Jan Zrzavý Hynek Burda David Storch Sabine Begall Stanislav Mihulka. Evolution. Ein Lese-Lehrbuch. 2., vollständig überarbeitete Auflage
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- Karola Busch
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1 Evolution
2 Jan Zrzavý Hynek Burda David Storch Sabine Begall Stanislav Mihulka Evolution Ein Lese-Lehrbuch 2., vollständig überarbeitete Auflage
3 Jan Zrzavý Südböhmische Universität České Budějovice České Budějovice, Tschechische Republik Hynek Burda Abt. Allgemeine Zoologie FB Biologie und Geographie Universität Duisburg-Essen Essen, Deutschland Sabine Begall Abt. Allgemeine Zoologie FB Biologie und Geographie Universität Duisburg-Essen Essen, Deutschland Stanislav Mihulka Südböhmische Universität České Budějovice České Budějovice, Tschechische Republik David Storch Center for Theoretical Study Karlsuniversität Prag Praha 1, Tschechische Republik ISBN DOI / ISBN (ebook) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Springer Spektrum Springer Verlag Berlin Heidelberg 2009, 2013 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Planung und Lektorat: Frank Wigger, Dr. Meike Barth Redaktion: Susanne Warmuth Grafiken: Jan Burda Satz: Marie-Therese Bappert Einbandabbildung: Motive der Tafel "Ascidiacea" von Ernst Haeckel ( ) Ernst-Haeckel-Haus, Friedrich- Schiller-Universität Jena Einbandentwurf: deblik, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer Spektrum ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media.
4 Vorwort zur zweiten Auflage Es war abzusehen, dass der Buchmarkt im Jahr 2009 anlässlich des Darwin- Jahres * mit einer Vielzahl an neuen populärwissenschaftlichen Büchern und Lehrwerken zum Thema Evolution überschwemmt würde. Auch unser Lese- Lehrbuch befand sich unter den Neuerscheinungen, und wir fürchteten, dass es in der Masse untergehen könnte. Glücklicherweise war unsere Sorge unbegründet, denn schon nach kurzer Zeit erhielten wir etliche positive Rückmeldungen sowohl zum Inhalt als auch zur außergewöhnlichen Illustration des Buches **. Nicht nur Studierende verschiedener Biologie-Studiengänge meldeten sich, sondern auch Lehrende (an Hochschulen und Schulen) sowie interessierte Laien. Unser Buch hatte das gewünschte Zielpublikum tatsächlich erreicht. An dieser Stelle möchten wir allen Rezensentinnen und Rezensenten danken, die unser Lese-Lehrbuch lobten und/oder konstruktive Kritik übten. Die meisten Anregungen haben wir nach sorgfältiger Prüfung aufgegriffen und umgesetzt, sofern sie sich nicht widersprachen oder zum jetzigen Zeitpunkt nicht realisierbar waren. Neben der Korrektur kleinerer Fehler und der Klärung von Unstimmigkeiten haben wir uns vor allem auf Aktualisierungen der Inhalte konzentriert. Letztere betreffen insbesondere die Kapitel 2, 5 und 6. Neu hinzugekommen sind unter anderem weitere Aspekte zu den Themen Epigenetik, Evo-Devo, adaptives menschliches Verhalten und Evolution in Aktion. Die meisten Kapitel wurden um Abbildungen und eine Vielzahl an neuen Kontroll- und Verständnisfragen ergänzt. Hinweise auf etwaige Mängel oder Anregungen können Sie gerne per an uns oder den Verlag senden. Den an der Erstellung des Lese-Lehrbuchs beteiligten Mitarbeitern des Spektrum-Verlags, vor allem Frank Wigger und Dr. Meike Barth, sei an dieser Stelle für ihren tollen Einsatz sowie für die konstruktive und unkomplizierte Zusammenarbeit gedankt. Wir danken Frau Warmuth für das vorbildliche Lektorat, Marie-Therese Bappert für den Einsatz beim Setzen und Thilo Schramm für die Durchsicht der Korrekturen. Waren wir in der 1. Auflage noch als Herausgeber der deutschen Ausgabe aktiv, so freuen wir uns nun, mit den drei tschechischen Originalautoren ein gemeinsames Autorenteam zu bilden, das dieses Werk auch international weiterentwickeln wird. Hynek Burda und Sabine Begall (für das gesamte Autorenteam), Essen, Juli 2013 * Im Jahr 1809 wurde Charles Darwin geboren, und 50 Jahre später (1859) erschien sein Hauptwerk On the Origin of Species (Über die Entstehung der Arten). ** Jan Burda, der sämtliche Grafiken der ersten Auflage erstellt hat, arbeitet mittlerweile als digital artist an vielen Fernsehproduktionen und Hollywood-Filmen mit. Zwei der Produktionen, an denen er beteiligt war, erhielten für die visuellen Effekte den Oscar (Hugo Cabret, 2012) bzw. Emmy (Game of Thrones 2, 2012).
