und Funktionsstörungen am Bewegungsapparat (dazu gehören Knochen, Gelenke und Muskeln) zusammen. Rheuma dient daher als Oberbegriff für rund 400 Erkrankungen, hinter denen sich eine unendliche Vielzahl an Beschwerden und Ursachen verbirgt. Ist Rheuma eine seltene Erkrankung? Im Gegenteil: Jeder Dritte ist im Laufe seines Lebens von einer rheumatischen Erkrankung betroffen. Früherkennung, d.h. frühzeitige Diagnose, ist dabei besonders wichtig. Heilt Rheuma von alleine wieder? Leider nein! Daher sollten Sie gleich beim Auftreten der ersten Warnsignale (Gelenkschmerzen und -schwellungen, Morgensteifigkeit etc.; siehe Kasten, S. 11) einen Arzt aufsuchen, damit frühzeitig eine entsprechende Therapie eingeleitet werden kann. Doch viele Betroffene setzen sich erst zu spät mit der Möglichkeit, an Rheuma erkrankt zu sein, auseinander. Für die Gesunderhaltung der Gelenke ist es wertvolle Zeit, die hier verstreicht! Für alle rheumatischen Krankheitsbilder gilt: Wer einmal daran erkrankt ist, braucht oft eine Therapie auf Dauer. Insbesondere der Entzündungsrheumatismus schreitet, wird er nicht entsprechend behandelt, in jedem Fall fort. Dies führt zu Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates und irreversiblen (nicht umkehrbaren) Gelenkzerstörungen. Es drohen Behinderungen bis hin zur Arbeitsunfähigkeit. Neben den Schmerzen bringt die Erkrankung für die Betroffenen auch eine massive seelische Belastung mit sich. Ist Rheuma eine Alte-Leute- Krankheit? Nein! Rheuma ist nicht zwangsläufig an ein hohes Lebensalter gekoppelt. Zum Beispiel: Der typische Patient, der an einer chronischen entzündlich-rheumatischen Systemerkrankung (z.b. rheumatoide Arthritis) leidet, ist oft um die 40 Jahre jung und weiblich. Patienten, die an Fibromyalgie erkranken, sind im Durchschnitt 35 Jahre alt. Morbus Bechterew, eine weitere entzündliche rheumatoide Erkrankung, tritt mit seinen ersten Symptomen um das 23. Lebensjahr auf. Auch Arthrose ist nicht zwangsläufig eine Alterserscheinung. Welche Erkrankungen gehören zu Rheuma? Die diversen rheumatischen Erkrankungen werden entsprechend ihren Ursachen in verschiedene Gruppen eingeteilt ( rheumatischer Formenkreis ). Eine Übersicht über Symptome und Therapie finden Sie auf Seite 18/19. 1. Entzündungsrheumatismus: entzündlich-rheumatische Gelenkerkrankung, z.b. rheumatoide Arthritis, juvenile idiopathische Arthritis, Psoriasis-Arthritis 2. Abnutzungsrheumatismus: degenerative Gelenk- und Wirbelsäulenveränderung, z.b. Arthrose Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 9

Leben mit Rheuma 3. Weichteilrheumatismus: auch als extraartikulärer Rheumatismus bezeichnet, das bedeutet außerhalb der Gelenkkapsel eines Gelenks gelegen, z.b. Fibromyalgie. Auch Erkrankungen aufgrund von Abnützung und Überlastung von Sehnen oder Schleimbeuteln bei lokalen Schmerzen in nur einem Gelenk werden dazu gezählt, z.b. Kalkschulter. 4. Stoffwechselbedingte Gelenkerkrankungen, z.b. Gicht 5. Autoimmunerkrankungen/Kollagenosen: Das Immunsystem führt zu Entzündungen im Körper (Gelenkschwellungen, Entzündungen der Nieren, der Lunge usw.) Was passiert bei den verschiedenen rheumatischen Erkrankungen? Beim Entzündungsrheumatismus kommt es in unterschiedlichen Gelenken des Körpers zu immer wiederkehrenden oder ständig bestehenden (chronischen) Entzündungen eines Gelenks (Monarthritis), einiger (Oligoarthritis) oder mehrerer Gelenke (Polyarthritis). Der Grund liegt in einer überschießenden Reaktion des Immunsystems, das sich gegen den eigenen Körper richtet. Daher spricht man auch von einer Autoimmunerkrankung. Häufigkeit von rheumatoider Arthritis in Österreich: 70.000 80.000 Menschen. Beim Abnutzungsrheuma nutzt sich der Gelenkknorpel ab und der darunter liegende Knochen verändert sich. Dies kann so weit gehen, dass die Knochen aneinander reiben. Es kann dabei auch zu einer Entzündung der Gelenkinnenhaut kommen, Schwellungen sind die Folge. Häufigkeit: rund 1,3 Mio. Arthrose-Erkrankte in Österreich Gelenkentzündungen, -schwellungen und -schmerzen sind typisch für rheumatische Erkrankungen. Unter Weichteilrheumatismus werden Erkrankungen der Sehnen, Sehnenscheiden, Muskeln, Bänder und Schleimbeutel, die örtlich eingegrenzt werden können, verstanden. Eine Sonderform stellt die Fibromyalgie (chronisch weit verteilter Schmerz) dar. Häufigkeit: ca. 5% der Bevölkerung. Zu den stoffwechselbedingten rheumatischen Erkrankungen zählt beispielsweise Gicht. Dabei kommt es zu einer Ablagerung von Harnsäurekristallen in den Gelenken. Welche Beschwerden deuten auf Rheuma hin? Die ersten Beschwerden werden von Betroffenen oft als diffus und schwer zuordenbar dargestellt. Meist denken sie, sie hätten nur wieder schlecht gelegen oder ihren Körper überanstrengt. Wie sich nach mitunter monatelangen Schmerzen 10 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015

