Bertschi von Rorschach

Transkript

1 Bearbeitungstiefe Name Namensvariante/n Bertschi, Nikolaus Bärtschi, Nikolaus Berschin, Niclaus Bertschis, Niklaus Bertschi von Rorschach Bertschy, Nicolaus Meister N B Berschi, Nikolaus Perschin, Nikolaus Perse, Nikolaus Perssich, Nikolaus Pertsche, Nikolaus Pertschin, Niclas Pertsch, Nikolaus Lebensdaten Bürgerort Vitazeile Tätigkeitsbereiche Lexikonartikel * 1470/1480, 1541 oder 1542 Augsburg Augsburg (D) Buchmaler im Gebiet des Bodensees und in Augsburg. Illuminist und Formschneider (?). Vater des gleichnamigen Illuministen Nicolas Bertschyn der Jüngere. Buchmalerei in der Schweiz und in Süddeutschland Buchmalerei Geboren zwischen 1470 und Aufgrund seines Beinamens «de Roschach» bringt ihn die Forschung mit der in Rorschach Seite 1/5,

2 nachgewiesenen Familie Bertschi in Zusammenhang. In den Jahren 1510 bis 1516 ist er als Steuern zahlender Nichtbürger in Augsburg nachweisbar malt er ein Selbstporträt in einer Handschrift, dem Lorcher Graduale, das ihn zusammen mit seiner Frau Margareta geb. Weller und mit dem Benediktinermönch und Kaligrafen Leonhard Wagner bei der Arbeit zeigt. Von 1519 bis 1541 ist er in Augsburg als Bürger ansässig. Bertschi muss spätestens 1542 verstorben sein, da Margareta in Augsburg von 1542 bis 1568 als Witwe verzeichnet ist. Ab 1553 ist sie zusammen mit ihrem Sohn Niclas nachweisbar. Obwohl Nikolaus Bertschi das Bürgerrecht der Stadt besitzt, ist er kein Mitglied der Malerzunft. Dies schliesst die mehrfach angenommene reguläre Lehre bei den Zunftmeistern Jörg Breu dem Älteren oder Hans Burkmair dem Älteren aus. Die Zusammenarbeit mit Leonhard Wagner und dem Konvent von St. Ulrich kennzeichnet ihn als Künstler, der eng mit den kirchlichen Werkstätten arbeitet. Die Unabhängigkeit von der Zunft ermöglicht auswärtige Tätigkeiten mit längerer Abwesenheit von der Stadt. Dies erlaubt Arbeiten für die Klöster St. Gallen, Kaisheim und Lorch. Er tritt dabei mit verschiedenen Schreibern der Klöster in Arbeitsgemeinschaft auf. Durch diese Kontakte, insbesondere mit dem Augsburger Benediktinerkloster, hat er Zugang zu und Kenntnis der verbreitetsten und neuesten Bildvorlagen unterschiedlichster Provenienz. Er signiert seine Werke mit den Initialen NB (einzeln und auch in Ligatur), N. B. I oder durch sein Zeichen der gegeneinander gerichteten Halbmonde, die sich an den Enden überschneiden. In seiner Werkstatt scheinen auch Familienmitglieder gearbeitet zu haben, was sowohl die Selbstdarstellung mit seiner Frau im Lorcher Graduale wie auch die Weiterführung seines Betriebs 1542 durch die Witwe und 1553 durch seinen Sohn belegt. Die Arbeitsgemeinschaften wechseln oft. Eine selbstständige Tätigkeit als Formschneider ist für Nikolaus Bertschi bisher nicht nachgewiesen. Bereits in Bertschis Arbeiten für das Kloster St. Gallen zeigen sich Stilelemente der schwäbischen und speziell der augsburgischen Buchmalerei. Bertschis Malereien sind durch eine hohe handwerkliche Qualität gekennzeichnet. Auffälligstes Merkmal ist die Farbigkeit. Sie zeigt sich in den Rankenmalereien der Randverzierungen und in den voluminös-naturalistischen Blüten und Fruchtständen. Als persönliche Handschrift werden die goldenen und silbernen Sonnen mit kurzen Seite 2/5,