5 VII Vorwort zur ersten Auflage Vor etwa drei Jahren begannen wir, im Rahmen der Vorlesung Evolution der Biodiversität einige Kapitel aus dem Buch Jak se delá evoluce unserer tschechischen Kollegen Zrzavý, Storch und Mihulka ins Deutsche zu übersetzen und darüber zu referieren. Da dieses Material bei den Studenten sehr großen Anklang fand, bauten wir allmählich die gesamte Vorlesung auf dem Buch auf. Doch viele der Studierenden fragten schon bald (spätestens als sie anfingen, sich für die Prüfungen vorzubereiten), wo sie all das, was sie gehört hatten (und gerne noch mehr), nachlesen könnten. In den verfügbaren deutschsprachigen Lehrbüchern sei Vieles aus der Vorlesung nicht zu finden. Unsere Verweise auf die zahlreichen Bücher insbesondere von Richard Dawkins, Stephen J. Gould oder Matt Ridley, die auch auf Deutsch erschienen sind, auf einschlägige Artikel aus Spektrum der Wissenschaft oder auf englische Bücher und Originalartikel aus Fachzeitschriften befriedigten die Studenten nicht. Und auf unsere tschechische Quelle konnten wir natürlich nur scherzhaft hinweisen. 700 Studierende, die in den letzten drei Jahren unsere Vorlesung gehört und mit großem Interesse nach dem zugehörigen Buch gefragt haben, können sich nicht irren So entstand die Idee, dieses Werk komplett zu übersetzen und damit auch einem größeren Publikum zugänglich zu machen. An populärwissenschaftlichen Büchern in deutscher Sprache zu evolutionsbiologischen Themen mangelt es nicht. Auch einige Lehrbücher von deutschen Autoren sind auf dem Markt. Die Grundideen, Begriffe und Interpretationsschemata der Evolutionsbiologie kennen und nutzen oder missbrauchen inzwischen viele Menschen. Ist es in dieser Situation überhaupt noch möglich und sinnvoll, etwas Neues zu schreiben? Warum waren wir (und auch unsere Studierenden) von dem tschechischen Buch so begeistert? Erstens: In populärwissenschaftlichen Werken vertreten die Autoren üblicherweise jeweils nur ihre Ideen und ihre jeweilige Disziplin. In den Büchern von Stephen J. Gould werden Sie kaum Informationen über Molekularevolution finden, von Richard Dawkins wenig über phylogenetische Zwänge erfahren. Andererseits finden Sie in den gängigen Lehrbüchern kaum Informationen über Dawkins oder Gould und ihre Thesen. Zweitens: Das vorliegende Buch unterscheidet sich in vielen Punkten von einem klassischen Lehrbuch. Die Autoren behandeln zwar ebenfalls die Grundlagen der Evolutionsbiologie, erklären aber darüber hinaus auch, was es eigentlich bedeutet, über die Evolution etwas zu wissen *, d. h. sie befassen sich auch mit den Methoden und den Gedankenschritten, die zu den jeweiligen Schlussfolgerungen führten. Der Titel Jak se evoluce ( Wie man Evolution macht ) ist doppelsinnig: Er beinhaltet zum einen die Frage, wie Evolution abläuft (Wie wird sie realisiert, wie kommt sie zustande?), und zum anderen die Frage, wie wir sie nachvollziehen und begreifen, d. h., wie wir die evolutionäre Geschichte rekonstruieren. Die Evolutionsbiologie wird als ein * Anspielung auf die in der Evolutionsbiologie berühmte Debatte, bei der der Paläontologe Colin Patterson seinen Zuhörern die Frage stellte:»gibt es eigentlich etwas, das Sie über Evolution wissen?«(s. 154)