Leben mit Rheuma herausstellt, waren dies jedoch die Vorboten einer rheumatischen Erkrankung. Wichtiger Hinweis: Gerade bei rheumatischen Erkrankungen gilt: Je früher diagnostiziert und mit einer entsprechenden Therapie begonnen wird, desto besser sind die Behandlungserfolge! So können Sie bleibende Schäden verhindern. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Immunsystem und Rheuma? Unser Immunsystem ist dafür verantwortlich, Fremdkörper inklusive Bakterien, die in unseren Körper eindringen, wirksam auszuschalten. Bei entzündlichrheumatischen Erkrankungen kommt es jedoch zu einer Störung des Immunsystems: Es kann nicht mehr exakt zwischen fremden und eigenen Substanzen unterscheiden. Daher greift der Körper seine eigenen Strukturen, wie beispielsweise bei der rheumatoiden Arthritis die Gelenkinnenhaut, an. Die Folge: Das betroffene Gelenk schwillt an, wird unter Umständen warm und es kommt zu Auswirkungen auf den ganzen Körper. Man spricht daher von einer entzündlich-rheumatischen Systemerkrankung. Die Gelenkveränderungen bei Arthrosen sind überwiegend nicht entzündlich bedingt. Hier ist das Immunsystem nicht beteiligt. Entzündungsrheumatismus was sind die Ursachen? Ein eindeutiger Auslöser für die Fehlfunktion des Immunsystems bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen konnte bisher noch nicht gefunden werden. In einigen Fällen wurden jedoch familiäre und geschlechtsspezifische Häufungen festgestellt. Der Einfluss von Erbfaktoren ist bewiesen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die jeweilige rheumatische Erkran- Mögliche erste Symptome bitte ärztlich abklären lassen! 1. Gelenkschmerzen und -schwellung ohne nachvollziehbaren Grund, Nachtschweiß, Müdigkeit, Morgensteifigkeit; häufig sind zunächst Finger und Zehen betroffen, später auch die großen Gelenke; oftmals symmetrische Schwellungen der gleichen Gelenke auf beiden Körperseiten: Verdacht einer chronisch-entzündlichen rheumatischen Erkrankung 2. Schmerzen, die am Beginn einer körperlichen Tätigkeit auftreten und nach kurzer Zeit der Bewegung wieder nachlassen ( Anlaufschmerzen ) sowie ein Gefühl der Spannung in den Gelenken vor allem bei Wetterumschwung zu nasskalten Perioden: Verdacht auf Abnützung (degenerative Erkrankung) 3. Schmerzen in bestimmten Muskeln, Sehnen und Gelenken; die Schmerzattacken können auch einmal diese, einmal jene Körperregion betreffen: Verdacht auf Weichteilrheumatismus ( wandernder Rheumatismus ) 4. Schmerz, Druckempfindlichkeit und Schwellung von Gelenken über Nacht; mitunter kurz vor dem Anfall intensiver Alkoholkonsum: Verdacht auf Gicht Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 11

Leben mit Rheuma kung eine Erbkrankheit ist. Es besteht bei Kindern von Entzündungsrheumatikern eine nur gering erhöhte Wahrscheinlichkeit, eine rheumatische Entzündungserkrankung zu entwickeln. Kann eine anderweitige Entzündung schuld an Arthritis sein? Grundsätzlich ja. Hier muss jedoch klar unterschieden werden: Bei der bakteriellen Arthritis kann beispielsweise eine Infektion eine bakterielle Gelenkeiterung hervorrufen nachweisbar in der Gelenkflüssigkeit. Diese Akuterkrankung lässt sich in der Regel mit Antibiotika und Gelenkspülungen gut sanieren. Davon zu unterscheiden ist die reaktive Arthritis, bei der eine Infektion anderer Organe (Harntrakt, Atemwege, Darm) als Auslöser für eine Gelenkentzündung verantwortlich ist. Dabei können in den betroffenen Gelenken selbst keine Keime festgestellt werden, sehr wohl aber im Harn oder in einer Stuhlprobe. Welche Ursachen hat Verschleißrheumatismus? Zu den Ursachen für degenerative Erkrankungen gehören u.a. Gelenkfehlstellungen, Überlastung der Gelenke durch Beruf, Übergewicht oder Leistungssport. Was ist eine Anamnese und wozu dient sie? Unter Anamnese versteht man die individuelle Krankheitsgeschichte eines Menschen. Diese liefert Hinweise für eine richtige Diagnose (Krankheitsbezeichnung). Sinnvoll ist es, wenn der Betroffene schon vor dem ersten Arztbesuch die drei so genannten W -Fragen für sich beantwortet (siehe Kasten). Zu wem gehe ich, wenn ich Gelenkschmerzen habe? Allgemeinmediziner/praktischer Arzt ( Hausarzt ): Er ist die erste Anlaufstelle. Der Allgemeinmediziner leitet seine Patienten bei Bedarf an einen Facharzt weiter. Deuten die Untersuchungsergebnisse auf eine rheumatische Erkrankung hin, wird er den Patienten im Sinne der optimalen Betreuung einem Rheumatologen zuweisen. Orthopäde: Fachärzte, die einerseits chirurgische Operationen durchführen, andererseits mittels Spritzen (Infiltrationen, Injektionen) und Manualtherapie (sog. konservative Orthopädie) die Schmerzen behandeln, aber auch Fehlhaltungen korrigieren. Orthopäden können die Zusatzspezialisierung für Rheumatologie haben. Rheumatologe: Facharzt für Innere Medizin mit einer dreijährigen Zusatzausbildung im Bereich der Rheumatologie Zur Vorbereitung auf den Arztbesuch: die 3 W -Fragen Wann zu welcher Tageszeit, bei welchem Wetter tritt der Schmerz auf? Wo an welchen Gelenken tritt der Schmerz/die Schwellung auf? Wie kann man eine Schwellung bemerken, wird das Gelenk warm, ist es am Morgen steif etc.? 12 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015