3 Strahlen sowie die formbegleitenden, zahlreichen Federschnörkel gesehen. Die bei ihm wiederkehrenden Motive scheinen zum Teil auf Vorlagen aus dem Umfeld des Klosters St. Ulrich zu beruhen, so etwa die «wilden Männer», die Jagd auf Hirsche oder auch auf Bären, die Putti, die sich spielerisch in den vegetabilen Ranken bewegen und die sich aus den Pflanzen entwickelnden Gesichtsmasken. Die «welschen Kindlein» (Putti in italienischer Manier gemalt) verwendet der Buchmaler Conrad Wagner im Kloster St. Ulrich bereits um 1490 in einem Graduale. Die erhaltenen Lorcher Chorbücher geben Bertschis weit gespanntes Œuvre wieder, das mit den meist geschlossenen Rahmengestaltungen auch niederländische Einflüsse aufweist. Bertschis Musterkatalog wirkt sich auch auf die Wandmalerei aus: So im Kapitelsaal auf Mariaberg bei Rorschach oder im Kloster Maulbronn aufgrund der Verbindung zum württembergischen Herzogshof durch die Lorcher Chorbücher (Brunnenhaus und Kreuzgang, 1511; Herrenrefektorium, 1517). Für beide Werke gilt Herzog Ulrich als Hauptstifter. Werke: Fragmente des Prachtsequentiars zum 600. Todestag von Notker I.: Einzelblatt in Basel, Kupferstichkabinett Z 115 (8), Einzelblatt in Zürich, Zentralbibliothek Staatsarchiv, AG 18, fol.6; München, Bayrische Staatsbibliothek, Clm 28150, Kaisheimer Antiphonale, pars hiemalis de sanctis; St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. 1767, Graduale de tempore; St. Gallen, Stiftsbibliothek, Ink. 87, Summa des heiligen Antonius von Florenz; Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Lorcher Chorbücher: Graduale, Cod. Mus. I 2 0 I 65 und zwei Antiphonarien, Cod. Mus. I und 64. Quellen: Stadtarchiv Augsburg, Steuerbücher , Johannes Wilhelm, 2013 Literaturauswahl - Johannes Wilhelm: «Ein Aspekt der Verbreitung der Renaissance im südwestdeutschen Raum». In: 900 Jahre Kloster Lorch: eine staufische Gründung vom Aufbruch zur Reform. Hrsg. von Felix Heinzer [et al.]. Stuttgart: Kohlhammer, 2004, S Jahre Kloster Lorch: eine staufische Gründung vom Aufbruch zur Reform. Hrsg. von Felix Heinzer [et al.]. Stuttgart: Kohlhammer, Walter Berschin: «Neue Forschungen zum Augsburger Buchmaler Seite 3/5,

4 Nicolaus Berschin d. Ä. (Bertschi, Bertschy; um 1541)». In: Scriptorium. Revue des études relatives aux manuscrits médiévaux, 2001, 55, S Ulrich Merkl: Buchmalerei in Bayern in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts: Spätblüte und Endzeit einer Gattung. Regensburg: Schnell + Steiner, Josef Holenstein: «Zur Forschung über den Buchmaler Nikolaus Bertschi von Rorschach». In: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, 16, 2, S Erich Steingräber: Die kirchliche Buchmalerei Augsburg um Augsburg: Die Brigg, [1956] - Augsburger Renaissance. Augsburg, Schaezler-Haus, Katalogbearbeitung von Norbert Lieb, Hannelore Müller und Günther Thiem. Augsburg: Die Brigg, [1955] - Alfred A. Schmid: Die Buchmalerei des XVI. Jahrhunderts in der Schweiz. Olten: Urs Graf, Josef Müller: «Nikolaus Bertschi von Rorschach als Illuminator stift-stgallischer Handschriften». In: Rorschacher Neujahrsblatt, 1937, 27, S Josef Müller: «Nikolaus Bertschi von Rorschach: ein unbekannter Buchmaler aus der Frühzeit der Buchdruckerkunst». In: Rorschacher Neujahrsblatt, 1936, 26, S Albert Hämmerle: «Nikolaus Berschin, ein unbekannter Augsburger Formschneider um 1530». In: Vierteljahreshefte zur Kunst und Geschichte Augsburgs, 1935, S Nachschlagewerke - Historisches Lexikon der Schweiz. Dictionnaire historique de la Suisse. Dizionario storico della Svizzera, hrsg. von der Stiftung Historisches Lexikon der Schweiz; Chefredaktor: Marco Jorio, Basel: Schwabe, 2002 ff. - Allgemeines Künstler-Lexikon. Die bildenden Künstler aller Zeiten und Völker, München, Leipzig: Saur, 1992 ff. - Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, begr. von Ulrich Thieme und Felix Becker, 37 Bde., Leipzig: Seemann, Direktlink Normdaten GND Deutsche Biographie Letzte Änderung Seite 4/5,

5 Disclaimer Alle von SIKART angebotenen Inhalte stehen für den persönlichen Eigengebrauch und die wissenschaftliche Verwendung zur Verfügung. Copyright Das Copyright für den redaktionellen Teil, die Daten und die Datenbank von SIKART liegt allein beim Herausgeber (SIK-ISEA). Eine Vervielfältigung oder Verwendung von Dateien oder deren Bestandteilen in anderen elektronischen oder gedruckten Publikationen ist ohne ausdrückliche Zustimmung von SIK-ISEA nicht gestattet. Empfohlene Zitierweise AutorIn: Titel [Datum der Publikation], Quellenangabe, <URL>, Datum des Zugriffs. Beispiel: Oskar Bätschmann: Hodler, Ferdinand [2008, 2011], in: SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz, Zugriff vom Seite 5/5,