Himmlische Perspektiven. Semestereröffnungsgottesdienst - Sommersemester Johann Sebastian Bach ( ) Dorische Toccata
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- Gerd Berger
- vor 7 Jahren
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1 Evangelische Schloßkirche der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn Akademische Gottesdienstreihe Himmlische Perspektiven Semestereröffnungsgottesdienst - Sommersemester 2016 Johann Sebastian Bach ( ) Dorische Toccata Votum Wochenspruch: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe Neues ist geworden. Begrüßung: Zum ersten akademischen Gottesdienst im Sommersemester 2016 begrüße ich Sie alle sehr herzlich, ob Erstsemester oder Seniorstudentin, ob Gast aus diesem festlichen Anlass der Eröffnung, ob altvertrautes Gemeindeglied, Kollege oder Kommilitonin. Siehe, ich mache alles neu! lautete der Titel der Gottesdienstreihe im vergangenen Wintersemester und wir schließen in diesem Semester daran an mit dem Titel Himmlische Perspektiven. Die Gottesdienstreihe ist ein Teil des vierten Schloßkirchenprojekts, das wir gestern Abend unter dem Titel Grenzenlos Himmlische Perspektiven, mit einer Kunstausstellung eröffnet haben. Wir suchen in diesem Projekt, mit Predigten, Kunstwerken, Vorträgen, Konzerten und auch wieder mit einer Befragung Bonner Bürger nach Vorstellungen von dem, was die Grenzen menschlichen Begreifens übersteigt. Es ist ja keineswegs so, dass die empirisch-rational arbeitenden Wissenschaften diese grundsätzliche Grenze menschlichen Lebens und Denkens je würden aufheben können, auch wenn neue Planeten entdeckt, neue Wellenströme im All nachgewiesen werden, es bleibt immer wieder und immer weiter ein Jenseits des Erfassens und Begreifens für den Menschengeist übrig, ein Bereich, den der Geist zu füllen, zu gestalten versucht. Man muss nicht von Gott und Himmel reden, wie wir es in unseren christlichen Glaubensvorstellungen gewohnt sind, aber man muss gerade als den Wissenschaften verpflichteter und von ihrer
2 Denkweise geprägter Mensch über diese Vorstellungen nachdenken, denn sie bestimmen unser Tun und Lassen. Die Kunstwerke, die seit gestern in diesem Raum versammelt sind, als Assoziationen zum Grundthema Grenzenlos himmlische Perspektiven sie können dem geduldigen Betrachter etwas vermitteln von dem unendlich weiten Raum der Schöpfung Gottes, über die wir auch in diesem Gottesdienst nachdenken. Lassen Sie uns aber nun noch einmal auf das Osterfest zurückblicken und singen: 100 Wir wollen alle fröhlich sein Psalm 8 Kyrie Gloria Kollektengebet Lesung: Mk. 2,23-28 Glaubensbekenntnis Lied: 504 Himmel, Erde, Luft und Meer Neander mit 30 Jahren gestorben. Predigt Lied: 677 Abkündigungen Lied: 461 Aller Augen Fürbitten Abendmahl 421 Verleih uns Frieden
3 Predigt zu Genesis 1 Liebe Gemeinde, in den vergangenen Monaten hatte die evangelisch-theologische Fakultät eine zugleich mühsame und melancholische Aufgabe zu bewältigen: Die Bibliothek des Hans-Iwand-Hauses musste aufgelöst werden. Das Haus an der Humboldtstraße, aus Brandschutz-Gründen nicht mehr bewohnbar, wurde verkauft und inzwischen von privaten Investoren teils wieder hergerichtet, teils nach Abriss neu errichtet, in Eigentumswohnungen aufgeteilt, diese sind inzwischen verkauft. Die Bibliothek, 250 Meter Bücher, wurde zunächst zum Verkauf angeboten, 1 cm Buch ein Euro; einiges wurde verkauft, der beachtliche Rest verschenkt, - und als dann keine Interessenten mehr kamen, wurden die letzten Bücher auf den Müll geworfen. Vor dieser letzten Phase der Entsorgung bin ich immer wieder an den Bücherregalen entlang gegangen und habe noch manches Buch herausgezogen, obwohl ich selbst meine Bibliothek jetzt verkleinern muss, es waren einfach zu viele alte Bekannte aus meiner Studienzeit darunter, Bücher, die ich mir damals gerne gekauft hätte, aber ich hatte nicht genug Geld. Als letztes Buch am letzten Abend vor der Entsorgung zog ich ein Buch heraus, das ich nicht kannte, dessen Titel mich aber reizte: Bücher, die die Welt verändern. Die deutsche Ausgabe wurde von der wissenschaftlichen Buchgesellschaft 1969 herausgegeben, eine solide Adresse, das englische Original 1967, war als Katalog zu einer Industrieausstellung konzipiert, die die Bedeutung des gedruckten Wortes für die westliche Zivilisation an Hand berühmter Bücher darstellte. Das erste Buch unter den über vierhundert genannten Titeln war die Bibel in der Druckfassung von 1455, das erste mit beweglichen Lettern gedruckte Buch, und vor allem das erste Blatt wurde den Ausstellungsbesuchern gleich am Eingang in einer Vitrine vorgestellt: 1 Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. 2 Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. 3 Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. 4 Und Gott sah, dass das Licht gut war.