Leben mit Rheuma Bei rheumatoider Arthritis machen sich die Beschwerden oft zuerst an den Fingergelenken bemerkbar. und Immunologie. Er hat spezielle Kenntnisse in der Diagnose und Therapie von Patienten mit entzündlichen und degenerativen Skelett-, Weichteil- und Autoimmunerkrankungen. Rheumatologen sind dafür ausgebildet, gezielte körperliche, laborchemische und radiologische Untersuchungen durchzuführen oder zu veranlassen. Darauf aufbauend erstellen sie einen Befund und besprechen geeignete Behandlungsformen und Maßnahmen mit dem Patienten. Wie geht der Diagnoseablauf vor sich? Die erste Anlaufstelle ist, wie bereits erwähnt, in der Regel der praktische Arzt. Dieser wird die Krankengeschichte aufnehmen und den Patienten, falls der Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung besteht, in ein Labor zu einem Blutbefund und zum Röntgen schicken. Erhärtet sich der Verdacht durch die Laborwerte und den Röntgenbefund, soll der Patient an einen Rheumatologen weitergeleitet werden, damit umgehend mit einer medikamentösen Therapie begonnen werden kann. Sind die Laborergebnisse nicht aussagekräftig genug, um eine klare Entscheidung zu treffen was zu 80% in einem frühen Stadium der Fall ist, bestehen aber weiterhin Gelenkschmerzen, müssen genauere Untersuchungen, welche die Entzündungen darstellen können (z.b. Magnetresonanztomografie mit Kontrastmittel, hochauflösender Gelenkultraschall), durchgeführt werden. Moderne Rheumatherapie was heißt das? Wichtigstes Element der Therapie ist die Übereinkunft zwischen Arzt und Patient Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 13

Leben mit Rheuma über die Ziele der Behandlung. Der Betroffene muss sich von seinem behandelnden Arzt verstanden fühlen. Das Therapiekonzept soll maßgeschneidert sein. Die Auswahl der Medikation richtet sich nach Ursache und Verlauf der rheumatischen Erkrankung. In einem ersten Schritt ist es wesentlich, die Schmerzen des Betroffenen in den Griff zu bekommen. Gleichzeitig kann man heute das Fortschreiten der Erkrankung verzögern, im besten Fall sogar stoppen. Ziel einer rechtzeitigen und richtigen Therapie ist es, die Gelenkzerstörung zu verhindern und die Gelenkfunktionen zu erhalten. Wird nicht oder nur unzureichend behandelt, bedeutet das für den Patienten ein Leben mit Schmerzen und fortschreitender körperlicher Behinderung. Entspannungstechniken können helfen, mit der Belastung einer chronischen Rheumaerkrankung umzugehen. Welche Rolle spielt die Psyche? Für die Betroffenen bringt die Erkrankung eine starke psychische Belastung mit sich, da es sich um eine chronische oft lebenslange Erkrankung handelt. Viel Selbstdisziplin ist für die oft jahrelange medikamentöse Therapie vonnöten. Schmerz- und Stressmanagement spielen eine wichtige Rolle. Psychologische Hilfe vom Stresstraining über autogenes Training bis zur Verhaltenstherapie kann sich vorteilhaft auf den Krankheitsverlauf auswirken. Warum gelten so viele Menschen mit Rheuma als nicht therapiert? In Österreich ist die Versorgung mit den entsprechenden Medikamenten, Physiotherapien und anderen Hilfestellungen sehr gut bis ausgezeichnet. Das Problem ist an anderer Stelle zu suchen: Jeder zweite Rheumatiker war mit seinen Beschwerden noch nie beim Arzt! Die Betroffenen ordnen ihre Beschwerden oft erst spät einer rheumatischen Erkrankung zu. Somit kann der Allgemeinmediziner die Zuweisung zu einer Laboruntersuchung oder zu einem Rheumatologen gar nicht veranlassen. Gibt es bei rheumatischen Erkrankungen geschlechtsspezifische Unterschiede? Ja. Frauen sind insgesamt häufiger von rheumatischen Erkrankungen betroffen. Hier ein Überblick über den Anteil Frauen Männer bei den verschiedenen rheumatischen Erkrankungen: Rheumatoide Arthritis (RA): Frauen erkranken zwei- bis dreimal häufiger an RA als Männer. Einen maßgeblichen Einfluss dürften Hormone haben. Systemischer Lupus erythematodes (SLE): Der SLE findet sich bei etwa 1 Promille der Bevölkerung und tritt zehnmal häufiger bei Frauen auf als bei Männern. Abgesehen von genetischen Faktoren spielen auch hier hormonelle 14 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015

Leben mit Rheuma Faktoren bei der Entstehung der Erkrankung eine große Rolle. Fibromyalgie: Auch diese Erkrankung betrifft Frauen etwa sechsmal häufiger als Männer. Morbus Bechterew: Diese Erkrankung betrifft Männer gleichermaßen wie Frauen. Allerdings verläuft Morbus Bechterew bei Frauen meist deutlich milder als bei Männern. Können auch Kinder an Rheuma erkranken? Ja. Diese Form von Rheuma nennt man juvenile idiopathische Arthritis (JIA). Sie ist eine Autoimmunerkrankung und kann vom Säugling bis zum Jugendlichen jeden treffen. Die Ursachen für die Fehlreaktion des Immunsystems sind bisher nicht gänzlich geklärt. Ist von einer Schwangerschaft bei Rheuma abzuraten? Eine Schwangerschaft ist prinzipiell möglich, allerdings sollte sie nur in Phasen niedriger bis keiner Krankheitsaktivität und in Absprache mit dem behandelnden Arzt geplant werden. Eine erhöhte Krankheitsaktivität der Mutter bedeutet unabhängig von der genauen Diagnose der rheumatischen Erkrankung ein geringgradig erhöhtes Risiko für eine Fehlgeburt, Frühgeburtlichkeit und Wachstumsstörungen des Kindes. Vorsicht: Viele Medikamente müssen rechtzeitig vor einer geplanten Schwangerschaft pausiert werden! Verändert sich die Krankheitsaktivität in bzw. nach der Schwangerschaft? Bei der Mutter hängt die Prognose von Für Rheuma- Betroffene gilt: Schwangerschaften immer vorab mit einem Arzt besprechen! der genauen Diagnose ab: So ist bei rheumatoider Arthritis und Morbus Bechterew eine Verbesserung der Krankheitsaktivität während der Schwangerschaft zu erwarten. Allerdings kann es bei einem Drittel der Patientinnen zu einer Zunahme der Krankheitsaktivität kommen. Die verminderte Krankheitsaktivität wird auf die veränderte Immunsituation in der Schwangerschaft, sozusagen das Tole- Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 15