6 VIII Fach präsentiert, das in großem Maße von Hypothesen abhängt. Das ist zwar in anderen Wissenschaftsdisziplinen ähnlich, aber in der Evolutionsbiologie müssen wir uns mehr als anderswo dessen stets bewusst sein. Die Evolution ist nämlich nicht direkt sichtbar, sondern lässt sich allenfalls aus dem Sichtbaren (re)konstruieren. Das Buch zeigt aber auch, dass die Evolutionsbiologie keine reine Spekulation ist und nicht einfach so entsteht, wenn der Mensch nach Feierabend bei einem Glas Wein über das Wesen der Natur nachdenkt. Viele der Schlussfolgerungen, zu denen die Menschen intuitiv gelangten, erwiesen sich nämlich nach Anwendung von rigorosen Methoden als Irrtum. Dass die Giraffe einen langen Hals hat, um an die Baumkronen zu gelangen, deren Blätter sie frisst, ist ja intuitiv durchaus plausibel... Die letzten Jahrzehnte haben wesentliche Änderungen im evolutionsbiologischen Denken gebracht. Dank der Fortschritte bei den Labortechniken und Interpretationsmethoden nähert sich Darwins Traum von einem kompletten Stammbaum aller Lebewesen mit unerwarteter Geschwindigkeit seiner Erfüllung. Gleichzeitig und nicht weniger lawinenartig verstärkt sich die Sicherheit, dass man ohne Hypothese über die genealogischen Verwandtschaften der Organismen, mit denen wir uns gerade beschäftigen, keine glaubwürdigen evolutionären Schlussfolgerungen ziehen kann. Erst der Stammbaum liefert uns eine Vorstellung davon, wie oft ein bestimmtes evolutionäres Ereignis stattgefunden hat, mit welchen anderen Vorkommnissen es verbunden war, welche der beobachteten Eigenschaften der Organismen die ursprünglichen und welche von den ursprünglichen abgeleitet sind. Damit verbunden sind unter anderem auch Fragen nach der Richtung der Evolution und der Unumkehrbarkeit dieser Veränderungen. Ohne Stammbaum können wir über den allgemeinen Verlauf der Evolution nur spekulieren. Es ist also kein Wunder, dass die heutigen Evolutionsbiologen von Stammbäumen genauso besessen sind wie die Tolkien schen Hobbits ( S. 146). Umso wichtiger ist es aber zu wissen, wie solche Stammbäume eigentlich erstellt werden und wie man sie für evolutionäre Überlegungen nutzen kann. In populärwissenschaftlichen Büchern und auch in vielen Evolutionsbiologie-Lehrbüchern erfährt man darüber nur wenig. Allzu oft wird dagegen Evolution mit Erdgeschichte bzw. Naturgeschichte synonymisiert oder verwechselt. Das vorliegende Buch erläutert die allgemeinen Prinzipien der Evolution an Beispielen konkreter Arten (auch des Menschen) und ihrer Geschichte, und es zeigt, wie und warum dies erforscht wird. Wir fragen, wie man die phylogenetischen Beziehungen zwischen den Organismen untersucht und was sich daraus ableiten lässt, wie evolutionäre Neuheiten entstehen, ob die Eigenschaften der Organismen zweckmäßig sind und wie man das erkennen kann, oder warum die Organismen alles so kompliziert machen und noch dazu auf so viele verschiedene Weisen. Dieses Buch hat zunächst den Charakter eines Lesebuchs, in dem der Leser in relativ kurzen Kapiteln viel über Evolutionsbiologie erfährt. Doch wie jedes Lesebuch und der Leser möge sich bitte an sein erstes derartiges Buch erinnern hat es das Potenzial, mehr zu lehren als manches Lehrbuch. Es öffnet dem Leser die Augen, weckt Erstaunen, zwingt zum Nachdenken, langweilt nicht. Damit der Leser die Diskussionen aber besser nachvollziehen und in ein