4 Fiat Lux. Es werde Licht. So ist dann auch die Einleitung zu diesem Katalog überschrieben, der die Bedeutung des gedruckten Buches für die geistige Entwicklung des Abendlandes dokumentiert, angefangen eben bei der ersten mit beweglichen Lettern gedruckten Buchseite: Genesis 1. Und diese Einleitung zu diesem merkwürdigen Katalog vergisst nicht zu erwähnen, dass die Voraussetzung für den Buchdruck die Erfindung des Alphabets war, die vermutlich im Kulturraum von Syrien-Palästina geschehen ist, die Region, in der die Kultur zurzeit schwer leidet. (Das vorletzte Buch in diesem Katalog ist übrigens eine Grundlagenwerk von John Maynard Keynes, Employment, Interest and Money. Liebe Gemeinde, es müssen Wissenschaftler gewesen sein, die diesen Text geschrieben haben, den wir den zweiten Schöpfungsbericht nennen, obwohl er am Anfang der Bibel steht. Er ist so offenkundig systematisch geordneter, als der Bericht von der Erschaffung des Menschen im 2. Kapitel des 1. Mose-Buches, dass die Historiker schon lange der Meinung sind, dieser erste Text sei der zweite Schöpfungsbericht. Die Verfasser haben die Welt, in der sie lebten, beobachtet und gedeutet. Sie waren davon überzeugt, eine Ordnung entdeckt zu haben. Die Unterscheidung von Licht und Dunkelheit, von chaotischer Formlosigkeit als Urzustand und geformter Natur, die Erfindung der 7-Tage-Woche, die Unterscheidung der Lebewesen, bis hin zur Definition einer Sonderstellung des Menschen. Dieser Bericht vom Anfang der Welt ist keineswegs der Anfang aller Dinge und beschreibt auch keine tatsächlichen Vorgänge, das mögen Kreationisten nicht gerne hören, aber dieser Text hat gerade als Nachzeichnung einer differenzierten Sicht der Welt für die Menschheitskultur höchste Bedeutung erlangt, er stellt eine konstruktivistische Meisterleistung dar. Stellen Sie sich einmal vor, wir hätten die 7-Tage-Woche nicht. Wir merken doch an allen Ecken und Enden, wie es dem Menschen schadet, wenn dieser Rhythmus von Arbeit und Ruhe missachtet wird und ohne die Unterscheidung der Tages- und Jahreszeiten wäre die Menschheit völlig orientierungslos, ganz zu schweigen von den brutalen Folterern, die Gefangenen sogar die Unterscheidung von Tag und Nacht entziehen. Die Unterscheidungen der Schöpfungsgeschichte sind uns allerdings so selbstverständlich, dass wir uns anderes gar nicht vorstellen können; deshalb
5 wird die Kunst dieses Textes selten gewürdigt, wohl weiß man, dass der vergleichsweise ältere Schöpfungsbericht im zweiten Kapitel der Genesis längst nicht so kunstvoll und systematisch beobachtet und beschreibt, obwohl auch dieser Bericht vom Garten Eden und der Erschaffung des Menschen eine große gedankliche Leistung darstellt, die aus unserer Kultur nicht wegzudenken ist. Aber der jüngere Bericht über die Erschaffung der Welt in sieben Tagen ist so prägend für unsere Kultur geworden, dass ihn keine Theorie der Entstehung des Weltalls ablösen kann. Es ist jedenfalls kein angemessener Zugang, sich bei den Unzulänglichkeiten des ptolemäischen Weltbildes aufzuhalten, vielmehr gilt es, die systematische Ordnung zu bewundern und nachzuvollziehen, die der Menschheit hiermit geschenkt worden ist, und dabei spielt es für die Bedeutung dieses Textes keine Rolle, ob er Vorläufer oder Vorbilder hatte, Anregungen aus anderen Quellen übernahm. Die Schöpfungsgeschichte der Bibel gibt den Menschen immer neu Anlass und Gelegenheit, die eigenen Vorstellungen vom Himmel zu überprüfen. Diesem Zweck dient unsere Predigtreihe in diesem Semester, diesen Vorstellungen dient auch die Kunst- und Kulturaktion Grenzenlos Himmlische Perspektiven, die wir gestern eröffnet haben; sie dient der Verständigung über zeitgenössische