Leben mit Rheuma Rheuma und Schwangerschaft Hinweise für die werdende Mutter: Neben der üblichen Schwangerschaftsvorsorge sollten engmaschige rheumatologische Kontrollen erfolgen. Sinnvoll ist es, wenn sich die behandelnden Fachärzte (Rheumatologen, Gynäkologen sowie evtl. Kinderärzte) untereinander besprechen, um gemeinsam mit der schwangeren Patientin die beste Vorgehensweise zu wählen. rieren eines Fremden, zurückgeführt. Bei Kollagenosen, wie z.b. systemischem Lupus erythematodes, ist eine Verschlechterung möglich, vor allem bei Mitbeteiligung der Nieren. Daher erfolgt eine Zusammenarbeit mit Organspezialisten (z.b. für Nephrologie = Nierenkrankheiten; Dermatologie = Hauterkrankungen; Neurologie = chronische Nervenentzündungen). Was bedeutet eine Schwangerschaft für die Einnahme von Medikamenten? Im Beipacktext findet sich bei fast allen Medikamenten der Hinweis: Nicht in der Schwangerschaft einnehmen! Dies bezieht sich darauf, dass kein Medikament bei Schwangeren auf Unbedenklichkeit getestet wurde. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass einzelne Medikamente in der Schwangerschaft durchaus eingenommen werden können. Hier ist aber in jedem Fall Rücksprache mit dem behandelnden Arzt zu halten! Hinweis für männliche Rheumapatienten: Das Thema Medikamente betrifft nicht nur Frauen. Auch Männer mit einer rheumatischen Erkrankung sollten bei Kinderwunsch ihre Medikation nicht einfach absetzen, sondern das Thema ebenfalls mit ihrem behandelnden Arzt besprechen. Können während der Schwangerschaft Komplikationen auftreten? Ja, gerade deshalb ist die regelmäßige Rücksprache mit den behandelnden Ärzten so wichtig! Bei sich abzeichnenden Problemen empfiehlt sich die Kontrolle an einer Risikoambulanz. In der Regel verlaufen Schwangerschaft und Geburt problemlos. Oft kommt es jedoch nach der Geburt zu einem Rheumaschub. Dies sollte im Rahmen der Vorbereitung besprochen werden, um dann rasch eine geeignete Therapie beginnen zu können. Neigt mein Kind wahrscheinlich auch zu Rheuma? Die angeborene (vererbte, genetische) Neigung, Rheuma zu bekommen, gibt es. Studien bei eineiigen Zwillingen haben jedoch gezeigt, dass sie nur zu einem geringen Teil am tatsächlichen Ausbruch der Erkrankung beteiligt ist. Zusammenfassend kann man sagen: Eine Schwangerschaft ist ein wunderbares Ereignis. Frauen, die an einer rheumatischen Erkrankung leiden, wird die Planung gemeinsam mit dem behandelnden Rheumatologen empfohlen, damit die Zeit, die so wichtig für Mutter und Kind ist, auch weitgehend sorgenfrei verlaufen kann. 16 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015

Leben mit Rheuma Übersicht 1. Chronisch-entzündliche Erkrankungen a. Rheumatoide Arthritis, RA (= CP; chronische Polyarthritis) Symptome Gelenkschmerzen oder -schwellung, Druckschmerz, Morgensteifigkeit von mindestens einer halben Stunde b. Juvenile idiopathische Arthritis (= JIA) Schmerzen/Schwellung, Überwärmung der Gelenke, Morgensteifigkeit, Müdigkeit, Weinerlichkeit c. Morbus Bechterew tief sitzende Kreuzschmerzen, morgendliche Steifigkeit der Wirbelsäule, Brustkorb- oder Rückenschmerzen, Hüftschmerzen in der Leiste, Versteifung der Wirbelsäule d. Psoriasis-Arthritis (= PsA; Schuppenflechte mit Gelenkerkrankung) strahlenförmige Entzündung der Gelenke von Händen und Zehen, damit einhergehende Hautprobleme, Sehnenansatzentzündung mit Schwellung 2. Nicht-entzündliche rheumatische Erkrankungen a. Arthrose (= Abnutzungserkrankung der Gelenke) Schmerzen bei Beginn einer Bewegung, Bewegungseinschränkungen, Muskelverspannungen, Gelenkverformungen b. Fibromyalgie (= eine Form des Weichteilrheumatismus ) großflächige Schmerzen von Kopf bis Fuß, Schlafoder Angststörungen, chronische Müdigkeit, Depressionen, u.u. Schwellungsgefühle in Händen, Füßen und Gesicht, Kälteempfindlichkeit 18 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015

Leben mit Rheuma Therapie medikamentös Therapie nicht-medikamentös Seite NSAR (= nicht-steroidale Antirheumatika), Basistherapeutika (z.b. Methotrexat, Sulfasalazin, Leflunomid), Kortison, Biologika (TNF-alpha-Blocker, Interleukin- 1-Rezeptor-Blocker, T-Zell-Hemmer, B-Zell-Antikörper, Interleukin-6-Rezeptor- Blocker) Heilgymnastik, Ergotherapie, Thermotherapie, Elektrotherapie, Ultraschall 21 NSAR, Kortison, Basistherapeutika (Methotrexat), TNF-alpha-Blocker, Interleukin-6-Rezeptor-Blocker, T-Zell-Hemmer NSAR, TNF-alpha-Blocker Physiotherapie, Ergotherapie, gelenkschonende Sportarten tägliche Gymnastik, Wärme-, Kältetherapie, Massagen 27 32 NSAR, Kortison bei Schüben, Basistherapeutika, Phosphodiesterase-Hemmer, TNF-alpha-Blocker, Interleukin-12/23- Blocker Physiotherapie 38 Rheumasalben/-gels, NSAR (= nichtsteroidale Antirheumatika), Kortison bei aktivierter Arthrose (in die Gelenke gespritzt), evtl. Hyaluronsäure ausreichend Bewegung, Gelenkschutz (z.b. durch Hilfsmittel), Abbau von Übergewicht, Ergo-, Wärme- und Kältetherapie, Elektrotherapie, Aquatraining, Alltagshilfen (Stöcke oder festes Schuhwerk) 65 Antidepressiva, Analgetika (Schmerzmedikamente), muskelentspannende Präparate, Substanzen gegen neuropathische Schmerzen psychologische Betreuung, Bewegungs-/ Trainingstherapie 77 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 19

ENTZÜNDLICH- RHEUMATISCHE ERKRANKUNGEN Die rheumatoide Arthritis ist die häufigste und bekannteste der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. 20 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015

