Predigt Jubiläum 100 Jahre Salesianum. Evangelium Joh 14,1-6



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Transkript:

Predigt Jubiläum 100 Jahre Salesianum Evangelium Joh 14,1-6 Lieber Bischof Bernard, liebe Mitbrüder Liebe Schwestern und Brüder im Glauben, Liebe Festgemeinde. Wohnen ist ein Wort, das den heutigen Festtag bestimmt Wohnen können, Wohnung schaffen für Theologie Studierende war vor 100 Jahren die Motivation für den Bau des Salesianums hier in Fribourg Wohnen können, Wohnung haben ist eine Erfahrung, die das Leben eines jedes Menschen in irgendeiner Art bestimmt sei es, glücklich in einer Wohnung zuhause zu sein, oder sei es, auf Wohnung verzichten zu müssen und schutzlos, ungeborgen in der Welt zu leben. Mit dem Bild der Wohnung lässt uns der Evangelist Johannes im heutigen Evangelium einen verstehenden Blick in das Geheimnis unserer endgültigen Zukunft bei Gott werfen. Ich brauche heute dieses Bild, um die hundert Jahre des Salesi hier im Gottesdienst zu würdigen, im dem ich selber fünf Jahre während meinem Studium in Fribourg wohnen durfte. Die erste Wohnung wählt der Mensch nicht selber. Bei der Geburt verlässt er den Mutterschoss, und weint - wie der heilige Franz von Sales sagt - weil es nach der Wärme und Geborgenheit im Mutterschoss zum ersten Mal die Kälte, das Licht und eine ungewohnte Luft spürt. Dazu gibt Franz von Sales eine mystische Erklärung, weil es geboren wird, um zu sterben und zu leiden. Diese Erfahrung der Kälte und Schutzlosigkeit wird aufgefangen von liebenden und bergenden Händen der Eltern, deren unbedingtes JA, ihre Liebe, die Entfaltung des Kindes erst ermöglichten. Aufgenommen sein in die Wohnung von Vater und Mutter, bei ihnen geborgen zu sein, auf sie vertrauen zu können, sind lebensnotwenige Geschenke, die dem Kind gratis aus reiner Gnade 1

zukommen. Wenigstens dem glücklichen Kind, dem Kind, dessen Eltern sich verhalten, wie ihr eigener Schöpfer sie dazu berufen hat. Von diesem Moment an können wir die Lebensgeschichte eines jeden Menschen als Wohngeschichte verfolgen. Was hat dies nun mit unserem Fest zu tun? Ich meine ein Mehrfaches lassen sich mich drei Gedanken entfalten: 1. Salesi Seminarium-Haus / Treibhaus Wenn das Kind erwachsen ist und in die eigene Lebensverantwortung hineinwächst, verlässt es den Schutzraum des Elternhauses. Es entwickelt seine geistigen und körperlichen Kräfte, um eine eigenständige Persönlichkeit zu werden. Der Mensch setzt sich Lebensziele und sucht Wege, sie zu erreichen Angewiesen allein auf sich selbst wird er schnell spüren, dass er nicht weit kommt. Er braucht ein Zuhause, eine Wohnung, die ihm Raum zur persönlichen Entfaltung gibt und die ihn zusammenbringt mit Menschen, die auf dem gleichen Weg und in der gleichen Lebenssituation sind. Schutzraum, Privatraum, Experimentierraum, Raum, in dem Lebensweichen gestellt werden und Entscheide reifen können, Ort der Begegnung und Auseinandersetzung mit Menschen, die es gut meinen und die Entfaltung des Lebens fördern, Ort aber auch, wo wir uns behaupten und durchzusetzen lernen. Ein solcher Lernort des Lebens wollte das Salesianum die ersten 50 Jahre für junge Männer sein, die sich auf den priesterlichen Dienst in der Kirche vorbereiten. In unseren Vorstellungen und aus heutiger Sicht beurteilen wir das Leben im Salesianum damals fast wie ein Treibhaus mit Monokultur - im Geist der damaligen Zeit und Kirche war es aber ein äusserst notwendiges Haus für die Bistümer in der Schweiz, die keine eigenen Priesterseminare hatten. Wir St. Galler jedenfalls waren darauf zutiefst angewiesen es erfüllt uns heute mit grossem Dank, dass 2