und zeitgemäße Vorstellungen vom Himmel, so wie wir in früheren Jahren bei unseren Schloßkirchenprojekten über das Glaubensbekenntnis, das Gebet und über mein paradies nachgedacht und Vorstellungen in kunstvollen Worten und künstlerischen Formen entworfen haben. Liebe Gemeinde, als Predigttext für den heutigen Sonntag aus dem Alten Testament sieht die Perikopenordnung nur die Höhepunkte des jüngeren Schöpfungsberichts vor, den Anfang und das Ende. Er beginnt, wie gesagt, mit dem ersten Wort Gottes: Fiat lux, es werde Licht. Und er endet mit der Erschaffung des Menschen und mit der Ruhe am 7. Tag. Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau. Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.
6 27 Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau 28 Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht. 29 Und Gott sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise. 30 Aber allen Tieren auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das auf Erden lebt, habe ich alles grüne Kraut zur Nahrung gegeben. Und es geschah so. 31 Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag. 1 So wurden vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer. 2 Und so vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte. 3 Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte. 4 So sind Himmel und Erde geworden, als sie geschaffen wurden. Es war zu der Zeit, da Gott der HERR Erde und Himmel machte. Man kann diesen Schöpfungshymnus in seiner ganzen Schönheit auf sich wirken lassen, man kann aber gerade an diesen letzten Abschnitt noch einen Gedanken anfügen, der das Leben im Alltag betrifft und der mir heute wichtiger ist als die großen Debatten über die Entstehung der Welt und über die Gottebenbildlichkeit des Menschen. Ich wende mich am Anfang eines Semesters vielleicht ein wenig merkwürdig kurz noch einmal der Ruhe zu, dem Sabbat, dem Sonntag. In der Ruhe des Sonntags finden wir den Himmel auf Erden. Man kann diese These für eine Übertreibung halten, zumal aus dem Munde eines evangelischen Pfarrers, über dessen Beruf ja lange Zeit das Spottwort umging, er arbeite nur am Sonntag. Davon ist heute schon lange keine Rede mehr. Aber gerade an der Besonderheit dieser Sonntagsarbeit des Pfarrers kann man ablesen, welche Bedeutung die Ruhe des Sonntags für die Menschen hatte und hat. Denn so sehr es Anstrengung und Konzentration verlangt, eine Predigt, einen Gottesdienst vorzubereiten, so sehr wirkt die Ruhe der gemeinsamen Feier und die Tiefe der Worte, die uns aus der Bibel begegnen auf uns zurück, nicht nur und vielleicht nicht einmal zuerst auf die Gottesdienst-Besucher, sondern viel mehr und zuerst auf die, die den Gottesdienst verantwortlich gestalten, die
7 es erlebt haben und immer wieder erfahren, was es bedeutet, sich in Gottes Wort bergen zu dürfen, was da geschieht, was für ein Freiraum sich da eröffnet: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur oder eben auch dies: Und Gott sprach: Es werde Licht, und es ward Licht! Und erst recht jenes letzte Schöpfungswort: Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte. Keiner muss die Orientierung seines Lebens und die Bedeutung seiner Person aus sich selbst gewinnen: Die Ruhe des Sonntags gibt dem Menschen, was er sich selbst nicht geben kann: Raum, Atem, Stille, und daraus auch Geist! Lassen Sie sich am Anfang einer neuen Phase vielfältiger Aktivitäten, am Anfang dieses Semesters zwischen Modulen und Lehrplänen immer wieder nach dem Segen Ausschau zu halten, der aus Ruhe und Besinnung fließt und sie zu schöpferischer Tätigkeit anregt und ermutigt. Das gebe Gott. Amen.
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