Vorzüge Nachteile. TEST Armin Strom Manual Earth. + eigenständiges, technisches Design + Manufakturwerk + hoher Tragekomfort

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1 TEST Armin Strom Manual Earth Vorzüge Nachteile + eigenständiges, technisches Design + Manufakturwerk + hoher Tragekomfort kein Sekundenstopp große Gangunterschiede

2 TEXT: JENS KOCH FOTOS: NIK SCHÖLZEL STROM GEGEN DEN Wer der SCHWARM-INTELLIGENZ misstraut und deshalb nicht die gleiche Uhr wie die anderen großen Fische tragen will, muss gegen den Strom schwimmen. Zu entdecken gibt es dabei Armin Stroms Höhle der fantastischen Zahnräder. Da ziehen sie vorbei, die Schwärme von Rolex-, Omegaund Breitling-Trägern. Die Uhren lassen sich zwar auf den ersten Blick unterscheiden wie Heringe und Thunfische, und man ist auch immer in guter Gesellschaft. Aber Charakter und Individualität kann man mit den omnipräsenten Sportuhren nicht beweisen. Wer etwas Besonderes haben will, der muss sich abseits vom Mainstream umsehen. Und das muss nicht immer weit weg sein: In Biel, nur ein paar Minuten entfernt vom Hauptquartier der Swatch Group, baut Armin Strom an ziemlich ungewöhnlichen Kreationen und verzichtet dabei weitgehend auf Teile des benachbarten Hayek-Imperiums Chronos 83

3 TEST Armin Strom Manual Earth Werkschau: Das fein verzierte Manufakturkaliber lässt tief blicken Eine Marke für Individualisten war Armin Strom schon früher: Die vom Gründer und Namengeber seit Jahrzehnten kunstvoll von Hand skelettierten Uhren waren allerdings nur wenigen Liebhabern bekannt kaufte der Industrielle Willy Michel, der mit Medizintechnik ein ansehnliches Vermögen gemacht hat, das Ein-Mann-Unternehmen und investierte kräftig. Das ermöglichte es seinem Sohn Serge Michel, 2009 als CEO einen neuen Firmensitz in Biel zu beziehen, einen Chefentwickler einzustellen, Maschinen für die Produktion anzuschaffen und eigene Uhrwerke zu entwickeln. Die neuen Werke wurden so konstruiert, dass die Skeletttradition der Marke in einer modernen Form fortgeführt wird. Man soll von vorn die Tiefe des Werks erfahren können, ohne aber ganz hindurchsehen zu können. In Biel werden bis auf wenige Ausnahmen alle Teile selbst hergestellt: Platinen, Brücken, Räder, Hebel, Federn und Schrauben entstehen hier. Und sie werden von Hand verziert. Mit 73 Jahren hat sich Armin Strom letztes Jahr aus Altersgründen weitgehend aus dem Geschäft zurückgezogen. Es gibt aber weiterhin klassisch skelettierte Uhren in der Linie Blue Chip. Die zwei anderen Kollektionen Armin Racing und Armin sind eher sportlich-technisch. Ganz so exotisch und farbenfroh wie ein Paletten-Doktorfisch oder ein Rotfeuerfisch fallen diese Uhren nicht aus. Das Design gibt sich aber sehr eigenständig: Die Anzeigen sind leicht exzentrisch nach links versetzt. Rechts daneben findet sich eine aufgeschraubte Brücke mit Armin -Schriftzug. Zudem besteht das Zifferblatt nur aus zwei Ringen für die Stunden und Minuten sowie für die kleine Sekunde. Das erlaubt den Blick aufs Werk. Dieses wurde so aufgebaut, dass es sich auch wirklich lohnt, von dieser Seite gesehen zu werden. Dazu gehören die sichtbaren Stellräder für die Kroneneinstellung der Zeit mit ihrer kleinen Brücke und das größtenteils freigelegte Federhaus mit Sonnenschliff und Schriftzug, das aus der Tiefe des Werks hervorschaut. Man kann also von vorn in das Werk eintauchen wie in eine Unterwasserhöhle aus Metall und Zahnrädern. Die Wände sind dunkel und mit 84 Chronos

