Landgericht Frankfurt am Main Aktenzeichen: 2-03 S 5/13 Verkündet am: 10.04.2014 Justizfachangestellte Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In dem Rechtsstreit Im Namen des Volkes Urteil Prozessbevollmächtigter: - Klägerin und Berufungsklägerin - gegen - Beklagte Prozessbevollmächtigte: Waldorf Frommer Rechtsanwälte, Beethovenstraße 12, 80336 München, hat das Landgericht Frankfurt am Main - 3. Zivilkammer - durch Vorsitzenden Richter am Landgericht Richterin am Landgericht und
Richterin am Landgericht vom 10.04.2014für Recht erkannt: aufgrund der mündlichen Verhandlung Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß 540 Abs. 2 i.v.m. 313a Abs. 1 ZPO abgesehen. Die insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nicht begründet. Das Amtsgericht hat mit Recht den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von Rechtsanwaltsgebühren gemäß 823 Abs. 1 BGB verneint. Zwar kann eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung beziehungsweise Abmahnung (Ohly in: Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., 4 Rn. 10.33) unter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zum Schadensersatz P verpflichten (BGH, GSZ, GRUR 2005, 882, 885 Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung). Schutzrecht in diesem Sinne ist auch das Urheberrecht (Ohly in: Piper/Ohly/Sosnitza, a.a.o., 4 Rn. 10.33). Im konkreten Fall ist bereits zweifelhaft, ob die Schutzrechtsverwarnung überhaupt unberechtigt war und dabei einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb begründet. Unberechtigt ist eine Abmahnung, wenn der mit ihr geltend gemachte Anspruch - im konkreten Fall ein Unterlassungsanspruch gemäß 97 Abs. 1 UrhG - nicht besteht (beispielhaft: BGH, GRUR 2006, 219, 222 - Detektionseinrichtung II; LG Düsseldorf, MMR 2008, 625; Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., 4 Rn. 10.170). Ein betriebsbezogener Eingriff wiederum ist eine unmittelbare Beeinträchtigung des Betriebs als solchen beziehungsweise eine Bedrohung seiner Grundlagen, wobei sich der Eingriff nach objektiven Maßstäben speziell gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten muss (Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl., 823 Rn. 128).
Im konkreten Fall kann - entgegen der Einschätzung der Klägerin - davon ausgegangen werden, dass die Abmahnung an die Privatperson adressiert war und so auch vom objektiven Empfängerhorizont wahrgenommen werden konnte. Dies ergibt sich nicht nur aus der Anschrift des Schreibens vom 20.08.2012 (Bl. 7 d.a.) sowie der Verwendung von Sie (Bl. 7 und 7 R d.a.), sondern auch anhand des Entwurfs der Unterlassungserklärung (Bl. 9 R d.a.), in welcher sich als Unterlassungsschuldner verpflichten sollte. Entsprechend ist bereits ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin höchst fraglich. Ebenso ist zweifelhaft, ob die Abmahnung unberechtigt war. Entsprechend den Feststellungen des angegriffenen Urteils, wurde - unstreitig - das Urheberrecht der Beklagten durch das Anbieten des Films gemäß 19a UrhG verletzt. Fraglich bleibt dabei, wer die Urheberrechtsverletzung begangen In beiden Fällen kann jedoch eine Entscheidung dahinstehen, wenn der Anspruch schon aus anderen Gründen scheitert. Im konkreten Fall handelte die Beklagte jedenfalls nicht schuldhaft. Die Kammer folgt auch insoweit den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts in seinem angegriffenen Urteil. Art und Umfang der Sorgfaltspflichten eines Verwarners werden maßgeblich dadurch bestimmt, inwieweit er auf den Bestand und die Tragfähigkeit seines Urheberrechts vertrauen durfte (BGH, GRUR 2006, 432, 433 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht II). Im konkreten Fall wurde über einen Zeitraum von einem Monat zu sechzehn unterschiedlichen Zeitpunkten der Film jeweils mit demselben File Hash über die Tauschbörse BitTorrent Dritten zum illegalen Herunterladen angeboten, und zwar über acht verschiedene IP-Adressen, die allesamt dem Inhaber der Klägerin zugeordnet werden konnten. Der Inhaber der Klägerin, hat unter der streitgegenständlichen Adresse