RHEUMATOIDE ARTHRITIS (CHRONISCHE POLYARTHRITIS) Auf einen Blick: Rheumatoide Arthritis ist die häufigste entzündlichrheumatische Erkrankung verläuft schubweise geht mit entzündlichen Schwellungen der Gelenkinnenhaut einher sollte unbedingt so früh wie möglich behandelt werden, um Gelenkzerstörungen zu verhindern kann mit Basistherapeutika gut behandelt werden Was ist rheumatoide Arthritis? Rheumatoide Arthritis (kurz: RA) oder auch chronische Polyarthritis (kurz: CP) ist eine Form der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Sie verläuft oftmals schubweise. Charakteristisch sind entzündliche Schwellungen der Gelenkinnenhaut und der gelenknahen Strukturen (z.b. Schleimbeutel). Wer ist betroffen? Die rheumatoide Arthritis betrifft Frauen dreimal häufiger als Männer, mit einem Altersgipfel zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr. In Österreich leiden rund 70.000 80.000 Menschen an rheumatoider Arthritis. Jährlich gibt es zwischen 2.400 und 4.800 Neuerkrankungen. Welche Auslöser gibt es? Nach derzeitigem Erkenntnisstand sind keine einzelnen Auslöser für den Ausbruch von RA verantwortlich, sondern ein Zusammenspiel von erblicher Veranlagung und äußeren Faktoren. Dies kann zu einer Fehlleistung des Immunsystems führen. Das heißt, die Abwehrkräfte richten sich gegen den eigenen Körper, in diesem Fall gegen die Gelenke. In den letzten Jahren ist man zu der Erkenntnis gelangt, dass in Tiermodellen Viren am Ausbruch der Erkrankung beteiligt sein dürften. Allerdings gibt es dazu beim Menschen bisher noch keine beweisenden Untersuchungsergebnisse, sodass eine ursächliche Behandlung derzeit noch nicht existiert. Was passiert bei RA im Körper? Normalerweise produziert die Gelenkinnenhaut (= Membrana synovialis) die Gelenkschmiere. Diese ist für reibungsarme Bewegungen des Gelenks verantwortlich und versorgt das Knorpelgewebe. Bei RA kommt es durch das überschießende Immunsystem zu einer Entzündung dieser Gelenkinnenhaut. Schlüsselrolle in dieser Entzündungskaskade spielen die so genannten proinflammatorischen (entzündungsfördernden) Zytokine. Das sind Proteine und Botenstoffe, die im Immunsystem die körpereigene Abwehr steigern und Entzündungen verursachen oder verstärken. Zu den bekanntesten proinflammatorischen Zytokinen gehören beispiels- Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 21

Rheumatoide Arthritis weise TNF-alpha (Tumor-Nekrose-Faktor alpha), Interleukin-1 und Interleukin-6. Unter dem Einfluss dieser proinflammatorischen Zytokine kommt es nun zu einer erhöhten Produktion von entzündlich veränderter Gelenkschmiere. Daraus resultieren schmerzhafte Schwellungen der Gelenke und unter Umständen eine Ergussbildung. Später wächst die Gelenkinnenhaut wie ein gutartiger Tumor in das Gelenk hinein. Knorpelgewebe und auch der darunter liegende Knochen werden angegriffen und das Gelenk verformt sich. Woran merke ich, dass ich RA habe? Die RA zeigt sich individuell unterschiedlich, sie kann plötzlich ausbrechen oder sich schleichend durch unspezifischere Symptome ankündigen. Am häufigsten ist die klassische Verlaufsform: Gelenkschmerzen oder -schwellungen, wovon zunächst meist symmetrisch die Fingergrund- und -mittelgelenke betroffen sind, im höheren Lebensalter auch größere Gelenke Schwellung, Überwärmung und Druckschmerzhaftigkeit mehrerer Gelenke schmerzhafte Bewegungseinschränkungen uncharakteristische Vorboten wie Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, starkes Schwitzen, erhöhte Temperatur und Abgeschlagenheit Morgensteifigkeit (mindestens eine Stunde lang), die das Anziehen und Waschen erschwert; die Symptome verschwinden je nach Schwere und Aktivität der Erkrankung im Laufe des Tages. nach Jahren: Auftreten von Rheumaknoten (= derbe Knötchen unter der Haut, oft an der Streckseite der Ellbogengelenke) Kennzeichnend für RA: Entzündungen der Gelenke Was passiert, wenn keine Therapie eingeleitet wird? Wird das fehlgesteuerte Immunsystem nicht eingebremst, schreitet die Zerstörung der Gelenke innerhalb weniger Monate und Jahre unaufhaltsam voran. Entzündungen bilden sich teilweise nach Wochen zurück, um dann schubweise wieder aufzutreten und dabei die Gelenkstrukturen weiter anzugreifen. Da es sich bei der rheumatoiden Arthritis um eine Systemerkrankung handelt, ist bei längerer Krankheitsdauer auch ein entzündlicher Befall innerer Organe möglich, z.b. an den Gefäßen sowie Herz, Nieren und Lunge. Die Krankheit birgt per se ein gesteigertes Infektionsrisiko. Ebenso ist die Wahrscheinlichkeit, an Lymphdrüsenkrebs zu erkranken, erhöht. Mit fortschreitender Gelenkzerstörung kann die Krankheit durch Gelenkversteifungen und Gelenkdeformationen bis zur Invalidität führen. Was kann einen Schub auslösen? Einhellige Meinung herrscht darüber, dass psychische Aspekte oft eine Rolle 22 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015