4 DATENBLATT Das Manufakturkaliber wurde so aufgebaut, dass man von vorn und hinten TIEFE EINBLICKE in die Mechanik bekommt. ARMIN STROM MANUAL EARTH HERSTELLER Armin Strom AG, Bözingenstrasse 46, CH-2502 Biel FUNKTIONEN Stunden, Minuten, kleine Sekunde WERK Manufakturkaliber AMW11, Handaufzug; A/h, 20 Steine, Incabloc-Stoßsicherung, Feinregulierung über Gewichtsschrauben an der Glucydur-Unruh, Gangautonomie 120 h; Durchmesser 36,6 mm, Höhe 6 mm GEHÄUSE PVD-beschichteter Edelstahl, gewölbtes, beidseitig entspiegeltes Saphirglas, Vollgewindeboden mit Saphirglasfenster; druckfest bis 5 bar ARMBAND UND SCHLIESSE Alligatorlederband mit Dornschließe aus PVD-beschichtetem Edelstahl GANGPRÜFUNG (Abweichung in Sek./24 h) Zifferblatt oben Zifferblatt unten Krone oben...+2 Krone unten...0 Krone links... 1 Krone rechts...+6 Größte Gangabweichung:...21 Mittlere Abweichung:...+6,3 Mittlere Amplitude: Flachlagen hängende Lagen MASSE Durchmesser 43,4 mm, Höhe 13 mm; Gewicht 110 g LIMITIERUNG 100 Exemplare PREIS 8720 geometrischen Mustern versehen, denn die Platine und die Brücken wurden grau rhodiniert und mit einem runden Genfer Streifenschliff verziert. Beim Zifferblattring sind die polierten Stundenziffern Zwölf, Drei und Sechs aufgesetzt. Sie unterscheiden sich allerdings zu wenig von den weißen und ebenfalls radialen Fünf-Minuten-Ziffern. Aber die breiten, hellen Zeiger heben sich deutlich vom Werk ab, sodass man die Zeit gut erkennen kann. Unter der Lupe betrachtet, können die flachen Zeiger bei der sonst sehr hohen Verarbeitungsqualität nicht ganz mithalten: Man sieht ihnen an, dass sie ausgestanzt wurden. Leuchtmasse findet sich nur auf den Zeigern, nicht auf dem Zifferblatt, was in der Dunkelheit nur etwas mehr Orientierung als ein Tiefsee- Anglerfisch bietet. Ganz so weit hinunter ins Meer sollte man mit der Uhr ohnehin nicht, denn die Druckfestigkeit beträgt lediglich fünf Bar, was 50 Metern Wassertiefe entspricht. Das reicht nach allgemeiner Meinung nicht einmal zum Schwimmen. Wohl aber für den täglichen Gebrauch. GEHÄUSE MIT LIEBE ZUM DETAIL Das Gehäuse ist ausgezeichnet verarbeitet und glänzt mit sehr schönen Details. So sind die meisten Flächen strichmattiert, die Lünette besitzt sogar einen Sonnenschliff. Damit kontrastieren die polierten Kanten. Viel Liebe zum Detail verrät auch die Geometrie des Gehäuses: Von der Seite sieht man, dass das Gehäuse einen umgekehrten Kegelstumpf darstellt, auf dem die abgeschrägte Lünette, die wieder eine polierte Kante besitzt, wie ein Deckel thront. Bei sechs Uhr gibt es noch eine Plakette, die Platz für persönliche Gravuren wie Initialen oder Ähnliches bietet. Damit lässt sich die ohnehin auf 100 Exemplare limitierte Manual Earth noch weiter individualisieren. Die schwarze PVD-Beschichtung des Gehäuses macht einen sehr haltbaren Eindruck, selbst an beanspruchten Kanten zeigen sich nach zweimonatigem Tragen noch keine Abrieberscheinungen. Das gilt auch für die bei Schreibtischtätern noch stärker beanspruchte und ebenfalls schwarz beschichtete Dornschließe. Sie ist passend zum Gehäuse satiniert und besitzt ebenfalls eine Plakette, in die das Armin-Strom- Logo graviert wurde. Auch hier begegnet man dem deutlichen Gestaltungswillen: So läuft der Dorn von oben gesehen leicht konisch zu. Von der Seite gesehen verjüngt er sich noch stärker und besitzt eine ausgeprägte Wellenform, die dafür sorgt, dass das dicke Band nicht zu stark geknickt wird Chronos 85