in jenen Jahren ein grosser Teil unseres Klerus in der Salesigemeinschaft Wohnung fand und in der theologischen Fakultät, eingebettet in die Weite einer katholischen Universität, studieren durfte. Wir ehren heute im Rückblick die Gründer mit ihren mutigen Entscheiden in nicht immer einfachen und uns nicht immer verständlichen Zeitumständen und darum werden wir Ihren hohen Idealen und Lebenshaltungen in der schnellen Beurteilung oft auch ungerecht. (Sicht eines pastoralen Bischofs, sicher nicht eines differenziert denkenden Professors ) 2. Salesi Haus mit offenen Fenstern (aggiornamento) und Experimentierhaus Wohnen ist aber mehr, als ein Dach über dem Kopf zu haben. Wohnen heisst immer auch Daheim, Zuhause sein, etwas von dem zu erfahren, was uns als Kinder Vater und Mutter zu geben vermochten. Wenn auch das Haus hoch oben in Fribourg, wo Himmel und Erde sich berühren, unverändert wie vor 100 Jahren das Stadtbild prägt, hat der Wandel der Zeit in Kirche und Gesellschaft das Leben im Haus mitgeprägt und verändert. Zu den Priesterstudenten sind Theologiestudierende mit verschiedenen Berufszielen getreten, Umbrüche durch Konzil und Synode haben Bewegung in die Gemeinschaft gebracht, Theologengruppen deutscher, französischer und italienischer Sprache, junge Menschen verschiedenster Nationalitäten, Studierende auch anderer Fakultäten also eine äusserst bunte Mischung verschiedenster Menschen haben Lebensjahre im Salesianum verbracht und eben nicht nur, um ein Dach über dem Kopf zu haben, sondern auch um miteinander in Gruppen und im Ganzen eine Gemeinschaft zu lernen. Neben der Schule des Geistes an der Uni wollte das Salesi immer auch die Verbindlichkeit und die Solidarität fördern. Das bedeutet, sich für eine Gemeinschaft einzusetzen und diese auch mitzugestalten. In den Jahrzehnten grossen Umbruchs in Kirche und Gesellschaft wurde das 3

Salesianum zum Experimentierraum ganzheitlichen Lebens und Zusammenlebens aus christlichem Geist, was es bis heute noch ist Gott sei Dank. Durch all die Jahre blieben die Verantwortlichen im Salesianum der Sendung treu, Glauben und Leben miteinander fruchtbringend zu verbinden. Das war sicher nicht immer einfach. Es ist aber den Regenten und den Leitungsverantwortlichen gelungen, ein offenes Haus mit gastfreundlichem Geist zu gestalten, das sich immer auch dazu bekannte, Haus der Kirche zu sein, und zwar einer allumfassenden, katholischen Kirche. Den Dank dafür bringen wir heute in diesem Gottesdienst mit grosser Freude vor Gott. 3. Frei zitiert nach Karl Rahner: Die Zukunft der Kirche wird mystisch sein oder sie wird nicht mehr sein. Das Kind weint, mystisch gesehen, weil es die Geburt in diese Welt als eine Geburt ins Leiden und Sterben erfährt so deutet Franz von Sales die ersten Lebensschreie des Kindes. All unser Wohnen in den verschiedensten Lebensphasen und all die Geborgenheit und Liebe unserer Mitmenschen können uns nicht darüber hinwegtrösten, dass wir letztlich jede noch so gute Wohnung und jede noch so tragende Beziehung einst verlassen müssen und wer weiss schon wann? Diese Urlast in unserer Seele drückt, und zwar j e d e n Menschen. Haben wir heute die Verkündigung des Evangeliums gehört gut gehört und zwar, wie die Liturgie der Kirche uns erschliessen will als Wort Gottes an uns jetzt, ganz konkret? Jesus, der Auferstandene wendet sich in dieser heiligen Feier persönlich an uns in diesen bangen Erfahrungen in der Reflexion unseres Lebens, wenn er sagt: Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott, und glaubt an mich. Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. 4

Ich gehe, Euch einen Platz zu bereiten. Der Weg zum Vater bin ICH Ich bin der Weg, die Wahrheit und Leben; niemand kommt zum Vater ausser durch mich. (Joh 14) Das Salesi hilft jungen Menschen, beziehungsfähig zu werden, Kirche zu erfahren als suchende und feiernde Gemeinschaft. Wer sucht, feiert, Gemeinschaft pflegt, der kann in Jesus eine Wohnung finden, die ihn birgt in all den Herausforderungen des Lebens und der wird gleichzeitig befähigt, in diese Welt gesendet zu werden. Ganz und gar sesshaft werden können wir Menschen nicht in einem Haus, auch nicht im Salesi, sondern allein im Glauben und im Vertrauen auf den Vater Jesu Christi. Wenn ich gegangen bin, spricht Christus, und einen Platz für Euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, wo ich bin. DURCH MICH KOMMT IHR ZUM VATER. Ist es nicht unsere Sendung, in der Biographie der Menschen und in der Gemeinschaft der Kirche unter den Menschen diese zentrale Botschaft zu verkünden und durch erfahrene Wohngemeinschaft wach zu halten. Ich denke, das eröffnet dem Salesi eine missionarische Zukunft ins nächste Jahrhundert. +Markus Büchel, Bischof von St. Gallen 5