7 umfassenderes Gedankengebäude einordnen kann, haben wir die eigentliche Übersetzung um vielerlei lehrbuchtypische Elemente erweitert. So entstand ein unorthodoxes Lese-Lehrbuch. Während in einem klassischen Lehrbuch interessante, lesebuchartige Texte meist in Boxen präsentiert werden, bilden sie in unserem Buch den Hauptteil, stattdessen ist der typische Lehrtext hier eher in den Boxen zu finden. In manchen dieser Kästen wird der im Haupttext angesprochene Inhalt vertieft, in anderen finden sich Definitionen und Klassifikationen. Zu Beginn eines jeden Kapitels werfen Fragen einen Blick voraus auf die im Folgenden zu erwartenden Inhalte und regen zugleich zum Nachdenken über den eigenen Kenntnisstand an. Prüfungsrelevante Verständnisfragen finden Sie jeweils am Kapitelende. Kurze Texte in der Randspalte fassen die wichtigsten besprochenen Konzepte, Entdeckungen und Befunde noch einmal auf einen Blick zusammen. Ein Glossar der Schlüsselbegriffe (deutsch und englisch) sowie eine Auswahl weiterführender Literatur erwarten Sie am Ende des Buches. Zu einem Lern- und Lesebuch gehören natürlich auch Illustrationen, doch da das Original nur spartanisch bebildert war, haben wir es auch in dieser Hinsicht erweitert. Der unkonventionelle, frische Stil des Textes findet dabei seine Entsprechung in modernen Illustrationen, die ebenfalls vom üblichen Lehrbuchstandard abweichen. Des Weiteren wurde das Original für die vorliegende Ausgabe aktualisiert und um einige neue Abschnitte ergänzt. Schließlich gibt es insbesondere für Dozenten, die entsprechende Vorlesungen halten, eine DVD mit allen Abbildungen des Buches (ISBN ). Das Buch hält sich nicht allzu lange mit der Wiederholung von Schulstoff auf, obwohl es auch auf altbekannte Konzepte und Klassiker der Evolutionslehre, wie Atavismen und Rudimente, Homologiekriterien, die Evolution der Pferde, Haeckels Biogenetisches Grundgesetz, Fossilien, eingeht. Doch gerade mit diesen Schlagwörtern verbinden die Kreationisten und die Propheten des Intelligenten Designs Evolution, und vor allem gegen diese Konzepte führen sie ihren Heiligen Krieg. Manche davon sind tatsächlich, wie wir sehen werden, heute bereits überholt (wenn auch nicht in dem Sinn, wie es sich die Kreationisten vorstellen); häufig wurden sie aber auch zu vereinfacht verstanden oder dargestellt, und einige sind für die moderne Evolutionsbiologie schlicht uninteressant geworden. Unter anderem zeigt sich darin, dass die von Darwin vorgestellte Evolutionstheorie keineswegs ein Dogma darstellt, sondern stetig weiterentwickelt wurde und wird. Wir haben bei der Übersetzung versucht, den leichten, frischen, oft provozierenden Schreibstil der Autoren beizubehalten. Provokationen ob sprachlicher oder ideologischer Natur gehören zur Evolutionsbiologie einfach dazu. Haben Darwin, Dawkins, Gould oder Wilson ihre Zeitgenossen nicht auch provoziert? Soziobiologen haben die Gesellschaft und einen Teil der wissenschaftlichen Gemeinschaft nicht nur mit ihren Ideen, sondern auch mit der Sprache, die sie in die Fachliteratur einführten, schockiert. Manche, früher als unzulässig geltenden Anthropomorphismen (Vermenschlichungen) sind heute Bestandteil der soziobiologischen Fachsprache: So benutzt man Begriffe wie Betrug, Damenwahl, Dieb, Helfer, Königin, Mafia, Mord, Pirat, Sklave, Treue, Untreue, Vergewaltigung und viele mehr auch bei der Beschreibung IX