Rheumatoide Arthritis spielen. Denn Stress, Sorgen und ungelöste Probleme können das Immunsystem beeinflussen. Für einen an RA Erkrankten kann dies einen neuen Schub zur Folge haben. Bemerkbar für den Betroffenen macht sich ein Schub durch die Zunahme der Gelenkschmerzen und -schwellungen, vermehrte Abgeschlagenheit und deutlich stärkere Bewegungs- und/oder Ruheschmerzen. Wie erfolgt die Diagnose? Zunächst erhebt der Arzt die Anamnese (= Krankengeschichte) durch Befragung des Patienten und führt eine klinische Untersuchung durch idealerweise einschließlich der Erfassung des so genannten Rheumastatus. Besteht danach der Verdacht auf RA, erfolgt die Diagnoseabsicherung mittels bildgebender Verfahren sowie Laboruntersuchungen. Wenn die Befunde vorliegen und der Verdacht bestätigt wurde, sollte der Patient unbedingt zur Beratung und optimalen Therapieeinstellung einen Rheumatologen aufsuchen. Was zeigen die Befunde? Laborbefunde allein liefern keinen eindeutig gesicherten Beweis für das Vorliegen einer RA. Ergänzend zum klinischen Befund (= Schmerzen des Patienten und Schwellungen der Gelenke) sind sie aber oft bestätigend. Weiters sind sie bei vorliegender Diagnose nützlich, um die Aktivität der Krankheit zu beurteilen. Die Blutwerte zeigen bei einer Entzündung häufig eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit und ein erhöhtes C-reaktives Protein (CRP). Der Wert der Blutsenkung und des CRP gibt jedoch lediglich an, dass eine Entzündung im Körper vorliegt, enthält aber keine Aussage darüber, ob es sich um eine Entzündung der Gelenke handelt und damit tatsächlich eine RA vorliegt. Was sind Rheumafaktoren? Rheumafaktoren (RF) sind körpereigene Abwehrstoffe, die sich an die eigenen Immunglobuline (= Antikörper) binden, die also gegen ihresgleichen gerichtet sind. Sie werden im Blut nachgewiesen. Der Rheumafaktor kann den ärztlichen Verdacht des Vorliegens einer RA bestätigen, ist jedoch alleine noch kein Beweis für eine Rheumaerkrankung. Bei bis zu 85% der Patienten mit RA werden im Laufe der Erkrankung Rheumafaktoren im Blutserum nachgewiesen. Ein eindeutiger Nachweis für das Vorliegen einer RA ist dies aber nicht, da es auch Patienten mit RA gibt, die keinen Rheumafaktor haben (= negativ, seronegativ). Auch der Umkehrschluss stimmt nicht. Denn wer diesen Faktor im Blut aufweist, muss nicht zwangsläufig an Rheuma erkranken. Bis zu 20% der gesunden älteren Menschen weisen einen erhöhten Rheumafaktor auf. Die modernste Labormethode zur Diagnosesicherung ist der ACPA-Test (= Test zum Nachweis anti-citrullinierter Peptid-Antikörper, wie z.b. Anti- CCP- oder Anti-MCV-Antikörper). Bei Bestehen klinischer Beschwerden des Patienten ohne eindeutigen Blutbefund bedarf es in jedem Fall weiterer Schritte, um eine eindeutige Diagnose zu stellen. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 23

Rheumatoide Arthritis Welche Bedeutung haben bildgebende Verfahren? Im Röntgen können die für die RA typischen Veränderungen nachgewiesen und der Zustand der Gelenke sichtbar gemacht werden. Es sind dies gelenknahe Erosionen (= Defekte im Bereich der Knorpel- Knochen-Grenze). Mittels Röntgen können jedoch nur bereits vorhandene Zerstörungen nachgewiesen werden. Bei Frühformen einer RA und (noch) unauffälligem Röntgen ist der Einsatz einer MRT (Magnetresonanztomografie oder Kernspintomografie) sinnvoll. Mittels MRT gelingt es, ohne Strahlenbelastung aktive Gelenkentzündungen frühzeitig zu erkennen, noch bevor schwer wiegende Zerstörungen an Knorpel oder Knochen eingetreten sind. Zu diesem Zweck wird ein Kontrastmittel in die Vene injiziert. Vorteil eines hochauflösenden Ultraschalls (Gelenkultraschall) ist einerseits das Fehlen jeglicher Strahlenbelastung und andererseits, dass die Beobachtung Bei RA führen Entzündungen zu Gelenkverformungen. in Bewegung gemacht werden kann. Es können hier mithilfe des Schalls Entzündungen der Gelenkinnenhaut nachgewiesen und betroffene Bereiche genau lokalisiert werden. Ultraschalluntersuchungen kommen vor allem bei Handund Fingergelenken, aber auch bei Vorfuß-, Fußwurzel- und Schultergelenken zum Einsatz. Warum ist eine fachärztliche Untersuchung notwendig? Wenn ein Patient mit klinischen Beschwerden zum Rheumatologen kommt, kann dieser aufgrund seiner speziellen Ausbildung weitere Aspekte abklären und so die Bestätigung für eine rheumatologische Erkrankung liefern. Der Facharzt ist speziell darauf geschult, diese sehr individuellen Faktoren, wie z.b. Schwellungen, Funktionsbeeinträchtigungen, Hautveränderungen etc., zu bewerten. Welche Ziele verfolgt eine Therapie der RA? An erster Stelle stehen Schmerzlinderung und Beseitigung der Entzündung. Die abschwellenden Rheumaschmerzmittel (NSAR = nicht-steroidale Antirheumatika) sind dabei sehr wirksam. Der Rheumatologe wird unmittelbar nach Diagnosestellung versuchen, mithilfe eines so genannten Basistherapeutikums die Entzündung und das fehlgesteuerte Immunsystem in den Griff zu bekommen. Dazu ist eine oft lebenslange Einnahme dieser Medikamente notwendig. Am häufigsten kommt hier der Wirkstoff Methotrexat (MTX) zum Einsatz. Die Wirkung des Basistherapeutikums tritt oft 24 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015