5 TEST Armin Strom Manual Earth Das Armband ist ebenfalls eine Augenweide: Es besteht aus Hornback, also aus dem Rückenteil des Alligators, mit den charakteristischen Hornhöckern auf den großen Schuppen. Das sieht etwas wie eine aus dem Wasser ragende Rückenflosse aus. Das Band wurde mit einer Sattlernaht von Hand zusammengenäht, und die weiße Naht sowie das schwarze Leder nehmen die Zifferblattfarben wieder auf. Während das Alligatorlederband mit den Höckern etwas Exotik versprüht, geht die Bedienung übliche Wege. Die Uhr lässt sich leicht über die griffige Krone aufziehen, und in der ersten gezogenen Position kann man die Zeit einstellen. Ein Sekundenstopp fehlt allerdings. Auch auf ein Datum muss man verzichten, was die Bedienung allerdings vereinfacht. Beim Tragekomfort gibt es ebenfalls Positives zu vermelden: Trotz der Größe von über 43 Millimetern liegt die Uhr gut am Arm und neigt nicht zum Rutschen. Das dicke Band ist zwar nicht übermäßig weich, passt sich aber schnell dem Handgelenk an. Es überdeckt auch die spitzen inneren Ecken der Bandanstöße, sodass von ihnen nichts mehr zu spüren ist, wenn der Zeitmesser am Arm liegt. EINTAUCHEN INS WERK Auf der Rückseite lässt sich wieder tief ins Werk eintauchen. Der große Saphirglasboden gibt den Blick frei auf das über 36 Millimeter große Handaufzugswerk. Die Aufzugsräder mit gedrehtem Sonnenschliff und die ungewöhnliche bogenförmige Räderwerksbrücke sind gut zu erkennen. Sie wurde von Hand mit einem eigens von der Graveurin entworfenen Motiv verziert. Für die Ma- Liebe zum Detail: das schön geformte Gehäuse mit satinierten Flächen und polierten Kanten TESTERGEBNIS ARMIN STROM MANUAL EARTH ARMBAND UND SCHLIESSE (max. 10 Punkte) Das exotische Armband aus Hornback-Alligatorleder ist sauber von Hand genäht, die Dornschließe raffinert gestaltet und gut verarbeitet....9 BEDIENUNG (5) Aufziehen, Kroneziehen, Zeiteinstellen einfacher geht es nicht. Nur ein Sekundenstopp fehlt, um die Uhr genau synchronisieren zu können...4 GEHÄUSE (10) Das schwarz beschichtete Edelstahlgehäuse mit satinierten und polierten Flächen ist sorgfältig verarbeitet und mit viel Liebe zum Detail konstruiert....9 DESIGN (15) Das sehr eigenständige, gelungene und konsequente Design erlaubt schöne Einblicke ins Werk, das ebenfalls farblich und konstruktiv angepasst wurde ABLESBARKEIT (5) Hoher Kontrast, aber nachts leuchten nur die Zeiger, keine Referenzpunkte auf dem Zifferblatt....4 TRAGEKOMFORT (10) Trotz der Größe liegt die Uhr gut und fest am Arm. Die scharfen Ecken machen sich nicht unangenehm bemerkbar....8 WERK (20) Mit fünf Tagen Gangreserve, schönem Aufbau und aufwendigen Handverzierungen kann das Manufakturkaliber punkten GANGERGEBNIS (10) Nach den strengen Chronos-Kriterien erreicht das Werk wegen der großen Differenz zwischen den Lagen nur wenige Punkte. Die mittlere Abweichung ist