100 Betriebe für Ressourceneffizienz
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- Jörg Kirchner
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1 100 Betriebe für Ressourceneffizienz Exzellenzbeispiele in Baden-Württemberg aus allen Teilen der Wirtschaft Praxisbeispiel der OBE Ohnmacht & Baumgärtner GmbH & Co. KG
2 Feinmechanische Industrie Anguss Rückführung bei der Herstellung von Sicherungsschrauben OBE Ohnmacht & Baumgärtner GmbH & Co. KG, Ispringen Kunststoffumspritzte Mikro-Sicherungsschraube im Größenvergleich Bild rechts: Automatische Zuführung der Schraubenrohlinge in die Spritzgießanlage Technik/Verfahrenstechnologie: Agglomerieren Maßnahme: Integration einer Granulatmühle in einen bestehenden Prozess zur Verwertung von Kunststoffangüssen Ausgangslage und Zielsetzung Die Firma OBE mit Hauptsitz in Ispringen im Nordschwarzwald gehört zu den führenden Herstellern präziser, feinmechanischer Metallteile in hohen Stückzahlen. Insbesondere durch die Entwicklung der Brillengelenktechnik und Mikro-Sicherheitsschrauben hat sich das Unternehmen mit dem Geschäftsfeld Optik als Schlüssellieferant der Brillenindustrie etabliert. Mikro-Sicherheitsschrauben im Größenbereich von M1,2 bis M1,6 aus hochwertigem Edelstahl sind mit einem Sicherheitssystem ausgestattet. Dieses besteht aus hochresistentem und temperaturbeständigem Polyamid, das präzise unter dem Schraubenkopf umspritzt wird. Dies dient dazu, dass sich die Schrauben nicht von alleine lösen können, selbst dann, wenn sie nicht optimal verschraubt wurden. Neben Brillen kommen diese Schrauben auch in Musikinstrumenten, Uhren und elektronischen Geräten zum Einsatz. Beim Umspritzen der Schrauben verbleiben lediglich 2,6 % des eingesetzten Kunststoffgranulats direkt am Produkt, während die übrigen 97,4 % in den Anguss gehen und als Abfall anfallen. Dementsprechend war bei der jährlichen Steigerung der Schraubenfertigung, ein stetig steigender Materialbedarf und damit verbunden auch eine Steigerung der Menge an Kunststoffabfällen zu beobachten. Daher wurde eine Lösung gesucht, die Kunststoffabfälle wiederzuverwenden und die Materialeffizienz spürbar zu steigern. Herausforderung Die Aufbereitung der Kunststoffabfälle sollte produktionsintegriert erfolgen, d. h. der verwendete Kunststoff sollte sich mit wirtschaft- lich vertretbarem Aufwand vom Abfallprodukt Anguss in ein spritzbares Kunststoffgranulat umwandeln lassen. Idealerweise sollte der Kunststoff auch bei mehrmaliger Wiederverwendung seine Eigenschaften nicht verändern, weder am fertigen Produkt noch bei der Verarbeitung mit den vorhandenen Spritzgussmaschinen. Zudem sollte sich die Veränderung in der Fertigung keinesfalls negativ auf die Eigenschaften des Endproduktes auswirken und schließlich galt es, die gewohnte Produktqualität zu erhalten. Idee Mittels einer Mühle sollten die Angüsse zerkleinert und in Granulatform gebracht werden. Dadurch sollten sie sich einmal, möglicherweise sogar mehrmals, mit der vorhandenen Maschinenausstattung zum Umspritzen von Mikro-Sicherungsschrauben verwenden lassen. Hierfür sollte eine geeignete Granulatmühle in den bestehenden Granulatkreislauf integriert werden. Umsetzung Zur Realisierung der Idee fanden zunächst bei verschiedenen Mühlenherstellern Mahlversuche statt. Dabei ergaben sich unterschiedliche Korngrößen des Mahlguts sowie unterschiedliche Staubanteile im Mahlgut. Diese Versuchsergebnisse wurden analysiert und mit den Eigenschaften des neuwertigen Kunststoffgranulats verglichen. Mit dem Mahlgut, das der Neuware am nächsten kam, wurden erste Spritzversuche mit den vorhandenen Spritzgussmaschinen durchgeführt. Die bei diesen Versuchen umspritzten Schrauben wurden eingehenden Produkttests unterzogen, um zu prüfen, ob sich am Endprodukt spürbare Veränderungen einstellen. Nachdem diese Untersuchungen zu einem positiven Ergebnis Auszug aus M. Schmidt et al. (2017): 100 Betriebe für Ressourceneffizienz. Band 1 Praxisbeispiele aus der produzierenden Wirtschaft. Springer-Verlag Berlin Heidelberg.