Rheumatoide Arthritis erst nach ein bis zwei Monaten ein, wobei nicht alle Patienten auf die Basistherapie sofort ansprechen. In der Regel tritt bei 40% der Betroffenen eine Besserung der Entzündungsreaktion ein. In 15% der Fälle kann sogar von einer gänzlichen Remission (= Wegfall der Krankheitssymptome) gesprochen werden. Aufgrund des verzögerten Wirkeintritts schlägt der Rheumatologe oft vor, das körpereigene Nebennierenhormon Kortison für die Zeit der Überbrückung bis zum Wirkeintritt der Basistherapie einzusetzen. Bei gleichzeitiger Einnahme von Kortison und einem NSAR muss in jedem Fall ein Magenschutzpräparat gegeben werden, um das Risiko für Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre zu senken. Obwohl viele Patienten die Kortisonmedikamente zuerst skeptisch betrachten, ist die Wirkung vor allem bei ausgeprägten Gelenkschwellungen doch meist so befreiend, dass Betroffene die Präparate gerne einige Wochen einnehmen. Was ist, wenn die Basistherapie keinen Erfolg bringt? Kommt es mit der Basistherapie nicht zum gewünschten Erfolg also zu einem Aufhalten der Entzündung, kann zu einem anderen Basistherapeutikum gewechselt oder ein zweites dazugegeben werden (Kombinationstherapie). Eine weitere viel versprechende Option stellen die so genannten Biologika dar. Dazu gehören die TNF-alpha-Blocker (Adalimumab, Certolizumab, Etanercept, Golimumab, Infliximab) sowie Abatacept, welches die Aktivierung von T-Zellen bremst, und der Interleukin- 6-Blocker Tocilizumab. Sie kommen zum Einsatz, wenn die Behandlung mit herkömmlichen chemischen Basistherapeutika oder die Kombination von Basistherapeutika nicht erfolgreich war. Biologika wirken am besten in Kombination mit herkömmlichen Basistherapeutika. Innerhalb von wenigen Wochen weiß man, ob die gewünschte Wirkung mit Biologika eintritt. Sollte dies nicht der Fall sein, besteht die Möglichkeit, zu einem anderen Biologikum zu wechseln. Wird die Entzündung nicht dauerhaft reduziert oder gestoppt, stehen dem Rheumatologen noch weitere immuntherapeutische Konzepte zur Verfügung, die ebenfalls zu den Biologika gehören: Hemmung der B-Zellen mittels der Substanz Rituximab. Langfristig sollte es zu einem Rückgang der entzündlichen Aktivität kommen. Damit wird auch die Gelenkzerstörung eingedämmt bzw. gestoppt und Schmerzfreiheit erzielt. Was ist entscheidend für eine erfolgreiche Therapie? Der Behandlungserfolg ist abhängig vom Behandlungsbeginn: Ein optimales Behandlungsergebnis ist bei Frühtherapie schon 12 16 Wochen nach Krankheitsbeginn zu erwarten. Die Entwicklung der Erkrankung hängt von der Mitarbeit des Patienten ab: Es ist unbedingt notwendig, dass die Medikamente konsequent eingenommen werden! Auch regelmäßige Kontrolltermine sind notwendig. Der Rheumatologe wird die Therapie so lange anpassen, bis die Krankheit zumindest eine niedrige Krankheitsaktivität oder eine völlige Remission aufweist; dieses Vorgehen wird Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 25

heute fachärztlich Treat to Target genannt. Welche Zusatzbehandlungen gibt es bei RA? Eine Kräftigung der Muskulatur wird mit Physiotherapie und gezielter Heilgymnastik erreicht. Massagen tragen zur Steigerung der Durchblutung und zur Muskelentspannung bei, denn Patienten mit RA leiden nicht selten an massiven Muskelverspannungen. Abgesehen von der medikamentösen Therapie machen Zusatzbehandlungen vor allem im Schmerzbereich immer Sinn, wenn der Patient damit sein subjektives Wohlbefinden und seine Lebensqualität steigern kann. Grundsätzlich sollte bei RA die Anwendung von starker Wärme oder der Aufenthalt in zu heißem Wasser (über 32 C) vermieden werden. Besonders bei einem akuten Schub sind Kryotherapien (Kryo = Kälte) empfehlenswert, wenn dies subjektiv vom Patienten als angenehm empfunden wird. Vorsicht: Bei einem akuten Schub sind Heilgymnastik und Elektrotherapie nicht zielführend und sollten daher nicht angewendet werden! Kühlung kann bei entzündeten und geschwollenen Gelenken Schmerzen lindern. Welche Hilfen gibt es für den Alltag? Das ist die Domäne der Ergotherapeuten. Wenn alltägliche Tätigkeiten wie das Halten einer Kaffeetasse, das Schneiden von Brot oder das Zuknöpfen des Hemdes unmöglich werden, gibt es Hilfsmittel im gut sortierten Fachhandel. Finger- und Handhalterungsschalen können ebenso helfen wie die so genannten Knopfloch- und Schwanenhalsschienen oder Metakarpalspangen. Spezielle Messer (der Griff ist 90 Grad von der Klinge weggebogen) und spezielle Flaschenöffner erweisen ebenfalls gute Dienste. Wann ist eine Operation unumgänglich? Operationen werden nur dann durchgeführt, wenn andere Therapieformen nicht den erwarteten Erfolg bringen. Bei der so genannten Synovektomie das ist eine gelenkerhaltende Therapiemaßnahme wird die entzündete Gelenkinnenhaut durch Ausschälen des betroffenen Gelenks operativ entfernt (siehe S. 56). Innerhalb einiger Wochen wächst die Gelenkinnenhaut wieder nach (Regenerat). Tipps für den Alltag Tragen Sie Lasten mit Rucksack, damit das Gewicht gleichmäßig verteilt wird. Vermeiden Sie Erschütterungen der Gelenke (vibrierende Geräte, Schütteln der Gelenke). Überschreiten Sie Ihre Belastungsgrenze nicht, muten Sie sich nicht zu viel zu. Unterstützen Sie Ihre Handgelenke bei belastenden Tätigkeiten. Sorgen Sie mit Freizeitaktivitäten, die Spaß machen, für glückliche Momente. 26 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015

JUVENILE IDIOPATHISCHE ARTHRITIS (JIA) Auf einen Blick: Juvenile idiopathische Arthritis ist bei Kindern ebenso häufig wie Diabetes mellitus muss behandelt werden, um eine Gelenkzerstörung zu verhindern macht sich sehr unterschiedlich bemerkbar, daher Abklärung durch einen Facharzt notwendig Erste Anzeichen: Schmerzen sowie geschwollene, überwärmte Gelenke erfordert einen individuellen Therapieplan (Kombination aus Medikamenten, Physiotherapie, Ergotherapie, psychosozialer Unterstützung) Was bedeutet juvenile idiopathische Arthritis? Juvenil = kindlich/jugendlich; idiopathisch = Erkrankung ungeklärter Ursache; Arthritis = Gelenkentzündung Verschwindet Rheuma bei Kindern wieder? Von alleine nicht, daher muss kindliches Rheuma behandelt werden! In vielen Fällen ist es jedoch möglich, die Erkrankung mit der richtigen Therapie zum Stillstand zu bringen oder sie so stark zu verlangsamen, dass es sich gut mit ihr leben lässt. Wichtig ist, während des Stadiums einer aktiven Gelenkentzündung vor allem mit medikamentöser Therapie zu verhindern, dass bleibende Gelenkschäden entstehen. Wie häufig ist kindliches Rheuma? In Österreich gibt es jährlich ungefähr 140 Neuerkrankungen, bundesweit sind etwa 1.700 Kinder und Jugendliche an chronischer Arthritis erkrankt. Rheuma ist somit bei Kindern ebenso häufig zu finden wie Diabetes mellitus. Wie äußert sich eine JIA? Rheuma bei Kindern macht sich sehr unterschiedlich bemerkbar: Die Anzahl betroffener Gelenke kann variieren, Haut, Bänder und Sehnen können ebenfalls am Entzündungsprozess beteiligt sein. Auch der Krankheitsverlauf ist unterschied- Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 27