8 X von Verhaltensweisen und Verhaltensstrategien von Tieren. Einige wichtige evolutionsbiologische Konzepte und Hypothesen haben zudem seltsame Namen wie egoistisches Gen, Grünbart, Rote Königin oder tit for tat, und man spricht vom Krieg der Geschlechter, vom Gefangenen-Dilemma und Ähnlichem. Eine bildhafte Sprache ist heute in vielen Zweigen der Naturwissenschaften durchaus nicht mehr verpönt, und wenn sie das Verständnis fördert, ist sie für ein Lehrbuch wie dieses geradezu ein Desiderat. Wenn man auf die Geschichte der Evolutionsbiologie zurückblickt, mag sich eine grundsätzliche Frage aufdrängen: Wir alle wissen aus alltäglicher Erfahrung, dass die Welt in einem ständigen Wandel begriffen ist: Wetter und Klima ändern sich täglich, neue Häuser werden gebaut, Städte wachsen, Regenwälder schrumpfen. Doch warum hat niemand vor Darwin auf dieser Banalität eine Theorie aufgebaut? Jedem Gärtner oder Bauern ist bewusst, dass auf einem Beet oder Feld nur eine begrenzte Anzahl von Pflanzen wachsen kann und dass das Unkraut mit den Nutzpflanzen um den verfügbaren Raum konkurriert. Jeder Gärtner kämpft mit diesem Unkraut, und weil auch nicht alle seine Sämlinge auf den beschränkten Platz passen, lässt er nur die Stärksten wachsen. Allein aufgrund dieser banalen Erfahrung hätte jemand schon die Selektionstheorie formulieren können doch auch heute noch haben wohl die meisten Gärtner auf der Erde diese Erfahrung nie verallgemeinert (und vielleicht noch nicht einmal von Darwin gehört). Nachdem Thomas Henry Huxley ( S. 14) Darwins Manuskript zum Origin of Species (Über die Entstehung der Arten) gelesen hatte, war seine Reaktion:»Wie dumm, dass ich nicht darauf gekommen bin.«die Autoren, die Herausgeber und der Verlag wünschen Ihnen bei der Lektüre dieses etwas anderen Lehrbuchs viel Freude und einen entsprechenden Lernerfolg. Und falls Sie sich bisher schon über manche Eigenschaften der Organismen gewundert haben, werden Sie, nachdem Sie die evolutionäre Erklärung dieser Eigenschaften kennengelernt haben, noch mehr staunen. Danksagung Wir danken unseren Kollegen Dr. Philip Dammann und Dr. Marcus Schmitt sowie unseren Doktorandinnen Marie-Therese Bappert, Angelica Garcia Montero, Julia Neef, Charlotte Schielke und Anika Schinköth für eine erste Korrektur, kritische Bemerkungen und bestätigende und motivierende Rückmeldungen. Unseren Kollegen Prof. Dr. Daniel Hoffmann (Bioinformatik), Dr. Christian Johannes (Genetik) und Dr. Christiane Wittmann (Botanik) danken wir für das fachliche Lektorat und wichtige Ergänzungen. Herrn Hoffmann haben wir zudem eine komplette Box zu verdanken. Wir bewundern die fachlichen und allgemeinen Kenntnisse und das Feingefühl für Sprache(n) der Lektorin, Susanne Warmuth; ihre kritischen, aber stets konstruktiven Fragen, Bemerkungen, Korrekturen, Vorschläge wirkten sich äußerst positiv auf die deutsche Ausgabe des Buches aus. Herrn Frank Wigger (Spektrum-Verlag), der das Projekt von