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4 Feinmechanische Industrie geführt hatten, wurden ausgewählte Kunden mit aus recyceltem Granulat umspritzten Schrauben beliefert. Die ausgewählten Kunden sollten in Praxistests die Ergebnisse der internen Produkttests bestätigen. So konnte nachgewiesen werden, dass die Verwendung von regranuliertem Kunststoff beim Umspritzen keinen negativen Einfluss auf die Funktion im Endprodukt hat. Durch das Granulieren größerer Chargen von Angüssen beim Mühlenhersteller konnten größere Mengen Mahlgut bereitgestellt werden, um die Verarbeitung unter realen Serienbedingungen zu erproben. Bei diesen Testläufen wurden verschiedene Schwierigkeiten identifiziert, für die nach eingehender Analyse nach und nach Lösungen gefunden wurden. Mit der Beschaffung und Inbetriebnahme einer auf diesen Anwendungsfall zugeschnittenen Granulatmühle und der stückweisen Einführung der Verarbeitung des recycelten Kunststoffes konnte die Integration in die Produktion erfolgreich abgeschlossen werden. Einsparungen Bei einmaligem Granulieren von Kunststoffangüssen wird der Materialbedarf und dadurch auch der Abfallanteil beim Umspritzen von Mikro-Sicherungsschrauben halbiert. Gelingt es, den Kunststoff noch öfter wiederzuverwenden, kann die Materialeffizienz entsprechend noch weiter gesteigert werden. Durch das Granulieren der Kunststoffangüsse können jährlich über 1,5 t Kunststoffgranulat eingespart werden. Dementsprechend reduziert sich der Kunststoffabfall um die Menge des recyclierten Kunststoffgranulats. Lernziel Das Projekt zeigte, dass sich die theoretische Projektplanung gegenüber der praktischen technischen Umsetzung wesentlich einfacher gestaltet, da häufig unvorhergesehene Probleme auftauchen. Hierfür ist es ratsam, von Anfang an Realisierungszeit in ausreichendem Umfang einzuplanen. Es stellte sich zudem heraus, dass es wichtig ist, alle Chargen des recycelten Materials und auch der fertigen Versuchsteile deutlich und zurückverfolgbar zu kennzeichnen. Dadurch lassen sich aus späteren Erkenntnissen die richtigen Schlüsse ziehen. Zu besonderen Aha-Effekten führten Erkenntnisse über den Einfluss von Granulattrocknung, Temperatur und Restfeuchte, Staub- Auszug aus M. Schmidt et al. (2017): 100 Betriebe für Ressourceneffizienz. Band 1 Praxisbeispiele aus der produzierenden Wirtschaft. Springer-Verlag Berlin Heidelberg.