Juvenile idiopathische Arthritis lich: Bei manchen Kindern entzünden sich die Gelenke immer wieder, bei anderen nur selten; oft ist auch nur ein Gelenk betroffen. Ärzte sprechen von einer JIA, wenn die Gelenkentzündung mindestens sechs Wochen anhält und die Erkrankung vor dem 16. Lebensjahr beginnt. Was können erste Anzeichen sein? So unterschiedlich die JIA auch verlaufen kann, allen Verlaufsformen gemeinsam ist die Gelenkentzündung. Erste Anzeichen sind Schmerzen sowie geschwollene, überwärmte Gelenke. Am Morgen ist auch oft eine Steifigkeit der Gelenke festzustellen. Welche weiteren Beschwerden können auftreten? Wachstumsstörungen, Entzündung der Augen oder Beeinträchtigung des Entwicklungszustandes Wie verläuft eine JIA? Wie sich eine JIA entwickelt und ob sie sich bis ins Erwachsenenalter bemerkbar macht, lässt sich schwer voraussagen. Der Verlauf ist oft von der genauen Erkrankungsform abhängig. Ärzte unterscheiden folgende Formen der JIA: Oligoarthritis: Ein bis vier Gelenke sind betroffen, sehr häufig das Kniegelenk. Oft verläuft die Erkrankung nicht gleichmäßig an beiden Körperhälften, sondern asymmetrisch. Augenentzündungen sind häufig. Die Krankheit beginnt im Kleinkindalter. Polyarthritis: Mindestens fünf Gelenke sind betroffen. Am häufigsten sind Hand-, Finger-, Ellbogen-, Knie- und Sprunggelenke entzündet. Systemische Arthritis: Beginnt meist mit hohem Fieber und Hautausschlägen im Kleinkindalter. Neben den Gelenken sind auch Organe, wie z.b. Herz, Lymphknoten, Milz, Leber, Nieren oder Lunge, beteiligt. Psoriasis-Arthritis: Beschwerden des Kniegelenks und der kleineren Gelenke (Hände, Füße) treten hier gemeinsam mit einer Schuppenflechte (Psoriasis) auf. Anzeichen: scharf begrenzte, rötliche Areale auf der Haut, die mit silbrig-weißen Schuppen bedeckt sind. Bevor es zu einer Psoriasis kommt, zeigen sich oft Nagelveränderungen sowie auch ein Anschwellen ganzer Finger oder Zehen. Enthesitis-assoziierte Arthritis: Gelenkbeschwerden sowie Entzündung von Bändern und Sehnen, insbesondere der Ferse. Diese Form der JIA beginnt meist im Schulalter und kommt häufiger bei Buben vor. Die Gelenke sind in der Regel asymmetrisch betroffen, vorzugsweise die Knie- und Sprunggelenke. Wo finde ich ärztliche Hilfe, die auf kindliche Bedürfnisse eingeht? Aufgrund der Besonderheiten kindlichrheumatischer Erkrankungen sollte die Therapie durch ein spezialisiertes Team (Kinderrheumatologen, Kinderphysiound -ergotherapeuten, -orthopäden, -psychologen sowie pädiatrisch geschulte Augenärzte) erfolgen. In Österreich gibt es elf Spitäler, deren Kinderabtei- 28 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015

Juvenile idiopathische Arthritis Die Therapie der JIA sollte durch ein spezialisiertes Team erfolgen. lung über eine kinderrheumatologische Ambulanz verfügt. In besonders schwierigen Phasen der Erkrankung kann auch ein stationärer Aufenthalt im Krankenhaus notwendig werden. Wie wird Rheuma bei einem Kind festgestellt? An erster Stelle steht das ausführliche Gespräch mit dem Kinderrheumatologen. Wichtige Fragen sind: Gibt es in der Familie Rheumatiker? Wann haben die Schmerzen angefangen? Wie oft treten die Schmerzen auf? Wurde auch eine Veränderung beispielsweise an der Haut oder den Augen bemerkt? Diese Fragen dienen dazu, möglichst viele Informationen aus der Vorgeschichte des jungen Patienten zu sammeln und Zusammenhänge mit den aktuellen Beschwerden herzustellen. Neben der gründlichen Untersuchung der entzündeten Gelenke erfolgt eine weitere Einschätzung der Krankheit mittels bildgebender Verfahren wie Ultraschall, Röntgen, Magnetresonanz und selten Computertomografie. Wichtig für die Diagnose ist auch ein Blutbild. Bei der Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) wird das Verhalten der roten Blutkörperchen beobachtet. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf eine Entzündung im Körper ziehen. Auch die Menge des C- reaktiven Proteins (CRP) eines Eiweißstoffes im Blut nimmt zu, wenn eine Entzündung im Körper vorliegt: je höher die Werte, desto aktiver das Entzündungsgeschehen. Wie wird kindliches Rheuma behandelt? Hauptziel der Behandlung ist es, die Entzündung vollständig zu stoppen und damit bleibende Schäden an den Gelenken zu verhindern. Der Therapieplan ist je nach Patient unterschiedlich und besteht aus einer Kombination von Medikamenten, Physiotherapie, Ergotherapie, psychosozialer Unterstützung und selten auch Operationen. Welche Medikamente kommen zum Einsatz? Häufig sind mehrere Medikamente notwendig, um die verschiedenen Symptome der Entzündung und der Schmerzen in den Griff zu bekommen: Nicht-steroidale Antirheumatika wirken entzündungshemmend und zum Teil auch schmerzlindernd. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 29