aber in Ordnung....4 GEGENWERT (15) Für die hohe Qualität angemessener Preis. Die eigentlich teure Exklusivität schlägt sich nicht stark im Preis nieder CHRONOS-WERTUNG 79 Punkte nual Earth entschied man sich für das Alpenpanorama von Eiger, Mönch und Jungfrau. Bei den Modellen Water, Fire und Air findet man dagegen Wellen, Flammen und Wolken. Die Kanten werden von Hand angliert und poliert, was man wirklich selten sieht. Die Räderwerksbrücke wurde so schmal ausgeführt, damit man in der Tiefe des Werks Sekundenrad, Zwischenrad und Minutenrad sehen kann. Die Räder werden im eigenen Haus hergestellt und sehen mit ihren Speichen mit gebrochenen Kanten sehr schön und dreidimensional aus. Zu dem runden Genfer Streifenschliff auf den Brücken gesellen sich die sorgfältig polierten Schraubenköpfe und die Perlierung auf der Grundplatine sowie der Unruh-

6 Exotisch: Das Hornback-Alligatorleder des Bandes weist Höcker auf; die Schließe ist schön gestaltet brücke. Diese befindet sich zusammen mit der Hemmung innerhalb der bogenförmigen Räderbrücke. Die Schraubenunruh und Spiralfeder mit von Hand gebogener Breguet-Endkurve stammt ebenso von Precision Engineering wie Ankerrad und Anker aus Massivgold. Die Unruh bewegt sich mit für Taschenuhren typischen langsamen Halbschwingungen in der Stunde. Auf der Witschi-Zeitwaage Chronoscope X1 zeigt die Manual Earth eine Stunde nach Vollaufzug mittelmäßige Ergebnisse. Vor allem die größte Abweichung zwischen den Lagen fällt mit 21 Sekunden zu hoch aus. Und die Amplitude erreicht in den Flachlagen teilweise Werte, die nicht mehr weit vom Prellen entfernt sind. Die errechnete mittlere Abweichung beträgt +6,3 Sekunden, was ein ordentlicher Wert ist. Auch zwölf Stunden nach Vollaufzug bleiben die Werte ähnlich. Als Trost bleibt, dass Handaufzugsuhren selten an die Präzision von Automatikuhren heranreichen. Schon gar nicht, wenn sie eine lange Gangdauer von fünf Tagen und nur ein Federhaus besitzen, wie das Kaliber AMW11. Das Werk wurde 2011 als zweites Manufakturkaliber vorgestellt. Das erste eigene Werk ARM09 entstand Es verfügt über zwei Federhäuser, sieben Tage Gangreserve und eine Gangreserveanzeige. Bei Uhren mit diesem Werk sieht man auch von vorn dreidimensionale Räder, allerdings sind diese One Week - Modelle mit über Euro wesentlich teurer als die Manual Earth, die 8720 Euro kostet. Einen gewissen Aufpreis für die Exklusivität muss man schon zahlen, denn Entwicklungs- und Werkzeugkosten lassen sich nur auf bedeutend weniger Stückzahlen umlegen als bei massenhafter Serienfertigung. Für die gebotene hohe Qualität ist der Preis aber angemessen. Kaufen kann man Armin-Strom-Uhren auch in Deutschland. Das Händlernetz ist zwar mit drei Juwelieren etwas dünn, aber das sieht bei ausgefallenen englischen Sportwagen wie Morgan auch nicht anders aus. Wie bei den offenen englischen Sportwagen muss man auch bei den Uhren für die Exklusivität etwas Verzicht üben. Auf ein Datum zum Beispiel, auf den automatischen Aufzug und auf einen Sekundenstopp. Dafür bekommt man ein Manufakturwerk mit langer Gangdauer und ein schönes eigenständiges Design mit dem gelungenen Konzept der Werkschau. Es lohnt sich also, gegen den Strom zu schwimmen und mit der Manual Earth Neuland zu betreten Chronos 87