5 OBE Ohnmacht & Baumgärtner GmbH & Co. KG, Ispringen anteil, Rieselfähigkeit sowie möglicherweise vorhandener Restmetallanteile auf die Wiederverwendbarkeit des gemahlenen Kunststoffs. Es wurde daher die Mahlanlage mit großem Aufwand konstruiert, um beim Einmahlen der Kunststoffangüsse entstehende Staubanteile und unter Umständen vorhandene einzelne Schrauben aus dem vorhandenen Mahlgut sicher zu separieren. Die Geometrie des Mahlgutes erwies sich ebenfalls als Herausforderung. Hierbei galt es darauf zu achten, dass das recycelte Material rieselfähig zur Spritzgussmaschine zugeführt werden kann. Bei Einführung der Serienfertigung stellte sich heraus, dass bei dem aus Angüssen gemahlenen Granulat besonderes Augenmerk auf die Trocknung zu richten war, da eine prozesssichere Verarbeitbarkeit unmittelbar mit der Restfeuchte des Materials zusammenhängt. Letztendlich führte die intensive Beschäftigung mit diesen Nebenprozessen zur erfolgreichen Wiederverwendung der Angüsse. Unternehmen Das im Jahr 1904 gegründete international tätige Familienunternehmen OBE Ohnmacht & Baumgärtner GmbH & Co. KG ist seit 1996 nach ISO 9001 und ISO/TS zertifiziert und betreibt seit Jahren ein professionelles Umweltmanagement nach ISO sowie EMAS. Weltweit beschäftigt OBE 450 Mitarbeiter, davon rund 200 am Hauptsitz in Ispringen, und ist mit Tochterunternehmen in Italien, Hongkong und China sowie Repräsentanzen weltweit vertreten. Seit April 2016 hat OBE die bisherige Beteiligung am asiatischen Brillenscharnierhersteller GLOBE Precision Ltd. zu 100 % übernommen. OBE kann zahlreiche Patente im Bereich der Brillenindustrie sein eigen nennen und beweist damit eine große Innovationskraft. Über 100 Mio. Sicherungsschrauben werden pro Jahr gefertigt Nicht nur in jeder Ray-Ban-Brillenfassung stecken die OBE- Sicherungsschrauben OBE Ohnmacht & Baumgärtner GmbH & Co. KG Turnstraße 22 D Ispringen Projektmanagement Optik info@obe.de Auszug aus M. Schmidt et al. (2017): 100 Betriebe für Ressourceneffizienz. Band 1 Praxisbeispiele aus der produzierenden Wirtschaft. Springer-Verlag Berlin Heidelberg.
6 Das Projekt 100 Betriebe für Ressourceneffizienz wurde 2013 von der Allianz für mehr Ressourceneffizienz zwischen den führenden Wirtschaftsverbänden des Landes Baden- Württemberg und der Landesregierung initiiert. Zu der Allianz gehören das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, der Landesverband der Baden- Württembergischen Industrie e.v. (LVI), der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag e. V. (BWIHK), der Verband der Chemischen Industrie e. V. (VCI), Landesverband Baden-Württemberg, der Verband Deutscher Maschinen und Anlagenbauer Baden-Württemberg (VDMA) und der Zentralverband Elektrotechnik und Elektroindustrie (ZVEI), Landesstelle Baden-Württemberg. Das Projekt wird gemeinsam vom Institut für Industrial Ecology (INEC) an der Hochschule Pforzheim, der Landesagentur Umwelttechnik BW und dem Institut für Arbeitswissenschaften und Technologiemanagement (IAT) der Universität Stuttgart durchgeführt. Die präsentierten Beispiele wurden sorgfältig geprüft und von einer Jury aus Mitgliedern der beteiligten Allianzpartner ausgewählt. Die Initiative soll aufzeigen, wie Ressourceneffizienz konkret umgesetzt werden kann und welcher Nutzen damit verbunden ist. Sie wird die bisherigen Aktivitäten zur Ressourceneffizienz im Land mit konkreten, vorzeigbaren Ergebnissen unterstützen und auf die operative Handlungsebene bringen. Damit sollen weitere Unternehmen zum Mitmachen gewonnen werden. Die 100 Exzellenzbeispiele sollen über Baden-Württemberg hinaus Strahlkraft entfalten und die Leistungsfähigkeit der einheimischen Wirtschaft unterstreichen. Ziel ist es, die Exzellenzbeispiele repräsentativ, öffentlichkeitswirksam und beispielgebend hervorzuheben und darzustellen. Weitere Informationen über das Projekt: Kontakt zum Projektteam: Prof. Dr. Mario Schmidt, Dr.-Ing. Hannes Spieth, Die Seiten sind ein Auszug aus dem Buch Mario Schmidt, Hannes Spieth, Joa Bauer, Christian Haubach: 100 Betriebe für Ressourceneffizienz, Band 1 - Praxisbeispiele aus der produzierenden Wirtschaft. Verlag Springer Spektrum Die Arbeiten zu diesem Projekt wurden im Rahmen des Forschungsprojektes FZK L mit Mitteln des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg gefördert.
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