9 XI Anfang an begleitete, sind wir zutiefst für sein Vertrauen, sein Engagement bei der Durchsetzung, Weiterentwicklung und Realisation des Buchprojekts verbunden. Er hat zusammen mit Frau Dr. Meike Barth (Spektrum-Verlag) wesentlich bei der Gestaltung des Buches mitgewirkt. Für ihre Geduld aber auch den ausgeübten konstruktiven Arbeitsdruck danken wir vielmals. Nicht weniger Geduld und Nachsicht brachte uns Marie-Therese Bappert entgegen, die unsere sich ständig ändernden Vorstellungen bei der Gestaltung des Layouts des Buches umsetzte ( Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln! ). Ihre fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen sowie ihr Kunsttalent haben auch das Gesicht des Buchs geprägt. Ein elementarer Bestandteil des Buches sind die Illustrationen den Tribut hierfür zollen wir Jan Burda. Sein Know-How, seine Erfahrung, Geduld und die Bereitschaft, auf unsere Vorstellungen einzugehen, lernten wir schon in der Zusammenarbeit bei früheren Buchprojekten schätzen. Bei diesem Buch hatte er jedoch mehr künstlerische Freiheit, die er nutzte, um den Illustrationen, dem frischen Stil des Textes entsprechend, seine eigene Handschrift zu verleihen. Wir danken Richard Dawkins, Niles Eldredge, Walter J. Gehring, Dame Valerie Jane Goodall, Richard C. Lewontin, Lynn Margulis, Simon Conway Morris, Eviatar Nevo, Svante Pääbo, Matt (Matthew) White Ridley, Adolf Seilacher, Robert Trivers, Christiane Nüsslein-Volhard, Elisabeth Vrba, Frans de Waal, Edward O. Wilson, George C. Williams und Amotz Zahavi für ihr Interesse an dem Buchprojekt, die Genehmigung sie zu porträtieren und die Bereitstellung von Illustrationsunterlagen. Nicht zuletzt möchten wir an dieser Stelle unseren Ehepartnern und Familien für ihre Unterstützung, ihr Verständnis und ihre Geduld unsere tiefste Dankbarkeit aussprechen. Hynek Burda und Sabine Begall, Essen, Juli 2009 Jan Zrzavý Hynek Burda David Storch Sabine Begall Stanislav Mihulka
10 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung Geschichte, Evolution und Evolutionsgeschichten Proximate Mechanismen und ultimate Ursachen Adaptive Landschaften Genetik und Neodarwinismus Postneodarwinismus und Genozentrismus Phylogenese Kontroll- und Verständnisfragen Selektion und Zufall Neodarwinistisches Repetitorium Harte und weiche Selektion Sexuelle Selektion I: gute Gene Sexuelle Selektion II: Handicap Sexuelle Selektion III: Mode Strategie und Stabilität Die Rote Königin evolutionäres Wettrüsten Altruismus versus Egoismus Verwandtenselektion und Familienprotektion Kooperation zwischen nichtverwandten Individuen Kooperative und kompetitive Spiele Gene und Phänotyp Erweiterter Phänotyp Von Parasiten zu sich durchsetzenden Genen Das sich durchsetzende Geschlecht Chimären Der Grünbart-Effekt Evolution ohne DNA Zufall und neutrale Evolution Neolamarckismus Neodarwinismus nach sechzig Jahren Kontroll- und Verständnisfragen Phylogenese Wie entstand der Mensch? oder Warum wir die Phylogenese brauchen Die nominalistische und die realistische Auffassung der Systematik Individuum und Klasse Homologie Revolution in der Systematik Phänetik Kladistik