5 einen privaten Nebenwohnsitz angemeldet und zudem als Privatkunde einen Internetanschluss zu grundsätzlich auf die private Nutzung abgestimmten Tarifkonditionen inne. Das mag nicht zweifelsfrei belegen, dass die Urheberrechtsverletzung im konkreten Fall auch tatsächlich von ihm verübt worden ist. Dies ist aber auch - in Übereinstimmung mit der Beurteilung durch das Amtsgericht - nicht streitentscheidend. Entscheidend ist vielmehr, ob die Beklagte unter Wahrung ihrer Sorgfaltspflichten auf eine solche Urheberrechtsverletzung seitens ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ /e rtra u e n durfte. Davon ist hier - entgegen der Einschätzung der Klägerin - auszugehen. Wird ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGH, GRUR 2010, 633 - Sommer unseres Lebens). Diese kann nur erschüttert werden, wenn Umstände > feststehen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ergibt (OLG Köln, MMR 2012, 549, 550). Solche sind im konkreten Fall nicht ersichtlich. Insbesondere ist das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18.08.2010 (2-06 S 19/09 = MMR 2011, 401) nicht auf den konkreten Fall übertragbar, da dort die Abmahnung an das Hotel gerichtet war (LG Frankfurt am Main, MMR 2011, 401, 402). Selbst wenn die Beklagte ermittelt hätte, dass unter der Anschlussadresse (auch) das klägerische Hotel verzeichnet ist, hätte sie aufgrund der Eigenart der Uploads (sechzehn unterschiedliche Zeitpunkte innerhalb eines Monats, immer derselbe File Hash) davon ausgehen dürfen, dass der Inhaber der Klägerin die Uploads durchgeführt hat. Die Tatsachen, dass dieser unter der genannten Adresse auch einen Nebenwohnsitz unterhalten hat, dort einen privaten Internetanschluss innehat, immer derselbe File Hash betroffen war und ein Dauergast für einen Monat doch ungewöhnlich ist, zumal die Zugriffe sowohl an Wochenenden als auch an Wochentagen stattfanden und damit Berufstätige, die über das Wochenende pendeln, wohl ausgenommen sind, berechtigten die Beklagte zur genannten Annahme. Bei solch einer Tatsachenhäufung erscheint es lebensfremd, jeden Rechteinhaber die Pflicht aufzubürden, sich zu
erkundigen, ob unter der Adresse gegebenenfalls auch eine Einrichtung zu finden ist, die im abwegigen Ausnahmefall eine abweichende Erklärung bereithalten könnte. Auch die Tatsache, dass acht verschiedene Client Hashes ermittelt wurden, begründet nicht die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs. Dies mag die Kumulation an genannten Umständen, die die Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers vermuten lassen, nicht erschüttern. Die Beklagte hätte auch nicht vorab eine sog. Berechtigungsfrage an den Inhaber der Klägerin stellen müssen. Eine solche Berechtigungsanfrage könnte bei unklarer Rechts- insbesondere Schutzrechtslage gegebenenfalls dann angezeigt sein, wenn der Abmahnende Anlass für die Annahme haben kann, dass Ansprüchen aus dem Urheberrecht beachtliche Einwendungen entgegenstehen könnten, auch wenn für den Empfänge? einer unberechtigten Abmahnung nach der Rechtsprechung keine Antwortpflicht besteht (OLG München, NJOZ 2001, 1656, 1660). Zwar trägt der Anschlussinhaber, im konkreten Fall der Inhaber der Klägerin, demnach eine sekundäre Darlegungslast (BGH, GRUR 2010, 633 - Sommer unseres Lebens, mit Verweis auf OLG Köln, ZUM 2010, 269, 270; 2010, 365, 366). Ob seine Darlegungen dieser Last genügen, kann im konkreten Fall jedoch dahinstehen. Wie bereits ausgeführt, ist nicht maßgeblich und hier auch ausdrücklich nicht zu entscheiden, ob der Inhaber der Klägerin für die geltend gemachte Rechtsverletzung auch tatsächlich verantwortlich ist.- Entscheidend ist hingegen ausschließlich, ob die Beklagte bei der Abmahnung auf solch eine Verantwortlichkeit vertrauen durfte. Davon ist aus den genannten Gründen auszugehen. Verstöße gegen verfahrensrechtliche Vorschriften, insbesondere gegen 139 ZPO, 286 ZPO sowie das Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, 543 Abs. 2 ZPO. für die wegen Urlaubs an der Unterzeichnung gehinderte Richterin am Landgericht Holuschek