11 XIV Inhaltsverzeichnis 3.8 Wie erstellt man ein Kladogramm? oder Der Merkmalskonflikt Merkmalsqualität und kladistische Analyse Phylogenese und Paläontologie Die Rekonstruktion der Anagenese Molekulare Systematik Evolutionsgeschwindigkeit Zur Phylogenese der (Säuge-)Tiere Kontroll- und Verständnisfragen Evolutionäre Neuheiten Kambrische Explosion Baupläne Wie entstanden die Wirbeltiere? Neue Baupläne: Wurzelkrebse, Myxozoa, Henrietta Lacks und CTVT Evolutionsgeschwindigkeit: Entstehung der Wale und Milchverdauung Gene und Evolution Evo-Devo I: Wie baut man eine Fliege? Evo-Devo II: Flügel, Beine und Tagpfauenaugen Ursprung der morphologischen Vielfalt der Pflanzen Neuralleiste: versteckte Vielfalt der Wirbeltiere Die Evolution der Augen MacGyver-Prinzip I oder Wie bildet sich eine Augenlinse? MacGyver-Prinzip II oder Milch und die Entstehung neuer Moleküle Morphologische Transformation und Ontogenese Heterochronie Heterochronie und Evolution Ist die frühe Ontogenese konservativ oder instabil? Nichtreduzierbare Komplexität Kontroll- und Verständnisfragen Adaptation Fallbeispiel I: Beine, Lungen und Gehirne Fallbeispiel II: männliche Homosexualität Fallbeispiel III: der Giraffenhals Geschlechterverhältnis: Adaptation und Stabilität Adaptation, Geschichte und Funktion Wie studiert man Adaptationen? Adaptation und Kladistik Exaptation Nichtadaptationen Fallbeispiel IV: Zwerg-salamander Fallbeispiel V: Tüpfelhyänen Adaptation, Pleiotropie und kulturelle Evolution
12 Inhaltsverzeichnis XV 5.13 Historische Barrieren Spandrillen Adaptationen oder Spandrillen? Kontroll- und Verständnisfragen Vielfalt Galápagos-Inseln und afrikanische Seen Was ist eine Art? Artenvielfalt der Erde Wie sind die Arten voneinander getrennt? Wie wird die Artbildung vollendet? Geographische Isolation und Zerfall der Arten Die Rolle der Umwelt für die Evolution der Vielfalt Die Entstehung der Arten und die sexuelle Selektion Die Ursachen der ökologischen Divergenz Wie viele Nischen gibt es? oder Kann man die Entwicklung der Vielfalt vorhersagen? Aussterben von Arten Gelegenheit macht Diversität Verlauf der Radiationen Die Beziehung zwischen Anagenese und Kladogenese Artenselektion Schlüsselneuheiten evolutionäre Innovationen von ausschlaggebender Bedeutung Die Geschichte der Diversität: ein Auf und Ab Die Quellen der heutigen Diversität Die Zukunft der Diversität Kontroll- und Verständnisfragen Zwei Epiloge Fortschritt, Evolution und (menschliche) Geschichte Rätsel Glossar Literatur Index
13 Jeder Gärtner, der ein Beet jätet, sieht sich (zumindest unbewusst) mit den grundlegenden Prinzipien des Darwinismus konfrontiert: Angenommen auf einem Beet gäbe es mehr junge Pflanzen, als dort verbleiben können, wenn sie ausgewachsen sind. Der Gärtner weiß, dass verschiedene Pflanzen derselben Art durchaus unterschiedliche Eigenschaften besitzen und daher auch unterschiedliche Chancen haben, in Zukunft erfolgreich zu sein (z. B. erfolgreich hinsichtlich der Menge und Qualität der Früchte, die sie produzieren). Und so unterscheiden sich auch ihre Überlebenschancen, wobei jeder Gärtner hofft, dass die guten Eigenschaften der Pflanzen, die er auswählt, auch an ihre Nachkommenschaft übertragen werden ( S. 15). (Bild in Anlehnung an eine Illustration von J. apek zum Buch von K. apek: Das Jahr des Gärtners, 1929)
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